lange Zeit hinaus die Thätigkeit von Volk und Regierung in Anspruch nehmen. Es bleibt ihnen keine Zeit, den Blick nach auswärts zu wenden.
In Oesterreich tobt der Kamps der verschiedenen Nationalitäten; vergeblich sucht Taaffe nach dem Zauberwort, die entfesselten Geister zu bannen. Frieden nach außen hin um jeden Preis muß das Losungswort Austrias sein.
In Italien ist der Friedensapostel das stetig wachsende Defizit, diese siebenköpfige Hydra, der Jahr für Jahr ein Finanzminister zum Opfer fällt. Italien ist an der Grenze der Rüstungen angelangt.
Der Name Spanien gehört nicht in diese Zeilen, Verarmung und Korruption haben ihn aus der Liste der Großmächte gestrichen.
In Deutschland auch liegt Handel und Wandel darnieder, unsere Kolonialpolitik erfordert Opfer, die alle unsere Kräfte in Anspruch nehmen werden.
Und bei all dieser Misere wird in allen Ländern „gerüstet" ohne Unterlaß, die Steuer- krast der Völker ist nahe am Erschöpfen. Die unaufhörlichen Rüstungen verschlingen die Mittel zum Kriege. So ist die Vorbereitung zum Kriege ein trauriges aber sicheres Mittel gegen den Krieg selbst. Die allgemeine Notlage ist
— der beste Friedenskongreß.
Ausland.
Antwerpen, 24. Aug. Die Hamburger Schiffe haben hier eine siebentägige Quarantäne und die Herkünfte aus den Elbhäfen haben in Kopenhagen und in Stockholm eine Bcobacht- ungszeit durchzumachen. — In Kopenhagen ist die Einfuhr von Lumpen, benutzter Walte, Kratzwolle, Papierabfällen. Obst, frischen Gemüsen und Blumen aus Deutschland verboten.
Paris, 25.Aug. Gestern wurden 15 unter choleraähnlichenErscheinungen erkrankte Personen in Pariser Krankenhäuser ausgenommen.
— Der Gesundheitszustand in Havre ist immer noch schlecht; gestern starben dort 30 Personen mehr als die doppelte tägliche Durchschnittszahl.
Die Russen haben sich über die gute Aufnahme, welche der bulgarische Ministerpräsident Stambulow bei dem Sultan in Kon- stantinopel gefunden hat, schwer geärgert und von der Pforte Ausklärung verlangt. Diese erwiderte höflich, aber kühl, Stambulows Besuch in Konstantinopel habe keine politische Bedeutung, und damit mußten sich die Russen nun auch zufrieden geben. — Die Cholera greift in Rußland immer weiter um sich und fordert jetzt, namentlich.in Petersburg, zahlreiche Opfer.
— Der Zar hat sich mit seiner Familie nach Peterhof zurückgezogen. — Bezüglich der angebahnten russisch-deutschen Zollvertragsverhandlungen wird bekannt, daß die Russen namentlich auch eine Ermäßigung der deutschen Zölle auf russische Forstprodukte wie auf russisches Getreide wünschen. Die Erfüllung dieser Wünsche wird aber von russischen Gegenkonzessionen abhängen lind überdies von der Stellungnahme des deutschen Reichstags. Einige Zentrumsführer haben dieser Tage in Bayern erklärt, sie wollten von solchen Vergünstigungen für Rußland absolut nichts wissen, da wir die Russen zu nichts nötig hätten. Wenn das ganze Zentrum des Reichstags diesen Standpunkt einnimmt, den naturgemäß auch die Konservativen teilen, dann sind alle russisch-deutschen Zollverhandlungen vön vornherein aussichtslos. Das russische Roggenausfuhrverbot ist letzter Tage nunmehr auch aufgehoben worden. Da in Deutschland mehr Roggen gewachsen ist als wir nötig haben, so werden die Russen nach wie vor ihren Roggen selbst behalten müssen.
Das englische Parlament ist vertagt worden. Das neu Kabinet Gladstone hat sich konstituiert, und will, wie es scheint, das Parlament erst im nächsten Jahr wieder einberufen. Die Königin Viktoria hat die Genehmigung zur Ernennung des Radikalen Labouchere als Minister verweigert, weshalb dieser auch kein Portefeuille erhielt. Die neu ernannten liberalen Minister müssen sich einer Wiederwahl unterziehen, und es ist bezeichnend, daß nicht die Konservativen, sondern die Sozialdemokraten, soweit sie es eben
können, der Wiederwahl des einen oder anderen Ministers ernste Hindernisse zu bereiten suchen; und doch hat man die allerdings wenig Sozialdemokraten, die bereits im Londoner Unterhaus sitzen, der Gladstonischen Mehrheit von 41 Stimmen zugerechnet.
