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Die Bestimmungen über die Gepäck-Er­leichterung sind nunmehr bekannt gegeben. Es sind folgende Abänderungen beabsichtigt, welche allerdings erst nach Prüfung der einzelnen Uniformierungen allgemein eingeführt werden sollen.

Der Waffenrock soll an Stelle des Steh­kragens einen Umschlagkragen erhalten, der nicht am Halse, sondern oben an der Brust zugefaßt wird. Die Rockschöße werden hinten und ein wenig verkürzt. Statt der Binde wird ein Kragenstück an das Hemde geknöpft.

Das Kali ko Hemd wird durch ein Trikot­gewebe ersetzt.

Die Stiefel erhalten leichteres Leder für die Schäfte und leichteren Beschlag.

Die Unterhofen werden so zugeschnitten, daß sie im Quartier als Oberhose getragen werden können.

Der Helm wird kleinere Beschläge aus Aluminiumbronze erhalten.

Die Tournist er werden erleichtert, mit beweglichen Trageriemen ohne Gestell hergestellt. Zeltzubehör und Lebensmittelbeutel, in welchem die eisernen Portionen Platz finden, werden unter der Tornisterklappe befestigt und unten seitlich des Tornisters zwei leicht zugängliche Taschen für je 1 Patronenpaket angebracht.

Dafür fällt die Hintere Patrontasche fort, jedoch nehmen die vorderen Taschen je 3 (statt 2) Pakete zu 15 Patronen auf. Die Blech­einsätze werden beseitigt.

Die Leibriemen und Säbeltaschen werden */- cm schmaler geschnitten als bisher.

Das Kochgeschirr besteht (bereits fest­stehend) aus geschwärztem Aluminium.

Das Brotbeutelband soll, um den Druck auf der Brust zu vermeiden, auf den Märschen im Brotbeutel getragen werden.

Der Mantel wird im Rücken und in den Aermeln nicht gefüttert, der Schnitt enger, die Aermelaufschläge schmaler gemacht.

Die Drillich Hose fällt fort. Für den Winter ist Ersatz vorgesehen.

Die Handschuhe werden nur für kältere Jahreszeiten ausgegeben.

Das Putzzeug ist um 200 Gramm zu verringern.

Das Seitengewehr macht einem um 4500 Gramm leichteren Modelle Platz.

Bon der Taschenmunition werden 30 Patronen auf Wagen nachgeführt.

Die mitzutragenden Gemüse-Konserven werden um 400 Gr. verringert.

An Schanzzeug wird der Truppe soviel zugeteilt, daß jede Kompagnie nur noch 50 Spaten. 10 Beilpicken und 5 Beile mitführt, die man den stärkeren Leuten mitgeben wird.

Die gesammte Gepäckerleichterung wird 1314 Pfund betragen.

Die beabsichtigten Aenderungen werden bei 10 Bataillonen vom Mai ab erprobt und mit dem Schluß der Herbstübungen auch die Proben abgeschlossen werden.

In Bezug auf obige Bestimmungen wird in derKr-Ztg." noch bemerkt, daß die In­fanterie in Oesterreich pro Mann 28,9, in Italien 26, in Frankreich 28,5, in Rußland 29,5 Kg. trägt, so daß die deutsche Ausrüstung mit zu­sammen 26,1 Kg. eine der leichtesten sein wird. An Patronen nehmen die Infanteristen mit: in Oesterreich 100, Italien 96, Frankreich 120, und Rußland 84 Stück, so daß der deusiche Soldat mit 90 Stück etwa in der Mitte steht.

Württemberg.

Stuttgart. 5. April. Heute fand die Vermählung des Prinzen Johann Georg von Sachsen, zweiter Sohn des Feldmarschaüs Prinz Georg, mit der einzigen Tochter des Herzogs Philipp von Württemberg, Prinzessin Maria Jsabella, statt. Der Bräutigam, eine schlanke hoch aufgeschossene, aber kräftige Figur, macht überall einen recht günstigen Ein­druck, die Braut gut mittelgroß, ist eine hübsche gewinnende Erscheinung, welche durch ihren liebenswürdigen Verkehr mit jedermann noch bedeutend gehoben wird. Es fand zuerst die Ziviltrauung durch den Minister des Kgl.

