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an 189 Orten bestehen 198 Turnvereine mit mehr als 21 000 über 14 Jahre alten Angehörigen. Die Beteiligung am Turnen selbst läßt immer noch viel zu wünschen übrig, da nicht ganz die Hälfte — 9160 Mann — die Turnplätze besucht. Das Organ der deutschen Turnerschaft, die „DeutscheTurnzeitung", wird in 186 Exemplaren gehalten. Gauturntage wurden 2l, Gauturnfcste 14 abgehalten mit einer Beteilig ung von 7967 Besuchern.
Hall, 6. August. Letzten DienStag Mittag glitt der am Maischbottich beschäftigte, brave und fleißige Bauer K. aus Bibersfeld aus und fiel kopfüber in die dem Siedpunkt nahe Maische. Schwer verbrüht wurde der Unglückliche sofort ins Krankenhaus verbracht, ist aber trotz der sogleich zur Stelle gewesenen Hilfe gestern seinen Verletzungen erlegen. Sein trauriges Schicksal wird allgemein bedauert.
Wilhelmsglück, 31. Juli. Auf dem hiesigen Bahnhof verunglückte am letzten Freitag ein 7jähriges Söhnchen des Stationsmeisters dadurch, daß ein Langholzstamm auf dem Lagerplatz ins Rollen kam und das Kind, das in der Nähe Holz hackte, erdrückte. Wen die Schuld trifft, wird die eingeleitete Untersuchung ergeben.
Reutlingen, 7. August. Letzten Donnerstag traf eine Abordnung der Stadt Altenstaig, bestehend aus Stadlschultheiß Welker, dem Vorstand des Gewerbevereins, Sägewerksbesitzer Philipp Maier 86v. und 4 Mitgliedern der bürgerlichen Kollegien hier ein, um Regierungspräsident v. Luz , dem Sohn ihrer Stadt und langjährigen viel verdienten Vertreter des dortigen Bezirks im Landtag, in aufrichtiger, dankbarer Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um das Zustandekommen des Baues einer Eisenbahn von Nagold nach Altenstaig das ihm schon im Dez. vorigen Jahres verliehene Ehrenbürgerrecht in einem entsprechend kunstvoll ausgestatteten Ehrenbürgerbrief zu überreichen.
Niederstetten, 7. Aug. Am Sonntag den 21. ds. Mts. soll hier eine Versammlung der Gewerbevereine des 12. Wahlkreises abgehalten werden. Dieselbe wird die Gründung eines Bezirksverbands beraten, sowie eine Petition an den Reichstag um Aufhebung des Sonntagsruhegesetzes resp. Vermehrung der Geschäftsstunden in Städten unter 100000 Einwohner. Auch die Lehrlingsprüfungen stehen auf der Tagesordnung.
Freudenstadt, 7. August. Freudenstadt erfreut sich gegenwärtig eines Fremdenstandes, wie er seit dem Emporblühen der Stadt als Luftkurort noch nicht dagewesen ist. Die letzte Fremdenliste meldet 546 Fremde als gleichzeitig anwesend.
Ausland.
Saintes, 8. Aug. Der Expreßzug Paris- Bordeaux ist entgleist und einen Damm herabgestürzt. Die Wagen bilden einen Trümmerhaufen. Der mit Reisenden ungefüllte Speisewagen ist vollständig zertrümmert. Der Zugführer und der Lokomotivführer sind bis zur Unkenntlichkeit zerquetscht. Dem Heizer wurde ein Bein und ein Arm abgetrennt. Es gab eine große Anzahl Tode und Verwundete. Die genaue Ziffer fehlt noch.
Die Ermordung des Bischofs von Foligno geschah zwischen den Stationen Spello und Foligno in einem Wagen 1. Klasse. Es waren mehrere Hammerschläge gegen den Kopf des Bischofs geführt worden. Dieser hatte sich offenbar heftig gewehrt. Es war ein rüstiger, erst 50jähriger Prälat. Verhaftungen sind vorgenommen.
Unterhaltender Heil.
Eine Woche.
Kriminal-Roman von M . . . .
(19. Fortsetzung.^
17. Kapitel.
Abermals stand ich im Regen auf der Straße. Mein Rock war weit geöffnet, ich merkte es nicht. Mein Gehirn vermochte in diesem Augenblick nur einen Gedanken zu fassen: „Hood's Messer! Sein eigenes Messer! Was
hatte das zu bedeuten! Gesenkten Hauptes schritt ich die Straßen entlang. Es war mir, als stieße ich mit dem Kopf gegen eine Wand, die ich nicht zu durchbrechen vermochte.
