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Men eine ungeheure Menge von Zuschauern aus allen Teilen des Landes herbeilocken. Sämtliche Staatsminister sind aus ihrem Ur­laub zurückgekehrt und haben ihre Geschäfte wieder ausgenommen. Der Landtag soll nach einer bis jetzt wenigstens nicht widersprochenen Meldung eines Stuttgarter Blattes auf den 15. November einberufen werden. Die Meldung eines Berliner Blattes, wonach der bisherige preußische Kriegsminister v. Kaltenborn-Stachau -um Kommandeur des 13. (württ.) Armeekorps ausersehen sei, hat einigen Blättern einen höchst unnützen Anlaß zu partikularistischen Mißmuts- Aeußerungen gegeben. Der Kaiser konnte jene durchaus unzutreffende Nachricht nicht besser richtig stellen, als indem er sowohl unfern kom­mandierenden General v. Wölckern als unfern Kriegsminister zu den Manövern, bezw. Paraden in Straßburg und Lauterburg einlud. Berliner offiziöse Blätter haben überdies versichert, daß der preußische Kriegsminister in seinem Amte verbleiben werde.

Programm für den Empfang und die Anwesenheit Sr. Maj. des Kaisers und I. Maj. der Kaiserin in Stuttgart vom 14. bis 16. Sept. 1893. Das offizielle Programm lautet: Donnerstag den 14. Septbr. Se. Maj. der Kaiser und I. Maj. die Kaiserin werden um 5 Uhr 25 bezw. 5 Uhr 12 Min. Abends auf dem hiesigen Bahnhofe (rechtsseitige Halle) eintreffen und im Königlichen Residenz­schlosse Wohnung nehmen. Auf dem Bahnhofe findet großer Empfang statt. 7 Uhr Familien tafel im Speisesaal des K. Residenz- jchlosses. Für das Gefolge mit Einschluß des Ehrendienstes ist gleichzeitig Marschallstafel in der Spiegelgallerie des K. Residenzschloffes. 8 Uhr 30 Minuten Beginn des Zapfen­streichs, dem die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften auf dem Balkon des Mittelbaus des K. Residenzschloffes anwohnen. Frei­tag, 15. September: Kaiserparade bei Cannstatt. Beginn derselben um 10 Uhr Vorm. Nach Rückkunft Frühstück Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin, sowie der Fürstlichen Gäste bei Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Frau Herzogin Wera auf Villa Berg. 5 Uhr 30 Minuten Paradetafel im Weißen Saal des K. Residenzschloffes. Ver­sammlung der Allerhöchsten und Höchsten Herr­schaften im Thronsaal. 7'/- Uhr Fest­theater mit geöffnetem Foyer. Samstag, 16. Sept. Korpsmanöver. Fahrordnung. Sonderzug für Ihre K. K. Majestäten und die Fürstlichkeiten mit Gefolge. Abfahrt rechts« festige Bahnhofhalle beim Hof-Wartesaal 8 Uhr 3V Min. Vormittags. Ankunft in Zuffenhausen 8 Uhr 40 Min. Vormittags. Rückfahrt nach beendigtem Manöver von der Station Korn­westheim. Seine Maj. der Kaiser, mit Ehren­dienst und Gefolge. Sofort nach Rückkehr Frühstück der Allerhöchsten Herrschaften und der Fürstlichen Gäste bei S. Hoh. dem Prinzen Herrmann zu Sachsen-Weimar-Eisenach. Für das Gefolge Frühstück in der Spiegelgallerie des Königlichen Residenz-Schlosses. 7 Uhr Familientafel im Wilhelmspalast, zugleich Marschallstafel in der Spiegelgallerie. 9 Uhr 40 Minuten Abends Abreise Sr. Maj. des Kaisers nach Güns in Ungarn.

Stuttgart, 14. Sept. Die Stadt prangt w herrlichem Flaggenfchmuck bei prächtigem Wetter. Besonders reichen Schmuck zeigt der Bahnhof. Eine gewaltige Draperie, die ganze Höhe des mittleren Bogens einnehmend, verziert m Verbindung mit riesigen Flaggen das Haupt- Porial. Auf dem Perron der Halle sind die Lichterarme zu Trägern der Flaggen gemacht worden. Eine der ersten Flaggen zeigt die italienischen Farben. Eine unzählige Menge mldet dichte Spaliere vom Bahnhof bis zum >nefidenzschloß, wo westlich vom weißen Saal- Portal eine Kompagnie des Gren.-Regts. Nr. "3 mit Fahne und Musik als Ehrenwache ausgestellt ist. Vor dem Bahnhof steht eine Cskadron des Drag.-Regts. König Nr. 26 mit dem Trompeterkorps als Eskorte. Auf dem Bahnsteig ist eine Kompagnie des Jnf.-Regts.

