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Tagesneuigkeiten.

** Calw, 21. Mai. Tie hiesige freiwillige Feuerwehr beendigte mit der gestrigen Haupt- Übung ihre Frühjahrsübungen. Die Musterung der Mannschaften und der Geräte fand wie ge­wöhnlich auf dem Brühl statt, die Hebungen wurden in der Ledergasse am Hause von Seifensieder Hauber abgehalten. Die Bewohner des Hauses mußten mittelst der mechanischen Leiter gerettet werden, da das Treppenhaus vom Feuer ergriffen war. Musterung und Hebung zogen eine große Zuschauer­menge an, die der Feuerwehr immer wieder neues Interesse abzugewinnen weiß. Die sich anschließende Generalversammlung wurde im Bad. Hof abgehalten. Tie Beteiligung war schwach. Der Kommandant, Hr. Glasermstr. Häußlcr, begrüßte die Versammlung und erstattete den Rechenschaftsbericht des vergange­nen Jahres. Ausgetreten sind aus der Feuerwehr 31 Alaun (meist Alters halber), gestorben sind 2 Mann, neu eingetreten 30 Mann. 2 Mitglieder erhielten das Tienstehrenzeichen für 25jährige Dienstzeit (Privatier P. Bozenhardt und Bäckermeister Essig). Ihre Verdienste wurden durch einHoch" gefeiert. Drei­mal trat die Feuerwehr im vergangenen Jahr in praktische Thatigkeit und erwarb sich in allen Fällen durch ihre umsichtige rasche Hilfe und durch auf­opfernde Arbeit große Verdienste und den Dank der Einwohnerschaft der Stadt. Besondern Aus­druck gaben ihrem Tank die ev. Vereinsbuchhandlung und die Bewohner dcS Dr. Zahn'schcn Hauses durch reiche Beiträge zur Vereinskassc mit 100 resp. 50 Für diese großen Gaben wurde in der Versammlung der Tank in gebührender Weise zum Ausdruck gebracht. Im letzten Winter wurden über die strengste Kälte von der Feuerwehr Sicherheits­wachem gestellt. Sodann streifte der Kommandant in seinem Bericht das gesellige Leben der Feuer­wehr, die Jubiläumsfeierlichkeiten und dankte der Stadt nochmals für die große Unterstützung, die der Feuerwehr aus diesem Anlaß zu teil wurde. Die Fest­kosten beliefen sich auf 404Das Vereinsvermögen der Feuerwehrkasse hat um 57 ^., das der Unter­stützungskasse um 820 zugenommen. Die Pausen zwischen den einzelnen Berichten füllte die Stadt­kapelle in schönster Weise durch ihre Vorträge aus, besonders gefiel der von Musikdirektor Frank kom­ponierte Jubiläumsmarsch.

* Calw, 22. Mai. Die K unstmühle von Adolf Lutz ging bei der letztmaligen Versteige­rung an den Bankier Fould in Pforzheim um 90 000 über. Bei dem heute stattgefundenen Verkaufe derKanne" bot die Stadtgemeinde für das Anwesen in der Salzgasse und für das Baumgut an der Altburger Steige die Summe von 31 050 unter Vorbehalt einer 3tägigen Bedenk­zeit. Sollte die Stadtgemeinde nach Ablauf dieser Frist das Anwesen nicht erwerben wollen, so würden die Gebäude um 26 000 Eigentum von Schmied Ehr. Stürmer werden.

* Calw, 22. Mai. Infolge der anhaltenden Trockenheit ist der Preis des Heues neuerdings gestiegen. Heute wurde der Zentner zu 4 ver­kauft. Die Vorräte an Dürrfutter sind sehr gering.

sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.j Am 17. Mai d. I. ist von der Evangelischen Ober- schulbchörde die erste Schulstelle in Simmozheim, Bezirks Calw, dem Schullehrer Kömpf in Enna- beuren, Bezirks Münsingen, übertragen worden.

