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ab. Frau Oberst v. Sterneck war noch immer nicht da und doch war der Nachtzug schon ge­meldet. Auch das Kammermädchen wartete.

Wie oft ist mir Pünklichkeit anbefohlen, und nun ist die Gnädige selbst nicht zu rechter Zeit hier," sprach sie vor sich hin.

Der Zug kam und fuhr wieder ab. Frau von Sterneck war nicht gekommen.

Fräulein Wegner wandte sich an den Bahnhofs-Inspektor, mit der Frage, ob ihre Herrin inzwischen anwesend gewesen wäre und eine andere Bestimmung getroffen hätte. Der Beamte verneinte und verwies die ängstlich Be­sorgte an den anwesenden Polizei-Beamten, der sorgfältig alle Angaben über die Person und die Absichten der Frau von Sterneck notierte und eifrige Nachforschungen zusagte..

Inzwischen war es spät geworden und Fräu­lein Wegner sah sich genötigt, in ein Hotel zu gehen.

Bei Tagesanbruch wurde nach allen Richt­ungen telegraphiert und namentlich in Berlin, Thorn und Posen angcfragt, ob Frau v. Sterneck dort cingetroffen sei. Es kam verneinende Ant­wort.

Jetzt schritt man zur Absuchung der Fried­höfe. Mit den neueren Teilen derselben war man bald fertig. Der älteste Teil glich mehr einem verwilderten Park, und zahlreiche Hollunder­büsche wucherten in fast undurchdringlicher Ueppigkeit.

Nach langem vergeblichen Suchen entdeckte endlich einer der Kirchhofsarbeiter in einem Fliederbusch das Band eines Damenhutes und gleich darauf, tief im Busch, die Eigentümerin desselben selbst.

Fräulein Wegner wurde herbeigerufen und erkannte in der Toten Frau Oberst von Sterneck.

So schnell als möglich fand eine genaue Besichtigung der Leiche und des Ortes der Thal statt.

Außer dem Kreisphysikus und den nötigen Gerichtsbeamten war noch ein junger Arzt, der sich besuchsweise in F. aufhielt und der Frau v. Sterneck von Berlin her persönlich kannte, zugegen.

Das Protokoll enhielt ungefähr Folgendes:

Frau Oberst v. Sterneck war mittelst eines schmalen, zweischneidigen, sehr scharfen Instru­ments durch einen Stich dicht über der linken Brust getötet worden.

Die Lage der Wunde schloß die Möglichkeit eines Selbstmordes aus.

Der Tod mußte auf der Stelle und zwar in den letzten Nachmittagsstunden des vorher­gehenden Tages erfolgt sein.

Die Ermordung hatte nicht am Fundorte der Leiche, sondern in dessen Umgebung stattge­funden. Der Körper war erst später, nachdem er ausgeraubt war, in das Gebüsch geschleppt worden.

Geraubt oder vielmehr verschwunden waren sämtliche Ringe von den Fingern, Broche und Ohrenringe von diesen war einer mit Ge­walt herausgerissen die goldene Uhr nebst Kette und Medaillons, eine Brieftasche mit 8000 Mark in Banknoten, ein Portemonnaie mit silbernen Bügeln und Wappenschild, in welchem A. v. S. eingraviert war, und welches etwa 60 Mark Taschengeld enthielt.

Von dem Mörder fehlte jede Spur. Er war anscheinend ganz unbemerkt vom Schauplatz des Verbrechens verschwunden. ohne auch nur das Geringste, was auf seine Spur hätte führen können, zurückzulassen.

Ueber die Waffe, mit welcher der Todesstoß vollsührt worden war, gingen die Ansichten der beiden anwesenden Aerzte auseinander. Während der junge Arzt meinte, der Stich sei mit einer Degen- oder Rappierklinge ausgeführt, behauptete der Kreis-Physikus, er sei mit einem Dolch oder mit einem feingejchliffenen sogenannten Genick­fänger gethan.

Die Leiche wurde nach dem Stammgute der Sternecks überführt und in der Familien­gruft beigesetzt.

(Fortsetzung folgt.)

Eine beherzigenswerte Mahnung.

