Federn zv müssen, um das zweifelhafte Vergnügen zu genießen, sich hier durchrütteln zu lassen. Gottlob, daß es wenigstens ein Courier- zug ist, und die kleineren Stationen mit Verachtung gestraft werden. Ah! das dritte Zeichen, komm, gieb mir rasch noch einen Kuß!" Die große kräftige Gestalt des Hauptmannes wurde einen Moment von zwei weichen Armen umschlungen. die kleine Frau drückte ein paar herzhafte Küsse auf seine bärtigen Lippen. „Ich hoffe, Dich in Berlin abholen zu können!" meinte er, die zierliche Figur fest an seine Brust pressend, „grüße die Schwestern, ackio — aäio!" Hauptmann Roth hatte kaum Zeit, seiner Frau diese Worte noch nachzurufen, erst langsam, dann immer schneller, immer schneller setzte sich der Zug in Bewegung! — Frau Roth, die ihrem Gatten noch einige Male zugenickt hatte, seufzte erleichtert auf und machte es sich auf ihrem Platze bequem. Da das Licht in der Decke sie blendete, zog sie den blauen Schirm herab. Eine wohlige Wärme durchströmte ihren Körper, sie lehnte den Kopf zurück und versuchte zu schlafen.-
„Wie viel schöner wäre es gewesen, wenn Roth gleich mitgefahrcn wäre," begann sie für sich zu reflektiren. „Aber so sind diese Ehemänner! Kaum drei Jahre verheiratet, vermögen sie sich ganz ruhige Tage, ja Wochen von den Frauen zu trennen — und als Bräutigam!?" lieber das rosige Gesicht der kleinen Frau Roth zog bei dieser Erinnerung ein Heller, freudiger Schimmer. - Hauptmann Roth war damals noch Premierlieutenant, er verkehrte sehr viel in dem Hause seines Vorgesetzten, des Obersten von Werner, übte doch das muntre Töchtcrlein desselben einen unwiderstehlichen Zauber auf ihn aus, der sogar so an Macht gewann, daß er dem Töchterlein auf Tod und Leben die Kur schnitt. „Roth! Mein lieber Roth!" flüsterte die junge Frau innig, während sich ihre Augenlieder, vom Schlaf befallen, senkten. Plötzlich schreckte sie entsetzt zusammen; sie fühlte, wie eine eisige Hand sie berührte; ein paar glänzende, schwarze Augen starrten sie unheimlich an, cs war die Reisegefährtin, die sich über sie geneigt hatte und deren heißer Atem ihre Stirne streifte. „Was soll das heißen?" stieß die junge Frau unwillig hervor, während sie sich bemühte, die kalten Hände der Unheimlichen von sich abzustreifen, die sich gleich Schlangen um ihren Arm gespannt hatten. „Warum dieses Komödiespielen von Dir," entgegnete honlachend eine heißere Stimme, „Vorsicht ist gut, sehr gut, aber bei mir nicht nötig, auch ich gehöre jenem Bunde an, dessen Wahlspruch lautet: Tod den Unterdrückern! Wir beide werden gemeinsam unserem Ziele entgegen gehen!" Die junge Frau drückte die Hände auf das Herz, dessen Schläge ihr Schmerzen verursachten, so bange und wild tobte es in ihrer Brust! Was wollte jenes unheimliche Weib, welches in den schwarzen Gewändern und mit den verworrenen Reden, einen fürchterlichen, Grausen erregenden Eindruck auf sie machte, von ihr? „Sie scheinen mich mit einer anderen Dame zu verwechseln," begann sie, ihren Ton mit Mühe zur Ruhe zwingend. „Für eine Andere? Glaubst Du, ich kenne Dich nicht, Charlotte Corday — ah, erschrick nicht, ich will Dich schützen vor Marats Rächerhänden, Du darfst den Häschern nicht zum Opfer fallen, bevor mein großes Werk ge- than ist! Ach, wie sie ihm huldigen, dem Großen, dem Allmächtigen, wie sie die Stirn' zur Erde neigen, diese Heuchler und Speichellecker — puh! Wie er sich aufbläht im Selbstbewußtsein seines ungeheuren Wertes — hei, wie der Wagen an ihnen vorüberrollt, in welchem der Mächtige der Unterdrücker sitzt, lustig fliegt der Schmutz unter den rollenden Rädern hervor, um die gebeugten Häupter zu demütigen, sie mit Kot zu bespritzen, doch was ist das für ein Weib, das sich unbemerkt zwischen die gaffende Menge gedrängt hat? — Sie strebt dem offenen Wagen zu, mit festem Griff holt sie die Pistole hervor, die sie in den Kleidcrfalten verborgen hielt, Haß und Zorn gegen den Unterdrücker bewahren ihr den Mut, kalt und sicher zu zielen — seht, ein Knall — ein gellender Aufschrei und der
Herrscher liegt in seinem Blute!" Die junge Frau war, von einer entsetzlichen Ahnung erfaßt, von dem Sitz gesprungen. Die soeben mit fieberhafter Hast hervorgesprudelten Worte der bleichen Unbekannten hatten gleich einem Blitz ihr Hirn durchzuckt, der Gedanke wirkte lähmend auf die Aermste, cs war eine Irrsinnige, mit der sie gezwungen war. die Fahrt zurückzulegen, Gott mochte wissen, wie lange! Kalte Schweißtropfen perlten von der Stirn der Geängstigen nieder, wie langen konnten sie gefahren sein?
