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Die Stimme war gegen Ende merklich leiser geworden, und das lange Stehen fiel dem Fürsten sichtlich schwer, denn er trat fortwährend von einem Bein auf das andere. Nachdem der Beifalls­sturm verbraust war, nahm er wieder auf der Gartenbank Platz.

Noch sprach Kommerzienrat Thorbecke von Mannheim, indem er hervorhob, wie der Deutsche vor dem Jahre 1870 im Auslande noch so wenig bekannt und geachtet gewesen, und wie dies jetzt ganz anders sei. Er selbst habe cs in Marokko erlebt, daß man dort nicht wußte, was Deutsch­land sei; als aber ein Dolmetscher den Namen Bismarck nannte, dann habe man erst gewußt, wo er zu Hause sei. Redner erinnerte an- kuüpfend auch an die Verdienste des Fürsten Bismarck um die deutsche Industrie und an die nächste Veranlassung des fürstlichen Triumph­zuges: die Wiener Hochzeit; er brachte ein Hoch dem Grafen Herbert und seiner Gemahlin, Dies gab dem Fürsten Anlaß, sich in einer zweiten Rede über das deutsch-östereich, Bündnis auszusprechen. Man stelle ihn, der dasselbe mit vieler Mühe zu Stande gebracht, als einen Gegner desselben hin; er verwahre sich gegen eine solche Verlogenheit. Er Halle das Bündnis für vorteilhaft, sowohl für uns, als für Oester­reich, was er näher därlegte. Schließlich dankte Graf Herbert mit einem Hoch auf die deutschen Frauen. Als nun der Fürst, nicht achtend der eisernen Ketten, die man zu seinem Schutze ge­spannt hatte, um den Andrang der Begeisterung abzuhalten, mitten unter seine Anhänger trat, kannte der Jubel keine Grenzen. Der Fürst machte einen förmlichen Rundgang, und es muß gesagt werden, daß Alle ihm ehrerbietig Platz machten und er somit nur Freude und keine Be­lästigung von dem Hnldigungszuge gehabt haben kann. Während des Umgangs des Fürsten wurde von den Versammelten dieWacht am Rhein" mit Musikbegleitung gesungen. Zum Abschied zogeu nochmals alle Teilnehmer an des Fürsten Fenster vorüber, wobei die Zurufe einen besonders herzlichen Ton annahmen.Auf Wiedersehen," Hoch" undHurrah" in die Pfalz, zu uns nach Baden kommen rc. mischten sich durch ein­ander, Später erschien Fürst Bismarck auf der Wiese beim Altcnburgerhof, wo gegen 2000 Teilnehmer beim Bier versammelt waren. Von Tisch zu Tisch schritt Bismarck. Fabrikant Thor­becke von Mannheim kredenzte ihm einen Krug Bier; Bismarck dankte in einer kurzen Ansprache. Die Freude, die ihm die Kundgebung bereitete, gab der Fürst deutlich zu erkennen; er fühlte voll die Bedeutung der Huldigung durch die große Zahl der Personen, die den weiten Weg und die mit der langen Eisenbahnfahrt ver­bundenen Strapazen nicht gescheut haben, um ihm, dem ersten Kanzler und Mitbegründer des Reichs ihren von Herzen kommenden Dank in voller Begeisterung zu bezeugen. Die Teilnehmer nahmen alle einen tiefen Eindruck von der gewaltigen Persönlichkeit des gefeierten Mannes mit sich. Bismarck ist ein Greis ge­worden, aber die beweglichen Züge, das treffende Wort, die Weisheit seiner Gedanken, der Reich­tum seiner Lebenserfahrungen strömen in Fülle und scheinen seines Alters zu spotten!

Württemberg.

Stuttgart, 18. Juli. Am 19. und 20. Juli tagte in Tübingen die Jahresversammlung des württembergischen Hauptvereins der Gustav- Adolf-Stistung. Es ist dies ein Fest, welchem man in der evangelischen Kirche immer ein be­sonderes Interesse entgegenbringt und seine Be­deutung ist dieses Jahr um so größer, als der König persönlich bei der Feier anwesend war. Den Hauptgegenstand der Verhandlungen bildete der Berteilungsplan über die vom Verein ver­einnahmten Gelder, welche gegen 100000 Mk. betragen, darunter 2000 Mk. von der königl. Familie, 76 000 Mk. von den Zweigvereinen aus Württemberg und Hohenzollern, 10 000 Mk. Geldgaben zum Fcstangebinde in Eßlingen, dem Ort des vorigen Gustav-Adolffestes. Nach Ab­zug der Verwaltungskosten und der Gaben mit besonderer Bestimmung, sowie des Drittels, welches an den Zentralvorstand in Leipzig ab­