Reutlingen, 20. Mai. Tank der regen Teilnahme, deren sich das Unternehmen der Auf­führung eines Volksschauspiels im Honauer Thal erfreut, ist eS möglich geworden, die Aufführungen, wie geplant, schon zu Pfingsten zu bewerkstelligen. Doch auch in den großen Sommer­ferien wird an den meisten Sonntagen (nachmittags) eine Aufführung stattfinden, nachdem morgens die Beleuchtung der Nebelhöhle vorausgegangen ist. Der Ausschuß, unter dem Vorstand des das Unter­nehmen in hervorragender Weise fördernden Wohl- thäters der ganzen Gegend, des Fabrikanten Ernst Laiblin in Pfullingen, hat eine rege Thätigkeit ent­faltet, und auch der Verfasser des Stückes, Direktor Lorenz, hat die Proben in dankenswertester Weise geleitet. Die Teilnahme der Bevölkerung ist groß. Unentgeltlich kommen die Mitspielenden teil­weise siebzigjährige Greise von der Alb pflichteisrigst herbei, und spielen mit einer Wärme und einem Geschick, die man den sonst so häufig etwas phlegmatischen und steifen Schwaben kaum Zutrauen sollte. Die sehr stattliche Fest- spielhalle, deren Front die Gestalt eines alten Herrenschlosses hat, ist aus dem Boden förmlich emporgeschoffcn. Sie wird für fast 2000 Personen Raum bieten. Alles, was sich den Besuchern dieser Gegend und dieser Spiele bieten wird, wird den Stempel einer gewissen Originalität haben. Neben dem königlichen Hof wird an einem der Spieltage, wie aus bester Quelle verlautet, auch der Kaise r das Thal und den Lichtenstein besuchen.

Ulm, 13. Mai. Der kürzlich verstorbene Dr. Greiß am hiesigen Realgymnasium hat ein Vermögen von 90000 hintcrlasscn, ohne daß es bis jetzt gelungen wäre, erbberechtigte Verwandte des Verlebten aufzufinden. Greiß war von Calw gebürtig, hat früher große Reisen gemacht und sich später als Junggeselle zum Sonderling entwickelt, der in übergroßer Sparsamkeit jeden Lebensgenuß verschmähte. Sein Vermögen wird voraussichtlich dem Fiskus verfallen.

Haag, 21. Mai. Wie verlautet, ist an den Präsidenten'K rüger eine Depesche von Frau Botha eingetroffcn, in welcher dieselbe ihre demnächstige Ankunft ankündigt und mittheilt, daß sie mit einer wichtigen F-riedensmission betraut sei. Wie über London aus Kapstadt gemeldet wird, ist Frau Botha auf ihrer Reise nach Europa daselbst einge­troffen.

London, 21. Mai. Wie amtlich berichtet wird, fand eine Anzahl Gefechte in der Kapkolonie statt. Die Buren weigerten sich größtenteils, den Kampf aufzunehmen. Doch ist es ihnen trotzdem gelungen, mehrere englische Patrouillen abzusangen.

Berlin, 21. Mai. Nach einer Meldung ans London wurde gestern im Unterhause das Gerücht verbreitet, daß Kitchener erklärt habe, wenn die Regierung nicht größere Ver­stärkungen schicke, werde er das Kommando niederlegen.

Tmnsahrt des Turnvereins Calw.

Wenn das erste Grün sich zeigt und die ersten Blüten von der lieben Sonne wachgeküßt, das Auge erfreuen, dann treibt es den Städter aus der dum­

pfen Schreibstube und der staubigen Werkstätte hinaus in Gottes herrliche Natur und giebt ihm die Lust zum fröhlichen Wandern.

Der Turnverein, der neben der Pflege rein körperlicher Uebungen auch auf den Geist seiner Mitglieder einzuwirkcn sucht und die Freude an der Natur namentlich bei seinen jüngeren Mitgliedern fördern will, hat deshalb auch, wie alljährlich, so auch Heuer, das H i m m e lf a h rts f e st erwählt, um einen schönen und dabei doch billigen Turngang zu unternehmen, zu dem er auch die Turngenössen von Hirsau und Liebenzell, sowie von Altburg, wo neuerdings bei den jüngeren Einwohnern erfreulicher­weise das Turnen Eingang gefunden hat, eingeladen hatte. Früh 6 Uhr gings mit Trommelschlag zur Stadt hinaus, die Altburgcr Steige hinauf und über Spetzhardt nach Röthenbach, wo zugleich mit uns 32 Turner von Hirsau, Liebenzell und Altburg einmarschierten.

