Zwecke nicht besonders glücklich zusammengesetzt gewesen: ein Geschäftsführer, der sich nicht allzu eifrig dem Geschäft gewidmet hat, ein Buchhalter, der seine Bücher nicht nach den in größeren Geschäften Wichen kaufmännischen Grundsätzen führte und über beiden steht Genosse Opificius, dessen größter Fehler seine Vertrauensseligkeit und Energielosigkeit ist. Die Mitglieder haben eingesehen, daß diese Leitung nicht die richtige ist und so drängten sie auf Erneuerung in einzelnen Stellen, ohne daß cs dazu kam. Auch sonst hat die Verwaltung dem Willen der Mitglieder nicht immer so entsprochen, wie erforderlich, um ein gutes Zusammenarbeiten zn ermöglichen. Der allgemeine Unwille führte endlich dazu, daß die Generalversammlung eine völlige Erneuerung der Verwaltung vornahm. Es traten Leute an Stelle der alten Leitung, die deren Widersacher im Verein gewesen und auch noch zum Teil deren politische Gegner sind. Daß nunmehr mit großem Eifer die bisherigen geschäftlichen Handlungen auf vermeintliche und auch wirkliche Unregelmäßigkeiten hin durchsucht wurden, ist nur zu selbstverständlich. Leider bestanden solche Unregelmäßigkeiten. Es hätte nun aber alles außergerichtlich ausgeglichen werden können, denn da der Verein nicht gerichtlich eingetragen ist, hatte die Behörde keine Aufsichtspflicht. Durch das Verhalten zweier sonderbarer „Sachverständigen" sah sich aber die Behörde genötigt, einzuschreiten. Unterm 8. März erschien in Pforzheimer Blättern eine Erklärung, unterzeichnet von den „kaufmännischen Sachverstän- tigen" I. D. Mürrle und Friedrich Lotter", welche nach Prüfung der Bücher des Lebensmittelbedürfnisvereins bekunden, „daß die gegen den seitherigen Vorstand jenes Vereins, Herrn Landtagsabgeordneten Wilhelm Opificius, in Umlauf gesetzten Gerüchte und Blättermeldungen sich clls vollständig hinfällig herausgestellt haben und auf Ermittelungen beruhen, die nicht nach kaufmännischen Prinzipien gemacht wurden." Diese Erklärung veranlaßte die Staatsanwaltschaft sich die Sache näher anzusehen; sie beschlagnahmte die Bücher und nun liefen dieselben „Sachverständigen", die obige Erklärung erlassen, aus die Staatsanwaltschaft und gaben dort an, ihre Erklärung stimme nicht, sie hätten sich geirrt und einen Additionsfehler von ca. 15 000 Mark gemacht. Der Staatsanwalt schritt daraufhin zur Verhaftung des Geschäftsführers Eberhardt und des Vositzenden Opificius. Es wird Letzcrem zur Last gelegt, ein vor einigen Jahren im Verein entstandenes Defizit bei der jährlichen Bilanz verschwiegen und eine geringe Summe Geldes (500 Mark) vorübergehend in einer dem Zweck des Vereins nicht entsprechenden Weise verwendet zu haben. Diese Summe ist dem Verein znrÜcker st a t t e t. Ob der Verein thatsächlich geschädigt
ist, läßt sich heute noch nicht sagen, soweit wir Genosse Opificius kennen, halten wir dies für völlig ausgeschlossen.
Dresden, 21. März. Nach Schluß der gestrigen Opernvorstellung wurde der königliche Kammermusiker Gunkel in einem Wagen der elektrischen Bahn von einer Dame, welche ihn schon seit einer Reihe von Jahren mit ihrer Liebe aussichtslos verfolgt, erschossen. Gunkel war sofort tot. Die Mörderin hatte den Revolver, aus welchem sie zwei Schüsse auf Gunkel abgab, in einem Blumenbouquet verborgen gehalten. Einen dritten Schuß gab dieselbe gegen sich selbst ab, ohne sich indessen zu verletzen. Die Dame ist eine seit langer Zeit schon von ihrem Manne getrennt lebende Frau Jahnel. Der Erschossene spielte in dem Dresdener Opernorchester erste Violine und war in Dresden als einer der schönsten Männer bekannt. Als Komponist ist Gunkel bereits mit zwei Opern an die Oeffentlichkeit getreten.
Berlin, 20. März. Wie aus Wien gemeldet wird, hat Kronprinz Wilhelm nunmehr die in München erfolgte Einladung Kaiser Franz Josests angenommen. Es wurde nun vereinbart, daß der Kronprinz Mitte April nach Wien kommen und dort als Gast Kaiser Franz Josefs in der Hofburg Wohnung nehmen wird. Während seines Aufenthalts in Wien, der für mehrere Tage in Aussicht genommen ist, werden Hoffestlichkeiten stattfinden. Auch soll in dieser Zeit eine Frühjahrsparade abgehalten werden.