WermischLes.
(„Gründe sind billig wie Brombeeren",) dachte das „Berl. Tagebl.", als es folgender Anklage gegen die Sonn tagsru he Aufnahme gewährte: „Welche Verlegenheit die Sonntagsruhe ganzen Familien zuweilen bereiten kann, das bekundet ein Vorfall, der uns aus unserem Leserkreise mitgeteilt wird und einen interessanten Beitrag zu dem Kapitel über diese Neueinrichtung liefert. Ein Leser unseres Blattes schreibt uns nämlich: Am Sonntag Abend beim Anzünden der Lampe schlug meine Schwester die Glocke und den Cylinder entzwei. Da wir nur eine Lampe besitzen, mußten wir den ganzen Abend im Finstern zubringen, denn der Sonntagsruhe wegen giebt es doch nichts zu kaufen." Wir brauchen dem wohl nichts weiter hinzuzufügen, bemerkt dazu das genannte, von der Verwerflichkeit der Sonntagsruhe völlig überzeugte Blatt. Dafür wollen wir uns eine Bemerkung gestatten: Meint das Berliner Blatt wirklich, daß die Glas- und Porzellangeschäfte bis abends 10 Uhr ihre Läden offen haben müßten, weil in einer Familie mit nur einer Lampe jemand Glocke und Cylinder entzwei schlagen könnte? „Nee, lieber Mann, davon nach Neine!" würde der Berliner antworten. Ein anderes Blatt führte neulich einen Biedermann mit einem zerbissenen Saugpfropfen ins Gefecht gegen die Sonntags ruhe. Daß man sich aber immer einen Reservepfropfen halten kann. um solchen unliebsamen Fällen vorzubeugen, oder daß jede Apotheke diesen für die erste Ernährung des Menschengeschlechts so wichtigen Artikel führt, fiel unserem Schlaumeier natürlich nicht ein. Ein klein wenig Umsicht und guter Wille, das ist unser Schluß, wird über alle aus der Sonntagsruhe erwachsenden Verlegenheiten mit Leichtigkeit hinweg- helfen. (St. P.)
(Stuttgarter Heiratsgeleqenheiten.) In keiner andern Stadt dürfte wohl die Zahl der Witwen eine so bedeutende sein, wie in Stuttgart. Während es hier nur 1390 verwitwete Männer giebt, beträgt die Zahl der verwitweten Frauenzimmer 6160. Die Aussichten zu ihrer Wiederverheiratung scheinen bei den Witwen keine günstige zu sein; im vergangenen Jahre war die Nachfrage so gering, daß nur 94 Witwen sich auf's neue verehelichen konnten. In den Kreisen der Witwer scheint dagegen das Bestreben, Hymens Fackel aufs neue zu entzünden, ziemlich kräftig zu sein, denn 175 Witwer erneuerten ihre Bekanntschaft mit dem Standesbeamten. Die Zahl der ledigen männlichen Personen in Stuttgart beträgt 43 500, die der weiblichen ledigen Personen 45 500.
In kurzer Zeit wird mit dem Bau einer Brücke begonnen werden, die bei Müngsten das Ruhrthal überschreiten, in der Linie der neuen Solingen-Remscheider Eisenbahn liegen und die zugleich die höchste Brücke sein wird, die bis jetzt in Deutschland gebaut worden ist. Die Pseilerhöhe derselben wird nämlich nicht weniger als 103 Mtr. betragen, während die Länge auf 500 Mtr. vorgesehen ist. Die Kosten dieses Baues, der in zwei Jahren vollendet sein muß, belaufen sich auf zwei Millionen. Die Ausführung ist der Brückenbau-Anstalt Gustavsburg bei Mainz übertragen, die über zwei konkurrierende Werke des Elberfelder Jndustriebezirks obsiegt hat.
