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Ein Ostergruß.
Früher als in anderen Jahren zieht das liebe Osterfest wieder ins Land. Schon bei seinem Namen weilet sich jedes christliche Herz, zieht ein inneres Frühlingsgefühl durch jede Seele. Denn Ostern bedeutet: Leben. Sieg, Hoffnung! Nicht umsonst taucht das Osterfest aus dem Dunkel und aus dem Ernst der Passionszeit hervor. Aus dem Tode erblüht das Leben, aus dem Leiden und Sterben des Erlösers, als des Hauptes, das Leben seiner Glieder. Ich lebe und ihr sollt auch leben! das ist die herrliche Lebensbotschaft Christi an die Seinigen. Das Leben des von Gott losgelösten Menschen mündet überall in die Sünde, und der Sünde Sold ist der Tod. Der heilige Sohn Gottes selbst hat den Fluch der Sünde auf sich genommen, um Leben und unvergängliches Wesen für uns ans Licht zu bringen. Sein Sieg über den Tod ist unser Sieg, sein Auferstehen aus dem Grabe unser Trost an unseren Gräbern, unsere Hoffnung im Blick auf das eigene Grab. Das ist das innerste Geheimnis des christlichen Glaubens, dem heute noch so viele kalt gegenüberstehen, weil ihnen leider auch heute noch beim Klang der Osterglocken das Goethe'sche Faustwort gilt: Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!
Aber selbst sie können sich dem heiligen Bann der Osterthatsache nicht ganz entziehen. Mit einem bloßen sentimentalen Schwärmen über den Osterfrühling der Natur ist Niemand ge- geholfen. Denn was nutzt es, wenn die Natur ringsum aus dem Tode erwacht, aber das Herz kahl und leer und erstorben ist, wenn die Lerchen ihr Früblingslied anstimmen, aber kein fröhliches Osterlied durch die Seele klingen will. Mit dem Evangelium des Unglaubens im Herzen kann man so wenig Ostern feiern als mit dem des Materialismus und Naturalismus. Wehe unserem Volke, wenn ihm jemals die Quellen versiegten, aus denen allein eine Verjüngung der Volksseele herfließen kann. Mit der Ostergewißheit im Herzen erhebt sich der Mensch nicht blos über die Schrecken von Tod und Grab, sondern auch über jedes Erdenleid und Erdenweh. Mit dem Osterglauben im Herzen sehen wir auch der Zukunft unseres Volkes und Vaterlandes getrost entgegen und gehen getrost an die Mitarbeit an den großen Aufgaben der Zeit. Trotz alles Dunkels halten wir fest an der Osterhoffnung: durch Tod zum Leben, durch Kampf zum Sieg.
Deutsches Aeich.
Berlin, 22. März. Der Kaiser und die Kaiserin ließen heute am Geburtstage Kaiser Wilhelms I. durch den Geh. Regierungsrat Meßner einen kostbaren Kranz in die Gruft des Mausoleums niederlegen.
- Berlin, 2t. März. Der Generalgouverneur von Warschau, General Gurko, ist heute Vormittag hier eingetroffen.
Am bevorstehenden I. April tritt die neue reichsstrafgesetzliche Bestimmung in Kraft, wonach solche Familienväter strafrechtlich verfolgt werden können, die in der Lage sind, ihren Angehörigen den notwendigen. Unterhalt zu gewähren, die aber gleichwohl ihre Familie der Armenpflege überlassen. Die Armenverwaltungen werden gewiß schon dafür sorgen, daß diese Befugnis überall zur Anwendung gelange, und daß gegen * pflichtvergessene Ehemänner und Väter mit aller Schärfe vorgegangen wird.
Der erste Gewinn der Donaueschinger Pferdemarktlotterie, nämlich zwei zu 2000 Mark taxierte Pferde, befand sich im Besitze des Ortsdieners in Neulußheim. bei Schwetzingen. Den zweiten Gewinn erhielt Eduard Gebhardt in Brötzingen bei Pforzheim, der Dritte kam in die Schweiz.