Auf dem Comptoir hatte Hood dies Messer benutzt, nicht im Hause. Auf dem Comtoir! Wie aber war es Förster dann möglich gewesen, zu demselben zu gelangen? Pflegt Archibald Förster Hood auf dessen Comptoir zu besuchen? Welche Frage! Hatte Anny Hood gelogen? Aber auch Thomas hatte das Messer nicht als seinem Herrn gehörig erkannt. Das Messer gehörte also Förster nicht — es war das Eigentum Benjamin Hood's gewesen!
Mir kam ein Gedanke, eine Erklärung, die freilich nicht sehr wahrscheinlich, aber doch besser war als keine. Hood hatte das Messer versehentlich zu sich gesteckt. Der Mörder hatte ihn erdrosselt und ihn dann in seiner Wut mit seinem eigenen Messer die Wunde zugefügt!
Aber konnte nicht auch ein anderer aus Versehen Benjamin Hood's Messer zu sich gesteckt haben? Freilich war die Möglichkeit nicht ausgeschlossen. Der Mörder konnte Hood z. B. auf dem Comptoir besucht und das Messer, ohne sich etwas dabei zu denken, mitgenommen haben! Höchst wahrscheinlich! Ein sicherer Grund, auf dem sich weiter bauen ließ. — In diesem Falle ja das unterlag keinem Zweifel — war Archibald Förster nicht der Schuldige.
Was hatte Percy Barker gesagt? Ja, Hood habe unter unglücklichen häuslichen Verhältnissen gelitten. Und was sagte Anny Hood? Ihr Mann habe geschäftliche Sorgen gehabt.
Diese Widersprüche, die mir am vorhergehenden Abende unbedeutend und leicht erklärlich erschienen waren, kamen mir jetzt im höchsten Grade beachtenswert vor. Geschäftliche Sorgen. — Hatte die Firma Verluste gehabt? Bis dahin war in New-Ioik noch nicht- darüber verlautet. Geschäfte — wer stand mir dafür ein, daß Anny Hood bei meinem ersten Besuch die Wahrheit geredet hatte? Hatte ich Veranlassung, ihr zu trauen? Sicherlich nicht! Sie hatte mir ja ihre Unterredung bei dem ersten Stelldichein nicht Mitteilen wollen, bei dem Stelldichein, das am selben Abend stattgefunden hatte, an welchem der Mord begangen war. Aber sie sollte dazu gezwungen werden! Ich, ich wollte — ich mußte Archibald Förster verhaften lassen, einen anderen Ausweg gab es nicht.
Ich habe heute kaum einen Bissen gegessen, und ich bedarf wohl der Stärkung. Ich sehe, daß ich mich ganz in der Nähe des „Union Club" befinde, dessen Mitglied ich schon seit mehreren Jahren bin.
Ein Diener nimmt den Ueberrock ab. Ich betrete die großartigen Räume. Es ist alles so vornehm, so groß, so kalt, daß man sich ganz unangenehm berührt fühlt. Ich bin sehr, sehr lange nicht hier gewesen. Aber ich entsinne mich noch des kleinen gemütlichen Zimmers, das ganz nach hinten liegt. Dorthin richte ich meine Schritte. Ich lasse mich auf einen Divan nieder. Der Kellner eilt herbei und bald steht eine ausgesuchte Mahlzeit vor mir. Vor Zeiten waren wir eine ganze Gesellschaft, die hier an bestimmten Tagen zusammenzutreffen pflegte. Hinter jenem Schirm hingen unsere bequemen Hausröcke, die wir hier anzogen. Man ging gegen Abend hier her, plauderte über dies und jenes und fühlte sich stets Wohl und gemütlich.
„Union-Club?" Hier war ja Percy Barker am Dienstag Abend gewesen. Als ich mir die Sache recht überlegte, wollte es mir wirklich scheinen, als habe ich ihn hier früher zuweilen gesehen.
Ich aß und trank und suchte alle störenden Gedanken fern zu halten. Ich dehnte die Essenszeit nach Möglichkeit aus. Aber zuletzt konnte ich mit dem besten Willen nichts mehr verzehren. Ich schellte, der Kellner kam. — Es war ein junger Bursche, ein unbekanntes Gesicht. Zu meiner Zeit war er noch nicht hier gewesen.