Die Polensrage im Reichstag. Die „Alldeutschen Blätter" bringen in ihrer Nr. 10 auf Veranlassung der Südd. Verbandsmitglieder die Rede unseres Reichstagsabgcordneten Schrempf in der Polendebatte im Wortlaut und halten wir eS für unsere Pflicht dieselbe aus derselben Quelle wiederzugeben:
„Meine Herren, nachdem einmal diese polnischen Schmerzen im Reichstag zur Besprechung gekommen sind, muß es auch gestattet sein, daß ich als Süddeutscher, der den hier in Frage kommenden Verhältnissen an sich fernsteht, ein paar Worte dazu bemerke. In Süddeutschland haben wir es ja — dank Weres. Pofl-eservatrechts — weder mir^ der deutschen'Reichspost, noch mit der Provinz Posen und ihrer polnischen Bevölkerung direkt zu thun. Wenn wir in Süddeutschland überhaupt etwas von Polnischem hören, so spricht man höchstens gelegentlich vom „polnischen Reichstag" und „polnischer Wirtschaft". (Bewegung links. Heiterkeit rechts.) Wenn ich den Eindruck der bisherigen Verhandlung als unbefangener Zuhörer wiedergeben soll, so muß ich sagen: ich glaube nicht, daß in einem polnischen Reichstag die Schmerzen einer deutschen Minorität in einer derartigen Weise besprochen worden wären. (Widerspruch links. Sehr richtig! rechts.) Die Herren Polen sollten doch nicht vergessen, daß sie überhaupt eine Post von der Vortrefflichkeit haben, wie die deutsche Reichspost
eS ist (Heiterkeit), daß so viel Postgut befördert werden kann, das ist deutsche Kulturarbeit und nicht polnisch. Nachdem Sie nun den Beweis dafür haben, Ihre polnischen Aufschriften machen den deutschen Postbeamten Schwierigkeiten, da lassen Sie das polnische Beiwerk doch lieber weg! Das ist die nahe liegende Rücksicht einer Minorität. (Widerspruch.) Meine Herren, so viel ich weiß, genießt die gesamte preußisch-polnische Jugend einen 7jährigen Unterricht im Deutschen, und dieser Tatsache gegenüber ist es doch ein starkes Stück, wenn der Herr Abgeordnete v. DziembowSki im deutschen Reichstag das Anerbieten macht, er wolle den deutschen Reichspostbeamten Privatstunden im Polnischen geben, damit sie die polnischen Aufschriften lesen können. Wir können voraussetzen, daß alle polni- nischen Kinder, die in guten Schulen unter deutscher Aufsicht deutschen Unterricht genossen haben, imstande sind, die Worte „Herr" und „Hochwohlgeboren" auf einer Adresse deutsch anzugeben. Wenn das faktisch nicht geschieht, dann steckt dahinter eine gewisse Tendenz, und zwar eine sehr stark politische Tendenz. Wir sind doch nicht so dumm, daß wir glauben sollten. Sie wären die reinsten Märtyrer. Wir Deutsche wissen ganz gut, was hinter den polnischen Adressen steckt und weisen diese polnische Demonstration vom nationalen Standpunkt aus entschieden zurück. (Sehr gut! rechts.) Meine Herren, ich bin persönlich der Ueberzeugung, daß, wenn die deutsche Reichspost den Namen des Adressaten und den Bestimmungsort eines Poststücks sicher feststellen kann, sie das Poststück auch besorgt, trotz des polnischen Beiwerks, das sich auf der Adresse zeigt. Aber an sich muß doch gesagt werden: wenn die Herren Polen solche Debatten vermeiden wollen, dann sollen sie der deutschen Post auch entgegen- kommen. Wenn Sie den ernstlichen guten Willen haben, im preußischen Staat und im deutschen Reiche als vollwertige Bürger zu gelten, dann ist es doch wahrlich eine Bagatelle, wenn von Reichsbürgern verlangt wird: Kommt der deutschen Reichspost, diesem großartigen deutsch-nationalen Institut, durch deutsche Adressierung entgegen, nehmt vernünftige Rücksicht auf die Verkehrssprache aller PoMeamten! Das ist, wie ich dem elsässischen Kollegen Vonderscher bemerke, nicht zu viel verlangt und das wäre auch von den Herren Elsässern nicht zu viel verlangt. (Sehr wahr! Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Meine Herren, wenn sich postalische Schwierigkeiten ergeben haben, wenn je Fehler von der deutschen Postverwaltung gemacht worden sind, so sind diese Fehler doch nicht allein an den Mißständen schuldig, sondern auch die Bockbeinigkeit auf der polnischen Seite. (Große Heiterkeit.) Also, wenn die heutige Debatte überhaupt den praktischen Wert haben soll, welchen wir von einer Sitzung des deutschen Reichstages erwarten dürfen, so muß ich auch an die Herren Polen, unsere deutschen Mitbürger, die Bitte richten: Berücksichtigen Sie doch auch im Postverkehr, daß Sie
Der Bootsmann und sein Maat hatten den Gipfel des Felsen noch nicht erreicht, trotzdem sie wunderbar schnell gestiegen waren, wenn man die Steilheit des Weges und die Schwere der Spiere, die sie trugen berücksichtigt. Ich begab mich wieder zu Florence und ihrer Tante. Das Segel und ein Teil der Vorräte war von den Matrosen in die Hütte geschafft worden, und jetzt brachten sie eine Wafsertonne, so vorsichtig als wäre sie von Glas, denn wer konnte auch wissen, ob mehr Trinkwasier zu finden sein würde, wenn dieses verbraucht war.
