Berlin, 5. Mai. Die Nordd. Allg. Ztg. und andere Morgenblätter schreiben, die Debatte über die Militärvorlage werde morgen abgeschlossen werden, während die Nationalztg. und das Tageblatt mit der Möglichkeit, die Abstimmung erst am Montag vorzunehmen, rechnen. Seit die Auflösung unvermeidlich scheine, wünschten die Parteien noch im alten Reichstag ihr Verhalten zu rechtfertigen. Es verlautet, noch 17 Redner seien vorgemerkt.
Berlin. 5. Mai. Die Abstimmung im Reichstag über den Antrag Huene soll nach vorläufiger Uebereinkunst doch schon am Samstag stattfinden. — Auf dem gestrigen Abendessen bei Caprivi erschien der Kaiser nicht.
Berlin. 5. Mai. An dem beim Reichskanzler stattgehabten Abendessen nahmen der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, die leitenden Minister der anderen Bundesstaaten, die Bundesratsbevollmächtigten, Schatzsekretär Frhr. v. Maltzahn, der Direktor im Reichsamt des Innern Niederding und höhere Militärs teil.
Berlin, 5. Mai. Die Zentrumsfraktion wählte an Stelle des Grasen Ballestrem, der wegen der bekannten Meinungsverschiedenheit in der Mililärfrage sein Amt niedergelegt hat, den Grafen Hompesch zum Vorsitzenden.
Karlsruhe, 4. Mai. Die Gemüter stehen heute völlig unter dem Eindruck der in Berlin sich vollziehenden Entscheidung. Die Streitigkeiten der Blätter über den „Kompromiß" können veraltet sein, ehe die Druckerschwärze völlig getrocknet ist. Früher oder später muß sich die vom Kaiser vorgestern unserem Oberbürgermeister Schnetzler gegenüber ausgesprochene Hoffnung erfüllen, daß es die Volksvertretung nicht daran fehlen lassen werde, ihn in der Erfüllung seiner schweren Regentenpflichten zu unterstützen.
Dem Bundesrat ist ein Gesetzentwurf, betreffend die Gewährung von Unterstützung an Invaliden aus dem Kriegen vor 1870 und an deren Hinterbliebene behufs der Gleichstellung mit denen des Krieges von 1870/71 zugegangen. Der Entwurf bestimmt im wesentlichen Folgendes: „Denjenigen Personen des Soldatenstandes und Beamten des Heeres und der Marine, die infolge ihrer Teilnahme an den von deutschen Staaten vor 1870 geführten Kriegen invalide und zur Fortsetzung des aktiven Militärdienstes oder zur Erfüllung ihrer Amtspflichten unfähig geworden sind, sind im Falle und für die Dauer der Bedürftigkeit und Wür- digkeit zu den zuständigen Gebührnissen fortlaufende Zuschüsse zur Erreichung derjenigen Beträge zu gewähren, die ihnen nach dem Gesetz vom 27. Juni 1871 und nach dem Gesetz vom 31. März 1873 nebst Abänderungen und Ergänzungen zustehen würden. Die Zuschüsse stehen den Pensionen gleich, die das Gesetz vom 27. Juni 1871 und das Gesetz vom 31. März 1873 nebst Abänderungen und Ergänzungen gewährt, und unterliegen denselben gesetzlichen Bestimmungen. Den Hinterbliebenen von Teilnehmern an den gedachten Kriegen können, sofern diese Personen im Kriege oder infolge von Kriegsverwundungen oder an den ihre Invalidität bedingenden Leiden gestorben sind, im Falle und für die Dauer der Bedürftigkeit und Würdigkeit fortlaufende Unterstützungen und Zuschüsse zu den gesetzlichen Bewilligungen zugewendet werden. Eine Nachzahlung für die vor dem Eintritt der verbindlichen Kraft dieses Gesetzes liegende Zeit ist ausgeschlossen. Die Bewilligungen aus diesem Gesetze erfolgen ans dem Reichsinvalidenfonds." Der Gesetzentwurf bezweckt nach der Begründung die Beseitigung der Härten, die durch Anwendung der älteren Pensionsgesetze auf die durch die Kriege vor 1870 invalide gewordenen Personen und deren Hinterbliebenen, sowie auf die Hinterbliebenen der in diesen Kriegen Gefallenen gegenüber den gleichen Kategorien von Interessenten entstehen, die nach den Pensionsgesetzen vom 27. Juni 1871 behandelt werden.
Jttenheim, 3. Mai. Ein junger Mann, der vor kurzem von einer Mücke gestochen worden war, beachtete die Wunde nicht und starb an Blutvergiftung.
