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in der Befürchtung entgegengelaufen war. wir möchten in der Nähe der Häuser mit Singen aufhören und so seiner Rache entgehen. Immer- hin aber hätte es doch wieder Unannehmlichkeiten gegeben, besonders für Wützow, der jeden Tag seine Ernennung zum Offizier erwartete, und uns diese Unannehmlichkeiten zu bereiten, war Schmiedels Zweck. Wützow machte deswegen den Vorschlag, der Wächter möchte doch gemütlich sein und lieber mit uns bei Schröder, einer Weinkneipe am andern Ufer, ein Glas Wein trinken; cs solle sein Schaden nicht sein. Dabei zog er zwei harte Thaler aus der Tasche.
In Schmiedels Brust kämpften Rachgier und Habsucht einen schweren Kampf. Endlich siegte die letztere. Grunzend ließ er die beiden Thaler in seine Tasche gleiten, und wandte sich dann der Brücke zu. Diese in Begleitung des allgemein bekannten und verhaßten Wächters zu passieren, log aber nicht in unserem Plan. „Wollen doch hier einen der Kähne nehmen", schlug ich vor, und der Wächter bestieg denselben, Während ich mit des Fähnrichs Hilfe das den Kahn haltende, um einen Baumstamm geschlungene Tau losmachte. Kaum aber war dies geschehen, so gab ich dem Kahn, nachdem ich die Ruder ergriffen hatte, einen Fußtritt und ehe der edle Schmiedel sich noch über die Situation klar geworden war, trieb er auf den Fluß hinaus.
Schmiedel rief wie ein Rasender um Hilfe, während sein Kahn, von der Strömung erfaßt, munter der Stadt zutrieb. Wir folgten am Ufer im Schatten der Gebüsche. In der Nähe der Häuser angekommen, fing Schmiedel an, sich der Notpfeife zu bedienen, und bald waren auch zwei seiner Kollegen am Ufer. Aber o weh! sie nahmen an, daß ein Spaßvogel vom Kahn aus sie necken wollte, und eröffnten ein eifriges Bombardement mit Steinen und Erdstücken auf denselben. Der Fluß war hier recht breit, und Schmiedels Worte nicht zu verstehen. So trieb er munter weiter, an der Stadt vorbei. Ich hatte eigentlich Angst, daß mein leichtsinniger Streich üble Folgen haben könnte, aber Wützow beruhigte mich. In der Nacht rube ja die Schifffahrt und bis zum Morgen war bei dem niedrigen Wasserstande Schmiedel jedenfalls längst auf eine Sandbank getrieben. In der That kam es auch so, unterdessen hatte der Ueberlistete doch eine Reise von mehr als einer Meile zurückgelegt, ehe sein Fahrzeug auf einer Landzunge zum Stillstand kam, und es war Heller Morgen, als er wieder nach der Garnison zurückkam. Er erzählte nun, da er bei Bekanntgabe des Hergangs jedenfalls sehr streng bestraft worden wäre, eine sehr romantische Geschichte von Dieben, die er bis auf das Wasser verfolgt habe, die ihn schließlich überwältigt und ihm die Ruder weggenommen hätten, und in unserem Anzeiger stand ein noch viel romantischer ausgeschmückter Bericht darüber. Der Reporter verriet uns bald, daß Schmiedel selbst ihm das Material dazu geliefert, und nun war er uns verfallen. An einem der nächsten Abende hielten wir eine ernste Unterredung mit ihm ab, die damit endete, daß er gelobte, künftighin sich gegen alle Mitglieder der Garnison der größten Nachsicht zu befleißigen, wogegen wir ihm Verschwiegenheit versprachen. Er hielt Wort, und wir auch.
Jetzt, wo er, wie ich höre, von seinem irdischen Tage- oder vielmehr Nachtwerk abberufen worden ist, bin ich an jenes Versprechen wohl nicht mehr gebunden und überliefere diese Erzählung der Mitwelt zu Nutz und Frommen aller Nachtwächter, damit sie sich ein Beispiel an ihr nehmen und von unnützer Feindschaft gegen die Einjährig-Freiwilligen ablassen — die sind ihnen doch über!
