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Unterhaltender Heil.
Aschenbrödel.
Eine Skizze aus dem Leben von Reinhold Ottfried.
Nachdruck verboten.
(Schluß.)
Wally war eine reizende, junge Frau. Sie lebte nur in dem Glück ihres Arnold und that Alles, was sie ihm nur glaubte an den Augen absehen zu können. Sie kannte seine Lieblingsgerichte von früher her, und sie bemühte sich nun nach allen Kräften, ihn täglich mit einigen derselben zu erfreuen.
Die Glut des Herdes strahlte noch auf ihrem Gesicht, als sie eines Mittags dem heimkehrenden Gatten im Morgenbäubchen u. Küchen- fchürze entgegentrat und die glückliche Neuigkeit, daß es ihr gelungen sei, sein Leibessen, einen prächtigen Plumpudding nach allen Regeln der Kunst zu bereiten, war die erste Begrüßung, die ihm zu Teil wurde. Sie erschrak fast, als sie sah, daß der Ausdruck seines Gesichts bei dieser Eröffnung nicht einmal ein besonders fröhlicher war und verwundert blickte sie ihn an, als er wieder fragte:
„Hätte das nicht auch die Köchin thun können?"
„Gewiß. Arnold, aber ich glaubte, er würde Dir besser schmecken, wenn er aus den Händen Deiner kleinen Wally hervorgegangen wäre."
„Sei nicht böse, liebes Herz, ich freue mich ja auch: aber es wäre mir doch noch lieber, wenn Du Dich nicht den ganzen Tag in der Küche und bei der Hausarbeit befändest. Wenn ein Dienstbote nicht ausreicht, so nehmen wir einen zweiten, Du aber mußt Dich mehr schonen."
„Schonen? Wie meinst Du das? Ich bin die kleine Arbeit, die ich als Hausfrau zu thun habe, von Kindheit auf gewöhnt."
„Leider, Wally! — Aber glaube mir, auch übertriebene Arbeitsamkeit ist ein Fehler. Deine liebe Mama gehörte zu Denen, die aus Furcht, ihre Tochter könnte sich im Ballsaal erkälten, sie lieber am Waschtrog oder an der Nähmaschine schwindsüchtig machen!"
„Arnold, Du bist hart!"
„Aber wahr, mein süßes Kind! — Nicht wahr, Du wirst mir die Liebe thun und die Sorge für meine Lieblingsgerichte in Zukunft der Köchin überlassen. Es wird mir kostbar munden, auch wenn Du ihr nur das Rezept dazu giebst! — Doch, da fällt mir ein, wir sind heute Abend zu einer Soiree beim General-Jndendanten geladen, die Einladung war mir ganz aus dem Sinn gekommen. Es wird Zeit sein, daß Du an Deine Toilette denkst."
Wally erblaßte förmlich.
„Ist das Dein Ernst. Arnold? — Du wirst das nicht von mir verlangen!"
Ueberrascht sah er sie an. „Und was hast Du dagegen? Du hast die schönsten Kleider; es ist nur ein kleiner familiärer Cirkel; die Einladung auszuschlagen, wäre eine Beleidigung!"
„Ich bitteDich, mein liebes, liebes Männchen, gehe hin, aber laß mich zu Haus, ich kann Dich nicht begleiten."
Alle seine Bitten blieben vergeblich Die Scheu vor allen gesellschaftlichen Vergnügungen war zu groß bei ihr. Zum ersten Mal empfand Arnold die traurigen Folgen ihrer pe- tantischen Erziehung. Er hörte endlich auf. sie zu bestürmen, aber er gieng, tief gekränkt auf sein Zimmer und der kostbare Plumpudding blieb unberührt, denn die junge Frau lag in einem Sessel und weinte bitterlich. — Es war der erste eheliche Zwist gewesen, aber es blieb nicht der einzige, das Aschenbrödel war ihr zu sehr in Fleisch und Blut übergegangen; sie blieb immer die nüchterne und in ihrer Anspruchslosigkeit für den lebensfrischen Mann unerträgliche Hausfrau. Anfangs hatte er alle Vergnügungen um ihretwillen ausgeschlagen. Seine Häuslichkeit aber wurde ihm bald unerträglich und er nahm die Einladungen an — für sich allein! — Er durchschwärmte die Nächte mit seinen Freunden, er betäubte den Wurm, der an -seinem Herzen fraß, mit den Fluten des Champagners. Er konnte ja nicht wissen, daß noch
am frühen Morgen, wenn er schweren Tritts sein Zimmer suchte, ein blasses Weib in dem ihren am Tische saß und mit heißen Thränen die Blätter netzte, die auf demselben lagen, die Liebesbriefe aus vergangener seliger Zeit. — So saß sie auch noch spät in einer Nacht, als er nach Hause kam. Nur eine dünne Wand trennte ihre Gemächer. Sie lauschte auf seine Schritte — es war so todenstill im ganzen Hause — sie lauschte — und da hörte sie, daß er weinte — er, der starke, felsenfeste Mann weinte.
