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Meinen, sy fragt man sich, ist die Ausgabe »«S Prospektes, wie der vorliegende, M Nutz «nd Frommen unseres Kurortes, nicht eher zu seinem Schaden und ist der vom Staat für einen derartigen Prospekt gemachte erhebliche Aufwand W ein verfehlter? Daß der Prospekt in Zmttaart gefertigt wurde, giebt ebenfalls zu denken' wir haben io Wildbad selbst und im Benrke ganz leistungsfähige Druckereien.

^ -t-Neuenbürg. 9. Mai. Am Sonntag hielt der Enz-Nagoldgau.Sängerbund im Löwen zu Schwann seine Hauptversammlung ab, zu welcher sich trotz der etwas frostigen Witter­ung eine große Anzahl von Vertretern der Bundesvereine eingesunden hatten. Mittelpunkt der Verhandlungen war die Beratung des Pro­gramms für das am 18. Juni in Unterreichen­bach abzuhaltende Gausängerfest. Entgegen dem bisherigen Verfahren, soll das Preissingen dies­mal Vormittags stattfinden. Dafür müssen sich die einzelnen Vereine verpflichten, ihre Lieder nachmittags noch einmal (natürlich ohne preis­richterliche Beurteilung) in Abwechslung mit den Gesamtchören vorzutragen. Da die Verbindung mit dem Nagoldthal keine günstige ist. indem der erste Zug für die weiterab von der Bahn Wohnenden zu früh, der zweite aber fürs Preis­singen und für die Hauptprobe der Gesamtchöre zu spät geht, soll um Einlegung eines im Enz- thal abgehcnden und etwa um 9 Uhr in Unter- reichenbach eintreffenden Sonderzugs eingekom­men werden. Nachdem die Vereinsdirigenten die seitherigen Preisrichter gewählt hatten, schloß der Vorsitzende die harmonisch verlaufenen Ver­handlungen mit dem Wunsche fröhlichen Wieder­sehens beim Fest. Ein gemeinschaftlich gesungenes Lied leitete zur geselligen Unterhaltung über, bei der die Vereine von Schwann und Neuen­bürg noch mehrere Chöre zum Vortrag brachten. Möchten die Bundesvereine die Frist bis zum Fest noch recht ausnützen und möchten die Preis­richter auch diesmal wieder einen bemerkens­werten Fortschritt in den Gesamt- wie in den Einzelleistungen verzeichnen können.

Herrenalb, 9. Mai. Heute früh brachte ein hier in Arbeit stehender Mann von Dobel die Nachricht ein, daß oben im Walde ein Toter liege und daß er in demselben den Albert Dußler von hier erkannt habe. Bald auch verbreitete sich das Gerücht von einem Mord. Dußler, ein Mann Ende der 20er Jahre, ist seit einiger Zeit Stellvertreter des K. Forstwächlers von Rothensol. In dieser seiner Eigenschaft soll er am Abend zuvor in Dobel gewesen und von da aus sich bei Nacht auf den Heimweg be­geben haben, der ihn durch die ihm anvertraute Hut führte. In dem sogenannten Brentenwald, einem Abhange Herrenalb zu, muß er bei der großen Dunkelheit der Nacht in Folge Fehltritts so unglücklich gestürzt sein, daß sich sein Ge­wehr entlud und ihm der ganze Schuß in den Oberschenkel drang. Der Unglückliche mußte, wie die Spuren auf dem Wege zeigen, einen fürchterlichen Todeskampf ausgestanden haben, bis er endlich seinen Verblutungen erlegen war; doch mag auch die damalige kalte Nacht den Tod beschleunigt haben. Ein Verbrechen scheint hienach ausgeschlossen. Das Gericht hat sich an Ort und Stelle begeben. Dußler war ein be­liebter Mann, er hinterläßt eine arme, bedürf­tige Frau und vier kleine Kinder, welche nun durch den in Ausübung seines Dienstes so jäh Verunglückten verwaist sind.

Deutsches Weich.

Berlin. 9. Mai. Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt heute Abend: Nach der heutigen truppende sichligung sagte der Kaiser zu den Generalen und Stabsoffizieren, er habe sich leider in der Hoffnung getäuscht, daß der Reichs­tag der Militärvorlage zustimme; er erhoffe von em neuen Reichstag die Zustimmung. Sollte auch diese Hoffnung täuschen, so sei er gewillt, a es was er vermöge, an die Erreichung der- selben zu setzen, denn er sei zu sehr von der otwendigkeit der Militärvorlage zur rhaltung des Friedens überzeugt, r glaube nicht, daß das Volk von Unberufenen

sich erregen lassen werde. Im Gegenteil, er wisse sich eins in dieser Militärvorlage mit den Bundesfürsten, dem Volk »nd der Armee.

