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Von den Geld- und Warenbörsen.
Stuttgart, 19. Okt. Von Woche zu Woche verschärft sich der Kampf um das Gold. Die amerikan. Silberminenbesitzer wehren sich verzweifelt gegen die Abschaffung der Shermannbill, und doch hat die gesetzlich auf 100 Will. Dollars vorgeschriebene Goldreserve des Staatsschatzes der Vereinigten Staaten in der letzten Woche abermals eine Verminderung von 4 Mill. Dollars erfahren, so daß er jetzt nur noch rund 82 Mill. enthält. In 4—5 Monaten muß also, wenn dieses io weitergeht, auch die letzte Goldreserve des nordamerikanischen Staatsschatzes ausgebraucht sein, worauf es allerdings einer gesetzlichen Abschaffung der Shermanbill gar nicht mehr bedarf, weil eben dann das Wort gilt: „Wo nichts ist, hat sogar der amerikanische Silbermann das Recht verloren." Mit einer Art fatalistischer Gedankenlosigkeit sehen die europäischen Geldbörsen einen allgemeinen Krach in Amerika herankommen, ohne daran zu denken, daß alle amerikanischen Werte horrente Koursstürze erleiden müssen, und daß nicht nur amerikanische Rohprodukte, wie Baumwolle, Getreide u. s. w., sondern auch amerikanische Jndustrieerzeugnisse um jeden Spottpreis auf die europäischen Märkte geworfen werden müßten. Man scheint also in Börsenkreisen auf irgend einen günstigen Zwischenfall zu rechnen, der all die angegebenen notwendig eintretenden Uebel verhindern werde. Die deutschen Landwirte Fabrikanten und Kapitalisten werden aber gut daran thun, dieser fatalistischen Hoffnung sich nicht anzuschließen. — Die Getreidemärkte verkehrten in ruhiger Haltung bei wenig belangreichen Umsätzen und geteilter Tendenz. Die Baumwollmärkte zeigten trotz der großen Umsätze eine etwas nachgebende Haltung. Die Preise sind im Abbröckeln begriffen, doch haben die Termmpreise für für amerik. Sorten gegenüber dem Schluß der Vorwoche bis jetzt nur um 1—2 Points zurückgehen müssen. Die schwache Haltung der Zuckermärkte setzte sich auch in der abgelaufenen Berichtswoche fort, und die Preise erlitten einen weiteren Rückgang. Rübenzucker 88"/„iges Rende- ment fiel in Hamburg Per. Lkt. von 13.77'/2 auf 13.42'/2, per Dez. von 13.67'/2 auf 13.20, per März von 13.92'/, auf 13.45 und per Mai von 14.07>/2 auf 13.57'/,. Dagegen ist aus den Kaffeemärkten eine wesentliche Besserung eingetreten. Bei ziemlich bedeutenden Umsätzen haben auch die Preise eine nicht unerhebliche Steigerung erfahren. 6ooä avsrsgs 8antos stieg in Havre per Dez. von 98'/, auf 102 und per März von 95^/, auf 99.
Ausland.
Mit dem neuen Wahlgesetzentwurf des österr. Ministerpräsidenten Grafen Taffee sind in Oesterreich so ziemlich alle Parteien unzufrieden. Den Sozialdemokraten und Klerikalen bietet der Entwurf zu wenig, den Deutschliberalen. Polen, den Großgrundbesitzern und den Handelskammern, welche nach Kurien Abgeordnete zu wählen haben, viel zu viel, da letztere nicht ohne Grund fürchten bei künftigen Wahlen nach dem neuen Wahlgesetz völlig an die Wand gedrückt zu werden. Ob unter solchen Umständen der Taaffe'sche Entwurf eine genügende Mehrheit findet, erscheint sehr zweifelhaft.
London, 20. Okt. In Detroit (Michigan) erfolgte ein Zusammenstoß zweier Züge der Grand Trunkbahn; 25 Leichen sollen bereits unter den Trümmern hervorgezogen sein. Der Zug geriet in Brand und wurde vollständig zerstört.
Der Kampf um die Aufhebung der Shermanbill im Senate zu Washington scheint sich ins Endlose fortzuspinnen, da in der kleinen 'demokratischen Mehrheit des Senats auch einige Silberleute sitzen, welche die Shermanbill nicht ohne gleichwertige Gegenleistungen des Staates ausheben lassen wollen, während die ziemlich starke republikanische Minderheit schon aus Parteihaß gegen Präsident Cleveland die Shermanbill nicht aufheben lassen wollen.
