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sodann wegen des Regresses an den Schuldhaften zu halten haben." — Bei diesem Anlaß mag der Strafbestimmungen jener Kgl. Verordnung teilweise Erwähnung geschehen, woselbst bei „Vergehen an mehreren Bäumen im Falle bloßen Mutwillens höhere Turmstrafe bei Wasser und Brot, bei böswilliger Absicht aber einjährige Zuchthausstrafe mit „Willkomm und Abschied" angedroht war. Daneben war bestimmt, daß der Thäter überdies vor der Abführung in das Zuchthaus durch den Stadt- oder Amtsknecht an einem Wochenmarkt oder vor der Kirche mit einem auf die Brust gehefteten Zettel: Baumschänder! eine Stunde lang öffentlich ausgestellt werde."
Das Schillerhaus in Marbach hat wieder neue Erwerbungen zu verzeichnen, io eine große, auf den Dichter bezügliche Büchersammlung mit seltenen und höchst wertvollen Drucken nebst dergleichen Handschriften. Letztere wurden aus der Sammlung des Grafen Paar erworben. Es sind Briefe des Dichters, Wieland's, Uhland's, Schubart's, Hauffs rc. darunter. Damit ist der Anfang zu einem eigentlichen Nationalmuseum für die Dichter des Schwabenlandes gemacht. Zugleich tritt nun auch an die Verwaltung die Aufgabe heran, die derzeitigen Räumlichkeiten wohl in Bälde zu erweitern/
Ausland.
In Italien ist man beunruhigt über die Anzeichen in Tunis, wonach die Franzosen auch Tripolis annektieren und so Nachbarn der Engländer in Egypten werben möchten.
Unterhaltender Teil.
C l e m e n t i n e.
Eine Pfingst-Erzählung von Erich zu Schirfeld.
(Schluß.)
(Nachdruck verboten.)
Die Monate gingen dahin. Nachrichten über Nachrichten kamen, eine Siegesdepesche jagte die andere und entfesselte immer neue Stürme der Begeisterung. Napoleon mit einer Armee ward gefangen und dann ging es weiter, nach Paris. Der Park zu Grünau hatte sich längst entlaubt und die Erde war mit Schnee bedeckt. Clementine war schon vor Monaten zu ihrem Vater gezogen. Er war ja der Einzige, von welchem sie etwas über die Schicksale des fernen Gatten erfuhr, ihm schrieb er ja von Zeit zu Zeit, nur ihrer gedachte er mit keiner Silbe. — Er war zum Hauptman avanciert und die Zeitungen berichteten von seinen Helden- thaten. Das erfüllte sie mit Stolz. O. wenn sie gewußt hätte, daß er absichtlich die gefährlichsten Stellen aufsuchte, daß er den Tod ersehnte um eines Lebens ledig zu werden, das ihn nur elend machte. Jetzt stand er vor Paris. Die Franzosen machten häufig Ausfälle und wurden wieder und wieder zurückgeschlagen. Clementine legte diesen Gefechten keine große Bedeutung bei. Lange kann ja der Krieg überhaupt nicht mehr dauern, sagte sie sich, und dann ist auch für ihn jede Gefahr vorüber. Aber wenn er in den Reihen der Sieger heimkchrte dann ....