Berlin, 8. Mai. Hiesige Blätter be­richten, der Kaiser habe gestern aus Paris folgendes Telegramm erhalten:Paris, 12 Uhr 49 Minuten. Kaiser Wilhelm, Neues Palais. NeiIIeur8 knlieitations. Undankbar.* Der Kaiser hat derFranks. Ztg." zufolge das Telegramm als ein Kuriosum dem Auswärtigen Amte übersandt.

Zum dritten Male seit dem Bestehen des deutschen Reichstages ist derselbe vom Schicksale der Auflösung betroffen worden. Zum ersten Male geschah dies im Jahre 1878, infolge der Ablehnung des Sozia­listengesetzes seitens des am 10 Januar 1877 gewählten Reichstages und in Folge der anaristi- schen Mordversuche gegen Kaiser Wilhelm I. Die zweite Auflösungslatastrophe brach über die deutsche Volksvertretung im Jahre 1887 anläß­lich der Zurückweisung der Septenatsvorlage ein; nunmehr hat der 6. Mai 1893 die dritte Auflösung des Reichstages gezeitigt, der achte Reichstag hätte im Jahre 1895 enden sollen. Noch bis in die Todesstunde des bisherigen Reichstages hinein hatten die Bestrebungen fort­gedauert, eine wenn auch noch so kleine Mehr­heit für den auch der Regierung angenehmen Antrag Huene zusammenzutrommeln und hier­durch den drohenden Auflösungsakt doch noch zu vermeiden. Diesem Zweck sollte das ange­kündigte Amendement des Abg. Prinzen Schön- aich-Carolath zum Huene'schen Kompromißvor- schlage, betr. die gesetzliche Festlegung der zwei­jährigen Dienstzeit dienen, und höchst wahr­scheinlich hätte sich auf Grund des Carolath'schen Zusatzantrages in der That eine Mehrheit für den Huene'schen Vermittelungsantrag gefunden. Der Reichskanzler ging indessen aus die Anreg­ung zu diesem weiteren Zugeständnisse überhaupt gar nicht ein, wie es heißt, infolge einer Weis­ung von allerhöchster Stelle, so daß die Auf­lösungskatastrophe dann allerdings nicht mehr zu verhindern war. Mit beachtenswerter Promptheit ist dem kaiserlichen Auflösungsdckrel die weitere kaiserliche Verordnung über den Termin für die Neuwahlen zum Reichs­tage nachgefolgt. Ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum trennt uns also nur von dem bedeut­ungsvollen Tage, an welchem die Nation selbst ihre Entscheidung über die Militärfrage und hiermit über die Weiterentwickelung unserer ge­samten inneren Politik abzugeben hat. Allem Anscheine nach wird der bevorstehende Wahl­kampf erbitterter und leidenschaftlicher werden, wie nur je einer seit Gründung des Reiches gewesen ist, und im höchsten Grade ungewiß erscheint sein Ausgang. Alle patriotischen Män­ner, gleichviel, in welchem politischen Partei- lagcr sie auch sonst stehen, können daher einst­weilen nur aus vollstem Herzen hoffen und wünschen, daß der jetzt durch die Auflösung des Reichstages erfolgte entscheidungsreiche Schritt zum Frommen unseres deutschen Vaterlandes dienen, zum Heil und Segen unseres Volkes ausschlagen möge.

Die jüngste» parlamentarischen Vorgänge in Deutschland haben begreiflicher Weise auch im Auslande große Sensation erregt. Recht bezeichnend ist die Auffassung, welche man an der Seine von der im deutschen Reichstage eingetretenen Katastrophe hegt. Mit unver­hohlener Genugthuung ist in den parlamen­tarischen und politischen Kreisen von Paris die Nachricht vom einstweiligen Scheitern der deut­schen Militärvorlage und von der Auflösung des Reichstags ausgenommen worden.

Mit großem Eifer haben sofort nach der Auflösung des Reichstags die Vorstände der einzelnen Parteien nicht nur in der Zen­tralleitung, sondern auch in den Leitungen der einzelnen Länder ihre Arbeiten ausgenommen und sind in Beratungen über die Entwürfe von Wahlaufrufen, über die Agitation rc. rc. einge­treten. Man rüstet sich allenthalben für den bevorstehenden Wahlkampf.

Berlin, 8. Mai. DiePost" veröffent­licht den Wahlaufruf der Reichs- und freikonser­

vativen Partei; derselbe betont gegenüber den immer gewaltiger steigenden Rüstungen der Nachbarn könne eine erhebliche Verstärkung unserer Heeresmacht nicht hinausg^choben werden.

