265

Karlsruhe, 24. April. Das Kaiser- vaar trifft am 2. Mai hier ein und verweilt hier zwei Tage. Der Kaiser unternimmt von hier aus eine Auerhahnjagd.

Berlin, 24. April. Die Militärkom­mission stellte in der heutigen Sitzung den Bericht fest. Der Kriegsminister nahm an der Sitzung seil. Dem Abgeordneten Gröber wurde für seinen mühevollen und vortrefflichen Bericht der Dank der gesamten Kommission ausgesprochen Der Vorsitzende, Frhr. v. Manteuffel, beraumte die letzte Sitzung der Mililärkommission auf den 26. April an und teilte mit, daß Präsident von Levetzom beabsichtige, die zweite Lesung der Militärvorlage im Plenum auf die Tagesordnung der Sitzung vom 2. Mai zu setzen.

Die Zeitungsmeldungen von einer möglichen Vertagung der Entscheidung über die Militär­vorlage bis zum Herbste werden von der Nordd. Mg. Ztg " dementiert. Das offiziöse Blatt erklärt, es könne als ausgeschlossen be­trachtet werden, daß derartige Wünsche an maß­gebender Stelle Gegenliebe finden würden. Im klebrige» hat während der letzten Tage nichts wesentlich Neues zu der schwebenden Krisis ver­lautet.

Berlin, 25. April. Zur Reichstags­sitzung ist heute großer Andrang, da Ahlwardts Antrag auf der Tagesordnung steht. Der Präsident erteilt Ahlwardt das Wort zur Darstellung der Dinge, welche er beweisen will. Ahlwardt: Bezüglich desJnvalidenfonds besitze ich keine Akten, welche vorgängiqe Verhandlungen mit Börscnkreisen erweisen. (Un­ruhe; Zurufe.) Es schloß sich daran eine längere Debatte. Von allen Seiten wurde die Nichtig­keit der Beschuldigungen nachgewiesen. E.Richter beweist, daß Ahlwardt sogar das stenographische Protokoll fasch vorgelesen habe. Ahlwardt habe seine heutige Rede bereits gestern für 20 Entree gehalten. (Beifall und Gelächter.) Die Kommission müsse diesen Menschen abthun und ihm den moralischen Ekel des Reichstags zu er­kennen geben. (Lebhafter Beifall.

Berlin, 25. April. Im Abg.-Hause beantragt Sattler, die Regierung möge einen Gesetzentwurf über die Heranziehung des Hau­sierhandels zur Gemeindesteuer bald möglichst vorlegen.

Breslau, 19. April. Von der deutschen Botschaft in Rom ging am Sonntag dem hie­sigen Hofbäckermeister Friedländer ein Telegramm zu, worin zwei Packete mit je 3 Kilogramm schlesischen Streußelkuchen nach Rom bestellt wurden. Schlesischer Streußelkuchen ist ein Lieblingsgcbäck des Kaiserpaares und soll am ersten Morgen in Rom beim Kaffee aufgelragen werden.

Die Thatsache, daß Paul Graf Hoens broech aus dem Jesuitenorden ausgetreten is dürfte mit ihren Folgen allenthalben das größi Aufsehen erregen. Der Graf, der etwa 41 Jahr ult ist, gehört dem Orden seit 10 bis 12 Jahre an, er war in weiteren Kreisen dadurch bekanr geworden, daß er zu den streitbarsten Vor kämpsern des Jesuitenordens in Deutschland gi Härte. Im nächsten Heft derPreußische Jahrbücher" läßt Graf Hoensbroech einen Ar ükel erscheinen mit der lleberschrift:Mei Austritt aus dem Jesuitenorden", der darlege lvird, aus welchen Gründen der Austritt erfolg >st. Daß dieser Aufsatz ungeheures Aussehe erregen wird, liegt auf der Hand. In diese Denkschrift soll, wie heute schon verlautet, ein lcharaklerisierung des Jesuitismus gegeben seir Um die Richtung der Ausführungen anzudeuter mögen die Ueberschriften zweier Abschnitte gi nannt sein:Der Jesuitismus unterdrückt, j ^ öu einem gewissen Grade vernichtet er di Selbständigkeit, den Charakter, die Jndividuab mt des Einzelnen."Der Jesuitismus unter ruckt, ja bis zu einem gewissen Grade vernicht! er das berechtigte Nationaliiätsgesühl, den bi echtigten Patriotismus." Im Hinblick auf de letzt zur Verhandlung kommenden Jesuitenantra b..rch Zentrum gerade jetzt der Austri lehr mißlich fein.

