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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Hu Mitgliedern des Beirats der Berkehrsanstalten und zu Ersatzmännern derselben sind gemäß der K. Verordnung vom SV. März 1881, betr. die Bildung eines Beirats der Verkehrsanstalten, von den Handels- und Gewerbekammern, bezw. von der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft gewählt worden: I. Als Vertreter des Handels und der Gewerbe: von der Handels- und Gewerbekammer in Calw: Komm.-RatKarl Sannwald, Fabr. in Nagold, Eisatzm.: Eugen Stälin, Fabrikant in Calw; II, Als Vertreter der Landwirtschaft: Gutsbesitzer V, Weiß in OttenHausen, Ersatzm.: Schultheiß Ziegler in Gechingen.
Die niedere Dien st Prüfung im Departement des Innern, welche Ende Mai d. I. vorgenommen wurde, haben u. a. mit Erfolg bestanden : Heinrich Baetzner in Wildbad, Ernst Kircher von Rothensol. Julius Feldweg von Calw.
Neuenbürg, 18. Juli. Die Nr. I der vom Württemb. Schwarzwaldverein zum Vereins- Organ erkorenen Zeitung :„AusdemSchwarz- lvald, Blätter des Württ. Schwarzwaldvereins", gelangt soeben unentgeltlich in die Hände der Mitglieder. Dnse erste Nummer der neuen Bereinszeitung, in Quartformat auf satin. Werkdruckpapier sauber gedruckt, macht einen in jeder Beziehung gefälligen Eindruck. Sie enthält ein sinniges Gedicht: „Mein Schwarzwald", ferner ein ansprechendes Vorwort „Zur Einführung"; Wildbad mit Text von Honold und 3 gelungenen Ansichten in gediegenem Holzschnitt von M. Ringe; Alten steig mit Text von I. Hetterich und 2 Abbildungen; einen Aufsatz von P. W.: „Die Besiedelung des württemb. Schwarzwalds". Weiter finden sich Rätsel und Bücherempfehlungen (E. Schloz, ,Was die Tannen rauschen." I. Hartmann, Wildbad), sowie auf Seite 11—14 empfehlende Inserate von mehreren Schwarzwaldorten- und Bädern mit zahlreichen Abbildungen. — Herausgeber und Verleger dieser neuen Schwarzwald- dlätter ist M. Ringe in Wildbad, Redakteur: Rektor Dr. Weizsäcker in Calw. Sie wollen Berichte bringen über Städte und Landschaft, über Natur und Kunst, über Sage und Geschichte, über Leben, Sitten und Gebräuche der Schwarzwald-Bewohner; sie sollen auch dem Schwarzwaldverein, der sich die Aufgabe gestellt, das schöne Gebirge dem Wanderer durch Wegcanlagen, Wegzeiger und Karten zu erschließen, zur Veröffentlichung von Bereinsnach- richten oller Art dienen und so seine schönen Bestrebungen fördern helfen. Jeder Freund unserer engeren Heimat wird das neue Unternehmen mit aufrichtiger Freude begrüßen. Durch den Beitritt zum Schwarzwaldverein erwirbt man sich zugleich auch das Abonnement auf die mit Vorstehendem in Kürze empfohlenen Blätter. Mögen sie den Verein durch recht rege Beteiligung immer mehr erstarken und seinem Zwecke ersprießlich werden.
Deutsches Reich.
Kiel, 17. Juli. Der Kaiser und die Kaiserin traten an Bord der Hohenzollern, begleitet von mehreren Torpedobooten, die Reise nach Gothenburg und Bornholm an.
Berlin, 18. Juli. Der Staatssekretär des Reichsschatzamts v. Maltzahn-Gültz wird >n nächster Zeit aus dem Reichsdienst scheiden, auch wird wahrscheinlich schon vor dem Herbst an preußische Kriegsminister v. Kaltenborn- Stachau sein Amt niederlegen.