(Anonyme Briefschreiber.) Sehr häufig kommt es vor, daß feige, hinterlistische Menschen anonyme Briefe herumschicken, weil sie selbst nicht den Mut haben, mit ihrem Namen für das einzustehen, was sie schreiben, oder weil sie als erbärmliche Subjekte aus sicherem Hinterhalt heraus das Gift der Verläumdung zu spritzen versuchen. Diese anonyme Briefschreiberci hat nun schon verschiedene Stände beschäftigt; am schönsten und treffendsten aber läßt sich der Ge
lehrte Alexander Dumas darüber aus. Er sagt nämlich ungefähr folgendes: (auszugsweise): „Es ist zweifellos, daß bei gewöhnlichen Menschen der anonyme Brief ein wahres Unglück Hervorrufen kann. Er ist das einfachste und billigste Sprengmittel des laufenden Hasses; er ist das Dynamit der Dienstmädchen und leider auch manchmal der Frauen von Stand. Ein Fetzen Papier, 3 Sous für die Briefmarke, das ist die Kapitalsanlage, deren Ergebnis tiefeinschneidend ist. Der berüchtigte Anarchist Ravachol konnte nicht bessere Arbeit machen, als so ein anonymer Briefschreiber. Es muß für einen solchen eine teufliche Lust sein zu schreiben, die eigene Schrift zu fälschen, die Worte zuzuspitzen, dann das Couvert voll von Sprengstoffen in den Postkasten zu werfen, der nichts verraten kann, die Ankunftszeit zu berechnen und dann unbeachtet dem Augenblick der Explosion beiwohnen zu können." So wird in sartyrischer Weise das anonyme Bricfschreiben gegeißelt und mit Recht.
Des Monats Juni, der nach den Erfahrungen der letzten Jahre viel eher den Beinahmen „Wonnemond" verdient als der Mai, wird auch in den alten Bauernregel meist als eines freundlichen warmen Monats gedacht, dem eine große Bedeutung für die Ernte zukommt. So heißt eine Bauernregel:
Auf den Juni kommt es an.
Ob die Ernte soll bestahn.
Viel Regen will der Bauer im Juni nicht haben, denn
Wenn kalt und nah der Juni war,
Verdirbt er meist das ganze Jahr.
Nun ist aber, wie schon angedeutet, meist das Gegenteil der Fall. Gänzlichen Regenmangel in diesem Monat liebt der Bauer aber auch nicht. Daher heißt es in einigen Gegenden:
Bor Johanni bitt um Regen,
Nachher kommt er ungelegen.
In den Dörfern am Rhein und andern katholischen Gegenden giebt es zwei uralte Bauernregeln, von denen die eine auch für einen mehr regenlosen Juni eintritt:
Juni trocken mehr als naß,
Füllt mit gutem Wein das Faß.
Die andere beschäftigt sich ausschließlich mit einem bestimmten Tage:
Ist Frohnleichnam schön und klar,
Giebts guten Wein in diesem Jahr.
Vom Johannistage, 24. Juni, handeln außer der bereits erwähnten noch zwei Bauernregeln. Die eine lautet:
Regen am Johannistag Nasse Ernte man gewarten mag, während die andere nicht bloß für den Bauer, sondern auch für den Brauer ihre Bedeutung hat. denn sie heißt:
Vor St. Johannistag,
Keine Gerste man loben mag.
Vom Medardus-Tage. (8. Juni), den die kathol. Kirche als gebotenen Feiertag eingesetzt hat, sagt der Bauer:
Wer auf St. Medardi baut,
Der kriegt viel Flachs und Kraut.
Drei Millionen Hagestolze. Der „Boston Globe" bemerkt, daß nach dem letzten Ccnsus in den Vereinigten Staaten sich 3 000 000 Junggesellen, d. h. Männer über 30 Jahre alt, die nicht geheiratet haben, befinden. Das Blatt wirft die Frage auf: wie viele von ihnen ind aus Wahl und wie viele aus Notwendigkeit ehelos geblieben? Die Faktoren, die zur Fähigkeit beitragen, eine Frau und Familie zu ernähren, haben sich unter den neuen industriellen und geschäftlichen Bedingungen geändert. So groß ist die Konkurrenz in den leichteren Berufszweigen geworden und so groß ist die Anzahl von Frauen geworden, die jetzt Stellungen einnehmen, die ihnen das Heiraten unmöglich machen. Es ist leicht, die jungen Leute deshalb auszuschelten und ebenso leicht, die ungen Damen zu tadeln, die sich nach Ehemännern mit vielem Gelde Umsehen. Aber aus den veröffentlichten statistischen Angaben in Bezug auf die Gehälter, welche in Amerika in den verschiedenen Beschästigungszweigen gezahlt werden, geht deutlich hervor, daß von den 3 000000 Junggesellen die Majorität aus bitterer Notwendigkeit unverheiratet bleibt.