geliefert werden muß, verbleiben dem Württem­bergischen Hauptverein zur freien Verfügung noch gegen 48 000 Mk, Von dieser Summe sind 1891 bereits 14000 Mk, verausgabt worden, so daß der diesmaligen Jahresversammlung noch 34 000 Mk, zur Verteilung übrig blieb. Davon wurde bestimmt für württembergifche und hohen- zollernsche Gemeinden 21 000 Mk. in der Haupt­sache für Schul- und Kirchenbauten , der Rest wurde für auswärtige Gemeinden bestimmt. Die höchsten Beträge der bisherigen Unterstützungen durch den württ. Gustav-Adolfverein erhielten fol- gendeOrte: Weingarten (ander Kirchenbauschuld 55 000 Mk.), Martinshaus (52 000), Schram­berg (42 700), Wangen (39 000), Ehingen (35 000), Altshausen (50000), Saulgau (26000) Neckarsulm (21 600), Waldsce (16000), Weil- dershort (14 800), Horb (17 000) u. s. w. Man sieht daraus, ein welch wichtiger Faktor der Gustav-Adolf-Verein für die evangelische Kirche geworden ist.

Stuttgart, 25 Juli. Gestern nachmit­tag 1 Uhr 25 Min. traf von Berlin ein Sonder zug mit elwa 150 bis 180 Personen hier ein, Die gleichen Wagen gingen als Sonderzug von Stuttgart nach Berlin zurück.

Herrcnberg, 22. Juli. Der Brandstifter, ein Lehrling namens Proß von Gültlingen, ist nach Tübingen eingeliefert worden. Auf der Verbringung dorthin hat er seine That ge­standen.

Ausland.

Wien, 26. Juli. Baron Leitenberger aus Kosmauos, einer der hervorragendsten österreich­ischen Industriellen, verficht in derReichen­beiger Zeitung" den Gedanken der Veranstaltung einer großen, die Reiche des Dreibundes umfassenden Ausstellung, Die jüngst geschaffene zollpolitische Einigung des Drei­bundes, der auch die Schweiz und Belgien bei­getreten seien und in deren Jnlercsscnkreis auch die Balkanländer gezogen werden dürften, stelle in ihrer Gesamtheit einen so mächtigen Zoll­bund, daß die Veranstaltung einer auf ihn allein beschränkten Ausstellung nicht blos gerechtfertigt, sondern auch lebensfähig erscheine.

Trient, 25. Juli. Gestern Nachmittag wurde über die Hälfte des großen Marktes in Mala im Nonsthale, fast hundert Häuser, durch einen furchtbaren Brand zerstört. Mala gehört zur Bezirkshauptmannschaft Cles und ist Sitz eines Bezirksgerichts.

Paris, 26, Juli. Das Jahrmarktstheater in Rueil ist eingestürzt. Von 700 Zuschauern sind 80 verletzt, aber keiner tot

London, 27. Juli. Einer Depesche der Vossischen Zeitung aus Sidnch zufolge hißte das britische Kriegsschiff Royalist die britische Flagge auf den Gilbertinseln.

Catania, 27. Juli. Der Steinauswurf und die Rauchentwicklung des Aetna nimmt zu das Getöse und starker Aschenregen dauert an, in Mineo wurde gestern ein Erdbeben verspürt.

Vermischtes.

Aus den Alpen. Eine treffliche Jagd­geschichte berichtet dasNeue Wiener Tageblatt" : In den Savoyer Alpen gelang es dieser Tage einem kühnen Alpenjäger namens Bignale, ein unter einem mächtigen Felsvorsprung ange­brachtes Adlernest auszunehmen; nachdem er das Adlerweibchen erschossen, fand er im Neste de» jungen Adler, dessen Flügelweite bereits 1 Meter betrug. Der Boden des sehr geräumigen Nestes bestand aus dicken Bäumästen, welche mit Reisig und Blättern bedeckt waren. In dem Neste konnten sechs Menschen bequem Platz finden. Der Jäger fand in dem Neste folgende Speisevorräte: Große Mengen teils frischen, teils faulen Fleisches, einen eben getöteten weißen Hasen. 27 Gemsenfüße, 4 Taubenfüße, 30 Fa sanenfüße, 3 Hühnerköpse, 11 Hühnerfüße, 18 Köpfe von Rebhühnern und weitere Ueberreste non anderem Geflügel, dann Schlangen und Teile von Murmeltieren." Vielleicht gelingt es dem kühnen Alpenjäger noch, die Kellervorräle der Adlerfamilie zu finden und festzustellen, ob

Herr Adler nicht auch selbstgeräucherte Gänse­oder Rattenkeulen als besondere Leckerbissen in einem hohlen Baume ausgehängt hat.