Berlin, 18. Juli. Wie die „Kreuzztg." vernimmt, findet am 6. August in Frankfurt a M. eui Beratung der Finanzministcr der Bundes- mit dem preußischen Finanzminister Dr,
M'qucl statt. " ^
Den interessantesten Punkt der Freitags- -aeichstagsdebatte bildete das Rede-Duell ^-aprivi-Bisrnarck. Schon die Ankündigung des Präsidenten, daß Graf Herbert Bis- Sckl ^ habe, wirkte wie ein elektrischer chlag. Von allen Seiten umdrängte man den mevner, der mit starker Stimme, dem Grafen aprwl zugewendet, zu sprechen begann. Die
heftigen Rufe der Linken „Zur Sache" beirrten den Redner nicht. In kräftigen, weithinschallenden Worten stürmte er vorwärts und rief vielfach in seinem äußeren Auftreten und seinen Gebärden die Erinnerung an seinen Vater wach. Graf Caprivi antwortete mit ruhiger Sicherheit, nur das Zittern seiner Hände verriet die innere Erregung. Am Bundesratstische verfolgte man, äußerlich unbefangen, aber sehr aufmerksam den ganzen Vorgang. Herr v. Bötticher betrachtete den Redner lange durchdringenden Blicks. Auf dem Antlitz des Staatssekretärs v. Marschall spiegelte sich eine Serie von Empfindungen; am ruhigsten blieb Herr v. Maltzahn, der die Durchsicht eines Aktenpakets kaum unterbrach. Nach der Rede Caprivis kam kein Laut des Beifalls aus den Reihen der Nationalliberalen. Richter leitete die Opposition und teilte die Stichworte aus. Das Zentrum verharrte in ziemlich neutraler Haltung. Kardorff, Hammerstein und Graf Limburg-Stirum begaben sich später zu Herbert Bismarck, und es schien, daß sie wenig zufrieden über die Art seines Vorstoßes waren. — Die Presse beschäftigt sich sehr eingehend mrt dem Zweikamps zwischen dem alten und dem neuen Kurs. Die freisinnigen, die Zentrums- und die sozialdemokratischen Blätter sind darin einig, daß der Angriff total zurückgeschlagen sei; aber auch die Nationalzeitung spricht von einem „höchst peinlichen Zwischenfall." Das parlamentarische Wiedererscheinen des ehemaligen Staatssekretärs des Auswärtigen habe sich sehr unglücklich gestaltet. Caprivi sei es ein leichtes gewesen, seine unrichtigen Vorstellungen und unhaltbaren Schlußfolgerungen zu widerlegen.
Berlin, 17. Juli. Die „Nordd. Allg, Ztg " führt in einem längeren Artikel gegenüber der Behauptung der Opposition, die Regierung habe nur einen kleinen Sieg in der Militärvorlage errungen, aus, der Sieg sei im Gegenteil groß, denn mit der Annahme der Wehrkraft sei das Bestreben der verbündeten Regierungen gekrönt, die Sicherheit und Selbständigkeit Deutschlands zu verbürgen. Es sei zu bedenken, daß über die Frage, wovon die Existenz Deutschlands abhänge, die Welfen, die Sozialdemokraten und diejenigen Elsässer mitzuentscheiden hatten, die ausgesprochenermaßen das Reich negieren. Der Reichstag habe ein Recht auf den Dank der Nation. Die Regierungen nähmen für sich nur das befriedigende Bewußtsein in Anspruch, dem Kaiser und dem Reich gut gedient zu haben.
Der letzter Tage in Berlin abgehaltene Parteitag der Freisinnigen Volks- Partei galt u. A. auch der definitiven Beschlußfassung über den künftigen Namen der Partei. Es waren verschiedene neue Benennungen vorgeschlagen worden, schließlich entschied sich aber die Mehrheit der Versammlung dafür, daß es bei der bisherigen Bezeichnung zu verbleiben habe.
Die Handhabung der Sonntagsruhe betr. den Verkauf von Getränken über die Straße seitens der Wirte hat bekanntlich schon verschiedenartige Auslegung gefunden. Die Strafkammer in Bonn hatte sich auch mit der Angelegenheit zu befassen, und zwar auf Grund einer Reichsgerichtsentscheidung. Die Bonner Gerichte hatten zwei mit Strafbefehl bedachte Wirt freigesprochen, welche Urteile das Reichsgericht aufhob, und zwar mit der Begründung, daß nachgewiesen werden müsse: ob die Wirte im Glauben gewesen seien, ihr Schankgewerbe auszuüben oder ob sie sich des Betriebes eines Handelsgewerbes bewußt gewesen seien. Die Strafkammer nahm das Erstere an und sprach die Wirte wiederum frei, sämtliche Kosten der Staatskasse auflegend. Man sieht, Klarheit ist auch durch das Reichsgericht nicht in die Frage gebracht worden.