l20 mit der Fahne und den Spielleuten des betr. Bat. und der Musik des Regiments

als Ehrenwache aufgestellt. Zum Empfang der kais. Majestäten auf dem Bahnhof sind erschienen im Paradeanzug bezw. Gala: die Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, die Hof­staaten Ihrer Majestäten des Königs und der Königin, sowie der anwesenden Königlichen Prinzen und Prinzessinnen, die Staatsminister, die Generalität, der Sladtdirektor und die Ver­treter der Stadt Stuttgart. Kurz nach 5 Uhr fuhren II. MM. der König und die Königin unter lebhaften Hochrufen seitens des Publikums zum Bahnhof. Der Sonderzug der Käiserin >uhr, von Wilhclmshöhe-Kaffel kommend, zur festgesetzten Zeit 5 Uhr 12 Min. in die Bahn­hofhalle ein. Die Ehrenwache salutierte unter den Klängen der Musik. I. M. die Kaiserin wurde von dem König und der Königin aufs Herzlichste begrüßt. Die höchsten und hohen Herrschaften erwarteten hierauf gemeinsam den kais. Sonderzug. der gegen '/-6 Uhr unter dem Geläute sämtlicher Kirchenglocken in die Bahn­hofhalle einfuhr. Beim Einfahren des Zuges spielte die Musik und die Ehrenwache satulierte. Als der Kaiser den Wagen verlassen und den Bahnsteig betreten hatte, fand zwischen dem Kaiser und dem König die herzlichste und innigste Begrüßung statt. Hierauf folgten die Vorstell­ungen. Besonders freundlich stellte der Kaiser den Reichskanzler unserem König vor. Bor Verlassen des Bahnsteigs hielt Stadtschultheiß Rümelin eine Begrüßungsansprache an den Kaiser und hieß ihn namens der Stadt S t u t t- gart herzlich willkommen. Der Kaiser dankte. Hierauf fuhren der Kaiser und der König, im nächsten Wagen die Kaiserin und die Königin, beide Wagen unter Dragoner-Eskorte mit Musik nach dem Residenzjchloß. Es folgten hierauf die übrigen Fürstlichkeiten und das große Ge­folge in einer fast endlosen Zahl von Wagen. Die Majestäten und späterhin namentlich auch der Kronprinz von Italien und der Reichs­kanzler wurden von der ungeheuren Menschen­menge, welche dicht gedrängt vom Bahnhof bis zum Residenzschlosse sich aufgestellt hatte, mit endlosen Hurrah-, Hoch- und Evvivarufen stürm­isch begrüßt. Die Kaiserin trug ein blaßviolettes Seidenkleid mit Silberstickerei, die Königin ein blaßgrünes Brokatkleid mit Stickerei. Abends 7 Uhr fand hierauf im Residenzschloffe Familien­tafel mit 30 Gedecken und eine Marichalltafel mit 97 Gedecken statt. Um 8'/r Uhr folgte so­dann im Hofe des Residenzschloffes ein Riesen- Zapfenstreich, ausgesührt von den Musikkapellen sämtlicher in Württemberg garnisonierender Truppen unter einem ungeheurem Menschen­andrang. Der Taktstock des Dirigenten, Kapell­meister Stütz von Ulm, trug an der Spitze ein weithin sichtbares rotes elektrisches Licht. Das Wetter war nur vorübergehend leicht bewölkt; es hat sich wieder völlig aufgeheitert. Für die morgige Kaiserparade erwartet manKaiser­wetter".

Se. Maj. der König hat den Oberförster Weith in Simmersfeld auf das Revieramt Altensteig. Forsts Wildberg, seinem Ansuchen ge­mäß versetzt.

Obstpreiszettel.

Stuttgart, 14. Sept. Wilhelmsplatz: 3000 Ztr. Mostobst, Preis 2 70 ^ bis 3 ^ pr. Ztr.

Stuttgart, 12. Sept. Kartoffel- und Kraut­markt. Zufuhr am Leonhardsplatz: 500 Ztr. Kar­toffel, Preis per Ztr. 3 Mk. 20 ^ bis 3 Mk. 50 Pf. Zufuhr am Marktplatz: 3600 Stück Filderkraut, Preis per 100 Stück 1822 Mk.

Stuttgart, 14. Sept. Der Lebensmittelmarkt ist gut befahren: 1300 Körbe Obst aller Art, darunter 700 Körbe Zwetschgen, für letztere wurden um 8 Uhr noch korbweise 5 ^ bezahlt. Eine neue Erscheinung sind Quittenäpfel, wahre Riesenexemplare, pfundweise 20 Im klebrigen prächtiges Obst in^eder Gattung. Aus dem Gemüsemarkte kommen junge Salate wie im Frühjahr zum Verkauf. Im Großen und Ganzen werden für das Obst, so prächtig, wie man es in einem Jahrhundert nur selten sieht, sehr mäßige Preise bezahlt.

