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farbigen Widmungsschleife geziert, auf welcher im Golddruck „Witwe Großfürstin Konstantin, Alexandra Josephowna geb. Prinzessin von Altenburg" zu lesen war.
Der deutsche Kaiser hatte unter seinen Jagdgästen in Springe bei Hannover auch den Regierungspräsidenten Grafen Wilhelm Bismarck, den jüngeren Sohn des früheren Reichskanzlers, eine Thatsache, welche vielfach kommentiert wird.
Berlin, 15. Dez. (Reichstag.) Erste Beratung der Vorlage über die Verteilung des Heeresersatzcs. Richter (d.fr.) billigt den Grundsatz der Vorlage, das Aushebungsgeschäft gemäß der Zahl der Diensttauglichen, nicht gemäß der Bevölkerungsziffer, vorzunchmen. Er fordert, daß die Ersatzverteilung nicht innerhalb der Einzclstaaten, Bayern, Württemberg rc., sondern auf das ganze Reich erfolge, und daß die Einjährigfreiwilligen eingerechnet werden. Er beantragt Verweisung an die Militärkommission. v. d. Schulenburg (kons.) erklärt, seine Partei stimme geschloffen für die Vorlage. Der bayrische Bundesbevollmächtigte Generalmajor v. Haag stellt fest, daß das bayrische Kontingent nach der Reichsversaffung selbständig sei und demgemäß das bayrische Kriegsministerium den Ersatz auf die bayr. Armeekorps verteile. Möller (nat.lib.) befürwortet die Kommiisions- beratung. Richter hebt hervor, daß Bayern bereits bezüglich der Branntweinsteuer auf gleicher Grundlage wie Preußen behandelt werde. Die Vorlage wird an die Militärkommission verwiesen.
Berlin, 16. Dez. Die Militärkommision des Reichstags besteht aus folgenden 28 Abg.: v. Manteuffel, v. Hammerstein, v. Saldern, v. d. Schulenburg, v. Friesen (kons.), v. Bennigsen, Buhl, Schneider-Hamm (nat.lib.); Bebel, Grillenberger, Singer (Soz.); Baumbach, Hermes. Hinze. Richter, Rickert (d.sreis.); Payer (Bolksp.); Graf Ballestrem, v. Buol, Fritzen, Schädler, v. Wendt, Gröber, Lieber, Gras Prey- sing (Zentrum); v. Komierowski. v. Kwilecki (Polen); v. Stumm (Reichsp.) Zum Vorsitzenden ist Manteuffel, zum Stellvertreter desselben Wendt gewählt worden. Die erste Sitzung der Militärkommission soll Mittwoch den 11. Jan., Abends 8 Uhr, stattsinden. Im Laufe der Weihnachtsferien wird weiteres statistisches Material von Seiten der Regierung erwartet.
Berlin, 16. Dez. Der dem Reichstag zugegangene Antrag Rintelen beantragt, daß die Verjährung während der Zeit, in welcher die Strafverfolgung gegen Abgeordnete nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann, ruht.
Nach der dem Reichstag zugegangenen Denkschrift betr. den Bau des Nordostsee- kanals besteht nach wie vor die Aussicht, daß der Kanal im Jahr 1895 dem Verkehr übergeben wird.
Der deutsche Reichstag hatte in der abgelaufenen Woche recht interessante Verhandlungen. Bezüglich der Hausierer und Abzahlungsgeschäfte kam es zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen dem Vertreter der bayerischen Regierung, Oberregierungsrat Landmann, und dem freisinnigen Abgeordneten Baumbach. Die Reichsregierung versprach bezüglich der Abzahlungsgeschäfte noch in dieser Session dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen und die Erhebungen bezüglich des Hausierens und Detailreisens rc. möglichst zu beschleunigen, worauf auch diese Frage einer gesetzlichen Regelung unterworfen werden soll.
Auch die Währungsfrage wurde wieder einmal im Reichstage behandelt. Die Reichsregierung will von der reinen Goldwährung nicht abgehen, weil sich diese angeblich vorzüglich bewährt hat; von anderer Seite aber wurde geltend gemacht, daß die Wiedereinführung einer Doppelwährung sowohl den deutschen Landwirten als den Arbeitern bedeutende Vorteile bringen würde.