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Württemberg.
Stuttgart. 5. Mai. Der „Staatsanz." veröffentlicht die Pensionierung des bisherigen württembergischen Gesandten v. Mauel er in Wien und die Ernennung des bisherigen Petersburger Gesandten v. Varnbüler zu dessen Nachfolger.
Stuttgart, 5. Mai. Die Stuttgarter Schützengilde veranstaltet zu Ehren der zu Anfang d. I. erfolgten Vermählung Sr. K. H. des Herzogs Albrecht von Württemberg mit I. Kais. H- der Erzherzogin Margarethe von Oesterreich von 14. bis 16. Mai auf dem Schützenhause ein Fe st schießen.
Stuttgart. Am Samstag wurde das letzte der 46 Gewinnpferde der Pferdemarkts- Lotterie in der städtischen Reithalle abgeholt; überhaupt haben alle größeren Gewinne ihren Herren gefunden, so daß morgen bei der im alten Schloß stattfiudenden Versteigerung der nicht geforderten Gewinne nur noch kleinere Artikel zu haben sein werden. Stuttgart ist diesmal nicht besonders vom Glück bedacht worden; soweit bekannt, hat ein Fahnder ein Pferd und ein Buchhandlungsgehilfe einen Wagen gewonnen. Beide Gewinner haben ihre Preise selbstredend sofort „versilbert", da sie mit diesen Luxusgegcnständen in ihrem täglichen Beruf nicht viel anfangen könnten. — Wie schon früher erwähnt, ist der Absatz der Lose diesmal ziemlich schlecht von statten gegangen. Die Hauptschuld liegt wohl an dem zu hohen Preis von 2 ^ für ein Los. Es dürfte sich daher empfehlen, zu der früheren Praxis, wo das Los 1 -/A kostete, zurückzukehren. (N. T.s
Eßlingen, 4. Mai. Schullehrer a. D. Herrigel hier sandte dem Altreichskanzler Fürsten Bismarck zu dessen Geburtstag am 1. April d. I. einen Glückwunsch in Form eines kurzen, sechszeiligen Gedichts, das eine freundliche Aufnahme fand, indem Herrigel heute aus Friedrichsruh einen von dem Fürsten Bismarck selbst geschriebenen Brief erhielt, der also lautet: „Für Ihren freundlichen Glückwunsch und dessen ansprechende poetische Fassung bitte ich meinen verbindlichsten Dank entgegenzu- nehmen, v. Bismarck." (Anm. der Red.: Herrigel ist ein geborener Neuenbürger.)
Ausland.
Wien, 4. Mai. Blättermeldungen aus Böhmen, Ober- und Nieder-Oesterreich signalisieren Regen. — In zahlreichen Landesteilen Ungarns ist Regen eingeireten.
Die kolumbische Weltausstellung in Chicago, welche am 1. Mai durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten Cleveland feierlich eröffnet wurde, ist bezüglich der äußeren Ausstattung fertig, nicht aber ganz bezüglich der inneren Einrichtung. Alle Stimmen sind darüber einig, daß gerade das deutsche Ausstellungsgebäude das schönste und größte sei. und es ist nicht daran zu zweifeln, daß unsere Aussteller gleichfalls den Rang mit ihren Gegenständen einnehmen werden. Sogar die englische Presse erkennt fast einstimmig die deutsche Ausstellung als die glänzendste in Chicago an. So ist z. B. im Glasgow Gerald, einem der wichtigsten Blätter außerhalb Londons, zu lesen: „An der Ausstellung ist dem britischen Volke nur Eines nicht ganz angenehm, nämlich, daß Großbritannien nicht den ersten Platz auf ihr einnimmt. Die imponierendste Entfaltung seines Könnens hat Deutschland gemacht, und zwar nicht ganz ohne gerechten Zusammenhang mit dem ewigen Gang der Dinge, wie unangenehm es auch für unsere nationalen und kommerziellen Gefühle sein mag. Deutschland hat zu der Lieblingsschöpfung der amerikanischen Nation wirklich Wesentliches beigetragen."
Vermischtes.
