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einer Veranlassung gerieten einige Neger — bekanntlich wird dieser Ort hauptsächlich von Farbigen besucht — in Streit, der sofort in eine allgemeine Schlägerei ausartete. Schutzleute waren natürlich weder auf dem Schauplatze noch in der Nähe vorhanden. Heute in aller Frühe fand man ein Opfer des Streites in einer entlegenen Straße in der Nähe des Kruges tot daliegen. Er hatte einen Messerstich im Halse und einen zweiten durch's Herz. Es war ein herkulischer Neger, nach Aussage des Wirtes der Urheber des Streites. Vielleicht ist es für unsere Leser von Interesse, daß der Ermordete ein Diener Archibald Forster's war. Frau Anny Hood war bekanntlich von ihrer Ehe mit Benjamin Hood die Gemahlin Mr Archibald Forster's. Vorläufig sind wir nicht im Stande, näheres mitzuteilen."
Das Blatt entfiel meiner Hand. Ich sah meinen Chef an. Ich wollte sprechen, die Zunge versagte mir. Ich war nicht im Stande, ein Wort über meine Lippen zu bringen.
Der Schlag traf mich so unvorbereitet. Ich hatte meine ganze Hoffnung auf den Neger gesetzt. Etwas hätte er doch sicher zu melden gehabt. Und nun war mir dieser Weg abge- schnittten! Archibald Förster war offenbar vom Glück begünstigt. Jetzt gab es niemanden mehr, der ihn verraten konnte! Wie er in dieser Stunde wohl triumphierte!
Ich nahm die Zeitung abermals zur Hand. Ich hatte den Bericht über Benjamin Hood's Mord noch nicht gelesen.
Es war ein langer Artikel. Der Platz, an welchem der Mord begangen war, war genau angegeben und beschrieben, dann folgte Hood's ausführliche Lebensbeschreibung. Archibald Forster's Name wurde in wenig ehrenvoller Weise erwähnt. Er war im Allgemeinen nicht sehr beliebt. Seit seiner Ehescheidung hatte man sich von ihm zurückgezogen. Eine Frau und noch dazu eine schöne Frau will man gern verteidigen, ihr verzeiht man leicht einen Fehltritt; man wirft die Schuld lieber auf den Mann. Anny hatte ihren Mann niemals geliebt, ihre Eltern hatten sie zu der Ehe gezwungen. Förster war ein gewöhnlicher Abenteurer, der nach jahrelanger Abwesenheit plötzlich wieder in seiner Vaterstadt aufgetaucht war rc. rc.
Der Artikel brachte nichts neues in dieser Sache.
„Haben Sie es gelesen?"
Ich gab dem Chef die Zeitung zurück.
„Hier!" Er reichte mir ein anderes Blatt und zeigte auf eine Spalte.
(Fortsetzung folgt.)
M ü n ch e n , 29. Juni. In den Münchener Blättern tobt gegenwärtig ein Sturm um den Maßkrug. Bekanntlich besuchte Fürst Bismarck bei seinem jüngsten Aufenthalte auch die historische Stätte des Hosbräuhauses auf unserer „Piazetta" vuIZo das „Platz!" genannt und trank dort eine „frische Stehmaß". Den Krug, aus dem der Fürst getrunken, meinten nun viele Leute erbeutet zu haben. Der rechte Krug — er hat, alle Lotteriefraubasen mögen cs sich merken, die Nr. 5709 — ist aber vom Hofbräuhausverwalter in die im ersten Stoll des Hofbräu hausende Offiziersgesellschaft gebracht worden, wo er sorglich verwahrt wird. München besitzt nun zwei Gefäße, aus denen Bismarck einen Trunk gethan: den Pokal der Künstlergesellschaft „Allotria", aus dem der Fürst Bismarck zweimal getrunken, und jenen Maßkrug Numero 5709.
Berlin, 30. Juni, lieber einen rührenden Fall von Kindesliebe berichtet die „Tägl. Rundschau:" Ein Familienvater, der seine erste Frau durch den Tod verloren hat und im Begriff steht, die zweite zu nehmen, schickte dieser Tage seinen ältesten Sohn, einen Knaben von zwölf Jahren, mit einem prächtigen Strauß Rosen zu seiner jungen Braut, indem er sagte: „Geh und bring der Mama dieses Rosenbouquet!" Der Knabe geht und kehrt erst nach mehreren Stunden heim. Den Vater wundert es, daß der Sohn, welcher sich sonst ungern lange bei seiner künftigen Stiefmutter aufhielt, so lange
fortgeblieben ist; er fragt nach der Ursache. Da antwortete der Knabe: „Vater, ich bin ja auf dem Kirchhof gewesen und habe die Rosen auf unser Grab gelegt; denn du hast doch gesagt, daß ich sie der Mama bringen soll!"