— Sie nestelte mit bebenden Händen ihre Uhr aus dem Gürtel — ach erst eine Viertelstunde! Die nächste Station wurde voraussichtlich erst in einer halben Stunde erreicht. „Gott errette mich vor diesem entsetzlichen Weibe," rang es sich verzweifelt von ihren bleichen Lippen.
Die Jrsinnige hatte bis dahin aus dem Coupeefenstcr gestarrt, der grauende Morgen kämpfte siegreich mit der weichenden Nacht, dampfende Nebel stiegen aus den vorüberfliegenden Feldern auf, blutig rot glühte im Osten der Sonnenball, dessen Strahlen das Gesicht der am Fenster Stehenden in Glut tauchte. „Ach wie sie mich fesseln und binden" zischte diese, sich jäh umwendend und die Erschreckte mit funkelnden Blicken messend.
„Kennt das Volk Dankbarkeit? — Ich opf're mich für die gute Sache, für wen? — Für sie — und was ist der Lohn, sie werfen mich zu Boden nieder, zerren mich mit rohen Händen an den Haaren, nun, Charlotte Corday ist die Zeit herangenaht, um mir zu Hilfe zu kommen! Du hast es dem Geheimbunde geschworen, sprich, wie gedenkst Du mich zu retten?
— Die Fragende sah die geängstigtc Frau erwartungsvoll und prüfend an, diese hatte einmal gehört, daß es gut sei auf die Ideen der Wahnsinnigen einzugehen. „Ich werde Dich um jeden Preis zu retten suchen," antwortete sie, sich mühsam zwingend, gefaßt zu erscheinen, Ueber das Antlitz der Jrsinnigen glitt ein beifälliges Lächeln.
„Ich wußte es ja, daß Du dem Schwure treu sein würdest, Du kennst doch das Losungswort? Es ist die Farbe des Geheimbundes!" Sie beugte sich weit vor und starrte der jungen Frau gespannt ins Gesicht! „Das Losungswort stammelte die vor Angst Gefolterte „ich habe es vergessen" — „Vergessen? Du lügst," kreischte die Wahnsinnige und umspannte zornig mit ihren dürren Händen das zarte Gelenk der Entsetzten. „Soll ich darum mein Geheimnis preisgegeben haben, um von Dir verraten zu werden? Glaubst Du ich lasse dich dann lebend aus meinen Händen entkommen? Du wirst das Losungswort nennen, Du mußt es kennen, wenn Du dem Bunde angehörst, weißt Du es nicht, so bist du des Todes!" Die also Gepeinigte schrie bei diesen Worten auf. „Haben Sie Erbarmen mit mir," flehte sie, „kein Wort soll über meine Lippen kommen, ich schwöre es Ihnen, nur lassen Sie mir mein junges Leben," heiße Thränen strömten aus denAugenderBittenden, sie dachte an den Gatten, den sie vielleicht nie wieder sehen sollte, wenn jenes rasende Weib sie töten würde. „Dein Flehen ist umsonst." antwortete die Irre mit tiefer Stimme, „nur die Nennung des Losungswortes kann Dich retten, kannst Du es nicht sagen, bist Du eine Verräterin und mußt sterben." Ein langgezogener Pfiff verkündete die Nähe der ersten Haltstation. Die junge Frau faltete mit Entzücken die Hände, nur noch wenige Sekunden, und sie war von diesem Weibe befreit. Doch die Irre hatte den frohen Gesichtsausdruck wahrgenommen, mit einem katzenartigen Sprunge stürzte sie sich auf die laut um Hilfe Rufende, die krallenartigen Hände legten sich um den Hals der fast besinnungslosen Frau. „Glaubst Du so leichten Kaufes davon zu kommen," höhnte die Irre, „Du sagst das Losungswort, oder dies? Hände pressen Dir die zarte Kehle zu." „Roth! Roth!" schrie die Geängstigte, den Gatten in namenloser Qual rufend. „Roth," jauchzte die Irre auf, und ließ die Hände sofort von dem Halse ihres Opfers gleiten, sie öffnete mit blitzenden Augen den schwarzen Mantel, unter demselben trug sie eine brennend rote Schleife gleich einem Ordens