Das konnte sie nicht ertragen, sie ging zögernd in sein Zimmer, er hörte sie nicht — sie legte ihren Arm, wie in früheren Zeiten, schmeichelnd um seinen Nacken und in der Scene, die nun folgte, schien es fast, als solle noch einmal Friede und Glück in das Haus der jungen Gatten einkehren, aber auch diese Hoffnung war eine trügerische: sie zwang sich, ihm zu Gefallen einige Bälle und Gesellschaften zu besuchen, aber sie trat dabei in eine Atmosphäre, die ihr fremd und drückend war, ihre Schüchternheit, ihr Benehmen erregte Aufsehen in den Kreisen der Spötter und bösen Zungen, deren hämische Bemerkungen eine Höllenpein für den feingebildeten Mann wurden. Sie kamen nach Hause, er schweigsam und sie in Thränen, jetzt durchdrungen von dem schrecklichen Bewußtsein, daß sie nie im Stande sein würde, den geliebten Mann glücklich zu machen. Wieder trat das alte Verhältnis zwischen ihnen ein, die einförmigen kalten Tage u. die schlaflosen kummervollen Nächte. Da endlich brach ihr Hoffen auf eine bessere Zukunft zusammen, und eines Abends packte sie, leise weinend, die wenigen Kleidungsstücke zusammen, deren sie für den täglichen Gebrauch bedurfte, steckte ein Päckchen Papiere, die Liebesbriefe Arnolds zu sich, legte ein kleines versiegeltes Billet auf den runden Tisch und verließ unbemerkt das Haus. Als er am anderen Morgen das Blllet auf dem Tisch fand und mit banger Ahnung öffnete, machte er zuerst eine rasche Bewegung, als wollte er ihr Nacheilen und sie suchen, dann aber sank er kraftlos in einen Stuhl, barg das Gesicht in den Händen und murmelte:
„Der Herr hat es gut gemacht!"
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Jahre, lange, schwere Jahre sind vergangen. In einem bescheidenen Viertel der Stadt, hoch in der dritten Etage eines einfachen Hauses kann der Vorübergehende noch in später Nacht eine einsame Lampe schimmern sehen. Eine abgehärmte, alternde Person sitzt da über ihre Näherei gebeugt und erst, wenn die Morgenröte den Osten färbt, sucht sie ihr Lager auf.
Sie ist geachtet und geliebt von Jedermann wegen ihres stillen und freundlichen Wallens; sie ist arm, aber eine Wohlthäterin der Armen und ungetröstet ging noch keiner von der alten Wally, der ihren Rat oder ihre Hilfe suchte.
Oft in später Abendstunde geht noch ein hagerer Mann vor dem Hause vorbei, der einen langen Blick auf das einsame Fenster heftete und kein Menschenmund kann es aussprechen, Alles, was in diesem einen Blick liegt. Das ist Arnold Sellwitz, ein großer, ein berühmter Mann.
Er ist ein Freund lustiger Gelage und er arbeitet nur. wenn er betrunken ist, oft aber, mitten in den Freuden der Orgien, mitten unter seinen Festgenossen, springt er auf, geht hinaus und — weint, wie seine Freunde spotten, „um das verlorene Paradies", wir aber sagen, um sein verlorenes Lebensglück! — —
Das ist die einfache Geschichte vom Aschenbrödel. — Ob ich wohl ein Märchen erzählt habe?