t Eine eigentümliche, starke Bewegung durch­zieht gegenwärtig das deutsche Volk. Wir meinen nicht die Erregung über das Schicksal der Militärvorlage, deren Kern von der über­wiegenden Mehrheit des Volkes nicht abgelehnt werden kann noch wird, als vielmehr eine Be­wegung. welche wirtschaftliche Untergründe hat Da ist zunächst die tiefe Bewegung in der land­wirtschaftlichen Bevölkerung des Nordens wie des Südens, das kräftige Sichbewußtwerden der Gemeinsamkeit der Interessen. Es ist nicht etwa allein die Angst vor dem russisch-deutschen Handelsvertrag, dies war nur der Anlaß, der den Stein ins Rollen brachte; sondern es ist der Drang nach einer planmäßigen Berufsver­tretung, welche die Interessen der zahlreichsten Bevölkerungsklasse mit Kraft und Umsicht gelten machen soll. Wie ernst dieser Drang genommen wird, das zeigt der jüngst im prcuß. Abg Hause eingebrachte Zentrumsantrag auf korporative Organisation des Berufsstandes der Landwirte. Derselbe entbält die Forderung an die Regierung, eine solche Organisation unter Schaffung eines besonderen, der Natur dieses Standes ent­sprechenden Agrarrechts vorzubereiten. Aber nicht blos das. Am 21. April fand in Berlin, ähnlich der Tivoliversammlung der deutschen Landwirte vom 18. Februar, eine großartige Handwerker-Versammlung statt, einberufen von der ständigen Deputation der vereinigten Innungen. Dort erklärte ein Obermeister der Schuhmacher unter dem Beifall der Anwesenden, der Handwerkerstand müsse seine eigenen Ver­treter in den Reichstag senden. Die Regierung müßte, so fuhr er fort, im Reichstag eine Stände­vertretung einrichten, etwa nach 5 Ständen: Arbeiterstand, Handelsstand. Beamteustand, Stand der Landwirte und Handwerkerstand. Bei den sozialdemokratischen Arbeitern ist es schon längst ein Glaubenssatz, daß die Abgeordneten lediglich die wirtschaftlichen Interessen des vierten Standes, desProletariats" der übrigenre­aktionären Masse" gegenüber zu vertreten hätten. Zählt man diese 3 Gruppen: Arbeiter, Land­wirte, Handwerker zusammen, dann bleibt nicht mehr viel übrig, wir haben also den fast all­gemeinen Drang n.ach beruflicher Standesvertret­ung, wenn man sich auch hüten wird, sogleich weitgehende Folgerungen daraus zu ziehen. Es zeigt sich darin zunächst eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Handhabung der bis­herigen Formen der Volksvertretung, und es wäre geraten, in dieser Beziehung etwas daraus zu lernen. In der Thal, wenn man so viel von der Beschlußunfähigkeit des Reichs­tags hören muß, von jenem unvollkommenen Funktionieren, das notwendig den Eindruck der Schwäche hervorruft, da ist der Ruf nach einer frischen scharfen Interessenvertretung als Auf­lehnung dagegen wohl verständlich. (S. M.)

In Bayern ist es lebendig geworden Nicht allein dem meintrinkenden Pfälzer schäumt das Blut auf, auch der schwerfälligere bier­trinkende Altbayer ist in Bewegung geraten. Wird der deutsche Reichstag aufgelöst, so wird es im Bayernland innerhalb weniger Wochen zwei Wahlfeldzüge geben und zwar im Juni und Juli: für den deutschen Reichstag und den bayerischen Landtag. Allerorten gährt und regt sich's schon. In München lösen sich im Verlauf der letzten Wochen sozialdemokratische und anti­semitische erregte Versammlungen ab. Aus dem Antisemitenlager haben bis jetzt die Abgeordneten Böckel, Werner, Liebermann und Förster das Wort ergriffen, von den Sozialdemokraten sprachen Volkmar und Grillenberger. Während in München diese Parteien Anhänger für sich zu gewinnen suchen, wird auf dem Lande ein Bauernverein nach dem andern ins Leben ge­rufen, Vereine, welche wirtschaftliche Parteien, ohne Anschluß an politische, sein wollen.

Eine übertriebene Sonntagsruhe ist es, schreibt derEvang.-Protest. Kirchenbote", wenn in Bremen am Sonntage keine Beerdig­ungen vorgenommen werden dürfen, und fährt fort:Hier ist jedenfalls die Rücksicht auf die Sonntagsruhe einmal nicht am Platze, da das Grab schon am Samstag gegraben werden kann, die Bedienungsmannschaften abwcchseln können, und der Pfarrer, wenn er am Grabe zu funk­

tionieren hat, nur der Ordnung seines Berufes folgt, die ihm gerade den Sonntag als eigent­lichen Höhepunkt seiner Thätigkeit zuweist." Ganz richtig; sonst könnten wir erleben, daß vor lauter Sonntagsruhe keine Glocke mehr geläutet und kein Gottesdienst mehr gehalten werden dürfte!"