München, 21. März. Jeder Bayer ist ein Bierfreund und Bierkenner, vom Herrscher bis zum Dienstmann! Auch der Prinzregent hat Interesse für den braunen Stoff und stattete gestern der Großbrauerei zum „Spaten" einen längeren Besuch ab. Mit Interesse besichtigte er, geführt von den drei Besitzern der Brauerei, die sämtlichen Räumlichkeiten des umfangreichen Etablissements. Auf besonderen Wunsch des
> Regenten war die Brauerei in vollem Betriebe. Bevor er nach fast zweistündigem Rundgang das Etablissement verließ, brachte der Oberbursche der Gärkeller ein dreifaches Hoch auf ihn aus, in das die zahlreiche Arbeiterschar, welche stch im Hofe versammelt hatte, lebhaft einstimmle. Dann begab sich der Regent in das benachbarte Privathaus der Besitzer, um die dort versammelten Familienangehörigen der Besitzer zu begrüßen. Bei dieser Gelegenheit nahm der Regent einen Trunk Spatenbier an. den Frau Kommerzienrat Karl Sedlmayr darreichte.
Nach dem Berichte des Geographen Hab erricht in Gotha stehen jetzt die Verhältnisse der Witterung günstiger als zur selben Zeit im Vorjahr und günstiger, als der Zustand vor einigen Monaten es hoffen ließ. In Deutschland, in Europa haben die oberen Erdschichten mehr Feuchtigkeit als 1893, der Wasserspiegel in Flüssen, Seen, Teichen hat sich etwas gehoben, auch das Gcundwasser. Wenn nun noch die Vermutung zutreffen sollte, daß die großen Eisberge vom Norden vorgerückt sind in die Gegend von Island, dann wäre voraussichtlich die für uns nötige Lieferung von wässerigen Niederschlägen für die nächsten zwei Monate, die in der Landwirtschaft eine sehr große Rolle spielen, verbürgt.
Ausland.
Pest, 21. März. Die Blätter begrüßen den deutschen Kaiser auf ungarischem Boden als Friedensfürsten. Der „Pester Lloyd" schreibt: „Eine begründete Friedensaussicht ist das Ostergeschenk, das Wilhelm II. seinem Reiche und ganz Europa spendete. Er weilt in Abbazia, um auszuruhen von den Mühen, die ihn zumal sein letzter Triumph kostete."
Wien. 23. März. Nach den bisherigen Verfügungen reist Kaiser Franz Joseph Dienstag zum Besuch des deutschen Kaiserpaares nach Abbazia. Es sollen auch See- Ausflüge mit dem deutschen Kaiserpaare in Aussicht genommen sein.
Wien, 22. März. Nach der „Polit. Corr." wurden alle russischen Gouverneure angewiesen, allen ausländischen, mit dem vorgeschriebenen Disicrten Paß versehenen jüdischen Geschäftsreisenden die im Paß bezeichnete Aufenthaltsdauer im ganzen Reiche ohne vorherige Anfrage in Petersburg zu gestatten.
Der Kaiser von Oesterreich hat als König von Ungarn mit seinen heißblütigen Magyaren gegenwärtig seine liebe Not. Der alte Revolutionär Kossuth, dessen Diktatur in Ungarn 1848 durch österreichische und russische Waffengewalt niedergeworfen werden mußte, lebte seither als Verbannter in Turin. Anläßlich seiner jüngsten Erkrankung wollten viele ungarische Abgeordnete dessen Heimholung nach Ungarn mit glänzenden Ehren durchsetzen. Nun ist letzten Dienstag abend Kossuth in Turin gestorben, und an bezw. wegen seiner Leiche dürfte der Kampf gegen den Kaiser erst recht entbrennen; denn die ungarische Opposition verlangt nchit nur Kossuth's Beerdigung auf Staatskosten, sondern auch einen förmlichen Gesetzesakt, in welchem die unsterblichen Verdienste Kossuth's um Ungarn durch Einreihung in die Gesetzessammlung verewigt werden sollen. Einen ähnlichen Hokuspokus hatte man seinerzeit mit Franz Deal nach nach seinem Tode gemacht. Kaiser Franz Joseph will aber begreiflicherweise von dieser Verherrlichung des bis zu seinem Tode ein Feind der habsburgischen Dynastie gebliebenen Kossuth nichts wissen.
Pest, 22. März. Alle Parteiführer er- erhielten heute aus Turin folgendes Telegramm: „Die Familie Kossuths bittet, die Bestattung Kossuths nicht zum Gegenstand eines Zwistes im Unterhaus zu machen, und nur Anträge zu stellen, die einstimmig angenommen werden." Mit dieser Aufforderung ist denen, die den Tod Kossuths für einen positischen Zwist ausbeuten wollten, das Handwerk gelegt.