Sie stand am Fenster und sah auf den verschneiten Wirtschastshof hinaus, ihre Gedanken aber waren vor Paris. — Da — Hundegebell. Ist das nicht der Postbote, der so eilig herangestapft kommt? Der Amtmann, ihr Vater, geht ihm entgegen und nimmt etwas in Empfang. Er entfaltet ein weißes Blatt, während der Bote sich entfernt. Eine Depesche! Jetzt liest er, das Papier entfällt seiner Hand, er blickt zum Fenster. Der Wind spielt mit dem Blatt im Schnee. Der Amtmann hebt es auf und kommt auf das Haus zu. Er geht gebückt, langsam, wird ihm das Gehen so schwer? Wie er bleich und verstört in's Zimmer tritt, eilte sie ihm entgegen. „Um Gottes willen, was ist's?" Da reicht er ihr das Blatt mit zitternder Hand. Die Buchstaben tanzen vor ihren Augen und doch liest sie es. dort steht es ja so entsetzlich deutlich: „Hauptmann Sarrow schwer verwundet." —
Sie möchte schreien, jammern, doch sie weiß, daß dazu jetzt keine Zeit ist. Alle Energie con-
centriert sich in dem einen Gedanken: Du mußt zu ihm! Und während sie hastig die nötigsten Sachen zusammenpackt, sendet sie ein heißes Gebet zu dem Allgütigen um sein Leben oder wenigstens um die Gnade, ihn in ihren Armen sterben zu lassen, damit sie ihm sagen kann, wie tief sie ihres Herzens Härte bereue. — Der alte Berkwitz legte segnend seine Hand auf ihr Haupt und wenige Stunden später fuhr sie mit dem Schnellzuge dem fernen Westen zu. —
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Und wieder war der Frühling gekommen, wieder prangte die Erde im leuchtenden Gewände des lieblichen Pfingstfestes. Nur aus den Herzen der Sarrow's wollte der Winter nicht weichen, wie ein schwerer Bann lag es auf den Gemütern. Mit demütigem Herzen und voll liebender Sehnsucht halte Frau Clementine im harten Winter die beschwerliche Reise zum todeswunden Gatten zurückgelegt und doch war keiner der schönen VorsätzezurAusführung gekommen. Eineschlimme Zeit hatte sie durchgemacht, ohne auch nur einen Schritt weiter zu kommen. Hellmuth war von einer tiefen Ohnmacht umfangen und die Aerzte zweifelten an seinem Aufkommen. Dann wechselten heftige Delierien mit Perioden äußerster Schwäckie. Sie wich nicht von seinem Lager und pflegte ihn mit einer Aufopferung und Selbstverleugnung, wie sie nur eine liebende, büßende Frau üben kann.
Aber von alle dem wußte er nichts. Zuweilen war es, als ob er sie erkannt hätte. Dann streichelte er zärtlich ihre Hände und flüsterte ihren Namen. Aber das geschah im Traum, im Fieberwahn. Und dann stieß er sie wieder hinweg und sein Blick ruhte mit so zornigem Ausdruck auf ihr. daß sie Furcht vor ihm empfand. Und diese Furcht ward sie nicht wieder los. Wie, wenn er zum klaren Bewußtsein erwachte und ihr Opfer zurückwies? Es würde ihr Tod gewesen sein. Als die Aerzte eines Tages die Krisis für überwunden erklärten, machte sie sich hastig reisefertig. Noch einmal schlich sie zum Bette des Schlafenden und dann kehrte sie heim. Er sollte nicht wissen, daß er zum größten Teile ihrer Aufopferung seine Genesung verdankte, nicht verpflichten wollte sie ihn, ihr zu verzeihen, freiwillig sollte sich sein Herz ihr wieder zuwenden. Und die so schön überlegten Worte blieben ungesprochen.
Nun war er zurückgekehrt und wohnte wie einst in den traulichen Zimmern des Herrenhauses zu Grünau. Der Arzt, der wöchentlich zweimal aus der Stadt herüber kam, hielt ihn für gesund, das heißt körperlich. Dagegen gab ihm Hellmuth's Geistesverfassung zu denken. Der einst so lebenslustige Mann war einem hohen Grade von Apathie verfallen. Wie geistesabwesend konnte er lange auf einen Punkt starren und selten schien er zu vernehmen, was um ihn her vorging. Selbst das eiserne Kreuz, welches ihm sein König persönlich übergeben hatte, erfreute ihn nicht. Seiner Frau wich er aus und sie vermied es, ihm zu begegnen. Wie oft hatte sie die Absicht gehabt, ihm zur Versöhnung die Hand zu reichen. Und immer wieder bebte sie davor zurück, weil sie die Erfolglosigkeit eines solchen Beginnens fürchtete.
„Wenn es nur irgend etwas gäbe," sagte der Arzt eines Tages, „was ihm früher lieb und wert gewesen ist. Wenn es gelänge, sein Interesse zu wecken, dann, glaube ich. hätten wir gewonnenes Spiel." — Clementine dachte an die Flöte, die man dann heimlich in sein Zimmer brachte und sie einigermaßen versteckt, doch so placierte, daß er sie finden mußte. Clementine lauschte und lauschte, doch der erwartete Erfolg blieb aus. —
So war die Zeit vergangen, ohne Trost, ohne Hoffnung. Der Pfingstmorgen. herrlicher als je. stieg rosig herauf, aber in dem Herzen der Frau blieb es Nacht.