Berlin, 8. Mai. Die ehemalige deutsch­freisinnige Fraktion trennte sich in zwei Gruppen, von denen die eine den Namen freisinnige Bolls- partei, die andere (Seccessionisten) den Namen freisinnige Bereinigung führen wird. Die frei­sinnige Volkspartei veröffentlicht mit der süd­deutschen Volkspartei einen gemeinsamen Wahl­aufruf.

Neustadt a. d. H. Vertreter aus der ganzen Pfalz traten hier zur Gründung einer Bauern- und Mittelstands-Partei zusammen, welche eigene Kandidaten für die Reichstagswahl aufstellt.

Berlin, 8. Mai. Der Bruder des Alt­reichskanzlers Fürsten Bismarck, der Kammerherr. Geh. Regierungsral und Rittergutsbesitzer auf Külz bei Naugard, Bernhard v. Bismarck (fünf Jahre älter als jener) ist heute gestorben.

Bückeburg. 8. Mai. Fürst Adolf ist heute Nachmittag 5'/« Uhr verschieden.

Kassel, 8. Mai. Das Dorf Zell in Ober­hessen ist bis auf wenige Gebäude gänzlich ein­geäschert worden. 130 Häuser sind abgebrannt, viel Vieh ist umgekommen.

Württemberg.

Ludwigsburg. 7. Mai. Der heutige Tag war für die königliche Familie ein Tag hoher Freude. Prinzessin Pauline, die seit längerer Zeit durch Garnisonsprediger Blum vorbereitenden Unterricht genossen hatte, legte heute Vormittag in der hiesigen Garnisonskirche ihr Konfirmationsgelübde ab. Seit gestern Abend trägt die ganze Stadt reichsten Flaggen­schmuck. Die hohen Verwandten und Paten der Prinzessin sind zum Teil schon seit einiger Zeit hier, wie die beiden Königinnen der Nieder­lande und der Fürst und die Fürstin von Bent- Heim-Sleinfurt. Die Garnisonskirchc hatte durch Pflanzengruppen, die am Altäre aufgestellt waren, einen sinnigen Schmuck erhallen. Vor dem Altäre war für die Prinzessin ein Platz vorgesehen. Als sie im einfachen schwarzseidcnen Kleide mit ihren königlichen Eltern und mit Prinzessin Friedrich die Kirche betrat, waren schon alle Plätze besetzt. Die beiden Majestäten saßen unmittelbar hinter der Prinzessin; links und rechts die Mitglieder der königl. Familie und die fürstlichen Gäste. Im Schiff der Kirche saßen: die Staatsminister, die beiden Kammer- Präsidenten , der kommandierende General von Wölckern, die gesamten Hojstaaten mit ihren Ge­mahlinnen, darunter auch frühere Würdenträger, der Geheime Rat, das Konsistorium mit Präsi­dent v. Gemmingen an der Spitze, Geistliche aus Stuttgart, Vertreter des Pfarrgemeinderats, ferner höhere Militärs und Beamte von Lud­wigsburg. Auch die Gespielinnen der Prinzessin, ihre Pflegerinnen, frühere Bedienstete des prinz- lichen Hauses und die Hofdienerschaft waren zu der Feier geladen worden. Der noch übrige Raum war durch Gemeindemitglieder besetzt. Die Würdenträger waren mit Frack u. Ordens­band erschienen. Die Konfirmationshandlung wurde eingeleitet durch einen Schüler-Gesang: Hebe deine Augen auf zu den Bergen, von welchen dir Hilfe kommt. Dann sang die Ge­meinde: Gott ist gegenwärtig. Nach dem Gebet hielt Garnisonspreüiger Blum vom Altar aus eine von echt evangelischem Geist getragene Rede über Hebr. 13, 9: Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade. Er nahm zum Ausgangspunkt die Kon- firmationsfeier im Maria-Marthastift, der die Prinzessin vor 8 Tagen anwohnte. Nachdem die Gemeinde das Lied: Stärk uns Mittler an­gestimmt hatte, legte die Prinzessin ihr Glaubens­bekenntnis ab. Sie hatte die Fragen 6, 16, 31, 36, 38, 40, 60, 73 und die Verpflichtungsworte nach dem württ. Konfirmationsbüchlein zu be­antworten. Hierauf folgte die Einsegnung. Der Denkspruch lautet nach Luc. 2. 49: Wisset ihr nicht, daß ich sein muß in dem, das meines Vaters ist? Daran fügte sich sehr schön der Gesang des evang. Kirchenchors: Sei getreu bis in den Tod von D. H. Engel, geleitet von