Es ist nicht zu leugnen, daß über die Zuchtlosigkeit. Zügellosigkeit und Unbotmäßigkeit der Jugend heute vielfach nicht ohne Ursache geklagt wird. Mehr noch als in der Schule zeigt sich in dem Lehrlingswesen der Mangel ernsten Strebens und das Bewußtsein, daß die Lehrzeit eine Zeit ist. in welcher der Jüngling zum brauchbaren Geschäftsmanne, zum tüchtigen Manne heranreifen soll und daß dazu ernster Eifer und strenge Selbstzucht erforderlich sind. Diese Forderungen, die nicht entschieden genug an unsere Jugend, an Eltern und Erzieher und an die Lehrherren gerichtet werden können, bringt ein Aufsatz der trefflichenAllgemeinen Handwerker-Zeitung« zum Ausdruck, die im Verlage des Allgemeinen Gewerbeverems in München erscheint. Wir wollen den Artikel in Nachstehendem wiedcrgeben:

Die Zeit ist jetzt wieder da, wo viele Tausende von Knaben die Schule verlassen, um als Lehr­linge in Handel und Gewerbe einzutreten. Das Lehrlingswesen bietet heute zu manchen Aus­stellungen Anlaß, in deren Inhalt sich der Geist der Zeit recht oft in lebhaften, freilich in nicht immer klaren Farben wiederspiegelt. Es wird heute so sehr darüber geklagt, daß bei den jungen Leuten Wissen, Können und Wollen nicht immer im richtigen Einklang zu einander stehen. Die Fälle, in welchen das Wissen und Können groß sind, das Wollen, die bereits errungenen Kennt­nisse fleißig auszunützen, nicht minder, sind dünn gesät, viel, viel häufiger sind die Fest­stellungen, daß bei schwachem Wissen und Können auch das Wollen sich auf recht niedriger Stufe hält; ja, man kann sogar sagen, daß mit dem Wissen und Können auch das Wollen abnimmt, während doch das Umgekehrte der Fall sein müßte. Es ist leider keine oberflächliche Be­merkung, sondern eine tief begründete Thatsache, daß die jungen Leute recht oft nicht nur ihre eigenen Kenntnisse überschätzen, sondern auch das, was sie lernen müssen, seinem Umfange und Werte nach unterschätzen. Jeder Lehrmeister wird in dieser Beziehung seine Erfahrung ge­macht haben und wissen, daß es mitunter schon ein gutes Stück Arbeit kostet, bis dem Lehrling nachgewiesen ist, daß er von dem, was er für das Leben wissen muß, eigentlich fast nichts kennt, und daß es ein saures Stück Arbeit ist, ihm begreiflich zu machen, daß nicht nach seinen Anschauungen und nach seinem Auffassungsver­mögen die Welt sich gestaltet, sondern nach an­deren festbegründeten und langentwickelten Grund­sätzen, denen jeder sich beugen muß, der ehrlich sein Brot verdienen will. Der alte kernige Grundsatz, daß man von der Pike anfangen muß, wenn später etwas Tüchtiges geleistet werden soll, will heute vielen nicht mehr recht einleuchten. Jedwedes Metier soll eine Art von vornehmem« Anstrich haben, um diesen so viel­fach falsch angewendeten Ausdruck.;» gebrauchen, und in das von Eltern und Kindern so phantastisch dargesteüte Zukunftsbild wollen oft Harle Hände und rinnende Schweißtropfen wenig Hineinpassen. Das ist das Unglück! Die jungen Leute be­ginnen so vielfach ihre Lehrzeit unter dem Ein­druck von ganz falschen Lebensvorstellungen, die sie leider auch im elterlichen Hause in sich auf­nehmen, unter dem Durste nach allerlei Zerstreu­ungen und Vergnügungen, in dem Wahn, daß die goldene Freiheit nach Schluß der Schul- Periode ganz extra für sie erfunden sei.

(Schluß folgt.,

Der Gipfel höchster Zerstreutheit. Im Cafe Schneider am Südbahnhof zu Wien spielte sich am jüngsten Sonnabend eine merkwürdige Scene ab. Ein Herr, welcher in Gesellschaft mehrerer Freunde an einem der Tische Platz genommen hatte, zog, als er in die Tasche seines Uebcrziehers griff, zu seinem großen Staunen aus derselben neunundneunzig nagelneue Zehner- noten heraus, von deren Besitze er bisher keine Ahnung gehabt hatte. Während die Gesellschaft sich in Mutmaßungen darüber erging, wieso das Geld in die Tasche des Herrn gekommen sein könnte, stürzte in das Cafe ein Passagier, der sich in der größten Aufregung befand, und als

er auf einem der Tische das Päckchen Zehner. Banknoten bemerkte, sofort auf die Gesellschaft zueilte. Er stellte sich als Mühlenbesitzer M aus G. vor und erklärte, daß das auf dem Tischt liegende Geld ihm gehöre. Beim Kassenschalter habe er, als er die Fahrkarte löste, einen Tausen­der gewechselt und die 99 Zehner, welche er zurückerhielt, irrtümlich in eine fremde Rock- lasche gesteckt: Die Gesellschaft überzeugte sich bald, daß die Angabe des zerstreuten Passagiers auf Wahrheit beruhte und folgte ihm das Geld aus.