Telegramme an den Enzthäler.
Berlin, 2l. Okt. Der „Voss. Z." wird aus Wien gemeldet: Es verlautet, die Auflösung des Abgeordnetenhauses erfolgte vielleicht schon Montag oder Dienstag, die Neuwahlen stehen Ausgangs der ersten Dezemberhälfte bevor.
Petersburg, 21. Okt. Der Kaiser und die Kaiserliche Familie ist gestern in Gatschina eingetroffen.
M o n t er es s o n , 21. Okt. Von der Ex- Kaiserin Eugenie traf ein Telegramm an die Familie Mac Mahon ein, worin dieselbe die Gefühle lebhafter Sympathie und Teilnahme an dem Schmerze ausdrückt.
Paris. 21. Okt. Der Ball im Hotel de Bille verlief glänzend.
Unterhaltender Teil.
Um eine Million.
Erzählung von Eugen Eiben.
(Fortsetzung 2.)
(Nachdruck verboten.)
Mit gespannter Aufmerksamkeit unter tiefer Stille, die fast unheimlich zu nennen war nach der vorhergehenden lauten Lustigkeit, warteten alle aus die Antwort des Grafen. Man glaubte, daß er ein Nebenbuhler des Barons war.
„Ich möchte nur bemerken, Herr Baron," erwiderte Graf Wahnfried, „daß auch die Urahne der Komteß jene Schlangenfreundin Eva ist, von der wir Alle wissen. Diese konnte ihrem Adam nicht untreu werden, weil er der einzige Mann auf Erden war. Ihre Nachfolgerinnen aber haben uns den Beweis geliefert, daß Weibertreu' ein Märchen ist, ein Märchen, an welches Sie zu glauben scheinen, mein Herr Baron," schloß er mit verletzender Ironie.
Die Aufregung des Lieutenants steigerte sich, das bewies die fliegende Röte seines Gesichts, in dem die Augen vor Zorn sprühten, das bewies seine bebende Stimme, mit der er fragte:
„Beziehen sich Ihre Worte auf die Komteß?"
Der Graf zögerte.
„Ja oder nein!" drängte der Lieutenant. „Sprechen Sie oder — —"
Graf Wahnfried erhob sich und maß seinen Gegner mit funkelnden Augen.
„Ja," sagte er, tief Atem holend, „weitere Erklärungen gebe ich Ihnen nicht!"
Der Bann, der die Gesellschaft eine Weile gelähmt zu haben schien, wich, und viele mißbilligende Stimmen wurden laut.
Der Lieutenant stand einen Augenblick sprachlos da, die bleichen Lippen zusammenge- kniffen. Die Beleidigung, die seiner Braut widerfahren, konnte nur mit Blut gesühnt werden. Er zerrte seinen Handschuh von den Fingern, warf ihn dem Grafen mit den Worten ins Gesicht: „Ich sende meinen Sekundanten!" und stürmte sporenklirrend aus dem Saal.
Der Vorfall hatte die Harmonie der Gesellschaft gestört. Man besprach die Angelegenheit hin und wieder und kam zu der Ueber- zeugung, daß die Beleidigung beabsichtigt worden und dem Gefühl verschmähter Liebe entflossen sei. Als man sich nach dem Grafen Wahnfried umsah, war er unbemerkt verschwunden. Auch Baron von Wildenthal fehlte.
Nach und nach verloren sich Einzelne von der Gesellschaft. Als die Letzten den Saal verließen und ins Freie traten, lachte ihnen die
ausgehende Sonne in die bleichen Gesichter.
* *
Graf Wahnfried ruhte in seiner eleganten Junggesellenwohnung auf einem Divan, umfangen von einem Halbschlummcr. Der eintretende Diener störte ihn in seiner bequemen Lage.
„Was willst Du?" herrschte er ihn an. „Hast Du vergessen, daß ich nicht gestört sein will?"
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, gnädiger Herr," sagte der Diener in demütiger Haltung, „ich sagte das bereits dem Herrn, der Sie durchaus zu sprechen wünscht. Er läßt sich nicht abweisen. Eine Ehrensache führe ihn her. die keinen Aufschub dulde, erklärte er. Ich möge ihn nur melden, er könne versichern, daß Sie ihn empfangen würden."
„Aha! ich verstehe!" murmelte der Graf und erhob sich, „der Sekundant! — Wie nennt sich der Herr?"
