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von den Machern der inzwischen verkrachten Panama-Gesellschaft bestechen lassen und ein boulangistischer Deputierter Delahaye hat auf der Tribüne, wenn auch ohne spezielle Nennung der Namen, derartig gemeine Stückchen seiner Herrn Kollegen öffentlich mitgeteilt, daß die traurige Panama-Angelegenheit nunmehr nicht mehr vertuscht werden kann. Ein republikanischer Biedermann erster Güte, welcher seinerzeit in dem Panama-Ausschuß der Deputiertenkammer saß, wußte, daß 5 Ausschußmilglieder für und 5 gegen die Panamakonzession waren. Er als der 11. erklärte, seine Meinung sich noch nicht gebildet zu haben. Zuerst war er geneigt, gegen die Konzession zu stimmen und spekulierte mit einem befreundeten Banquier auf das Fallen der Panamaaktien. Als er hiebei einen Haufen Geld verdient hatte, erklärte er der Panamagesellschaft, er wisse immer noch nicht, was er thun solle. Diese bestach ihn nun mit 200 000 frcs. und nun war der Deputierte von der Vortrefflichkeit des Panamaunternehmens überzeugt. Er vergaß aber, dem ihm befreundeten mitspekulierenden Banquier Kenntnis von seiner neuen Ueberzeug- ung zu geben, und als die Panamakonzcssion erteilt war. war der Freund des Deputierten finanziell ruiniert. Nun beginnt wieder die Mohrenwäsche und schließlich wird voraussichtlich das menschenmöglichste an Vertuschung geleistet. Ein gewisser Baron Reinach, gebürtiger Frankfurter, hatte seinerzeit die Deputierten bestochen. Angesichts des drohenden Standals verübte er Selbstmord, und nun wird wahrscheinlich der Tote als alleiniger Sündenbock dargestellt werden. Parlamentarismus und Republikanismus sind von jeher wunderbare Einrichtungen gewesen, für Spitzbuben im Frack eine prachtvolle Gelegenheit, sich zu bereichern.
Aus Brest wird gemeldet: Der englische Dampfer Patoria ist Unvorsichtigkeit beim Anzünden der Lampen. Der zweite Steuermann ist lebendig verbrannt; 24 Mannschaften mit dem Kapitän retteten sich in drei Booten, wovon eines mit 7 Mann unterging. Der Kapitän und 16 Mann wurden gerettet.
Unterhaltender Heit, k'ltzür 3.MM66.
Novelle von M. Bernhard.
lNachdruck verboten..
An seinem Schreibtisch saß der Baron Thilo von Hildburg und ärgerte sich; und jemehr er es sich selber vorhielt, daß nicht der geringste Grund für ihn vorliege, sich zu ärgern, um so hartnäckiger ärgerte er sich.
Der Schreibtisch, an dem er saß, war mit kostbaren Dingen überhäuft, das Zimmer, in dem der Schreibtisch stand, mit behaglichstem Luxus eingerichtet; durch eine halbgeöffnete Thür, bot sich dem Blick ein gleiches Bild von Pracht und feinem Geschmack, und wenn der Besitzer dieser Herrlichkeit sich ein wenig seitwärts bog. so bekam er sich selbst in einem wunderschönen, hohen Spiegel zu sehen; der zeigte ihm einen bildhübschen, schlank und fein gebauten jungen Husarenoffizier in kleidsamer Uniform, mit einem feingeschnittenen Aristokratengesicht. dunklen Haaren, die wie weicher Plüsch geschnitten waren, einem Sammetbärtchen auf der Oberlippe und — ja — und — allerdings — zwei verdrießlichen Augen, die ganz das Lachen verlernt zu haben schienen.
Die zarte, schöngepflegte Hand knitterte nervös mit den Papieren auf dem Schreibtisch, die unmutigen Augen irrten d'rüber hin. Was da alles durcheinander lag! Eine Einladung zu einem kleinen Souper, auf morgen — hol' der Teufel alle kleinen Soupers, er wußte aui's Haar genau, wie es dort zuging, und da es nicht „dienstlich" war, so hatte er natürlich abgesagt! Hier ein paar zusammengeballte Cheks von vorgestern abend — da hatte dieser arme Kerl, der Luitpold Offenberg ein so schauderhaftes Pech im Makao gehabt, und er. Thilo, hatte die Bank gehalten, hatte Unsummen gewonnen und war genötigt gewesen, all' die beschriebenen Zettel des Kameraden einzustccken und würde auch das Geld einstecken müssen . . . .