Zur reuizucyi von «Straußen ist ^ der „K. Z." aus Tunis geschrieben wird? algerischer Unternehmer bei der Regierung , Ueberlassung eines geeigneten Geländes ein7 kommen, und die Militärbehörde hat schon? Gesuch zugestimmt. Man will daselbst dag m,; spiel der Straußenzüchler am Kap der am „ Hoffnung nachahmen; dort gab es Mö ", 80 Straube als Haustiere, zehn Jahre wist, waren es schon über 27 000, und ein ander ordentlich gewinnreicher Handel war damit ^ schaffen. Die Einnahmen aus demselben d-' trugen 1883 26'/. Mill. Franken. DauM setzte die dortige Regierung einen Zoll von 2500 Fr. für jeden Vogel und von igz ^ für jedes Ei fest, um ihre Ausfuhr und ^ Gründung desselben Handelszweiges in andern Ländern zu verhindern. Die Höhe des ZM im Verein mit dem großen Risiko kann dies auch wirklich verhindern, und man hat M sich in Algier mit der Sache zu beeilen, da wilde Strauße dort schon sehr selten sind.
(Saure Milch oder Dickmilch.j Eine sek gesunde Speise für solche, welche an Blutarm! oder auch an zu vieler Galle leiden, ist dir saure Milch. Es giebt immer noch Frauen welche mit einer gewissen Verächtlichkeit von der sauren Milch reden und meinen, dieselbe komme nur in Haushaltungen vor, in dem die Frau oder die Dienstboten die Milch eben aus Gleichgiltigkeit sauer werden lassen; dann müsse man sie freilich verwerten, wenn man sie nicht ins Schweinesutter werfen wolle; aber viel Rares sei es mit der sauren Milch keineswegs, Dem ist aber nicht so; die saure Milch sollte in jeder Familie extra bereitet werden; sie ist als Erfrischungsmittel und als Zwischenmahlzeit sehr zu empfehlen. Ferner ist die saure dicke Milch in Omelettenteig gerührt sehr z« empfehlen; man kann den Teig in diesem M einfach mit Wasser anrühren, nachher die Milch gut geklopft hinein thun und mit Len Eiern verbinden; solche Omeletten werden viel zarter und gesünder als andere; sie halten allerdings beim Backen weniger zähe aufeinander, und man kann nicht ganze Schichten aufeinander legen; sie sind aber dafür verdaulicher, blutbildender und zarter.
Dem Londoner Daily Telegraph zufolge verdanken die mechanischen Musikspieldosen ihren neuesten Fortschritt einem indischen Prinzen, Derselbe litt an Schlaflosigkeit, hatte vermutlich alle orientalischen Schlafmittel und Schlaftränke durchgemacht und durchgekostet und ließ sich schließlich ein musikalisches Bett bauen! Dessen vier Pfosten nehmen vier lebensgroße weibliche Figuren ein, und diese haben sich in die Einschläferungsarbeit derart geteilt, daß, wenn sich der Potentat ausstreckt und auf den betreffenden Knopf drückt, ihrer zwei die Mandoline spielen, während die beiden andern ihm mit großen Fächern Kühlung verschaffen. Für gewöhnliche Sterbliche wird dieses Schlafmittel leider zu teuer sein.
(Aha! Maler: „Sehen Sie, das ist das Bild, das ich für Ihren Neffen, den Hem Studiosus, anfertigte." — Herr: „Hm, das sieht ihm aber nicht ähnlich. Hat er's Ihnen denn schon bezahlt?" — Maler: „Nein, er verwies mich an Sie." — Herr: „Das steht ihm ähnlich."
(Scherzfrage.) Welcher Unterschied besteht zwischen dem Präsidenten von Frankreich und dem Könige von Dahomey? Antwort: Caruot ist leberleidend und Behanzin ist leider lebend.
(Zuvorkommend.) „Wenn ich um lstUhr nicht zu Hause bin, liebe Frau, brauchst ff nicht mehr aus mich zu warten!" — »8 „ auch gar nicht ein! . . . Wenn Du um S Uy nicht da bist, hol' ich Dich!"
(Leider wahr.) Lehrer: „Wer kann mir etwas über Julius Cäsar sagen?" „
„Er schrieb Bücher für die unteren Klasftn^
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.