„Assessor von Bergen!"
„Schön! Laß den Herrn ins Empfangszimmer treten!"
Der Diener entfernte sich nach einer devoten Verbeugung.
Wenige Minuten später erschien der Graf im Empfangszimmer.
„Womit kann ich dienen, mein Herr?"
„Ich komme im Aufträge meines Freundes, des Herrn Barons von Hohenwald," hob der Assessor an. „Sie sollen sich einer Beschimpfung der Komteß Marie von Maienberg schuldig gemacht haben. Ich habe Sie nun zu fragen,
Herr Graf, ob Sie bereit sind, dieselbe in Gegenwart von Zeugen zurückzunehmen?"
„Eine naive Zumutung, Herr von Bergen," lächelte der Graf sarkastisch, „die ich dem Herrn Baron von Hohenwald kaum zugetraut hätte, nachdem er mich persönlich gefordert hat. Ich erwartete seinen Sekundanten."
„Ich stelle mich Ihnen als denselben vor, Herr Graf," entgegnete der Assessor, „hielt es jedoch für meine Pflicht, zunächst einen Versuch zur Beilegung des Streites zu machen. Ihren Worten nach sind Sie aber einer Versöhnung abgeneigt. Mir bleibt nur noch übrig, die Forderung meines Freundes zu wiederholen."
„Ich bin zu jeder Stunde zur Satisfaktion bereit, mein Herr!"
„Sie haben die Wahl der Waffen, Herr Graf! — wofür entschließen Sie sich?"
„Für die Pistole, mein Herr!"
„Darf ich bitten, mir Ihren Sekundanten zu bezeichnen, damit ich mit demselben das Nähere verabreden kann?"
„Herr Baron von Wildenthal ist mein Sekundant."
„Ich danke Ihnen, Herr Graf!"
Mit einer flüchtigen Verbeugung empfahl sich der Assessor.
Ein triumphierendes Lächeln glitt über die verlebten Züge des Grafen, als er allein war.
„Alles geht nach Wunsch!" murmelte er „Nun sind wir unserem Ziele nahe."
Er warf sich nachlässig auf den Divan, zündete eine Zigarette an, blies den Rauch in Ringeln von sich und sah ihnen sinnend nach, wie sie langsam verschwebten.
Er mochte etwa ein Stündchen so verträumt haben, als der Baron von Wildenthal erschien.
„Soeben war der Assessor von Bergen bei mir, der Sekundant meines Kousins, lieber Freund," hob derselbe mit freudig blitzenden Augen an. „Die Bedingungen sind günstig für Dich! Zehn Schritte Distanz, zweimaliger Kugelwechsel! Du kannst zufrieden sein! Der Lieutenant wird Fehlschüsse thun und Du — Du.triffst desto besser!"
(Fortsetzung folgt.;
Aumetz, 17. Okt. Die „Mosel- u. Nied- Ztg." meldet: Ein hiesiger Postbote war dieser Tage im Begriffe, eine Depesche nach ihrem Bestimmungsort zu bringen. Die Hände mit dem Telegramm auf dem Rücken haltend und mit einem Bekannten plaudernd, ging er seines Weges. Hinter den beiden kam eine Ziege, welche, von ihnen unbemerkt, sich heranpürschte, dem Beamten das Papier aus der Hand zog und dasselbe, ehe es der verdutzte Stefansjünger verhindern konnte, im Maul verlaute.
Wien. 18. Oktbr. Eine Portiersfrau in der Reichsstraße ist vier Jahre verheiratet, hatte dreimal Zwillinge, von denen das zweite Paar prachtvoll gedeiht, und ist vorgestern von gesunden, kräftigen Drillingen genesen. „Auf Zwillinge", meinte der glückliche Vater, „sei er vorbereitet gewesen, aber zu Drillingen glaubte er es doch nicht bringen zu können." O, diese Klapperstörche!
Aus der Ster neu Welt. Von der Sternwarte zu Philadelphia aus ist in der Nacht zum 18. Oktober ein neuer Komet von großem Glanze aufgefunden worden.
(Auch eine Aufklärung.) A.: „Was ist das für ein Mensch, den Sie soeben grüßten?" " B.: „Vor dem muß man sich hüten, der hat erst'gestern meinen Papa um 50 ^ gebracht.' — A: „Wieso?" — B.: „Nun. er hat sie mir gepumpt!" ,
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Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.