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lichkeit zusammkngedrechselt. — Wollen Sie mir nicht sagen, mit wem ich das Vergnügen hatte eine so unvergeßliche Stunde zu verleben?"
„Unvergeßliche Stunde, mein Herr? Und Sie wollen, daß ich ihnen glauben soll? Unvergeßliche Stunde, verbracht mit einem geschwätzigen Mädchen, das, der Himmel weiß wodurch, veranlaßt wurde, sein Inneres oufzu- schließen."
„Reut es Sie?"
Ursula schaute wieder empor in seine leuchtenden Augen, und während sie leicht errötete, sagte sie:
„Nein, es reut mich nicht, wenn ich auch annehmen muß, daß Sie hinterher meiner spotten. Deshalb wird es Wohl besser sein, ich nenne Ihnen meinen Namen nicht. Wozu? Wir begegneten uns zum ersten und wahrscheinlich zum letzten Male, mein Herr, zudem wird die Erinnerung an diese Eisenbahnfahrt bei Ihnen durch rasch wechselnde Eindrücke verwischt. Bei mir aber —"
„Nun, bei Ihnen?" srug er ungeduldig, kein Auge von ihr abwendend, wie sie ihre Sachen ordnete und das niedrige Filzhütchen auf ihren blonden Scheitel setzte, wobei ihre zierliche ungemein graziöse Gestalt in's beste Licht gerückt ward.
Mein Leben verläuft so schrecklich einfach und monoton." erklärte Ursula verlegen, während ihre Stimme immer mehr an Festigkeit gewann, „daß ein Erlebnis wie das heutige von Heidelberg nach Bruchsal, mir, vielmehr uns noch vielen Stoff zur Unterhaltung geben wird. Die Großmutter wird zwar schellen, wenn sie vernimmt, wie thöricht ich gewesen, und ich höre sie schon, wie sie im Lehnstuhl am Fenster sitzend meinen Bericht entgegennimmt und dann mit einem gütigen Lächeln, das so wenig Zürnen verrät, die Hand hebt, mein Gesicht betastet und jagt: „Wann wird meine kleine Ursula lernen, ihr Herz nicht aus den Lippen zu tragen? — O solches Herz ist Goldes wert, mein Herr, deshalb fleh' ich auch täglich um Erhaltung der lieben alten Frau, die mit ihren sanften Mahnungen mich regiert und erzieht, und trotzdem sie seit Jahren erblindet, immer bestrebt ist, ihr weiches Gemüt zu erschließen, und ihr Denken auf mich zu übertragen. Leider gehen nur oft wie heute, die Leidenschaftlichkeit und die Bitterkeit mit mir durch. Und doch, welch' leuchtendes Vorbild himmlicher Geduld giebt mir die alte Frau nicht täglich, stündlich! Fünfzehn Jahre sind es her, daß sie das Augenlicht verlor, und nie — niemals fand eine Klage darüber den Weg über ihre Lippen. Ein einziges Mal nun verlor sie ihre Fassung, das war. als man meine Eltern am gleichen Tage in die schwarze Erde legte, und ich, deren einziges Kind, völlig mittellos der Mittellosen zur Gesellschaft und Pflege verblieb. Begreifen Sie den Jammer der armen, alten Frau? Wortlos hatte sie viele Jahre geduldet, doch als ich in kindischer Verzweiflung meinen Lieben Nachfolgen wollte, da beklagte sie ihr Unglück und jammerte, daß es ihr nicht vergönnt sei, dem Enkelkind in's Auge zu schauen, es auf den rechten Weg zurückzuführen. Was alles Zureden nicht vermochte, das vollbrachte der Gram, der sich auf dem teuren Antlitz abspiegelte, das thatcn die Thränen, die meinetwegen den lichtlosen Augen entflossen: ich bezwang mich, um der Greisin die Ruhe wieder- zugebcn und — fand mich selbst dabei wieder. Aber trotz aller guten Vorsätze, bricht dennoch manchmal noch die alte Verzweiflung, die Bitterkeit durch alle Schranken und drängt sich zum Ausbruch. Wohl mit Unrecht, ich erkenne es, aber wer vermag immer seinen Stimmungen zu gebieten? Wer ist jo gefestigt in sich selbst, daß er sich vermißt, jeder Zeit die Gewalt über sich zu behaupten? — Horch! da pfeift es — wir werden nun in wenigen Sekunden im Bahnhof einfahren.
„Fräulein Ursula — Sie haben sich selbst verraten und ich bin beglückt, daß ich meiner Reisegefährtin in meinem Gedanken auch einen Namen geben darf," schaltete er lächelnd ein. „wir sind allerdings gleich am Ziel, darf ich
Sie um ein Versprechen bitten, das Sie mir um Ihrer Gesundheit willen geben sollen?"