Auf Grünau rüstete man sich zum Kirchgang. Hellmuth blieb zu Hause. Am Fenster stand er wie so oft und starrte in den Park hinaus.
Auch Clementine mochte nicht am Gottesdienst teilnehmen, die Einsamkeit that ihr wohl. Als die Glocken so voll und freudig erklangen, schlich
sie hinaus ln den Park, setzte sich unter ein-» Baum und weinte. Es war der Todesba? ihres Kindes, der alte Erinnerungen wie? weckte. Und wenn sie sich ausgeweint kan dann wollte sie hinab gehen zum Kirchhof „(s an dem Grabe ihres Knaben zu beten, sje'a„„ allein. "
Ton herüber. Und dann ordneten und fügte! sich die Töne zu einer Melodie und in unendlicher Trauer schwebte cs daher:
Es ist bestimmt in Gottes Rat,
Daß man vom Liebsten, das man Kat Muß scheiden .... ^ '
Clementine preßte die Hand auf's Herz und und sah mit dankbarem Blick zum Himmel empor. aber ihr Auge füllte sich mit Thräncn. Die verschiedendsten Gefühle durchwogten ihre Brust „Gewonnen, gewonnen!" hätte sie jubeln mögen der Text des ihr so bekannten Liedes goß Trost in ihre kranke Seele, die gleichzeitig erzitterte bei dem Gedanken an das Scheiden. — Da kam es über sie mit unwiderstehlicher Gewalt. Sie dachte nicht mehr und überlegte nicht mehr, sie folgte nur dem übermächtigen Drange ihres Herzens, der sie hinweg trieb. hinauf zu ihm, zu ihrem Gatten, mochte es kommen, wie es wollte. Hellmuth saß am offenen Fenster. Die Flöte hatte er aus der Hand gelegt, aber die innere Erregung sprach aus seinem matt geöffneten Gesicht. Erstaunt wandte er sich um, als Clementine ins Zimmer trat und mit Spannung ruhte sein Blick auf ihr. Sie aber stürzte vor ihm nieder und verbarg ihr Gesicht auf seinen Knieen.
„Nicht scheiden. Hellmuth", schluchzte sie, „wir wollen nicht von einander gehen, ich würde es nicht überleben. Ich habe Dich gekränkt, Dir schweres Unrecht zugefügt. Aber wenn Du wüßtest, wie ich bereut, gebüßt, Du würdest mir verzeihen. O, warum habe ich nicht schon damals, an Deinem Krankenlager" . . .
Sie hielt erschrocken inne und seiner Brust entrang sich ein Seufzer.
„Clementine," sagte er mit bebender Stimme, „ist es wahr, ist es nicht nur ein schöner Traum, der mich narrt? Und warst Du wirklich der gute Engel, der mein Lager umschwebte, als ich dem Tode verfallen war — durch eigene schuld?"
Sie errötete, aber ihre Augen glänzten durch den Thränenschleier, als sie erwiderte: „Es ist kein Traum." Da hob er sie empor und zog sie an seine Brust. Kein Mißlon störte die weihevolle Stille dieser Stunde. Dann gingen sie hinaus zum Friedhof, zum Grabe ihres Lieblings. Der Goldregen leuchtete, der Flieder duftete und hoch in den Lüften sangen die Lerchen. Des Pfingstfestes heiliger Geist, der auch über den Gräbern schwebt, war einge- zogen mit seinem Trost und Frieden in die Herzen zweier Menschenkinder, sie versöhnend und einigend in neuer Liebe zu einem neuen Bunde, zu neuem Leben. —
(Offenherzig.) „Und was für Vernunftgründe bewegen Sie, schließlich dennoch zu heiraten?" — „Gar keine — ich war eben verliebt."
Auflösung des Rätsels in Nr. 76 .
1. Preiselbeere.
2. Friedrichshafcn.
3. Jspahan.
4. Nostradamus.
5. Granaten.
6. Sophokles.
7. Thannhäuser.
8. Edison.
9. Nomaden.
Pfingsten.
Richtig gelöst von Chrn. Barth in Calmbach und Frieda Solger in Hanau. ,
8L" Wegen der Pfingstfeiertage erscheint
die nächste Nummer ds. Bl. erst am Mittwoch vormittag; aber so zeitig, daß sie noch mit den Postboten Beförderung finden kann.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.