(Ein „armer" Mann). In Charlottenburg lebte seit langer Zeit ein Greis Friedrich Reichenkorn. Er hauste in einem Zimmer, dessen Läden niemals geöffnet wurden. Seine Lieblingsnahrung bestand aus alten Schrippen. Seine Verwandten hatten sich von ihm zurückgezogen. Er nahm Eheleute zu sich, die sich den sonderbaren Gepflogenheiten des Alten anzupassen wußten. Dieser Tage starb nun der Greis und man fand in seinem Strohsack 40 000 ^ in klingender Münze, auf dem Ofen, hinter der Kommode, in alten Stiefeln und Schuhen steckten Geld und Wertpapiere von über 300 000ülL. Dieser Befund, der sich mit Blitzesschnelle verbreitete, lockte aus allen Himmelsgegenden Erblustige herbei, die auf die Eröffnung des vorhandenen Testaments drangen. Wie vom Donner gerührt standen indes die Verwandten da, da ihnen die Mitteilung wurde, daß die bei dem Verstorbenen wohnenden Eheleute zu Universalerben eingesetzt seien. Ein Erbschaftsprozeß, bei dem auch die Steuerbehörde vertreten sein dürfte, wird sich voraussichtlich entspinnen. Hoffentlich hat die Geschichte bei den Beteiligten den Vorzug, daß sie wahr ist.
Hamburg, 30. Juni. Daß krummbeinige, nach „euu äe edoval" duftende Jockeys sich unter Umständen besser stehen als Staa ts- minister, ist bekannt. Es dürfte aber das Honorar, das der bekannte Sportsmann General v. Kadolitsch dem englischen „Favorit-Jockey" Fred. Webb kürzlich zahlte, doch etwas Außergewöhnliches sein. Der General ließ den Knirps nach Hamburg für „Espoirs" Start im deutschen Derby kommen. Das Honorar für diesen Ritt betrug, gleichgiltig, ob „Espoir" siegt oder nicht, die Summe von 9000 viL Nach dem glücklichen Erfolge „Espoirs" ist zu diesem Honorar noch ein entsprechendes Extrageschenk gekommen, sodaß Webb etwa 15 000^ erhielt. Der Preis des Derbys betrug 61 000
Bern, 29. Juni. Einen schneidigen Distanzritt hat. wie der „Bund" berichtet, jüngst eine junge Dame aus Graubünden in Begleitung zweier Herren und eines Dieners vollführt. Sie passierte im Sattel den Julierund Majolapaß, ritt durchs Bergest nach Bergamo, Mailand und über Como, Lugano und den noch schneebedeckten Bernhardin zurück. Die Amazone legte somit auf einer eidgenössischen Remonte zwischen 500 und 600 Kilometer in sehr kurzer Zeit zurück. Die täglich zurückgclegte Strecke betrug an 40 Kilometer.
Ischl, 30. Juni. „Wer verdammt ist, sein ganzes Leben lang Heu und Gras zu fressen und zeitlebens keinen andern Umgang hat, als den ungebildeter Ochsen, der empfindet auch einmal das berechtigte Bedürfnis nach feinerer Nahrung und besserer Gesellschaft." So dachte neulich ein biederer Ochs, den ein Viehtreiber durch durch die Pfarrgasse trieb, wo eine Konditorei einen leckeren Geruch auf die Straße hinaussendet. Dem Ochsen war ein wenig heiß geworden und er dachte sich: „So ein Vanille- Geforenes könnte Dir nicht schaden." Kurz entschlossen wich er vom Pfade der Tugend ab und spazierte in die Konditorei. Eines der beiden anwesenden Ladenmädchen fiel sofort in Ohnmacht, und eine mit einem Kinde anwesende Dame retirierte, aufs äußerste erschreckt. Der Ochse nahm von dem Schrecken, den sein Erscheinen verursachte, gar keine Notiz; er spazierte hinter den Berkaufstisch, drehte sich dann wieder um. sprang über einen Tisch, wobei für 12 fl. Glasstürze und Bäckerei zu Grunde gingen, endlich stieg er mit den Vorderfüßen auf eine Bank, besah sich einen Augenblick im Spiegel und verließ alsdann das Lokal, ziemlich indigniert, weil man ihn nicht bedient hatte. So meldet das „N. Wiener Tagblatt".
