800

Wilhelmn 1» Mngdellurg,

Allgemeine Berficherrmgs - Aktien - Gesellschaft.

Ich beehre mich hiemit zur öffentlichen Kenntnis zu bringen, daß

Herr Johann Keck, Platzmeister in Höfen

als Agent für obige Gesellschaft angestellt worden ist.

Stuttgart den 10. August 1892. Der General-Agent -

Bezugnehmend auf obige Bekanntmachung, erlaube ich mir, mich zum Abschluß von Lebens- und Unfallversicherungen zu empfehlen; die loyale Geschäftsbehandlung, sowie die vorzügliche finanzielle Lage dieser Gesellschaft ist zur Genüge bekannt und bin ich zur Erteilung weiterer Auskunft, sowie zur Verabfolgung von Antragspapieren stets gerne bereit.

Höfen den 10. August 1892.

Waldrennach.

Hiedurch erlauben wir uns Verwandte, Freunde und Bekannte zur

§6161 111186161 806I126Ü,

auf Sonntag den 14. August

freundlich und ergebenst einzuladen.

IviedrckcH ScHeerer, Bauer.

Sohn des Friedrich Scheerer, Oekonom, Iriederike Juchs,

Tochter des Math. Fuchs von Schömberg, Verladmeisters auf dem Rothenbachwerk.

Deutsches Reich.

Berlin, 10. Aug. Der Kaiser wohnte heute Vormittag dem Exerzieren auf dem Born­städter Felde bei, empfing sodann im Marmor­palais den Reichskanzler Grafen v. Caprivi zu längerem Vortrage, den Chef des Civilkabinets v. Lucanus und den Ministerpräsidenten Grafen Eulenburg zum Bortrag. Zu morgen ist Minister Herrfurth zur Abschiedsaudienz und zur kaiserlichen Tafel befohlen. Der deutsche Botschafter in Paris, Graf Münster ist hier eingetroffen und wird vom Kaiser empfangen werden.

Der preuß. Kriegsminister bringt zur Kenntnis der Armee, daß der Kaiser dem 1. Leib-Husaren-Regiment Nr. 1 schwarze Lanzen­flaggen mit weißem Totenkopf verliehen hat. Durch kaiserliche Kabinettsordre vom 27. Juni ist ein neuesExerzier-Reglement für die Feld-Artillerie" genehmigt worden.

Berlin, 11. Aug. Professor Reuleaux bespricht in der Deutschen Warte ausführlich die Lage unserer Industrie und nennt das Fallenlassen der Weltausstellung ein nationales Unglück.

Die russische Regierung hat nun doch bei der deutschen Reichsregierung die ersten Schritte gethan, um mit Deutschland einen Handelsvertrag abzuschließen. Rußland braucht notwendig das deutsche Reich als Abnehmer für seinen Ueberfluß an Roggen. Nun aber muß russisches Getreide einen viel höheren Eingangs­zoll bezahlen, als Getreide aus Oesterreich-Ungarn oder aus Amerika. Die Russen wünschen nun, wir sollen diese Differentialzölle aufheben, aber Deutschland wird sich hüten, den Russen ohne ganz erhebliche Gegenleistungen diesen Wunsch zu erfüllen. Der preußische Finanzminister Miguel ist deutscherseits zum Vorsitzenden der diesbezüglichen Verhandlungen ernannt worden; aber gleich der ersten Verhandlung ist er sern- geblieben, weil die russischen Unterhändler blos ihre Forderungen kundgaben, ohne sagen zu können, ob und wie weit Rußland geneigt sei, seine im Laufe der letzten 6 Jahre wiederholt und bedeutend erhöhten Zölle auf deutsche Jn- dustrieerzeugnisse, namentlich auf deutsches Eisen, zu ermäßigen. Man weiß in Berlin recht gut, daß den Russen das Wasser bis an den Mund herangestiegen ist, und der preußische Finanz- minister dürfte der rechte Mann dafür sein, den Russen keine unnötigen Geschenke zu machen, sondern ihnen zu zeigen, wo Bartel den Most holt.