(Einer unserer schwarzen Landsleute aus Angra-Pequena vor Gericht.) Am Dienstag stand vor der 150. Abteilung des Amtsgerichts I. ein Neger namens Robert Albert Mathis, geboren am 18. Juli 1866 zu Angra-Pequena, um sich wegen Verübung groben Unfugs zu ver
antworten. Der Angeklagte hatte, wie sein Papiere ergaben, ehemals der Wißmann'scb-n Kolonialtruppe angehört und befindet sich als Kellner mit einer Künstlertruppe auf Rej sin Sein Vergehen, wegen dessen er heute vor richt stand, bestand darin, daß M. sich oz April morgens gegen 7 Uhr in der Oransiw straße einen Ulk daraus gemacht hatte, alle chm begegnenden Frauen und Fräulein anzusvrech „ Auf die Vorhaltungen des Gerichtshofes, daß denn doch Europens überlünchte Höflichkeit derartige Zutraulichkeiten nicht gestattet, versprach M. reuevoll in sehr gutem Deutsch, so x,was nie wieder thun zu wollen. Das Urteil siel milde aus, es lautete auf 1 Tag Haft.
In der letzten Sitzung der Pariser Ala- demie der Wissenschaften gelangte ein gewaltiger Stoß Briefe zur Verlesung, die sämtlich von den Mitteln handelten, der herrschenden Dürre abzuhelfen. Mehrere der Schreiber fragten, warum man es nicht schon mit Geschützdonner versucht hätte, die Luft zu erschüttern und Regen zu erzwingen. Bei dieser Gelegenheit erinnert Berthelet daran, daß nach Plutarch schon bei den Cimbern Versuche gemacht wurden, sinnreiche Vorrichtungen in den oberen Luftschichten eine solche Umwälzung zu verursachen, daß daraus Wolkenbrüche entstehen sollten.
Originelle Reklame macht die Firma Lieb au u. Co., Samenhandlung. Kunst- und Handelsgärtnerei in Erfurt. Hoch oben auf dem Dache ihres zur Vergrößerung des Geschaltes neuerbauten Samenhauses, welches dicht an der Eisenbahnstrecke, inmitten der Kulturen gelegen ist, hat dieselbe in meterhohen Buchstaben außer der Firma noch die Bemerkung angebracht, daß sie Kataloge auf Wunsch gratis und franko versendet. Die Firma gedenkt, späterhin die Worte durch elektrische Lämpchen bei Nacht zu erleuchten, sodaß jeder vorüberfahrende Reisende dieselben lesen muß.
(Immer coulanf») Die folgende seltsame Aufforderung veröffentlichte jüngst ein in Odessa erscheinendes Blatt: „Die Person, die gestern unsere Redaktionskasse erbrach und eingeschriebene Briefe an sich nahm, die die Summe von 3V Rubeln 40 Kopeken — den Preis für vier Abonnements — enthielt, wird höflichst ersucht, die Briefe ohne Geld dem Verleger wieder zuzustellen, damit er unser Blatt den betreffenden Abonnenten zusenden kann. Zwei Tage später erhielt der Chefredakteur folgenden Brief: „Werter Herr! Ich beehre mich, die vier eingeschriebenen Briefe, die ich Ihnen gestohlen habe (ohne Geld), Ihrem Wunsche gemäß zuzufchicken. Haben Sie die Güte mir als Gegenleistung . einen kleinen Dienst zu erweisen, Sie wissen vielleicht, daß ich, nachdem ich Ihre Redaklions- kasse gesprengt hatte, infolge ihrer ungelegenen Rückkehr aus dem Fenster springen mußte. In der Eile ließ ich in Ihrem Bureau einen Dietrich, zwei Nachschlüssel und ein Necessaire zurück, das mit Gegenständen gefüllt ist, die für mich das einzige Mittel zur Gewinnung meines Unterhaltes bilden. Seien Sie so gut, das alles in eine Nummer Ihres sehr geschätzten Blattes zu wickeln und es heute Nacht vor der Stadl zehn Schritte rechts von dem Mittelthor des Zoologischen Gartens niederlegen zu lassen. Müder Versicherung der vorzüglichsten Hochachtung u.s.w." Tags darauf erschien in dem Blatt , folgende Erklärung: „An unseren unbekannten Freund. Die vier eingeschriebenen Briefe haben wir richtig erhalten und sagen Ihnen unseren besten Dank für die prompte Zusendung. Handwerkszeug können wir Ihnen zu unserem ^ Bedauern nicht zurückgeben, da es seit^geftern n Eigentum der Polizei geworden ist. ^n der . Hoffnung, daß Sie, werter Herr, uns das nicht - entgelten lassen werden, zeichnen wir mit Hoch- ! achlung. Die Redaktion."
(Kasernenhofblüte.) Feldwebel: schockschwerenot, in dem ganzen Zug >st jed noch einmal so dumm wie der Vorhergehende -- >
und so geht'L dreimal 'rum!" _. !
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.