(Das Halsband des Hasen.) Folgendes heitere Geschichtchen wird aus einer Ortschaft Niederösterreichs geschrieben Eine Bäuerin hatte in dem benachbarten Marktflecken ein Schwein um den Preis von 40 fl. verkauft. Sie wickelte das Geld in den Zipfel ihres Taschentuches und machte sich auf den Heimweg. Unterwegs erblickte sie in einem Gebüsch einen Hasen, der sich in einer Schlinge gefangen hatte und vergebliche Sprünge machte, um loszukommen. Die Frau, über den Fang erfreut, ergriff das Tier, band ihm ihr Taschentuch um den Hals und steckte es in den Korb, den sie am Arme trug. Zu Hause angelangt, rief sie ihren Mann herbei, um ihm das Wild zu zeigen. Der Hase, der sich bis dahin ganz ruhig verhalten hatte, schien nur auf diesen Augenblick gewartet zu haben. Kaum öffnete die Frau den Korb, als der Hase mit einem Satze heraussprang und zur offenen Thür mit dem roten Taschentuch um den Hals querfeldein davonjagte. „Aushalten! Aufhalten!" schrie die entsetzte Frau, welche sich erinnerte, -daß in dem roten „Halsbande" des Hasen — dem Taschentuche nämlich — der ganze Erlös für das verkaufte Schwein in einem Knoten eingebunden war. Doch alles Rufen war vergeblich, der Hase war auf Nimmerwiedersehen verschwunden. „Kein Schwein, kein Geld und keinen Hasen!" soll der erzürnte Bauer ausgerufen haben, „das ist zu viel für einen Tag!" und soll sein Weib weidlich darum angesehen haben.
(Es lebe die Reklame!) so dachte die Firma I. M. Caron und Co. in Rauenthal bei Barmen und verschickte Cirkulare in alle Welt, worin sie auf ihre seit Anfang dieses Jahres einzig dastehende Reise-Versicherung für die Konsumenten ihres Hosenknopses (Vierloch-Metall« Hosenknöpfe — Carons Patent) aufmerksam macht. Die betr. Firma gewährt eine unentgeltliche Reiseunfallversicherung von Eintausend Mark den Verbrauchern der von ihr fabrizierten Metallknöpfe. 'Diese Versicherung versteht sich gegen jeden, die Haftpflicht einer deutschen Eisenbahn bedingen, während des Betriebs einer dieser Berkehrsanstalten einem versicherten Fahrgast zugestoßenen Unfall, welcher sofort oder binnen einer Woche den Tod des Versicherten herbeiführt. Versichert ist der. der im Augenblick des Unfalls an seinen Kleidern mindestens 6 echte Carons Patentknöpfe trägt. Die Versicherungssumme erhalten die Rechtsnachfolger ausgezahlt. Mein Liebchen, was willst Du noch mehr? Es geht doch nichts über schlaue Köpfe und Patent-Knöpfe.
(Agrariers Liebeserklärung.) Gutsbesitzer (der eine von ihm verehrte Dame auf seinem Gut umhergeführt hat): „. . . und nun mein Fräulein, nachdem ich Ihnen Alles gezeigt, was mein ist, meine Pferde, mein Rindvieh und meine Merinoschafe, frage ich Sie, wollen auch Sie die Meine werden?"
(Schrecklich.) „Es muß fürchterlich sein, wenn eine Sängerin weiß, daß sie ihre Stimme verloren hat!" „„Aber noch fürchterlicher ist es, wenn sie es nicht weiß!""
(Zweideutig.) Herr: Ist Ihnen nichts Widriges mehr auf Ihrer Alpenreise begegnet, nachdem ich Sie, gnädige Frau, getroffen habe? Dame: Nein nach dem Tage nichts mehr.
Gedankensplitter.
Wir meiden den Umgang mit Menschen, in deren Gegenwart es uns peinlich ist, höflich zu sein.
Bestellungen
für das III. Quartal auf den
„GuxHMer"
werden von allen Postanstallcn und Postboten entgegengenommen. In Neuenbürg abonniert man bei der Geschäftsstelle.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.