(Glückliche Gerber.) Von verschiedenen Gerbern wird behauptet, daß von den vorhergegangenen Choleraepidemien die Lohgerber verschont geblieben sind. Es wird u. A. darauf hingewiesen, daß unter der in den fünfziger Jahren in Lüttich in erschreckender Weise aufgetretenen Cholera kein Gerber gelitten hat, daß
ferner in Konstantinopel das ganze Gerberviertel von der Pest unbehelligt geblieben ist. Ueber die Ursachen dieser merkwürdigen Erscheinung ist man in Gerberkreisen, wie leicht erklärlich , keiner übereinstimmenden Meinung. Es wird einmal auf die desinfizierende Wirkung des bei der Gerberei verwandten Kalkes hingewiesen, ein besonderer Wert aber auch dem Sauerloh beigemessen, der die Luft erfrische und reinige. Es dürfte angebracht sein, wenn von ärztlicher Seite dieser merkwürdigen Erscheinung, bie von so vielen Seiten bestätigt wird, einige Aufmerksamkeit zugewendet würde.
(Schützen dürft.) Vom zweiten ober» pfälzischen Bundesschießen ist als humoristisch neben der Leistungsfähigkeit mancher Schützen auf der Scheibe eine solche auf anderen, Gebiete zu verzeichnen. Ein Schütze aus Amberg trank nämlich in der Zeit, als er 33 Schüsse abgab, 35 Glas Bier und ein anderer aus Rabdurg schoß 35 Kreise und trank dazu 45 Glas Bier.
„Die Hitze! DieHitze!" Das war der landläufigste Ausdruck jetzt in der Zeit, in welcher der Himmel beschlossen zu haben schien, uns alle einen praktischen Vorbereitungskursus für Anlegung von Kolonien in Afrika durchmachen zu lassen. Aber in welchen Varianten hören wir diesen Klageruf schwitzender Menschenbrüder erschallen; Wie vielfach sind allein die Adjektiva, die der Hitze beigelegt wurden! Es ist eine riesige, ochsige, blödsinnige, wahnsinnige, kannibalische, kolossale, tropische, afrikanische, scheußliche, jämmerliche. kapitale, schreckliche, qualvolle Hitze! Dann die oppositionellen Substantivs: eine Bomben-, eine Riesen-, eine Bären-, eine Siede-, eine Vieh-Hitze; der Bayer macht gar seinem Unbehagen in dem Ausruf Luft: „Jesses Maria! Js dös a Sauhitz!" Damit ist die Skala der Hitzschreie noch nicht erschöpft. Dem einen ist heiß zum Sterben, dem andern zum Umfallen, zum Verücktwerden, zum Zerfließen, zum Rasen. Man schwitzt ferner wie in einem Backofen, in einem Dampfbade, wie ein Bär. wie ein Pudel, wie ein Braten, unsterblich ist bekanntlich jener höfliche Mann, der in seiner schwitzenden Verzweiflung zu einer Dame sagte: „Mein Fräulein, ich schwitze wie ein Pferd! Schwitzen Sie auch so?"
(Die Kunstenthusiastin.) „Teuerste Mutter
— ich kann dem ungestümen, durch nichts zu bewältigenden Drange nicht länger widerstehen: ich muß zur Bühne! Eine ungeheure Leere gährt in meinem Innern. Der Direktor unseres Konservatoriums meint: es sei der Iiorror vaeui, den nur die Musik ansfüllen könne. Auch sei meine Stimme, meint er. ein Kapital, das nicht zu verwerten Sünde sei, selbst eine Schauspielerin ersten Ranges stecke in mir. Mit einem Worte: Alles weise mich auf die Opernkarriere hin. Da nun auch eine innere Stimme mir Tag und Nacht meine Bestimmung zuflüstert, so ist mein Entschluß unwiderruflich. Und was man thun will, soll man bald thun!" „Schade, lieb'
Töchterchen! gestern hat endlich der.
Rat mir seine bestimmte Absicht kundgegeben, bei dem Vater um deine Hand anzuhalten. Nun muß ich ihm nur sofort recht schonend eine abschlägige Antwort beibringen." — „Halt! Mütterchen, man soll nichts übereilen! Ich will erst bei unserem Direktor fragen, ob ich auch ein Bühnengesicht habe. Mir scheint: meine Nase ist etwas zu klein. Es wäre dann nichts! aber
— für den.Rat ginge sie ja!"
(Auch eine Beschäftigung.) Erster Lieutenant: „Was machen Sie denn den ganzen Tag?"
— Zweiter Lieutenant: „Partien refüsieren."
(Ein Schwärmer.) Einbrecher: „Ist doch eine eigenartige Poesie dabei, in einer so herrlichen Sommernacht einzubrechen!"
Fortschritt.
Was haben die Menschen schon Alles erdacht, Und scheinen weit mehr noch zu wittern l — Am weitesten haben sie's darin gebracht,
Das Leben sich selbst zu verbittern.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.