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Telegramme an den Enzlhäler.

Hamburg, 24. Aug. Amtliches über die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle ist noch nicht veröffentlicht. Die Zeitungsangaben differieren stark. Nach den Hamburger Nachr. kamen bisher 300 Erkrankungen vor, worunter 120 Todesfälle. Gestern starben 65 Personen. Die Gestorbenen werden von Staatswegen sofort in die Leichenhalle transportiert und die Wohn­ungen desinfiziert.

Altona, 24. Aug. Bei einigen Todes­fällen wurde Ollolora asiatiea konstatiert. Gestern Abend brachten Gewitter Regen und Abkühlung.

Rouen, 24. Aug. Von zwei neuen choleraähnlichen Krankheitsfällen endete einer bei einem Gefangenen tätlich.

London, 24. Aug. Einer Reutermeldung aus Rio de Janeiro zufolge ist der ehemalige Präsident Fonseea gestern Nachmittag gestorben.

Unterhaltender Heil.

Eine Passion.

Eine heitere Geschichte aus dem Soldatenleben von Wild-Queisner.

,Schluß.l

Wer in den Vormittagsstunden bei den Kasernen vorüberging, mußte sie für eine An­stalt für Tobsüchtige halten, denn es ertönte immer ein wüster Lärm von derselben auf die Straße, ein wildes Chaos der verschiedenartigen Organe; man hörte deutlich das Bemühen des Einzelnen, den Anderen noch womöglich in der Stimme zu überbieten.

Wenn man aber näher kam oder gar in die Kaserne hineinging, gewann man schon eine andere Anschauung, obgleich das Getöse durch­aus nicht aufhörte. Denn man hörte deutlich die einzelnen Kommandos und wußte nun, was das zu bedeuten hatte.

Hier war das eigentliche Feld der Tätig­keit des Hauplmann Böller.

Da er wieder nichts besseres vorhatte, so bajonettierte die Kompagnie natürlich.

Der Kompagniechef und fein Lieutenant Benning gingen auf und ab. belobten hier, tadelten dort und griffen sehr oft thätig ein.

Böller war heute in ausgezeichneter Laune. Das gestrige Debüt mit der kleinen Emilie im Garten beim Mondschein hatte ihm gut gefallen, daß er es noch öfters zu wiederholen beschloß. Dabei mußte sich natürlich am schnellsten eine Gelegenheit finden, ihr sein Herz zu offenbaren. Natürlich nur der Form wegen! Denn Emilie mußte schon lange wissen, daß sie ihm nicht gleichgültig war und das war doch gewiß eine schönes Bewußtsein für das Mädchen. Emilie war ja nicht mehr ganz jung 26 Jahr. Das paßte ja aber gerade für ihn; was sollte er auch mit einem so jungen Ding, das sich überdies vielleicht gar nicht einmal für das Bajonettfechten interessierte. Da war ihm Fräu­lein Waldow doch lieber.

Herr Hauptmann," unterbrach plötzlich Benning seinen Gedankenpflug,ich habe da etwas ganz Neues im Bajonettfechten heraus­gefunden."

Was Sie da sagen, lieber Benning, etwas Neues, da bin ich doch begierig."

Sehen Sie so. Herr Hauptmann," expli- cierte der Lieutenant, nachdem er sich ein Ge­wehr hatte geben lassen,hier aus der Parade gleich diesen Stoß, dann zurück eins zwei jetzt kommt's drei nicht wahr es sitzt jedesmal gar nicht zu verfehlen wie?"

Wirklich ausgezeichnet," schmunzelte der Hauptmann,wirklich ganz neu, auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen, bitte, zeigen Sie cs mir noch einmal."

Der Lieutenant wiederholte die Sache und Böller war entzückt.

Na, ich danke Ihnen, lieber Benning." lachte er, Sie können nach Hause gehen, ich werde dann noch etwas hier bleiben."

Der Lieutenant entfernte sich in freudiger Stimmung und beschloß, bald wieder etwas vor­zuführen, während der Hauptmann die neue Sache unterAnhang" in sein Büchlein aufzu­nehmen gedachte.

