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Vortrag. der die umfassende Bildung und den weiten sichern Blick des Redners erkennen ließen.

Obstpreiszettel. Stuttgart, 1. Aug. Wil­helmsplatz: 25 Ztr. Fallobst, Preis 2 50 pr. Ztr.

Ausland.

Paris, I. Aug. Der Figaro versichert- die abgemachte Thatsache der Wiedereinführung eines russischen Geschwaders im Mittelmeer sei ein neuer Beweis des vollkommenen Einver­ständnisses zwischen Rußland und Frankreich.

Die Annahme sämtlicher Forderungen des französischen Ultimatums seitens der siamesischen Regierung hat den Streithandel zwischen Frankreich und Siam in überraschend schneller Weise zum Abschluß gebracht. Diese kaum zu erwartende Wendung wird als eine Folge des zwischen Frankreich und England getroffenen Uebereinkommens betrachtet, welches sich auf die Abgrenzung des Gebietes am oberen Mekong bezieht. Laut dem getroffenen Ueber- einkommen giebt Frankreich die Territorien am oberen Mekong, welche von Siam an Frankreich infolge der Annahme des Ultimatums eigentlich abgetreten werden müßten, wieder zurück, damit ein direktes Aneinandcrgrenzeu des englischen und des französischen Gebietes in Hinterindien vermieden werde. Auf solche Weise, heißt es. würden die Bedingungen des französischen Ulti­matums buchstäblich festgehalten, aber diplomatisch abgeschwächt werden, um den Einwänden Eng­lands zu begegnen und zugleich auch einem drohenden Konflikte Frankreichs mit China aus dem Wege zu gehen. Jedenfalls erscheint das Triumphgeschrei, welches die Pariser Presse über den Ausgang der siamesischen Frage anstimmt, nicht ganz unberechtigt, da nunmehr Frankreich auf einen neuen nicht unbeträchtlichen kolonial­politischen Erfolg zurückblicken kann. Freilich muß noch abgewartet werden, ob auch die Ver­wirklichung der in dem Ultimatum Frankreichs enthaltenen Forderungen in alten Punkten glatt vor sich gehen wird.

Der russische Einfluß am goldenen Horn scheint zur Zeit wieder einmal kein ge- ringer zu sein. Wenigstens spricht für diese Vermutung der Umstand, daß der Sultan in­folge der lebhaften Vorstellungen des russischen Botschafters v. Nelidoff das Projekt der Be­festigung Konstantinopels nach den Vorschlägen des belgischen Generals Brialmont wieder fallen gelassen hat. Freilich dürften Herrn v. Nelidoffs Bemühungen dadurch bedeutend erleichtert worden sein, daff die Befestigung Konstantinopels große Summen verschlungen haben würde und im türkischen Staat herrscht bekanntlich noch immer ziemliche Ebbe!

Der längst drohende Riesenstreik der englischen Bergleute ist nunmehr zum Ausbruch gelangt. Zur Stunde dürfte sich die Gesammtzahl der feiernden Bergleute auf etwa 300000 belaufen, vermutlich wird sie aber noch eine Erhöhung um 50000 erfahren, da auch die noch schwankenden Kohlenarbeiter in Süd- Wales und Durham sich dem Ausstande höchst wahrscheinlich anschließen werden. Es handelt sich bei dem jüngsten großen Streik der engl. Bergleute vor Allem um tiefgehende Lohn­differenzen zwischen ihnen und den Grubenbe­sitzern, doch spielen auch noch andere Fragen in den Konflikt hinein, obwohl aus Newcastle gemeldet wird, eine dort stattgefundene Versamm­lung von Grubenbesitzern habe Geneigtheit be­kundet. mit dem Streikausschuß zu unterhandeln. Die Wirkungen des Bergmannsstreiks machen sich im industriellen Leben Englands vielfach schon recht bedenklich geltend.

London, 31. Juli. Das Reuter'sche Bureau meldet aus Buenos-Ayres: In der Pro­vinz Buenos-Ayrcs und in der Stadt Rosario, Provinz Santa Fa, ist ein von den Radikalen vorbereiteter Aufstand ausgebrochen. In zwanzig Städten der Provinz ist es zum Kampfe ge­kommen. Seit gestern früh haben die Aus­ständigen die Oberhand. In Rosario finden seit gestern früh 6 Uhr erbitterte Kämpfe statt. Der Ausstand verbreitet sich über das ganze Land.