Ueber einen in Koblenz am 9. August vormittags 8 Uhr 25 Min. wahrgenommeuen Erdstoß, der mehrere Sekunden anhielt, und sich in nordwestlich-südöstlicher Richtung fortbe­wegte, berichtet die Kobl. Z.: Man hatte den Eindruck, als ob unter dem Boden eine ge­waltige Explosion erfolgt sei. Der mit einem dumpfen, donnerartigen Rollen verbundene Erd­stoß verbreitete Angst und Schrecken. In den Wohnungen schwankten Möbel und Bilder, der Verputz siel von der Decke, schwere Gegenstände wurden verschoben; in der Schule in der Nagels­gasse siel das Gestell mit der Tafel um; in der Schule entstand eine große Panik. Alles eilte auf die Straßen, die dadurch ein sehr belebtes Bild annahmen. Es kann schon jetzt als be­

stimmt angenommen werden, daß die Erdbeweg­ung von hier ausgegangen ist und sich in süd­östlicher Richtung fortgepflanzt hat. Aus den vorliegenden Meldungen ist zu ersehen, daß in Andernach, Mayen, Kreuznach, sowie an der Untermosel bis Berncastel hin nichts wahrgc- nommcn wurde, dagegen wurde das Erdbeben in Ems und Wiesbaden sehr stark gespürt. Aus Vallendar wird gemeldet, daß während des Erd­bebens Möbel umfielen und Bilder herabstürzteu. In Ems war der 10 Sekunden währende starke Stoß von rollendem Getöse begleitet. Gleich­zeitig fand in Verona ein heftiges wellenförmiges Erdbeben statt. In mehreren Orten der Um­gegend wurden ebenfalls starke Erdstöße ver­spürt.

München, 7. Aug. Die erste vielange- fochtene Polizeiverordnung bezüglich der Sonn­tagsruhe ist für eine Reihe von Konsumartikeln abgeändert worden. So ist jetzt den Bäckereien, Konditoreien, Feinbäckereien undMilchhandlungen der Betrieb den ganzen Tag mit Ausnahme von 810 Uhr vormittags, den Schweinemetzgern. Delikatessen- und Käsehandlungen von 68 Uhr, von 111 und von 48 Uhr gestattet. Ferner sind die Stunden für Obstverkäufer und Viktualienhändler ausgedehnt worden.

Mannheim, 9. August. Das Verschwinden des sozialdemokratischen Führers und Agitators Häusler hat die hiesigen sozialdemokratischen Kreise in große Bestürzung versetzt. Häusler war der einflußreichste und angesehenste Führer der hiesigen Sozialdemokraten. Tein Wort galt bei denGenossen" mehr als dasjenige Dreesbachs oder gar Dr. Rüdts. Auf ihn bauten dieGe­nossen" undGenossinnen", ja auch die gegner­ischen Parteien betrachteten in ihm einen der verständigsten und begabtesten Führer der Sozial­demokraten. Häusler, früher seines Zeichens Schlossergeselle, gab vor Jahren dieses Handwerk auf und rief im Verein mit seinem Parteifreunde Willig, der bald darauf nach Amerika ging, den Medizinalverband ins Leben, dessen Mitglieder sich fast ausschließlich aus den sozialdemokatischen Arbeiterkreisen zusammensetzten und der den Zweck verfolgt, seinen Mitgliedern gegen monatliche Beiträge im Krankheitsfälle kostenlos Arzt und Arznei zur Verfügung zu stellen. Geschäftsführer dieses Medizinalverbandes war Häusler. Gestern sollten nun die halbjährigen Rechnungen der Aerzte und Apotheken bezahlt werden. Es fand sich aber kein Geld in der Kasse und erst jetzt fiel es auf, daß Häusler seit Samstag früh ver­schwunden war. Die sofort angestellte Revision der Bücher und der Kasse hat bis jetzt einen Fehlbetrag von 18 500 »16 ergeben. Wie vor- auszujehen war, bringt die hiesige sozialdemo­kratischeVolksstimme" über das Vorkommnis kein Wort, während mit peinlicher Gewissen­haftigkeit und Sorgfalt alle Unterschlagungen und Betrugsfälle, die in den bürgerlichen Kreisen sich zugetragen haben, sonst doch verzeichnet werden.