Das soeben erschienene statistische Iahr- buch des Deutschen Reichs für 1893 könnte man das Hauptbuch des deutschen Volkes nennen, weil darin die wichtigsten Thatsachen, welche die Bevölkerung, den Erwerb und die Finanzen rc. des Deutschen Reichs betreffen, alljährlich mitgeteilt werden und hier Buch und Rechnung über die nationale Entwickelung geführt wird. Die Ergebnisse der letzten deutschen
Volkszählung werden darin mit den Zählungen bis 1816 zurück verglichen. Danach ist die Bevölkerung auf dem heutigen Reichsgebiete seit 1816 bis 1. Dezember 1890 von 24 833 000 auf 49 428 470 Einwohner gestiegen. Im Jahre der Begründung des Deutschen Reichs zählte man am 1. Dezember 1871: 41 058 804 Einwohner. 1875: 42 727 360, 1880: 45 234 061, 1885 : 46 855 704 Einwohner. Anlangend das Geschlecht zählte man 1890 : 24 220 832 männliche und 25 197 638 weibliche Personen; eS kamen hiemit auf 100 männliche 104 weibliche Personen (in der preußischen Provinz Westfalen kamen auf 100 männliche nur 95,8, dagegen im Königreich Sachsen 105,9 weibliche Personen, was sich namentlich aus der Verbreitung der Kohlen- und Eisenindustrie in Westfalen und der Textilindustrie in Sachsen erklärt. Auf 1 Quadratkilometer kommen im ganzen Deutschen Reiche 91,5 Einwohner, in Preußen 86,0, in Bayern 73,7, in Sachsen 233,6, in Württemberg 104,4, in Baden 109,9 in Elsaß-Lothringen 110,5 Einwohner. Unter den 49 428 470 Einwohnern des Deutschen Reichs gab es 1890 433 264 Reichsausländer, davon kamen auf Preußen 164 798, auf Bayern 74 313, auf Sachsen 79 142, auf Württemberg 12 226, auf Baden 17 852, auf Elsaß-Lothringen 46 463„ aus Hamburg 16 748 Reichsausländer. Von den übrigen deutschen Staaten hatte keiner über 4000 Reichsausländer. Nach dem Familienstand waren 1890 im Deutschen Reiche unter 100 Einwohnern 60 ledig, 33,9 verheiratet und 6,1 verwitwet oder geschieden. Nach dem Religionsbekenntnis waren 1890 unter 10 000 ortsanwesenden Personen 6277 evangelische. 3576 katholische, 29 sonstige Christen, 115 Israeliten und 2,7 anderer Religion oder ohne Angabe. Die Zahl der Israeliten hat sich, verglichen mit der Zählung im Jahre 1880, vermindert; denn damals betrug sie 124 auf 10 000 gegen 115 auf 10 000 im Jahre 1890.
Württemberg.
Von den württembergischen Reichstagsabgeordneten sind in die Kommission des Reichstags gewählt: Ehni, Gröber, Frhr. v. Gültlingen; Siegle in die Kommission für den Reichshaushalts-Etat; Galler in die Kommission für die Petitionen.
Der württb. Obstbau-Verein wird in den Tagen vom 27. September bis 1. Oktober in der städt. Reithalle in Stuttgart eine Landesobstausstellung veranstalten. Es ist zu erwarten, daß bei den diesjährigen verhältnismäßig guten Obstaussichten, dieselbe ein interessantes Bild unseres heimischen Obstbaues geben und sich zahlreichen Besuchs erfreuen wird.
Stuttgart, 14. Juli. Das diesmalige Volksfest, welchem das Königspaar anwohnen wird, erhält nicht allein durch die Einweihung der neuen Neckarbrücke und die im August zu eröffnende Cannstatter Gewerbeausstellung, sondern auch durch eine vom Württ. Obstbauverein hier veranstaltete Landes-Obstausstellung einen erhöhten Reiz.
Stuttgart, 10. Juli. (Strafkammer.) Wegen Widerstands, Beleidigung, Bedrohung und fahrlässiger Körperverletzung waren heute 4 Arbeiter von Leonberg angeklagt. Am Himmelfahrlsfest abends war der Bahnhof Zuffenhausen der Schauplatz einer großen Prügelei. Der Verein „Frohsinn" von Leonberg hatte an jenem Tage eine Fahrt nach Heilbronn ausgeführl, und bei der Rückfahrt gab es auf dem Zuffenhausener Bahnhof Aufenthalt, wo auf den Leonberg-Calwer Zug um- gestiegen werden mußte. Einige der angeheiterten Leonberger suchten Ziersträucher der Bahnhofanlagen abzureisen, dies wurde ihnen aber von dem Beamten und den Bahnhofarbeitcrn untersagt. Die Folge war, daß einzelne Leonderger mit Schimpfreden antworteten, und es wurde schließlich auf die Genannten mit Stöcken und Schirmen losgeschlagen Der bisher noch un- beteiligt gebliebene Angeklagte Weiler schoß schließlich, um der Sache ein Ende zu machen, wie er sagte, aus seinem Revolver auf den Boden einen Schuß ab. Die Kugel prallte auf dem steinernen Plattenbeleg des Bahnsteigs ab