In der stattlichen Stärke von nun 81 Manu gings auf direktem Fußweg über die alte Wein­straße nach Agenbach, wo in dem durch seine Weine und seine gute und freundliche Bedienung wohlbe­kannten Gasthaus zumLamm" nach 2 ^ständiger Wanderung die erste Rast gemacht und der bei Vielen noch nüchterne Magen befriedigt wurde.

Nach cinstündigcm Aufenthalt wurde von Agenbach und seinen freundlichen Bewohnern, die in großer Zahl sich eiugefunden hatten, Abschied genommen und gleich hinter dem Ort direkt den steilen Waldhang hinab zum Enzlensbächle gestiegen und entlang desselben durch prächtigen Hochwald bei der Agenbacher Sägmühle in das schöne im saftigsten Grün prangende Kleinenzthal eingebogen. In flottem Marschtempo gings mit Trommclschlag stolz an der Wirtschaft zumKleinenzhof" vorbei, obwohl mancher dem Locken der freundlichen Wirts­leute, welche die Wirtschaftstische schnellstens in Stand setzten, kaum wiederstehen konnte. Um 12'/- Uhr wurde Calmbach erreicht, wo im schönen Saal derKrone" ein Essen parat stand, wie es hungrigen Turnermägen um so billigen Preis wohl selten ge­reicht wird. An den leeren Schüsseln und Platten mögen die freundlichen Wiütsleute wohl am besten gesehen haben, wie herrlich es ihren Gästen mundete und sei denselben auch an dieser Stelle für ihre vorzügliche Bewirtung nochmals herzlichster Dank gesagt und dieses Gasthaus allen Erfrischungs- bedürftigen bestens empsohlen.

Punkt 3 Uhr wurde zum Abmarsch geblasen und in direktem Aufstieg gings in Schweiß gebadet im Gänsemarsch den sogenannten Fßcherpfad hinaus nach Schömberg, das mit seinem neuen Sanatorium und den vielen neuen Villen einen stattlichen Ein­druck hinterließ. Beim Anblick der vielen Kranken wird wohl Mancher der Turngenosscn den Vorsatz gefaßt haben, der Turnerei, die den Körper stärkt und gegen Krankheiten widerstandsfähiger macht, auch für die Zukunft treu, zu bleiben.

In gutem Marschtempo wurde um 5V- Uhr Liebcnzell erreicht und nach einem kurzen Abschieds­schoppen im Gasthaus zumOchsen" trafen sämtliche Teilnehmer abends 8 Uhr gerade noch vor Eintritt des Regens, der schon den ganzen Tag gedroht hatte, in Calw wieder ein, wenn auch mit müden Füßen, so doch hochbesriedigt, von der schönen, 9- stündigen Fußwanderung. -r.

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Nein," antwortete Jane mühsam mit'gepreßter Stimme.Sieh ich glaube. Miß Durham hat das Spiel gewonnen," fügte sie hinzu, um die Aufmerksamkeit der Kleinen von sich abzulenken. Dies gelang ihr auch, das Kind wendete seine Augen von dem bleichen Gesicht ab und verfolgte lebhaft das Spiel.

Jane kämpfte mit aller Kraft gegen die sie überkommende Ohnmacht; vor ihren Ohren rauschte es gleich mäcktig brausendem Wasser, welches über sie herein­zubrechen schien; bald heiß, bald kalt, zitterte sie an allen Gliedern und behauptete mit Mühe ihren Sitz; ihre Lippen waren trocken, ihre Augen trübe und naß; die Zelte, die frohen Gesichter, die bunten Gewänder, die Felder und grünen Bäume, alles war verworren und in steter Bewegung, die Musik erklang dumpf und fern. Nur eines sah sie klar und deutlich vor sich das schöne, etwas blasierte Gesicht eines jungen Mannes, welcher an Mrs. Thorntons Seite stand und mit einem müden Lächeln den Spielenden zusah. Sie hatte ihn sofort er­kannt. Es war das Gesicht desjenigen, welcher sie vor mehr als Jahresfrist von der Station abgeholt, welcher sie dann in dem matt erleuchteten Zimmer in seine Arme geschlossen und ihr zugeflüstert hatte, daß er sie heiß und innig liebe, und welcher so bald danach, an jenem Abend auf der mondbeschienenen Terrasse, ihr erklärte, er wünsche sie nie mehr wieder zu sehen.