DerD. W." wird aus Paris geschrieben:

Das Fühlen, Denken und Handeln der Pa­riser in den letzten Wochen läßt sich durch zwei Worte charakterisiren, diese Worte sind:Welt­ausstellung" undLa Dobacle". Auf den Straßen und Plätzen, in den Cafes und Restaurants

hört man nichts als diese beiden Worte, die der Pariser mit dem Angelpunkt aller seiner Gedanken, mit derRevanche" verknüpft.

Die Schlappe, welche Deutschland in der Weltausstellungsfrage erlitt hier betrachtet man sie bereits als vollendete Thatsachewird von den Franzosen halb und halb als eine Re­vanche für 1870 angesehen. Und thalsächlich weiß Jeder, der die hiesigen Verhältnisse kennt, daß die künftige Weltausstellung der Franzosen keine wirtschaftliche, sondern eine politische Aus­stellung ist. Sie soll den geschwundenen Glauben an dasPrestige" der großen Nation wieder­herstellen, sie soll beweisen, daß Frankreich trotz jenerdurch die Unfähigkeit der Führer und durch Verrat" herbeigeführten Niederlage noch immeran der Spitze der Zivilisation marschiert." Die Art, wie man hier den unblutigen leichten Sieg feiert, ist nicht die zartfühlendste. Wir Deutsche müssen ein hartes Trommelfell für all die Reden haben, die Tags über an unser Ohr klingen ; denn das Wasser, in welches die deutsche Weltausstellung gefallen ist, ist Wasser auf die Mühle der Franzosen. Der deutsche Michel mit seiner über die Ohren gezogenen Schlafmütze wird von den Witzblättern wieder aus den älteren Jahrgängen hervorgesucht. Die Tonart, in der man von dem deutschen Reichskanzler spricht, ist nicht die respektvollste; das WitzwortOapri- viäi, Oaxri-viei;" welches hier seit einigen Tagen kolportirt wird, gehört noch zu den harmlosesten. Man verhöhnt die Deutschen ob ihrer Schwäch­lichkeit. Endlich hätten sie, so jagt man, einmal einennationalen Gedanken" erzeugt, nämlich den hundertsten Geburtstag Kaiser Wilhelms I. durch jene Ausstellung zu feiern; aber es fehle eben der deutschen Nation jene Kraft und Be- geisterungssähigkeit, welche daswiederwachende Frankreich auszeichne. Es sei nun einmal Gewohn­heit des deutschen Michel, für Andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Für die Chicagoer Ausstellung habe die RegierungBittschriften und Kollekten" veranstaltet, auf eigenem Felde scheue sie sich, vor die Front zu treten.

Fast möchte man es keinen Zufall nennen, daß zu gleicher Zeit Zolas neuester Roman La Debacle" erschienen ist, der eine Schilderung des deutsch-französischen Krieges giebt, nicht wie er sich zugetcagen hat, sondern wie man ihn sich in Frankreich denkt. Reißt dieser Roman diekaum vernarbte Wunde" wieder auf, so ist doch der große Sieg in dem Kampfe um die Weltausstellung ein kühlender Balsam für diese Wunde. Wie stark der Revanchegedanke noch immer in dem Herzen der Zrancko Nation lebt, beweist die beispiellose Verbreitung des Zolajchen Buches. In den wenigen Wochen sollen bereits über 100 000 Exemplare desselben abgesetzt sein. Und das Buch ist in der That dem Franzosen, wie er war, ist und immer sein wird, auf den Leib geschrieben. Die Niederlage Frankreichs wird auf die einfachste Weise erklärt.Deutsch­land war kriegsbereit, besser geführt und be­waffnet, während das überraschte (?), der Ver­wirrung preisgegebene Frankreich weder Führer noch Truppen, noch die nötigen Waffen hatte." Es warein Kampf der unüberlegten Bravour gegen die Ueberzahl und berechnende Methode". Natürlich fehltauch der unvermeidlicheVerräter" nicht. Klassisch sind die Worte, mit denen der