Hauses, Ministerpräsidenten Dr. Frhr. v. Mitt­nacht und dann in dem zu einer Kapelle um­gewandelten großen Saale des Kronprinzen­palais die kirchliche Trauung durch den Bischof von Rottenburg Dr. Wilhelm v. Reiser statt, welchem Professor Dr. Keppler von der katholisch- teologischen Fakultät in Tübingen und Stadt­pfarrer Mangold von der Stuttgarter Eberhardts­kirche assistierten. Leider war es I. M. der Königin nicht vergönnt, an den Hochzeitsfeier- l lichkeiten irgendwie teilzunehmen, da die hohe Frau an einem zwar nicht gefährlichen aber äußerst schmerzlichen Fußübel erkrankt ist, das sie nötigt, andauernd das Bett zu hüten. Auch der Vater der Braut, Herzog Philipp von Württemberg befindet sich etwas unpäßlich und konnte deshalb am Dienstag an dem so überaus glänzend verlaufenen Hofball nicht teilnehmen. Der Oheim des Bräutigams König Albert von Sachsen, welcher erst vor kurzem eine schwere Krankheit durchgemacht hat, konnte nicht er­scheinen, wohl aber die Königin Carola von Sachsen. Vom österr. Kaiserhaus waren er­schienen: Erzherzog Ludwig Viktor, Bruder des Kaisers Franz Josef, in Stellvertretung des Letzteren, Erzherzog Albrecht der Großvater der Braut und Erzherzog Otto, der Schwager des Bräutigams. Am Freitag beginnen die Gäste allmählich abzureisen.

Stuttgart, 5. April. Heute Nachmittag 3 Uhr reiste das Neuvermählte Paar Prinz Johann Georg von Sachsen mit Gemahlin mittelst Sonderzugs über Jmmendingen in die Schweiz. Die Königin von Sachsen reist heute Abend 9 Uhr 3 Minuten im eigenen Salonwagen mit Orient-Expreßzug nach Baden- Baden ab.

Münsingen, 2. April. Der noch ziem­lich rüstige 87jähr. Stricker Götz feierte heute mit seiner 79jähr. Gattin das Fest der dia­mantenen Hochzeit; ihre Tochter beging zugleich ihre silberne Feier und der Enkel führte seine junge Braut zum Traualtar.

Zustand.

Wien. 4. April. DerPolit. Korr." zu­folge ist Papst Leo XIII. über einen jüngst in der Kasse des Peterspfennigs entdeckten Fehl­betrag von 137 000 Franken sehr ungehalten. Die Stellung des Obmanns des Peterspfennig- Ausschusses, Kardinals Mocenni, gilt als sehr erschüttert.

Der Schweizer Bundesral wollte zur Aufbesserung der Staatsfinanzen behufs Deckung der gesteigerten Militärausgaben ein Zünd­hölzchenmonopol einsühren. Der Ständerat hat dieses Projekt bereits genehmigt, der Nationalrat aber hat es mit einer einzigen Stimme Mehr­heit verworfen.

Die Franzosen wollen in ihrer Artillerie neue Feldgeschütze einführen, deren Feuerge­schwindigkeit 45 Schuß in der Minute be­tragen soll. Innerhalb 3 Jahren soll die ganze französische Artillerie die neuen Geschütze haben; der Kostenaufwand beträgt die Kleinigkeit von 324 Milk. Franken. welche Summe das franz. Parlament ohne ein Wort des Widerspruchs be­willigen wird.

Paris, 5. April. Eine gestern in Tivoli- Vauxhall abgehaltene Versammlung von 18 000 Inhabern von Panama-Obligationen, be­ziehentlich deren Beauftragten, beschloß die Gründung eines gesetzlichen Syndikats der Obli» gationsbesitzer, sowie die Bildung einer Ge­sellschaft zur Vollendung des Panama- Kanals mit einem Kapital von 60 Millionen Francs. Die Versammlung nahm eine Ent­schließung an, der zufolge das Syndikat beauf­tragt wird, sich mit der Verwaltung der Panama- Liquidation betreffs Vollendung des Kanals zu verständigen. 20 Millionen Franken wurden von der Versammlung für die erste Subskription gezeichnet. (Das ist ein Beweis, daß man in Paris trotz alledem noch sehr viel Geld, aber vielleicht noch mehr Mut haben muß.)