Pest, 23. März. Die Abgeordneten nahmen die Anträge des Präsidenten des Hauses, nämlich: Protokollarische Verewigung der Verdienste Kossuths, Abordnung nach Turin und Niederlegung eines Kranzes an die Bahre,
in namentlicher Abstimmung mir großer Mehrheit an. Alle übrigen Anträge wurden abgelehnt. — Die Bestattung Ludwig Kossuths erfolgt hier Sonntag nachmittag. Es sind bereits über 100000 Gulden für ein Denkmal gezeichnet.
Paris, 2l. März. Der neue Kolonial- minister Boulanger erklärte einem Berichterstatter des „Figaro", er halte den Kolonialbesitz Frankreichs für groß genug, und es sei unnötig, ihn weiter auszudehnen. Er werde sich bemühen, die Kolonieen so auszurüsten, daß der französische Handel gegen den englischen und deutschen Handel ankämpfen könne.
London, 21. März. Unterhaus. Bei der Beratung des Marinebudgets erklärte Har- eourt, England habe das größte Interesse an, Frieden. Die Flotte Englands sei wie diejenige anderer Nationen keine aggresive Streitmacht. Die Ueberlegenbeit der britischen Flotte bilde ein hauptsächlichstes Element zur Erhaltung des Friedens.
Telegramme an den Enzthäler.
München, 24. März. Die offiziellen Saatenberichte Bayerns von Mitte März konstatieren eine befriedigende Durchwinterung der Getrcidesaaten trotz mangelnder Schneebedeckung. Jetzt wären kräftige Niederschläge erforderlich zu den bereits guten Ernteaussichten. Die Kleesaaten sind mehrfach ausgefroren, die Frühjahrssaaten haben teilweise schon begonnen, die Hopfenaussichtcn sind mittelmäßig, der Stand der Weinreben ist nicht befriedigend.
K o n st a n ti n op e l, 24. März. Der Orientexpreßzug ist bei Tirnowa entgleist, nur 2 Wagen wurden beschädigt, der Zugführer und der Heizer verletzt. In 2 Tagen wird die Strecke wieder fahrbar sein.
Santander, 22. März. Die vor einigen Tagen angekündigte Explosion des am 3. November in die Luft geflogenen Dynamil- frachtschiffes „Machicago", das unten auf dem Meeresgrund lag und noch einen Teil unversehrten Dynamits enthielt, erfolgte gestern abend 9 Uhr während der Taucherarbeiten im unrern Teile des Wrackes. 10 Personen sind gelötet. 30 verwundet. Man nimmt an, daß die Taucher bei den Forträumungsarberten im Schiffsrumpf zu unvorsichtig vorgegangen sind und die noch vorhandenen Dynamitkisten vielleicht durch einen unglücklich geführten Beilschlag zur Entzündung gebracht haben. Der Bevölkerung hat sich eine förmliche Panik bemächtigt, weil man weitere Explosionen befürchtet.
Santander, 24. März. Gestern fanden anläßlich der Beisetzung der bei der Explosion auf dem Wrack des „Machicago" Getöteten tumultuarische Kundgebungen statt. Die Truppen mußten einschreiten. Der Präfekt und die technische Kommission haben beschlossen. um die Bevölkerung zu beruhigen, das Wrack des Dampfers mittelst Petarden in die Luft zu sprengen, obgleich sie der Ansicht sind, daß sich kein Dynamit mehr auf dem Wrack befindet.
Lyon, 23. März. In der vergangenen Nacht verbrannten bei einer Feuersbrunst in einem Mädchenpensionat zu Rouey sechs Menschen.
Buenos-Ayres, 23. März. Wie verlautet, beabsichtigt Präsident Peixoto, die Diktatur zu erklären.
Zur Mahnung und Warnung für Hut> besitzer und WirlShausbesucher sei hier folgende! Fall mitgeteilt: In Mainz setzte sich kürzlich rn einer Restauration ein junger Mann aut Versehen auf einen neuen Hut, der auf einem Stuhle lag. Der Eigentümer des durch dieses „Attentat" völlig unbrauchbar gewordenen Hutes klagte auf Schadenersatz, wurde aber vom Ge* richc abgewiesen' und in die Kosten verurteilt unter Hinweis darauf. daß ein Stuhl kein Aufbewahrungsort für Hüte sei; wer ihn als solchen benütze, müsse dies natürlich stets aus seine Gefahr thun.
Neuenbürg. 24. März. Schwetnemarkl.
8 Paar Milchjchweine wurden bei lebhaftem Verkauf mit 30—35 ^ bezahlt.
Mit einer Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.