Die erste Beratung der Militärvorlage ist nunmehr zu Ende gegangen, ohne daß sie die politische Lage wesentlich aufgeklärt hätte. Ueber die Aussichten einer Verständigung ist auch heute nicht viel mehr zu sagen als seit langen Wochen. Das Eine steht fest: im vollen Umfang kommt das Gesetz nicht zu Stande, das haben sowohl die Zentrumsredner als Herr j
v. Bennigsen auf das Bestimmteste erklärt. Dagegen wäre bei gesetzlicher Festlegung der zwei- jährigen Dienstzeit mindestens innerhalb des Rahmens der jetzigen Präsenzstärke und wohl auch etwas darüber hinaus eine Verständigung wohl zu erzielen. Das Zentrum hat sich, insbesondere in der Rede des bayerischen Grafen Preysing etwas ablehnender ausgesprochen, als vielfach erwartet worden. Die letzten Entschließungen aber hat sich die Parlei für die Kommis- sionsberatung und weitere Aufklärungen seitens der Regierungen Vorbehalten, und aus der Rede des Herrn v. Hucne klang bei allen Verwahrungen doch die Neigung hervor, wenn irgend möglich, eine Grundlage der Verständigung zu finden. Den hohen Ernst der Lage, die große Verantwortlichkeit der leitenden Männer in der Regierung und im Reichstag, die folgenschwere Bedeutung einer Krisis unter den gegenwärtigen Umständen und um dieser Angelegenheit willen, zugleich die Unwahrscheinlichkeit mit einem folgenden Reichstag mehr zu erlangen als mit dem jetzigen, hat Herr von Bennigsen mit staats- männischem Geist und patriotischem Ernst noch einmal dargelegt. Seine Worte, welche auf eine Verständigung hinwirkten, soweit sie mit der Leistungsfähigkeit des Volkes nur immer vereinbar ist. sein Hinweis, wie schwer ein Bundesstaat solche Konflikte ertragen könne, werden, wie der Reichskanzler bemerkte, weit in das Land hinein wirken. Es ist die richtige Linie, die patriotische, ernste und wohlgesinnte Männer in dieser Frage einzuhalten haben. Es wird nun vorzugsweise Sache der Regierung sein, dem Ernste der Situation Rechnung zu tragen und das Ihrige zu thun, wenn eine Krisis und ein schwerer Konflikt vermieden werden soll.
Berlin, 16. Dez. Die sozialdemokratischen Stadtverordneten beantragen, den Magistrat zu ersuchen, zur Steuerung der Arbeitslosigkeit und des Notstandes die Arbeitszeit der städtischen Betriebe auf 8 Stunden festzusetzen, um eine größere Zahl von Arbeitern einstellen zu können, städtische Arbeiten schleunigst vornehmen und die Kanalisation rasch durchführen zu lassen.
Vom bad. Schwarzwald, 12. Dez. Letzten Freirag fand in Hornberg eine erweiterte Borstandssitzung des Vereins Schwarzwälder Gastwirte statt. Der erste Vorstand Wilhelm Lehnis-Hornberg machte zunächst die Mitteilung, daß der Verein die Milgliederzahl 100 bereits erreicht hat. Den Hauptgegenstand der Tagesordnung bildete die Beratung und Schlußsaffung über die zu erlassenden Inserate und Reklamen und Aufstellung des Schemas der Mitgliederliste. Es wurde beschlossen, daß die Frühjahrsreklamen so bald als möglich zu erlassen seien. Die Form der Inserate und Reklamen wird eine einheitliche werden und dieselben stets vom Verein Schwarzwälder Gastwirte unterzeichnet sein, dessen allgemeiner Unterschrift die Namen sämtlicher Mitglieder des Vereins in alphabetischer Reihenfolge, mit Angabe des Wohnortes, beigefügt werden. Die Mitgliederliste ist bis 1. Februar 1893 fertig zu stellen. Anmeldungen zum Verein, die nicht bis längstens 25. Januar 1893 erfolgen, können in dieser Liste sowohl, als auch bei den Frühjahrsinsertionen keine Berücksichtigung für das laufende Geschäftsjahr finden. In der ebenfalls alphabetisch geordneten Mitgliederliste wird neben dem Namen der Mitglieder, Wohnort. Höhenlage desselben, Central- und Zweigstation u. s. w., ferner angegeben sein: ob Hotel. Pension, Gasthof, Gasthaus, Restaurant, Cafe u. s. w. Die Mitgliederliste wird in zahlreicher Auflage allen Interessenten des badischen und würltcmbergischen Schwarzwaldes, vornehmlich aber den Mitgliedern des Vereins zur Verabfolgung an das reisende Publikum zugestell. Die nächste Vorstandssitzung wird Ende Januar 1893 in Oberkirch abgehalten, wo dann die Beschlüsse der Hornberger Bor- standssitzung endgiltig geregelt und zur Ausführung gelangen werden.
Der Reichstag und die Colonialpolitik.