„Kommen die Boote, Mr. Seymour?" schrie mir Tante Damaris entgegen.
„Nein, ich habe nichts von ihnen entdeckt."
„Was kann aus ihnen geworden sein?" fragte Florence erschreckt.
„Großer Gott, was kann aus ihnen geworden sein?" rief auch die Tante.
„Ich weiß nicht, was ich denken soll. Sie können auf die andere Insel geraten sein. Sie können gerettet, sie können gesunken sein; — mir steht der Verstand still." — Doch ich merkte,,daß ich meine Angst zu sehr verraten hatte, deshalb fuhr ich beruhigend fort: „Aber für uns hat das nichts zu sagen. Ich gräme mich nur der armen Menschen wegen und möchte sie gern in Sicherheit wissen. Wenn sie kämen, könnten sie uns auch nichts helfen, im Gegenteil, ihre große Anzahl würde uns vielleicht verhängnisvoll werden. Denken Sie nur, wie sollten wir uns alle dann ernähren?"
„Aber Jack, du sagtest doch, daß das Langboot das Mittel sein würde, uns zu retten."
„Es kann ja auch noch kommen," antwortete ich ausweichend, denn was sollte ich sagen? Die Thatsachen sprachen zu deutlich. Ich konnte nur sorglos scheinen und immer wieder von der Aussicht fabeln, von einem vorbeifahrenden Schiff abgeholt zu werden; aber es schnitt mir wie ein Messer ins Herz, als ich den hoffnungslosen Blick bemerkte, den mein teures Mädchen mir zuwarf, aus
Augen, welche die Liebe geschärft hatte. Dann schlug sie plötzlich die Hände zusammen und brach in krampfhaftes Weinen aus. — Das konnte ich nicht ertragen. Ich stürzte auf sie zu, schloß sie in meine Arme und streichelte und küßte ihr an meiner Schulter ruhendes Köpfchen. Gott weiß, was ich dabei sagte, aber es tröstete sie. Eine gerade entgegengesetzte Wirkung aber hatte meine fieberhafte Beredtsamkeit auf Tante Damaris. Jetzt zerfloß diese plötzlich in Thränen, rang die Hände und jammerte: wie gern sie schon morgen gestorben wäre — zu Haus in ihrem Bett — aber jetzt müßte sie langsam umkommen auf einer wüsten Insel, wo ihre Gebeine bleichen würden ohne Aussicht auf ein christliches Begräbnis. Dieser Ausbruch gänzlicher Verzweiflung brachte mein Liebchen wieder zu sich und ließ sie die eigene Lage vergessen. Liebevoll eine Hand der Tante ergreifend, begann sie nunmehr zu trösten, und ich vereinigte meinen Zuspruch mit dem ihren, indem ich die andere Hand der schluchzenden alten Frau nahm. Während wir derart um sie bemüht waren, sah ich auf einmal das Tuch von der Mastspitze über dem Gipfel des Berges flattern.
„Sehen Sie, Miß Hawke," rief ich so übermütig, daß mich der Ton meiner Stimme beinahe selber täuschte: „Dort weht ein so herrliches Signal, wie es nur jemals von Schiffbrüchigen aufgehißt wurde. Blicken Sie doch einmal hin, wie freudig die beiden Männer ihre Mützen schwenken! Jedes vorüberkommende Schiff wird sein Teleskop auf unser Notzeichen richten. Neun Meilen weit muß man die Flagge so deutlich erkennen wie wir sie selbst sehen, und der erste Kapitän, der sie bemerkt, ändert sogleich seinen Kurs, um zu erfahren was sie bedeutet."
Die arme Tante trocknete ihre Augen und richtete sie sehnsüchtig auf das Tuch. Florence aber blickte kaum hin, sondern setzte sich wieder müde auf einen Stein und starrte mit dumpfem Brüten vor sich in die Tiefe. (Forts, folgt.)