Telegramme an den Enzthäler.

Cowes, 2. Aug. Die JachtValkhrie" wurde bei der Wettfahrt um Queenseup wegen unregelmäßigen Fahrens disqualificiert, der Preis daher der Jacht des KaisersMeteor" zugesprochen, welche nach derValkhrie" an­gelangt ist.

Rom, 2. Aug. Tribunol-Meldung aus Neapel: Vom 3l. Juli Mittag bis 1 August Nachmittag sind an Cholera 30 Personen er­krankt, 11 gestorben. Amtliche Bulletins wurden über Cholerafälle bisher nicht veröffentlicht. Der Gesundheitszustand Italiens ist nach der Agenzia Slefani" gut.

Rio de Janeiro, 2. Aug. Nach einer Reutermeldung stießen am 29. Juli die Regier­ungstruppen und Aufständischen bei Blumenau zusammen, am 3l. Juli bei Desterro. Die Ver­luste beiderseits sind unbeträchtlich. Ein Teil der Regierungslruppen soll zu den Aufständ­ischen übergegangen sein.

Hlnleryattender Heil.

In Wasserstiefeln.

Von Johannes Ziegler.

(Nachdruck verboten.)

Der Sommertag war wunderschön. Die ein­same Küste lag im Schatten; gegenüber in der Mittagssonne streckte sich die blendend weiße Sanddüne mit ihren Hellen Badekarren. Kein Windhauch ließ sich verspüren; die spiegelnde See bewegte ihre breiten Wassermassen in jenem ruhig großen Auf- und Niederwallen, das wie ein Atmen ist. Sanfte Wogen, welche sich lang­sam auf den Strand wälzten, rollten Kies und Rollsteine rasselnd herauf und löschten ihre sparsamen Schaumperlen in einem niedrigen Walle von angeschwemmtem Seetang, der das Gestade säumte, und liefen dann glatt zurück, den rasselnden Kies wieder mitnehmend und einer neuen Welle Raum lassend zu gleichem Spiele, so daß es eine unablässige Wiederkehr gab und ein gleichmäßiges Rauschen den ganzen Strand entlang. Die Luft war salzig; ihren Geruch hätte man dem angenehmen der Auster vergleichen können, wenn nicht die Ausdünstung des feuchten Seetangs ihm etwas allzu Strenges beigemischt hätte.

Als ich vorwärts ging, flogen von dem Tange Schwärme lustiger Strandfliegen empor und wirbelten in der blauen Lust, bis ich vorbei war; dann ließen sie sich hinter mir wieder herab, von neuem ihrem Zeitvertreibe nachzugehen. Reicher, als es sonst an einer Stätte des Erdbodens zu Tage tritt, ist sicherlich das Ufer der See ausgestattet. Wo ich ging fand ich des Beachtenswerten viel. Zwischen dem braunen Riementang und Blasentang lagen rosenrote, hellgrüne und purpurfarbene Algen von wundervoller Feinheit. Allenthalben in dem Geflecht bewegte sich etwas; hier der zier­liche Windfisch, anzusehen wie eine kleine, ge- fchnäbelte Schlange mit schillerndem Schuppen­panzer, dort die sechskantige Meernadel, dort ein kleiner Knurrhahn oder ein Seeteufel oder gar ein Panzerhase. Die Ebbe spielt diesen Geschöpfen und noch vielen anderen täglich einen bösen Possen. Zwischendurch strichen Taschen­krebse, auf der Suche nach Beute. Erkannten sie mich, jo liefen sie seitwärts, wie es ihre Ge­wohnheit ist, eilig ins Wasser. Ein Gleiches that der behende Einsiedler, welcher bekanntlich mit seinem nackten schutzlosen Schwänze in einem Muschelgehäuse steckt, das er hinter sich durch das Leben zerren muß. Solche Späße erlaubt sich die Natur mit ihren Geschöpfen! dachte ich in meiner Naseweisheit.