Altcnstetg, 12. Sepl. Der heutige Viehmarkt war nur mittelmäßig befahren, wie bei der vocausgegangenen Reduzierung des Vieh­standes wegen Futtermangel vorauszusehen war. Der Handel ging ganz flau, weil wenig Fett­vieh ausgestellt war. Die Händler fehlten ihrer Festtage wegen. Im allgemeinen ist eben wieder ein Viehabschlag zu konstatieren. In allen Gattungen, Fettvieh ausgenommen, ist ein Preis­

rückschlag um 2030 zu konstatieren. Der Landwirt macht sich noch auf bösere Zeiten ge­faßt, denn weil bei uns noch kein ergiebiger Regen gefallen, ist auf Herbstfutter in keiner Weise zu rechnen. Auf dem Schweinemarkt war ziemlich Zufuhr, aber auch da hätte können das Handeln besser gehen. Die Bauern können eben auch nicht soviel Schweine einstellen wie sonst. Milchschweine kosteten 1420 v-L Läufer 4080 -/-L

Ausland.

Einige Blätter wollen wissen, das vereinigte Königreich Schweden und Norwegen sei nach längeren Verhandlungen, welche kürzlich Prinz Friedrich Leopold von Preußen, der Schwager des Kaisers, bei seinem Aufenthalt in Schweden zum Abschluß gebracht habe, dem Dreibund beigetrelen. Falls diese Nachricht sich bestätigt, wird sie den Franzosen und Russen die Verbindungsfeierlichkeiten in Toulon ziemlich stark vergällen. Wenn Dänemark je die Neig­ung gehabt haben sollte, sich dem französisch­russischen Bündnis anzuschließen, so wird es jetzt sicher neutral bleiben, da es im Falle eines europäischen Krieges von Schweden mehr als lahm gelegt würde.

Die Franzosen, welche großartige Vor­bereitungen zu einem überschwenglichen Empfang des russischen Geschwaders in Toulon, Marseille und der russischen Offiziere in Paris treffen, sind tief betrübt über den plötzlichen Tod ihres künftigenMolkte", des Generalstabschefs Miribel, der in Haulerives vom Pferde stürzte. Miribel war nach allgemeiner Ansicht aller Franzosen und Russen der französische Obergeneral im künftigen Kriege gegen Deutschland und Wieder­eroberer nicht nur der Reichslande, sondern auch des ganzen linken Rheinufers. Es sollte uns wundernehmen, wenn die Franzosen nicht die Entdeckung machen sollten, daß das Pferd Miribel's, welches seinen Reiter so unglücklich abwarf, von irgend einem deutschen Spion bestochen gewesen sei, wurde doch seinerzeit auch der plötzliche Tod Gambetta's und des russischen Generals Skobelew den Deutschen m die Schuhe geschoben.

Der russische Oberadmiral, Großfürst Alexis, Bruder des Zaren, welcher gegen­wärtig als Kurgast im Bade Kreuznach weilt, soll sich nach einer glaubwürdigen Meldung dort ganz offen dahin ausgesprochen haben, daß der Krieg unvermeidlich sei und binnen kurzer Frist zum Ausbruch gelangen werde! Unter dieser Per­spektive nimmt es sich etwas eigentümlich aus, wenn man liest, daß russischer- wie deutscherseits die Delegierten zu neuen Zollvertragsverhand­lungen ernannt seien, und daß diese Verhand­lungen jetzt wieder beginnen sollen.

London, 13. Sept. Die liberale und nationale Vereinigung erließ ein Manifest, worin das Oberhaus, welches durch die Ablehnung der vom Unterhaus angenommenen Home-Rule- Bill nur sich selbst vertrete, heftig angegriffen wird. Das Manifest protestiert gegen die An­maßung der Lords, eine Auflösung des Unter­hauses herbeiführen zu wollen. Die Frage der Abschaffung oder Umgestaltung des Oberhauses werde künftig einem wichtigen Platz in dem Programm der Liberalen entnehmen müssen.

Die kürzlich in Bombay stattgefundenen blutigen Streitigkeiten zwischen Mohamedanern und Hindus sollen infolge politischer Umtriebe entstanden sein, wie der Gouverneur von Bom­bay, Harris, dieser Tage erklärte. Harris fügte die weitere Erklärung hinzu, daß die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden würden. Diese Vorgänge scheinen aber nur die Vorläufer einer größeren Bewegung zu sein. Wenigstens meldet die in Allahadad erscheinende und sehr angesehene ZeitungPioneer", daß die von den Führern der Agitation zu Gunsten des Kuh­schutzes weit verbreitete Brandliteratur einen wesentlichen Einfluß auf die Hindus in den ver­schiedenen Provrnzen Indiens ausübe. Falls nicht besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen würden, sei eine plötzliche gewaltsame Erhebung zu gewärtigen, im Vergleiche zu welcher die Unruhen in Bombay und in Rangoon unbe­deutend erscheinen würden.