(Kartoffelkraut betr.) Kürzlich ging durch die Blätter ein Artikel, worin das Kartoffelkraut als Grünfutter empfohlen wird. Derselbe stammt aus den „Berner Blättern für Landwirtschaft." In einem Flugblatt der württ. Notstandskommission warnt dieselbe unsere Landwirte ernstlich vor der verführerischen Stimme, welche ein gutes, gesundes, reichliches Futter von unseren Kartoffelfeldern ohne alle Beein
trächtigung des Ertrages an Kartoffeln in Aussicht stellt. Gehör zu schenken. Wer von der Ernährung einer Pflanze auch nur etwas versteht. weiß, daß der Saft, welcher von den Wurzeln in die oberirdischen Teile bis hinaus zu den Blättern geleitet wird, in den letzteren eine Umwandlung erfährt, und daß der absteigende Saftstrom die Pflanze. bei der Kartoffel namentlich auch die Knollen, ernährt und zur Vollendung bringt. Auf der andern Seite sind es die Blätter, welche aus der Luft Nähr- ungsstoffe aufnehmen. Nicht unpassend hat man deshalb die Blätter und überhaupt die grünen oberirdischen Pflanzenteile die „Lungen und den Magen" der Pflanzen genannt. Wegnahme dieser Organe muß daher die Lebensthätigkeit aufheben, und so lange die Produkte, wegen welcher wir eine Kulturpflanze anbauen, noch nicht vollständig entwickelt sind, also bei den Kartoffeln z. B. solange die Knollen noch nicht ausgewachsen sind, und der Gehalt an Stärkemehl nicht seine erreichbare Menge erreicht hat, so muß eine Beseitigung des Krautes die Weiterentwicklung hemmen; die Knollen wachsen nicht mehr, und der Stärkegehalt nimmt nicht mehr zu. Es sollte daher Jedermann einleuchten, daß der Satz jenes Artikels, die Wegnahme des Kartoffelkrautes habe keine nachteilige Wirkung auf den Kartoffelertcag total falsch ist, daß vielmehr durch das Abschneiden des Krautes die Kartoffelernte nach Gewicht und Stärkegehalt ganz enorm geschädigt würde. Wir warnen daher aufs nachdrücklichste vor einer Beiseiligung des Kartoffelkrautes, und warnen ebenso ernstlich vor einem Wegnehmen grüner, d. h. noch in voller Lebensthätigkeit befindlichen Blätter von Runkeln, Zuckerrüben rc. Der Nachteil durch Verminderung der Kartoffeln-, Runkeln- und Zuckerrübenernte wäre viel größer als der Vorteil der Verfütterung der abgenommcnen Blätter,
Aus Bayern, 7. Aug. In Bayern hält man, wie bereits an merkwürdigen Beispielen gezeigt wurde, streng darauf, daß bei Veröffentlichung von Familiennamen in den Zeitungen niemals der wirkliche oder auch allenfalls nur mögliche Titel fehle. Beinahe bis zur Unmöglichkeit geht es aber, wenn die Kur- und Fcemdenliste des oberfränkischen Badeortes Berneck zwei „Ochsen- maulsalat- Fabrikantentöchter" aus Nürnberg aufführt.
Berlin. Einen wertvollen Fund machte dieser Tage ein Prokurist der Firma S. in einer Kreuzbandsendung. aus der ihm ein Check über 1600 in die Hand fiel. Bei näherer Besichtigung ergab sich, daß beim Oeffne« der Kreuzbandsendung ein an einen hiesigen Rechtsanwalt gerichteter Brief mit zerrissen worden war, und der Prokurist stellte dem Adressaten das Wertpapier zu. Der Rechtsanwalt führte nun bei der Postbehörde Beschwerde, weil er annahm, daß eine falsche Briefbestellung vorliege. Die Post hat aber feftgestellt, daß der Briefumschlag, der den Check enthielt, einen Bestellstempel nicht trug, sich also in die andere Sendung hineingeschoben hatte.
(Heimgegeben.) Reifender: „Herr Chef, dürfte ich um die Hand Ihrer Fräulein Tochter bitten?" — Chef: Hören Sie mal, Herr Schulz; ich habe Sie doch als Geschäftsreisenden engagiert und nicht als Hochzeitsreisenden."
(Ein neues Wort.) „Jst's wahr, Ihre Tante ist auch Malerin?" — „Ja. das heißt nur so aus Liebhaberei!" — »Aha, versteh schon — Dilet-T a n te!"
Auflösung des Charade in Nr. 12l.
Windrose.
Rätsel.
Zu zählen sind wohl, die es haben,
Zu zählen haben, die es sind,
AL* Niemand, der nach Pforzheim kommt,
versäume die bei Ludwig Becker vorm. Chr- Ec- hardt in den Schaufenstern ausgestellten SW um den unglaublich billigen Preisen anzafeheu.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.