„Sprechen Sie, mein Herr, erst muß ich wissen, um was es sich handelt", gab sie ebenfalls lächelnd zurück.
„Vermeiden Sie in Zukunft, derartige Arbeiten anzufertigen?"
Ueber Ursulas Antlitz flog ein Schatten.
„Sie verlangen viel, mein Herr, und deshalb kann ich nicht das von Ihnen erbetene Versprechen geben, wenn ich auch selbst einsehe, daß meine Augen es auf die Dauer nicht aus- halten werden, aber," sie sah mit reizender Hülflosigkeit zu ihm auf und schwieg.
„Ich verstehe Sie, Fräulein Ursula. Und dennoch — könnten Sie nicht einen anderen Erwerbszweig suchen?"
Sie schüttelte langsam den Kopf.
„Das ist es ja. Ich kann die Großmutter nicht verlassen, sonst hätte ich längst eine Stelle angenommen. Nun, wer weiß, vielleicht lächelt mir in Heidelberg das Glück, daß ich zur Arbeitslehrerin an der dortigen Töchterschule gewählt werde, dann wäre uns gründlich geholfen und ich könnte getrost versprechen, die Arbeit aufzugeben. Aber neunundzwanzig Bewerberinnen, die alle viel älter sind wie ich, eine Masse Empfehlungen aufzuweisen haben, während ich nur mein Abgangszeugnis und Bescheinigung des Geschäftes, wofür ich arbeite, besitze. Sie sehen, der Unterschied ist sehr groß, — dennoch hoffe ich. Der Mensch hofft ja immer, und das ist noch ein Glück. Ein Herz ohne Hoffnung dünkt mir wie ein ausgebrannter Krater, der nicht mehr fähig ist, einen einzigen Funken in die Welt zu schleudern; ein Herz, das in seinem größten Jammer kein Hoffen in sich birgt, dem in seiner tiefsten Erniedrigung, in seiner grenzenlosesten Verzweiflung nicht ein Hoffnungsstrahl winkt, ist ausgestorben und wird sich niemals mehr dem Leben zuwenden. Was hält denn den Menschen in allen Lebenstagen aufrecht? — Nur die Hoffnung, immer die Hoffnung; dieselbe geleitet auch mich auf meinen Wegen. Die Hoffnung, dennoch einst uns ein menschenwürdiges Los zu verschaffen, welches uns gestattet, auch den geistigen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, läßt mich mutig jede Enttäuschung, jede momentane Entbehrung Niederkämpfen. Und wenn ich trotzdem einmal niedergeschlagen bin und meiner Stimmung Ausdruck geben will, dann ist es der Großmutter Wort, das mich aufrecht erhält und von Neuem vorwärts blicken läßt. „Hoffe und arbeite", ruft sie mir zu, indes sie emsig strickt. Da drücke ich meine Lippen auf ihr schneeweißes Haar und bete zum Schöpfer, daß er mir die Theure noch lange erhalten möge. In solchem Augenblick treten alle die lockenden Bilder einstiger Wohlhabenheit, eines Lebens ohne Sorge und Qual, voll Glück und Genuß weit, weit vor der Gegenwart zurück und mit keinem Fürsten möchte ich dann tauschen, sollte ich mein liebes Großmütterchen dafür missen."
„Sie sind ein gutes Kind, Fräulein Ursula", konnte sich der Arzt nicht enthalten zu sagen, und zauberte mit diesen wenigen, so innig betonten Worten, eine Helle Röte in das junge Antlitz, während Ursula ihren Blick zu Boden senkte. „Leben Sie wohl", fuhr er fort, ihr die Hand reichend, in die sie ohne Scheu ihr schmales Kinderhändchen legte, „und lassen Sie den Mut nicht sinken. Wenn ich Ihnen auch nicht: Hoffe und arbeite! zurufen will, denn letzteres thun Sie mehr, wie Ihnen gut ist. so beherzigen Sie ober stets und überall das erste, es wird Sie wie bisher, so auch fernerhin über alles Ungemach sanft hinwegtragen. Leben Sie wohl und haben Sie Dank für die genußreiche Stunde, die Sie mir bereiteren, und die Lehre, die Sie mir unbewußt gegeben,"
Er drückte seine Lippe auf die kleine, zitternde Hand, die noch des Handschuhes entbehrte, und sprang, da in demselben Augenblick der Schaffner die Coupsthüre aufriß, hinaus auf den Perron.