Die Budgelkommission des Reichstags hatte in der vorigen Session den Wunsch ausgesprochen, von der Regierung bezüglich der Colonien nicht
nur Ziffern zu erhalten, sondern auch eine Darlegung der Verhältnisse und ihrer fortschreitenden Entwicklung. Diesem Wunsche ist durch mehrfache Denkschriften in ausgiebiger Weise entsprochen worden, die Veröffentlichungen werden hoffentlich beitragen, das Interesse an diese Entwicklung in weitere Kreise zu tragen und dort förderlich zu beleben. — Den erfreulichsten Eindruck erhält man von Kamerun. Allerdings wird auch dort mit sehr knappen Mitteln gearbeitet. Der Etat balanciert mit 580000 Mark, wobei noch 90 750 ^ als dritte Rate des binnen 15 Jahren zu tilgenden Reichsvorschusses von 1425000 ^ für die Kameruner Hafenbauten figurieren, so daß man wohl annehmen darf, bei den Ausgaben ist nicht nur vieles Wünschenswerte, sondern auch vieles Notwendige zurückgestellt worden. Aber dem- ungeachtet gewährt die Colonie ein Bild erfreulichen Aufblühens. Die Zolleinnahmea und Abgaben konnten auf 21000höher, in Summa 565 000 veranschlagt werden, der weißen Bevölkerung seit Ende 1891 um 54 Seelen beweist, daß die Colonie nicht ohne Anziehungskraft ist. Von den 179 männlichen und 12 weiblichen weißen Bewohnern sind 133 Deutsche. Ursprünglich waren von deutschen Firmen dort nur Karl Wörmann und Janssen und Thormählen thätig, jetzt sind bereits drei neue hinzugekommen, zum Teil von früheren Angestellten der beiden erstgenannten begründet, außerdem hat sich die Zahl der in das Innere vorgeschobenen Faktoreien, namentlich der Firma Wörmann und der sehr thätigen schwedischen Firma Knutson erheblich vermehrt. In Kamerun stehen wir somit einer durchaus normalen und regelrechten Entwicklung gegenüber, welche bei dem Vorhandensein ausreichender Mittel wohl schon einen noch größeren Umfang angenommenen haben würde. Hauptsächlich gedeiht in Kamerun Kaffee und Cacao, vie Versuche mit Tabak haben bis jetzt noch keinen Erfolg ergeben, da bisher noch kein gelernter Tabakpflanzer sich damit befaßt hat, doch werden die Pflanzungen mit guten Aussichten fortgesetzt; auch für Baumwolle scheinen gute Aussichten zu bestehen. Die von der Regierung angelegten und trefflich unterhaltenen botanischen Gärten erweisen sich den Pflanzen sehr nützlich. Der botanische Garten in Viktoria ist in diesem Jahre um mehrere Hektar durch Rodung von Urwald erweitert worden. Es werden dort tropische Nutzpflanzen aller Art gezogen, die bisherigen Ergebnisse zeigen, daß namentlich dem Anbau von Kaffee und Cacao eine große Zukunft bevorsteht. Hoffentlich versteht unser deutscher Handelsstand, auch im Binnenlande davon Nutzen zu ziehen.
Einen ähnlich erfreulichen Eindruck wie Kamerun bietet auch Togo. Auch dort ist die weiße Bevölkerung von 35 auf 50 gestiegen, davon 40 Deutsche und von diesen 5 Frauen. Ebenso hat sich die Zahl der Firmen um 4 vermehrt, es sind in diesem kleinen Gebiet bereits 17 Firmen, davon 14 europäische, mit 31 Faktoreien thätig. 15 Faktoreien befinden sich allein in dem durch sehr günstige Gesundheitsverhält- nisse ausgezeichneten Lome, welches an schwarzen Einwohnern 1100 Erwachsenen mit 418 Kindern zählt. Von den Hauptkulturen nimmt die Oel- palme die erste Stelle ein, die Ausfuhr im Etatsjahr 1891/92 beziffert sich für Palmöl auf 1183078 Mark, für Palmkerne auf über l'/r Millionen Mark. Togo gewährt fast den Eindruck, ais sei die Arbeit in dieser kleinsten unsrer afrikanischen Colonien noch erfolgreicher als in Kamerun. Die Eingeborenen beteiligen sich selbst am Plantagenbau, sowie an dem tüchtig geförderten Wegebau, welcher für die Entwicklung des Handels großen Nutzen verspricht. In Togo scheint neben dem Kaffee und dem Cacao auch die Baumwolle eine große Zukunft zu haben, aber dort wie in Kamerun fehlt noch deutsches Kapital, um die Entwicklung auf diejenige Höhe zu heben, die sie sonst längst haben könnte. Solange freilich die Entmutigungen von der kompetentesten Stelle aus sortdauern, wird das deutsche Kapital wohl leider diesen Fingerzeigen des Reichskanzlers Folge leisten, rege ist der Postverkehr, der deutsche Postdienst