Er sah sie jetzt nicht, und sie dankte Gott dafür und hoffte, daß es nicht geschehen werde. Und wenn er sie dennoch bemerken sollte, würde er sie sicher nicht erkennen, sie hatte sich ja so verändert l O, ganz sicher, er würde nicht erraten, daß das kleine, blasse, schwarzgekleidete Mädchen Jane wäre einst seine Jane.

Als einige Zeit vergangen war, und Janes Nerven sich etwas beruhigt hatten, ließ sie ihre Augen auf seinem Antlitz haften und sah, daß auch er ver­ändert war. Er war mager geworden und sah abgespannt, lebensmüde aus; fein Gesicht war dunkel gebräunt, wie vom Aufenthalt in heißen Zonen; aber dennoch, so wie er war, sah er schön aus, schöner als all die andern ihn um­gebenden Herren, stattlicher, edler, reifer. Er beobachtete das Spiel sehr aufmerksam und verfolgte die graziösen Bewegungen Alice Durhams fast unausgesetzt,und Jane bemerkte, wie Alices Augen den seinen mit einem freundlichen Blick begegneten.

Da ertönte in ihrer Nähe die Frage:Wer ist der große, grau gekleidete Herr mit der gelben Rose im Knopfloch? Ich meine den eleganten, jungen Mann, welcher neben Mrs. Thorntons Stuhl steht."

Es ist einer von Marwicks Gästen," war die Antwort.Sieht er nicht schön und vornehm aus? Ich glaube, bemerkt zu haben, daß Mrs. Thornton sehr liebenswürdig zu ihm ist. Er soll reich sein und wäre sicher eine gute Partie für die niedliche Miß Durham, welche selbst kein Vermögen hat."

Ein mattes Lächeln glitt über die Lippen der bleichen, kleinen Gouvernante. Als ob das Geld Einfluß hätte auf Harry Dates' Gesinnung! Wenn Alice nur wahr und treu ist! Und sie schien ja beide: zu sein, treu und gut. Dazu war sie niedlich, sanft und graziös; wenn er sie heiratete, würde sie glücklich sein und auch ihn glücklich machen. Aber wie sollte sie, Jane, es ertragen, das Glück der beiden mit anzusehen! Jane, die ihn immer noch so innig liebte, die ihn lieben würde, so lange eine Spur von Leben in ihr wäre!

All diese langen Monate hindurch hatte sie nichts von ihm gehört. Bald nach dem Tode ihres Bruders hatte sie einen kurzen, sehr freundlichen Brief von Lady Dates erhalten, in welchem diese ihr Beileid bezeigte und ihre Unter­stützung anbot. Aber Jane bebte zurück vor dem Gedanken, irgend welche Hilfe von Sir Harrys Mutter anzunehmen. Sie beantwortete den Brief sehr höflich und schrieb, daß sie sich entschlossen habe, eine ihr von Freunden angetragene Stelle anzunehmen. Lady Dates' Interesse an Jane war nicht groß genug, um wieder zu schreiben, und so war jede weitere Mitteilung abgebrochen.

Als das tödliche Ohnmachtsgefühl vorüber ging, versuchte Jane, den neuen, ihr bevorstehenden Kampf ins Auge zu fassen, sie wollte tapfer und mutig kämpfen und ringen. Sie konnte sehr gut eine Begegnung mit Sir Harry vermeiden, selbst wenn er nach Thornton-Hall kam; denn es bestand eine breite Kluft zwischen Mrs. Thorntons Gästen und der Gouvernante. Aber wie hart war das Geschick gegen sie, daß es ihr von neuem solche Kämpfe auferlegte!

(Fortsetzung folgt.)