bande an der Brust befestigt. Der Zug stand, die Koupeethür wurde aufgeriffen. «Retten Sie mich," flehte die junge Frau und taumelte dem erschrockenen Schaffner in die Arme. Die Frau des Bahnhofsrestaurateurs räumte gefällig ihr tz Bett für die zum Tode Erschöpfte ein. dieselbe war nur aus Sekunden aus der Ohnmacht erwacht, sie nannte dem Stationsvorsteher mit leiser Stimme die Adresse ihres Gatten, um dann sofort wieder in tiefen Schlaf zu verfallen. ' Als sie erwachte, sah sie den Galten an ihrem Lager stehen, den man telegraphisch benachrichtigt hatte. „Roth, mein lieber Roth," murmelte sie ^ selig. „Meine arme, kleine Frau," entgegnete dieser, das blonde Haar seiner Frau aus der Stirn streichend, wie mußt Du Dich geängstigt haben! Aber sei nur ruhig, wir werden, wenn Du Dich stark genug fühlst, die Fahrt gemeinsam fortsetzen!
Frau Roth hatte den Kopf an die Schulter ihres Gatten gelehnt, sie schauderte leise zusammen als sie an die entsetzliche Fahrt dachte.
„Ist jene Frau entkommen," fragte sie mit beklommener Stimme und sah angstvoll zu dem Gatten auf. „Du kannst unbesorgt sein," antwortete der Gatte, die Hände der kleinen Frau sanft streichelnd. „Jene Unglückliche war einer Heilanstalt entflohen, wurde aber hier auf der Station schon erwartet, da man ihre Flucht sofort wahrgenommen, die Aermste befindet sich bereits wieder im Jrrenhause. So viel ich erfahren konnte, soll der Vater revolutionärer Umtriebe zum Opfer gefallen sein, der Tod des Vaters bewirkte zuerst bei der Tochter Tiefsinn der zuletzt in Tobsucht überging!" Nach Verlauf von zwei Stunden war es Frau Roth möglich, mit ihrem Gatten vereint die Reise forlzusetzen, jedoch denkt sie noch häufig mit Entsetzen an jene Fahrt im Courierzuge. ^
Ostern!
Run wieder klingt Iveit durch die Lande Der ewig-hehre Osterrus —
Er sprengt die starren Eisesbande,
Die Winters Macht vor Monden schuf,
Und weckt dafür ein frohes Leben Ringsum in Wald und Hain und Flur, !
Das schier wie zauberisches Weben !>»
Erfüllt die hoffende Natur!
Du Osterhauch, mit deinem Walten —
Wie dringst du auch ins Herz hinein,
Wie weißt in ihm du zu entfalten Der Hoffnung steten Rosenschein —
Auf's Neue hilfst du offenbaren,
Was keines Menschen Geist ermißt,
Auf's Neue soll die Welt erfahren,
Daß endlos Gottes Liebe ist!
O sei gegrüßt in deiner Wonne,
Du gnadenreicher Ostertag,
Willkommen, hehre Ostersonne, '
Die du beglänzst den jungen Hag —
Laß neuen Frühling du entsprießen In jeder schmerzdurchbebten Brust,
Woll' frischen Mut in sie ergießen,
' Ihr schenken neue Lebenslust!
Auflösung des Rätsels in Nr. 45.
Olive. Simplom. Troubadour. Europa.
Rudolf. Eden. Johannes. — Osterei.
Richtig gelöst von Eugen Oelschläger in Birkenseld.
Einladung zum Aboiineiiiciü
auf den j
Gr»;thklor.
Mit dem 1. April 18S4 beginnt ein neues Quartal und damit auch ein neues Abonnement auf den Enzthäler. Die Bestellungen wollen bis 28. d. Mts. bei der bisherigen Bezugsquelle erneuert werden, wenn keine Unterbrechung in dem Empfang des Blattes eintreten soll.
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AMti-n tt. Httlsg jnWlM.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.