Da er übrigens keine Ruhe mehr hatte, so ließ er seine Leute weqtreten und ritt bald da­rauf zu Herrn Waldow, wo er heute zu Mittag eingeladen war.

Die Mutter Emiliens war eben mit ihren Vorbereitungen zum Tisch fertig geworden, als der Hauptmann durch das Thor trabte. Er traf ihren Mann auf dem Hofe und beide be­gaben sich plaudernd nach dem Wohnhause.

Nun, wie ist Ihnen der heutige Dienst bekommen!" fragte Herr Waldow unter anderem lächelnd.

Ausgezeichnet! Denken Sie, ich habe etwas ganz Neues von meinem Lieutenant gelernt."

Gelernt, worin denn?"

Im Bajonettfechten, worin denn sonst? Er macht nämlich die einfache Parade so und nun eins und stößt dann"

Aber ich interessiere mich gar nicht dafür," unterbrach Herr Waldow,weil ich nichts davon verstehe."

Das ist sehr einfach." meinte Böller eifrig, und meine Leute interessieren sich auch dafür und Ihr Fräulein Tochter auch.

Das glaube ich ja recht gern, lieber Böller aber meine Tochter"

Ein Wort! bat der Hauptmann, einen plötzlichen Entschluß fassend,da wir gerade von Ihrer Tochter Emilie sprechen, so gestatten Sie mir, einige Augenblick bei diesem Thema stehen zu bleiben."

Mit Vergnügen."

Ich will mich nach militärischer Art, ganz kurz fassen. Jung bin ich allerdings nicht mehr, aber um so erfahrener und mein Gehalt und etwas Privatvermögen reicht aus, um eine Fron zu ernähren. Sie werden es mir daher nicht übel nehmen, wenn ich Sie hiermit in aller Form um Ihre Tochter bitte."

Nun das war wirklich kurz und bündig," lachte der alte Waldow,aber was sagt denn Emilie dazu?"

Das weiß ich allerdings noch nicht, doch ich wollte erst einmal bei den Eltern"

Ach so nun, meine Einwilligung haben Sie von ganzem Herzen und meine Frau wird wohl auch nichts dagegen haben."

Oh. wie soll ich Ihnen danken." jubelte Böller, rch gehe sofort zu Ihrer Frau Gemahlin und dann zu Emilie; aber zuerst möchte ich Sie umarmen, verehrter Schwiegerpapa"

Aber, mein Gott, lieber Hauptmann, warum stoßen Sie immer auf mich mit dem Stocke da? Das habe ich wirklich nicht verdient; kommen Sie lieber in's Haus und sprechen Sie mit meiner Tochter."

Da haben Sie eigentlich Recht Schwieger­papa." meinte der Hauptmann, welcher, anstatt Herr Waldow zu umarmen, wie er anfänglich beabsichtigte, in seinem Eifer den neuen Stoß an ihm probieren wollte.

Bald darauf traten beide Herren in's Haus und der Haupmann fand Emilie, wie sie gerade im Gartenzimmer ein Bouquet wand. Sie war so beschäftigt, daß sie gar nichts hörte und Böller sich erst durch einen lautenGuten Morgen" bemerkbar machen mußte.Das Bajonettfechten gut bekommen?" schmunzelte er.

Ah, wie haben Sie mich erschreckt, Herr Hauptmann!"

Dann bitte ich um Verzeihung, aber es ließ sich nicht anders machen. Also gut be­kommen?"

Ja, und nein," entgegnete Emilie.Heute morgen war ich ganz munter; dann wollte ich allein üben und bekam ganz steife Arme dabei; ich habe aber etwas ganz Neues"

Sie auch? Emilie, Sie sind ein reizendes Mädchen!

Aber Herr Hauptmann," errötete diese, indem sie verlegen mit dem Schürzenbande spielte.