(Fortsetzung folgt.;
(Die Erfindung eines Herzogs) auf dem Gebiete der Photographie. Herzog von Morny, der hervorragendste Amateur-Photograph Frank
reichs, welcher in Paris ein großes Atelier besitzt und bereits verschiedene Erfindungen machte, entdeckte ein Verfahren, jedes beliebige Papier in jeder Größe nach Gutdünken ganz oder teilweise für die Aufnahme eines Lichtbildes empfindlich zu machen. Dieses Verfahren, das außerordentlich billig ist, gestaltet, alle Köpfe direkt auf Briefpapier. Pässe und ähnliche Dokumente mit einer Schnelligkeit von neunzig Aufnahmen in einer Minute zu photographieren. Das Verfahren wird gegenwärtig vom General Saussier erprobt, welcher beabsichtigt, den Mililärpaß jedes Soldaten mit der Photographie des Eigentümers zu versehen. Auf Wunsch des Großfürsten Alexis teilte Herzog von Morney die Entdeckung zu gleichem Zwecke auch der russischen Regierung mit.
Aberglaube. Daß trotz des Schulzwanges und der ausgebreiteten Zeitungsliteralur noch heute Fälle des sonderbarsten Aberglaubens Vorkommen, davon gab ein Schriftstück Kunde, das ein Arzt dieser Tage in Lübeck bei einer Arbeiterfrau vorfand. Das Schriftstück war angeblich die Abschrift eines im vorigen Jahrhundert in Mecklenburg vom Himmel gefallenen Briefes; es enthielt in schlechtestem Deutsch eine Anzahl alberner Beschwörungsformeln und unzählige Anrufe der heiligen Dreieinigkeit und sollte gegen Cholera, überhaupt gegen alle Krankheiten schützen,
(Postwertzeichen.) Die Anzahl aller auf der Erde kursierenden Postwertzeichen soll bis jetzt 13 000 betragen. Hätten alle die Größe, wie unsere deutschen Postmarken, so würden sie, ganz dicht nebeneinander geklebt, eine Fläche von 26 Quadratmeter bedecken.
(Den Berns verfehlt!) A. (in der Gesellschaft): „Du, sieh Dir mal drüben den Herrn an, man schätzt diesen alten Junggesellen auf mindestens eine halbe Million!" — B.: „Alle Wetter, konnte der Mensch nicht als Frauenzimmer auf die Welt kommen!"
(Mit und Ohne.) „ .... Bei unserem Aufenthalt in Sansibar hatten wir ohne Ueber- treibung 42 Grad Hitze, und mit Uebertreibung sogar 54 Grad!"
(Selbstgefühl.) „Ich bin ja doch ganz anders, als das Bild da!" — „Dafür kann ich nichts, daß Sie ganz anders sind; das Bild ist richtig."
(Summarisch.) Marie, ich bleibe für morgen auch gleich mit schuldig!
Schwämme zu reinige«. Man wäscht die Schwämme gut in warmem Wasser, drückt sie gehörig aus und wäscht sie dann so lange mit Zitronensaft, bis sie weiß und geschmeidig sind; hierauf werden sie in reinem Wasser gespült und getrocknet. Wird diese Reinigung von Zeit zu Zeit wiederholt, werden die Schwämme nie mehr so glitschrig, auch mutz man dieselben gleich nach dem Gebrauch auswaschen und zum Trocknen aufhängen. — Ein weiteres, von uns schon früher empfohlenes Mittel sei hier wiederholt mitgeteilt: Man legt die Schwämme in Wasser, worin man einige Tropfen ausgelöstes übermangansaures Kali gegeben. Man wiederholt dies oft, indem man den Schwamm drückt und ausreibt, bis sich all das „Schleisige", nämlich die Seife, ausgelöst hat, und spült dann mit klarem Wasser nach. Uebrigens giebt es ein herrliches Präservativ vor dem Glitscherigenwerden der Schwämme, indem man täglich nach dem Waschen dieselben vollständig von der Seife säubert, und dies geschieht ebenfalls durch einfaches Auswaschen in sauberem Wasser mit mit einigen Tropfen übermangansaurem Kali, das sehr billig in Droguerien und Apotheken zu haben ist. Am besten hält man sich eine satte Lösung in einem Fläschchen bereit auf dem Waschtisch, da einige Tropfen, in das Mundwasser gegeben, auch sehr gut desinfizierend wirken.
Anfbewahrnng der Butter in Holzgefässen.
Soll die Butter in Holzgesässen aufbewahrt werden, so müssen diese vorher gereinigt werden, so daß die Butter vor der Einwirkung der Bakterien, welche immer als sogenannte Spaltpilze im Holz sich vorfinden, gesichert wird. Dies geschieht in der Weise, daß^man dieHolz- gefässe mit einer Lösung 50 Gramm Salicylsäure in ein Liter Weingeist ausschwenkt und sie bis zur Ver- flüchtignng des Weingeistes stehen läßt.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeb in Neuenbürg.