Paris, 5. April. In dem an der Ecke der Rue Conda und der Rue Vangirard gegen- über dem Palais Luxembourg gelegenen Cafe Fayau platzte gestern abend gegen 9 Uhr mit

heftigen Knall ein Sprenggeschoß, welches auf eine Fensterbank gelegt worden war. Alle Fensterscheiben des Gebäudes, sowie der benach. barten Häuser wurden zertrümmert. Drei Kellner des Kaffeehauses und ein Gast wurden ver­wundet. Der Verbrecher ist entkommen.

Rom, 4. April. Sicherem Vernehmen nach wird die Zusammenkunft des deutschen Kaisers mit dem König Italien am Frei­tag den 6. April in Venedig stattfinden. Der deutsche Kaiser wird sich auf feinem Schiffe Moltke" von Abbazia nach Venedig begeben. Von Rom aus wird auch der deutsche Bot­schafter bei Quirinal v. Bülow aus dieser Zu­sammenkunft nach Venedig reisen.

Petersburg, 4. April. DerRegier­ungsbote" bringt eine Mitteilung über die jüngste Zollpolitik Rußlands. In dieser heißt es: Der Reichsrat erkenne den Abschluß des deutsch-russischen Handelsvertrags als ein neues Unterpfand des europäischen Friedens an. Der Vertrag sei wünschenswert in politischer Bezieh­ung und in gleicher Weise vorteilhaft in wirt­schaftlicher Hinsicht.

London, 4. April. DerTruth" zu­folge beabsichtigt die Königin Viktoria, nächsten Freitag von Florenz aus Abbazia zu besuchen. Sie will zur Besichtigung der vom deutschen Kaiserpaar bewohnten zwei Villen einen Hof- bcamten hinschicken.

Shanghai, 4. April. Heute Nacht sind im Eingeborenen-Stadtteil ca. 1000 Häuser ab­gebrannt.

Telegramme an den Enzthäler.

Karlsruhe, 5. April. Eine gestrige Wiener Nachricht über eine Reise des Kaisers hierher hängt mit einer beabsichtigten Auer­hahnjagd bei Gernsbach zusammen.

Berlin, 5. April. Der Kaiser reist am 12. April nach Wien, am 14. April nach Karls­ruhe von da nach 3tägigem Aufenthalt nach Coburg und am 20. April nach der Wartburg.

Berlin. 5. April. Nach derPost" wird in Reichstagskreisen beabsichtigt, im Reichstage eine Ansprache über die vielberusenen Angriffe des Kladderadaisch gegen Beamte des Aus­wärtigen Amtes herbeizuführen.

Berlin, 6. Apr. Dem Lokalanz. zufolge soll das hiesige Bismarck-Denkmal die Gestalt einer Marmorstatue erhalten und im Vestibül an der Westfront des Reichstagsgebäudes Auf­stellung finden.

Pest, 6. Apr. Anläßlich des bevorstehenden Bcsuchs des Kaisers Franz Josef werden groß­artige königstreue Demonstrationen geplant.

Rom, 6. April. König Humbert ist in Begleitung des Handelsminffters Roselli und seines Militärstabes um I Uhr nachts nach Venedig abgereist, wo seine Ankunft heute früh 6 Uhr erfolgte.

Petersburg. 6. Apr. Auf dem Schwarzen Meere wütet ein heftiger Sturm; mehrere Schiffe sind untergegangen, 6 Personen ertrunken, gegen 20 werden vermißt. Man befürchtet, daß auch sie ertrunken sind.

Vermischtes.

Pestj 28. März. Wohlfeile Küsse gab es wie der Pester Lloyd schreibt am Mon­tag und Dienstag in Nagyalmügy im Araber Komitat. Dort herrscht nämlich der eigenartige Brauch, daß die jungverheirateten Frauen sich , am Josefi- und darauffolgenden Tage auf dem Marktplatze versammeln, um Herren und Bauern gleichermaßen Küsse für Geld anzubieten. Da der Preis eines Kusses sehr bescheiden und das Aussehen der Offerenlinen sehr acceptabel war, gingen die heißen Küsse so reißend ab, wie die warmen Semmeln. Man notierte auf dem Markte von 4 bis 20 Heller je nach Alter und Aussehen der Geberinnen.

(Weiter Weg.) Herr (dem bei Basel eine Wurst in den Rhein gefallen):Ha, wird der Seehund sich freuen, der die aufschnappt!"

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.