Ich hatte einen Einfall. Wenn ich mich auf eine Unterhaltung mit ihm einließ? Auf diese Weise konnte ich ebenfalls eine Viertelstunde totschlagen.
„Haben Sie noch eine bestimmte Gesell
schaft, die am Abend hier zusammensitzt?" fragte ich.
„Ja, mein Herr, hier sind stets eine Menge Leute, größtenteils ältere Herren, die nur von Geschäften reden."
Können Sie mir die Namen dieser Herren nennen?"
Natürlich kann er das. Und er begann eine lange Reihe von Namen herzusagen, — Percy Barker war auch darunter.
Mr. Barker, ja, das ist richtig, war der nicht am Dienstag Abend hier?"
Allerdings, und zwar ziemlich lange. Warten Sie einmal! Ja, das ist wahr. Er ging fort, er vergaß seinen Rock zu wechseln und ich bemerkte es. Aber das thue nichts, sagte er, er käme doch gegen 12 Uhr zurück. Und ehe er dann späterhin am Abend nach Hause ging, zog er auch seinen gewöhnlichen Rock wieder an."
Mr. Barker hatte mir nicht erzählt, daß er so spät am Abend noch im Klub gewesen war. Doch das^ war ziemlich einerlei. Die jetzige Gesellschaft, alles ältere Leute, hatten es sich also ebenso bequem eingerichtet wie seinerzeit wir.
Eine Stunde war verflossen. Es war mir gelungen, so weit es eben möglich war, die störenden Gedanken zu verbannen. Jetzt war es Zeit zu gehen. Wohin? Zum Chef! Es war nicht möglich, diesen schweren Gang noch länger hinzuschieben.
Ich erhob mich vom Sopha und ging durch das Zimmer. Es war nach jeder Richtung hin bequem und komfortabel. Dort in der Ecke stand noch derselbe Schirm. Ich erkannte ihn an den Streublumen und bunt gemalten Papageien. Ach, da war eine neue Einrichtung getroffen. Wir hatten unsere Röcke an einfache Haken gehängt. Jetzt war hier ein eleganter Kleiderständer aufgestellt mit goldenen Namen über den ungeraden Nummern. Ich las: „Percy Barker." An dem Haken hing ein einfacher, dunkler Rock, ein ganz gewöhnlicher Rock, und doch — weshalb blieb ich wie gebannt vor dem Rocke stehen? Weshalb schritt ich näher heran? Weshalb streckte ich jetzt die Hand aus? Meine Augen spähten wie die eines Raubtieres, ich streckte meine Hand aus und berührte mit zwei Fingern — mit dem Daumen und Zeigefinger — die Tasche an der rechten Seite des Rockes. Und was zog ich aus derselben hervor? Was war's? Etwas ganz unbedeutendes, nämlich zwei blaue Seidenfäden, — welche fest auf dem Zeug saßen.
Zwei kleine, blaue Seidenfäden — und soeben noch hatte ich Archibald Forster's Verhaftung anordnen wollen!
(Fortsetzung sotgt.l
(Ein gelungenes Urteil.) Der Humorist Mark Twain schreibt über die schweizerischen Bergbahnen: „Es ist viele Jahre her, daß ich nicht in der Schweiz gewesen bin. Damals gab es nur eine Zahnradbahn. Jetzt hat aber jeder Berg eine oder zwei, die ihm wie Hosenträger über den Rücken laufen. Bald wird der Bauer auf jenen Höhen, wenn er des Nachts ausgeht, eine Laterne mitnehmen müssen, um nicht über eine Bergbahn zu stolpern, die gebaut worden, seit er das letzte Mal ausgegangen ist. Ein Bauer, durch dessen Kartoffelfeld keine Bahn geht, wird einst so berühmt werden wie Wilhelm Tell."
(Aus dem Nekrolog auf einen Schreinermeister.) „. . . Der Verstorbene war langjähriges Mitglied unseres Bürgervereins und hielt bis zu seinem Ende treu zu der Fahne, zu der er gratis die Stange geliefert hatte.
(Bittere Wahrheit.) Von 100 Deutschen, welche behaupten, sie hätten ein selbstgekauftcs Buch ausgeschnitten, haben mindestens 99 ausgeschnitten.
(Kasernenhofblüthen.) Feldwebel (zum Einjährigen Müller, der Kunstmaler ist): „. . Ja, der königliche Dienst ist nicht so leicht; dazu gehört schon etwas mehr, als zu Ihren eingerahmten Fettflecken!"
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.