Amerikanisches. Daß man in Amerika seit Barnums Zeiten bemüht ist, die Schaulust der großen Menge in jeder Weise zu befriedigen, ist bekannt. Den Gipfel des Möglichen hierin hat in Ncw-Iork jetzt eine Schaubude erreicht, in der sich ein Mensch vor versammeltem Publikum aufhängen läßt. Es wird in Annoncen darauf aufmerksam gemacht, daß dieser Mensch eine naturgetreue Darstellung einer Hinrichtung durch den Strick liefert. Der Mann hängt sich täglich 9 Mal auf, und die Direktion der Schaubude fügt hinzu, der einzige Punkt in welchem sich seine Vorstellung von einer richtigen Hinricht­ung unterscheide, bestehe darin, daß er nach einigen Minuten des Baumelns noch am Leben sei.

(O heilige Einfalt!) Dieser Tage kam eine Zigeuncrbande in ein oberbayerisches Dorf. Eine Zigeunerin erschien bei einer kurz vorher ver­witweten Bäuerin unter dem Vorwand,sie sei von Gott gesandt«, um ihr zu sagen, daß ihr Mann gegen ein Almosen von 700 aus dem Fcgfeuer befreit würde. Die Frau gab das Geld her und die Schwindlerin entfernte sich dankend. Die Bande wird polizeilich verjolgt.

(Kostenlose Antwort.) A.:Du machst Dir keinen Begriff, wie geizig mein Prinzipal ist! Auf Neujahr hat er zu den Gratulationen gleich die ihm selbst übersandten Glückwunsch­karten, soweit sie keine Unterschrift trugen, ver­wendet!« B.:Das ist noch gar nichts! Mein Chef verweigerte einfach die Annahme aller Gratulationsbriefe und schrieb darauf: Dankend zurück.«

(Aus der Schule.) Professor:Wann starb Karl der Große? Wie, das weißt Du nicht?" Schüler (stotternd):Ich glaube ich glaube damals war ich gerade krank Herr Doktor."

Hausfrau:Haben Sie aufgepaßt, daß Sie kein faules Ei in den Kuchen geschlagen?" Köchin:Ich Hab' den Kuchen noch gar nicht probiert, gnädige Frau!«

Gemeinnütziges.

Pflaster für Kuhställe. In der Schweiz be­zeichnet man jetzt als bestes Pflaster das Holzpflaster, d. h. tannene, genau würfelförmig zugoschnittene, 34 Zoll große Klötzchen, die mit heißem Steinkohlentheer getränkt, am besten auf einen ausgeglichenen festen Betonbelag, dicht aneinander, auf die Stirnseite aufge­setzt und deren Fugen mit Steinkohlentheer ausaegossen und dann mit Sand bestreut werden. Solche Kuhstall­lager existieren bereits seit einigen Jahren auf mehreren Gütern, ü. a. z. B. im Rothaus bei Bern und inHos- wyl; dieselben haben sich in jeder Beziehung, sowohl hinsichtlich ihrer Wärme, ihrer Stroh ersparnis, als auch ihrer Solidität und Dauerhaftigkeit wegen vollkommen bewährt, können also, wie unser Gewährsmann schreibt, unbedingt als zur Zeit bester Kuhstallbelag empfohlen werden. Der Kuhstallgang kann immerhin noch mit geschlagenen, zugerichteten Pflaster- (Kiesel-)stemen gepflastert und mit Zement vergossen werden, da die Tiere nicht darauf stehen und liegen müssen.

Entfernung von Rost-, Ruß- ««d Lohe­flecken aus Weißzeug. Das Weißzeug bekommt m der Wäsche zuweilen gelbliche bis braune Flecken, die den gewöhnlichen Reinigungsmitteln, wie Chlor, schwef- liche Säure, Kleesalz, vollkommen Widerstand entgegen­setzen; man bezeichnet sie als Loheflecken und schmor sie der Anwendung neuer Geräte von Eichenholz zu, wohl auch der Lauge von der Asche, die zum Ten von der Eichenlohe herrührt; in weißen Strümpfen entsteye sie durch das nasse Leder des Schuhwerks. Soim Flecken lassen sich durch gepulverten Weinstein, der a i die feucht erhaltenen Stellen gestreut wird, in 24 stuno vollständig ausziehen. ,

Redaktion, Druck und Verlag,von Chru. Meeh in Neuenbürg.