Sagan, 21. April. Ein großer Wald­brand im städtischen und herzoglichen Revier vernichtete gegen 1000 Morgen.

St. Johann, 24. April. Seit gestern wütet bei Kremfeld ein großer Waldbrand, dessen man bisher nicht Herr geworden ist. 800 Morgen sind zerstört. Die Flammen schlugen nachmittags haushoch empor.

Altenkirchen (Regierungsbezirk Koblenz), 24. Apr. Gestern hat im Verlaufe einer Stunde ein großer Brand 65 Wohnhäuser mit Neben­gebäuden und die evangelische Kirche zerstört. Ueber 100 Familien sind obdachlos. Da die­selben zumeist nur das nackte Leben retten konnten und zum Teil ohne Lebensmittel sind, ist die Not groß.

Das Dorf Pillmersrcuth in der Ober- psalz (Bezirksamt Tirschenreuth) ist bis auf drei Gebäude niedergebrannt.

Metz, 24. April. Der Kutscher Florian beförderte gestern vier Reisende, die sich das Schlachtfeld Mars-la-Tour ansehen wollten, nach dem berühmten französischen Kantonshaupt­ort in seinem Fuhrwerk. Ein französischer Soldat vom 26. Infanterie-Regiment, der zu­fällig in der Wirtschaft, welche die Fremden als Absteigequartier benutzt hatten, anwesend war, glaubte preußische Offiziere in Zivil vor sich zu haben und maßte sich an, dem Kutscher Vor­würfe zu machen, daß er solche Leute fahre. Nichts Schlimmes ahnend, fuhr der Kutscher bald nachher mit seinen Gästen ab, als der Fran­zose, dem sich noch drei Soldaten vom 162. Regiment zugesellt hatten auf das Fuhrwerk eindrang, in der Absicht, dessen Insassen mit dem Säbel den Garaus zu machen. Nur die Schnelligkeit der Rosse rettete die Touristen vor Verwundung. Die Helden verfolgten die Kutsche noch über die Grenze und sandten dem Rosse­lenker etliche Steinwürfe nach, die ihn glücklicher­weise verfehlten. Der Gendarm von Gvrze trat den Franzosen hier mit dem Revolver entgegen, worauf sie sich unter Verwünschungen auf fran­zösisches Gebiet zurückzogen.

Saaralben, 18. April. Der Ackerer Ludwig Hugenel hatte jüngst ein Stück Land angekaufl, um darauf ein Haus zu bauen. Bei den Fundamentierungsarbetten wurde eine ver­siegelte Flasche zutage gefördert, welche ein Pergament enthielt, worauf geschrieben stand: Ich durch Gottes Gnade Herzoglicher Fürst von Lothringen In Todesgefahr gen die Ketzer­ischen Sweden begrabe 110 Meter von dieser Stellung gegen Westen nahe an der Qual 15000 Franken. General der Mossel Armee und Fürst von Lothringen. Renns. Kästet 1654." Das Schriftstück wurde sofort an die Behörde abge­liefert, welche jedenfalls Untersuchungen an der angegebenen Stelle anstellen lassen wird.

Württemberg.

Stuttgart, 21. April. Kammer der Abgeordneten. (Forts, der Beratung des Etats des Innern.) Bei Kapitel 26, Landjägcrkorps beklagt sich Frhr. v. Wöllwarth über die Verfolgung der Homöopathie durch die Land­jäger. Frhr. v. Ulm sprach über das Stromer- wefen in Oberschwaben und bedauerte, daß weitere reitende Landjäger nicht eingestellt werden sollen. Mit denselben habe man in Obcrschwaben gute Erfahrungen gemacht. Das Stromerlum nehme dort in erschreckendem Maße zu. Der Ort Er­bach werde täglich im Durchschnitt von 11 Stromern abgeklopfl, die dort jährlich über 4000 Unterstützungen erhallen. Haußmann (Gerabronn) ist mit v. Wöllwarth einverstanden, und wandte sich Legen Herrn v. Ulm, der nicht genügend zwischen Vagabunden und ehrlichen Handwerksburjchen unterscheide. Redner empfahl lvdann dem Minister die Reorganisation des Landjägerkorps, das von der militärischen Or­ganisation abzulösen und dessen Leitung in die Hände von Verwaltungs- oder juristischen Be