Emilie," fuhr Böller fort,ich habe auch etwas Neues für Sie oder viemchr hoffent­

lich nichts Neues ich' bin zwar nicht mehr ganz jung und Sie sind auch nicht mehr" ganz jung wollte er sagen, aber das schien ihm unpassendEmilie, ich habe auch nur eine Passion und die kostet nicht viel Geld, wollen Sie mit dieser Passion meine kleine Frau werden und

Er kam nicht weiter; die Blumen vom Bouquet lagen zerstreut an der Erde und die Liebenden sich in den Armen. Der Hauptmann berührte mit seinem Munde einen ähnlichen Körperteil, so daß ihm alle Sinne schwanden.

Sind das wieder Uebungen im Bajonett­fechten," platzte der alte Waldow plötzlich mitten hinein,na, dann können sich Ihre Leute auch freuen, lieber Schwiegersohn!"

Der Papa!" rief erschreckt Emilie und War wie der Blitz verschwunden.

Aber Sie Du brauchst ja gar nicht mit Deiner Mutter zu sprechen, liebe Emilie, ich habe ja dem Papa schon Alles gesagt."

Doch sie hörte nicht mehr und ließ ihren erstaunten Bräutigam allein.

Nun, lieber Böller, wird es aber die höchste Zeit, daß wir uns zu Tische fetzen, meine Frau wird bereits ordentlich böse sein."

Der Hauptmann ließ sich das nicht zweimal sagen und hatte seit langer Zeit noch nie so gut und vergnügt diniert. Die Verlobung wurde gleich an demselben Tage in der Familie gefeiert.

Die Kompagnie hatte zur Feier des fröh­lichen Ereignisses einen ganzen Tag keinen Dienst; die Leute wunderten sich aber, daß ihr Kompagnie-Chef in späterer Zeit nicht mehr so viel bajonettierte; der aber hatte jetzt andere Sachen zu thun.

Der durchschnittliche Charakter der in den Zeitungen zu lesenden Heiratsanträge wird durch nachfolgende Annonce derN. Fr. Pr." worin die betreffenden Subjekte oder vielmehr Objekte einfach als Ware ausgeboten werden deutlich bezeichnet: 6 Heiratsanträge: Witwe. 29 Jahre alt, mit 600000 fl.; Witwe, 26 Jahre alt, mit 250 000 fl.; Witwe. 30 Jahre alt, mit 60000 fl.; drei Waijenmädchen: 28 Jahre alt, mit 300000 fl., 22 Jahre alt, mit 140000 fl., 22 Jahre alt, mit 70000 fl.

(Kasernenhofblüte.) Feldwebel:.. Sie sind also gestern Abend in Civil gesehen worden, Einjähriger! Schämen sollten Sie sich! Ein Soldat rn C'vil ist dasselbe, was am Firmament 'ne Sonnenfinsternis!"

(Fatale Gradierung.)Ach. lassen Sie mich! Die Liebesschwüre der Herren Lieutenants kennt man!"Ader Fräulein ich bin ja Rittmeister!"O, denen trau' ich nun gar nicht das sind die höheren Lieute­nants!"

(Aufrichtige Freundschaft.)Nimm mir's nicht übel, liebes Weibchen, aber in Deiner heutigen überladenen Frisur bist Du um zehn Jahre älter!"Ah, darum hat mich meine Freundin Ella so oft versichert, daß ich darin um zehn Jahre jünger aussehe!"

Auflösung des Bilderrätsels in Nr. 129.

Exportbierbrauerci."

Richtig gelöst von Briefträger Lampart und Karl Bodamer in Höfen.

Litaten-Rätsel.

Man entnehme jedem der nachstehenden Sätze ein Wort und bilde daraus ein Citat.

1) Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang.

2) Es ist bestimmt in Gottes Rat.

3) Der Hirt bläst seine Weise.

4) Es blickt durch Nacht und» Schmerz, ein

unsichtbares Auge.

5) Nacht und still ist's um mich her.

6) Ewig will ich Dir gehören.

7) O, wie ist es kalt geworden.

8) Die Thäler und die Höhen

9) Freude schöner Götterfunke.

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.