das Geld, von dem Luitpold sicher nicht wußte, woher es nehmen bei seinem knappen Wechsel, während Thilo Hildburg, als einziger Sohn steinreicher Eltern, mit Seelenruhe das Zehnfache hätte verlieren können und es von Herzen gern dem armen Teufel erlassen hätte, jemals die Rückzahlung in Scene zu setzen — wenn das nicht den üblichen Begriffen von Anstand und Herkommen gerade ins Gesicht geschlagen hätte. Lächerliches Vorurteil! — Und hier, was lag hier? Bücher! Hartmanns Philosophie des Unbewußten, die ihm ein strebsamer Kamerad empfohlen hatte, als er über sträfliche Langeweile geklagt. Zum Henker mit der Philosophie, d->s Bewußten sowohl, wie des Unbewußten! Er hatte das Zeug nicht lesen können, keine zehn Seiten halte er davon heruntergewürgt! Ob es wirklich Leute gab, die daran ihr Vergnügen hatten? — Was weiter? Zwei Briefe von daheim — zuerst von der Mama, die ihn zum Heiraten animierte — es sei ihr sehnlichster Herzenswunsch; die Komtesse Ilse von Sternau sei. eben siebzehnjährig, aus der Schweiz zurück- gekehrt. ein Juwel von einem Mädchen, und Thilo habe sie vor drei Jahren schon so reizend gefunden und pariert, sie gebe eine Schönheit — er solle nur kommen und sie sehen, sicher werde er sich keinen Korb holen — Korb! Als ob es ihn nach der Ehe gelüstete! Jetzt schon! Mit siebenundzwanzig Jahren! Freilich stand die Familie nur auf zwei Augen — aber Heirat! Schreckliche Vorstellung! — Papa berichtet von dem Stand der Güter, die Thilo später einmal übernehmen soll, lobt seinen Administrator Kroneck. dem er zur selbständigen Bewirtschaftung das Nebengut Kleinhausen anvertrauen wolle — der Mann sei ein kapitaler Landwirt, es wäre ein Glück, in heutiger Zeit einem solchen Unikum zu begegnen! Schön! Wenn sich nur der Gardehusar Baron von Hildburg im mindesten für den Administrator Kroneck, das Nebengut Kleinhausen und die ganze Landwirtschaft hätte interessieren können! Was ging ihn alles dies an?
Auch das parfümierte rosa Kärtchen mit den bunten, goldgeflügelten Paradiesvögeln darauf ging ihn nichts an — er gähnte, als er es las. Abgethane Sache, diese kleine Opernsoubrette, mit der er ein paarmal passabel lustig gewesen war. Man schenke ihr einen Armreif und lasse sie laufen! Premiere eines neuen Trauerspiels im Deutschen Theater? Ihm ist auch recht nach Trauerspielen zu Mute, das würde seine Stimmung erheblich aufbessern! Anerbieten aus Weimar, ein Pferd zu kaufen — famoser Renner! Thilo zuckt nur die Achseln! Er hält sich drei Reitpferde und einen berühmten englischen Jokey, der so mager ist, wie eine Fischgräte und bei der Steeplechaise bisher stets Sieger geblieben ist, während der glückliche Besitzer des Jokeys auf seinem „Excelsior" beim Herrenreiten in den letzten Jahren wiederholt den ersten Preis gewonnen hat. Noch mehr Pferde? ^ quoi dou?
Das ist's eben! Thilo von Hildburg ist ein bildhübscher, schwerreicher, leidlich begabter und ganz liebenswürdiger Offizier, aber er hat keine eigentliche wirkliche Passion — da sitzt der Haken! Er thut alles, was die Kameraden thun, es hat ihn zu Anfang amüsiert — jetzt langweilt es ihn bereits; ernste geistige Interessen hat er ebenfalls nicht . . . was in aller Welt soll er mit sich anfangen?
„Ich kriege noch den englischen Spleen!" sagt er halblaut und steht auf und dehnt sich. Draußen gehl ein kurzer Januartag auf die Neige, die Sonne ist fort, ein ödes, kaltes Grau kriecht über den Häuserdächern herauf und läßt die Großstadt langweilig und nüchtern aussehen.
Der verdrießliche Baron steht eine Weile, die Hände in den Taschen, und sieht gedankenlos durchs Fenster — in der Etage über ihm wird ein Stuhl gerückt und ein Chopinsches Impromptu gespielt— ganz hübsch und geläufig; er aber murmelt „Verwünschtes Geklimper!" und runzelt die Stirn. Ihn würde buchstäblich die Fliege an der Wand ärgern — nur daß zufälligerweise keine da ist!