Auf den Steinen hafteten Rankenfüßer und Meertulpen. Kehrte ich einen Stein um, zu sehen, was darunter verborgen war, so traf ich stahlblaue Nereiden oder die prachtvoll schillernde Aphrodite. Viel von diesem Getier steckte ich in die grüne Blechbüchse, die ich umgehangen hatte. Dazu die schneeweißen, zarten Rücken­platten des Tintenfisches, die auf dem Strande umherlagen; auch wohlerhaltene Donnerkeile, die ich als kleine Entschädigung unter meines

Freundes und Lehrers Zigarren zu mischen dachte; und die merkwürdigen Ammonshörn ! Ueberbleibsel einer längst entschwundenen Weis Wie mit Perlen war das rot: Geröll von hellgrauen, perlmutterschillernden Schnecken muscheln übersäct; auch die Purpurschnecke da und die dunkelblaue Napfschnccke mit Mtm himmelblauen Streifen, die schönste der Schnecks Helgolands. Zwischen den Steinen fand ich Seesterne, deren ich einige kleine, die nicht übel rochen, mitnahm, meinem Freunde und Lehrer zur Ueberraschung in die Tabaksdose; dazu viele Katzenköpfen und die schön gewölbten Schale der Seeigel. Draußen in den Wogen wallten die glasartigen Weichkörper der Quallen, rosen­rot mit violettem Stern, welche ihre zarten Fangarme in regelmäßigem Gleichmaße be­wegten. Biele von ihnen hatte die Ebbe schon abgesetzt; sie lagen hilflos auf dem Strande umher.

Mittlerweile hatte ich die Ecke der Insel erreicht, und vor mir lag, von der Sonne be­schienen, die nächste Küstenstrecke; an ihrem Ende warf der Hengst seinen Schatten, ein ungeheurer viereckiger Einzelfels, der, unten ausgewaschen, wie auf kurzen Füßen stand. Seitdem ist er umgestürzt und streckt jetzt seine Beine in die Luft. An der Felswand nisteten viele Vögel, Schrie ich Ho! und Ha!, so flatterten Schwärme von Seeschwalben aus dem Geklüfte und warfen kleine Steine herab. Am Gestade liefen Strand­läufer und Regenpfeifer, und hüpfte die freund­liche Uferlerche. Draußen im offenen Wasser ward zuweilen eines Seehundes Kopf sichtbar, oder ein Tummler, der Delphin des Nordens, zeigte seine munteren Bogensprünge. Mußte ich diesen entfernten Geschöpfen gegenüber auf ein freundliches Zuwinken mich beschränken, so fand sich auf dem Strande dafür nach manches zum Einstecken in die grüne Blechbüchse, welche schon ziemlich schwer war.

Mit dem Einsammeln von allerhand Getier und Geraffel, mit dem Bestimmen der Arien und dem Umhersehen hatte ich viel Zeit ver­loren; ich sputete mich daher angesichts der großen Strecke, welche noch zurückzulegen war, Hier war das Borwärtskommen schwieriger. An einigen Stellen rollte das Wasser bis an die schroffe Felswand; dort watete ich, denn dazu hatte ich die Wasserstiefel, welche sich treff­lich bewährten. Doch des trockenen ward immer weniger, der schmale Streifen immer schmaler, Früher war der Rand des Gestades feucht ge­wesen, jetzt reichten trockene Rollsteine bis dicht an das Wasser, welches munterer als bisher gegen das Gestade anlief. Es war die Flut!

Die Flut!

Ich eilte vorwärts. Doch das Waten ging langsam und war ermüdend, da das Wasser mir bisweilen bis über die Knie reichte und, von dem roten Thonsteingeröüe gefärbt, un­durchsichtig war. Aber ich eilte vorwärts. Der Grund war uneben, und plötzlich stand ich bis an die Hüften im Wasser, das oben in meine Stiefel hineinlief und sie füllte. Man mag sich meinen Verdruß denken: doch da war keine Zeit zum Aerger. Ich erreichte einen Vorsprung des Strandes und stand auf dem Trockenen, wo ich mich niedersetzte und die Beine emporhob, um das Wasser aus den Stiefeln laufen zu machen.

Einen Augenblick ruhte ich aus, indem ich mit Sorge den Fortschritt der Flut betrachtete, Kies und Rollsteine am Rande des Wassers, welche soeben noch trocken und von der an­dringenden Welle noch nicht erreicht waren, wurden von der nächsten schon benetzt und von der dritten überschwemmt, und die vierte Welle fing an. das rollende Spiel mit ihnen zu Mwen. So machen es die Wellen der Flut. Ich raffte mich auf und kam wieder eine gute Strecke vo - wärts, zuweilen auf dem Trockenen, zuwm

watend.

(Schluß folgt.!

Redaktwn, Druck und Verlag von Chrn. Meeh iu Neuenbürg.