Brief eines Schneidergesellen an sein Mäd­chen. Liebe Henriette! Obgleich jeder, der uns einmal gesehen hat, gestehen muß, daß wir für einander zugeschnitten sind, so bin ich seit ge­raumer Zeit in Deiner Gunst nicht einen halben Meter weiter gerückt. Glaubst Du denn, daß ich mich ewig von Dir am Faden herumziehen und wie ein Flicklappen behandelt lassen werde? Nein! Weißt Du was ich thun will? Ich werde unsere ganze Verbindung auftreunen und meine Liebe, so feurig und zärtlich sie auch war, auf einmal zerreißen, meine Jntimation hinter die Hölle werfen und Dich mit dem nämlichen Maß messen, womit Du mich messen möchtest. Der windig«' Schreiber, der sich bei Dir cingelappt hat, läßt Dich gewiß einmal im Stich denk' an mich! Gieb Acht! Du sitzest dann da wie eine zerbrochene Nähnadel. Doch cs scheint, Dein Herz ist starr wie Steif-leinwand. Bedenke aber ja, daß man ein Lärchen, das einmal ver­schlossen ist, nicht wenden und Runzeln nicht ausbügeln kann. Jetzt ist's noch Zeit, den zer­rissenen Faden unserer Liebe wieder einzufädeln; sind aber die Nähte meiner Geduld einmal ge­platzt. dann schwöre ich Dir heilig, daß ich sie nimmermehr zusammenflicken werde!

Das Wahrzeichen der Turner ist nicht nur in Deutschland, sondern fast in allen Ländern, wo das Turnen geübt wird, ein vierfaches 1?, Es dürste interessant sein, die Bedeutung dieses Zeichens in den verschiedenen Sprachen kennen zu lernen. Deutsch: Frisch, fromm, fröhlich, frei! Französisch: kraue, krais, tier, kort! Englisch: dralle, kresk, krisd, kree! Itali­enisch: kraue», krv8eo,ti6ro,kerto!Spanisch: kram», kreseo, ürnee, kuerte! Portugiesisch: kraue», tresc^, kero, kerto! Schwedisch: krisle, trom, krsiäij, krie! Nur die Holländer haben statt des auf- und nebeneinander stehenden vierfachen k vier aneinander gestellte V mit der Bezeichnung: Vroeä, vraulr, vri), vrooiu! Und in Leipzig wird das vierfache kchen so übersetzt: Frisch, freidig, froh, ferkniegt!"

(Johannisbeersaft.) Weiße oder rote, völlig reife und gut von den Stielen befreite Johannis­beeren werden in einer irdenen Schüssel mit einer Holzkeule zerdrückt, dann wird die Schüssel an einen möglichst kühlen Ort gestellt und fest mit doppelten Tüchern zugebunden, um thunlichst die Luft abzuhalten. Alle Tage muß der Frucht­brei besichtigt und tüchtig durchgearbeitct werden, um jedewede Säure- und Schimmelbildung zu verhüten. Nach vier längstens fünf Tagen sind die Zellen und Gefäße des Fruchtfleisches wie der Schale» völlig erweicht und alle aromatischen Teile gelöst, nun wird die Masse in sauberen Tüchern mit der Hand oder, falls man im Be­sitze einer Obsipresse ist, in dieser stark gepreßt dann wird der Saft in Flaschen gefüllt und in diesen an einem kühlen Orte stehen ge­lassen, bis er sich ganz geklärt hat. Nunmehr wird durch ein feines Tuch filtriert und auf je ein Kilogramm Saft 3'/» Gramm Fahlbcrg'sches leicht lösliches Saccharin, welches man vorher mit ein wenig heißem Wasser aufgelöst hat, zu­gegeben, dann gekocht und hierbei fleißig abge­schäumt, Der völlig abgekühlte Saft kommt in Flaschen, die man fest verkorkt, »erpicht und im Keller liegend aufbewahrt.

Silven-Rätsel.

de, di, da, di, ein, fels, seid, ger, i, in, go, lay, lei, la, mans, in,, rac, so, ßen, sie, ah, u, wei.

Aus vorstehenden Silben sind 8 Wörter zu bilden, deren richtig geordnete Anfangs- und Endbuchstaben von oben nach unten gelesen, ein Sprichwort ergeben. In anderer Reihenfolge bedeuten die Wörter: einen Jndianerstamm. eine Stadt, eine Stadt, einen französischen Kompo­nisten des vorigen Jahrhunderts, eine Person aus einem Drama Schiller's, einen Namen, ein Färbemittel, eine einsame Wohnung,

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.