(Fortsetzung folgt.;
Runzenheim,20. Nov. Der „Elsässer" erzählt: Eine drollige Szene spielte sich hier an der Eisenbahnstation ab. Soeben hatte der Postwagen dort Halt gemacht, als der Kutscher in gewohnter Weise dienstfertig vom Bocke nach hinten sprang, um den Wagenschlag zu öffnen. „Doch das Unglück reitet schnell." Der eherne Griff blieb ihm in den Händen, und trotz der angestrengtesten Versuche war die Wagcnthür nicht aufzubringen. Ein panischer Schrecken ergriff die Insassen, denn „Mnute auf Minute" entrinnet", und schon hört man in der Ferne das Rollen und Schnauben des herannahenden Dampfrosses. Guter Rat war teuer: Endlich entschlossen sich die männlichen Insassen, den Weg durch das Thürfenster zu nehmen, was ihnen auch nach den mühseligsten und verzweifeltsten Windungen — abgesehen von zerrissenen Beinkleidern und Hautabschürfungen — gelang. Auch den weiblichen Mitreisenden erschloß sich endlich ein ähnlicher Ausweg, nämlich das Fenster zum Kutschersitze. Den beiden ersten gelang es auch wirklich, mit allem Kraftaufwand sich hindurchzuschlängeln, und schon atmete auch die dritte und letzte Dame erleichtert auf, als sie mit dem Oberkörper im Freien sich befand. Noch ein letzter Ruck, und auch sie war ja glücklich entschlüpft. Doch trotz aller Anstrengungen und kräftiger Hilfeleistungen konnte sie nicht durchkommen. Die Unglückliche, ihrem Schicksal ergeben, entschloß sich, wieder in das Innere zurückzutreten, um sich nötigenfalls wieder nach Hause zurückfahren zu lassen. Aber wer beschreibt ihren Schrecken! Auch die Rückwärtsbewegungen waren jetzt unmöglich geworden. Inzwischen war es einem hinzugekommenen Schreiner endlich gelungen, das verhängnisvolle Schloß zu öffnen. Und nun konnte die bedauernswerte Dame nach den neuen vereinten, jetzt „allseitigen" Anstrengungen den Rückzug bewerkstelligen. Lange schon harrte der inzwischen eingelaufene Zug der unglücklichen neuen Fahrgäste und nahm hierauf dieselben in seine bequemeren Räume auf.
Vom Lande, 20. Nov. Das Dampfroß war in die Station P. eingefahren. Die „schöne Liese", welche in Dienst zu einer Herrschaft in Paris eintreten sollte, hatte sich eben von ihren Angehörigen verabschiedet und war im Begriff, ins Coups einzusteigen, als der Nachbar Toni atemlos angerannt kam: „Do Liesel, haw i dr a Bref vor min Gretel, wo in St. Denis dient. Brüchjch em na net za brenga, ich Hab drin g'schrieba, daß er en bi dir abhole soll." (Str.P.)
Ein amerikanisches Hotel soll in Frankfurt a. M. errichtet werden. Es wird 106 Zimmer enthalten. Bedienung gibt es nicht. Wer sich waschen will, muß sein Handtuch selbst mitbringen. Wer die Stiefel geputzt, die Kleider ausgebürstet haben will, muß sich in einen Hofraum verfügen, wo amerikanische Stiefelputzer und Kleiderreiniger für 10 L die Reinigung vornehmen. Speisen und Getränke müssen an einem Buffet geholt werden. Dafür ist Alles spottbillig und das Uebernachten kostet nur 1 Mark.
(Ma plus ultra.) A.: „Ihr Herr Onkel scheint ein recht unzufriedener Mensch zu sein!?" — B.: „Und ob! Ich sage Ihnen, wenn dem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen, dann schimpft er noch, weil kein Salat dabei ist!"
(Unbedacht.) Korrespondent: „Herr Chef, ich kann die Unterschrift bei diesem Briefe nicht lesen." — Chef: „Buchstabieren Sic nicht viel und schreiben Sie dem Mann. daß wir seine Unterschrift nicht lesen können!"
Rätsel.
Die beiden Ersten liebst Du sehr,
Wenn sie Dir kommen vor's Gewehr.
Und die dritte ist Dein eigen
Wird erst, wenn Du tot bist, schweigen.
Aber prahlen kannst Du in keinem Land.
Hat man in Gefahr Dich das Ganze genannt.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.