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„Hohenzollern" getauft, wogegen die bisherige Kaiseryacht Hohenzollern den Namen „Reichsadler" erhielt. Letzteres Schiff vermochte dem Kriegsaviso nicht zu folgen und erwies sich auch in seinen Dimensionen als zu klein. Seine Nord- landfahrten macht der Kaiser in diesem Sommer nochmals auf der bisher benutzten Kaiseryacht; dieselbe soll ca. 4 Wochen dauern und nach deren Beendigung gedenkt der Kaiser sich wiederum nach England zu begeben, vorausgesetzt, daß die Kaiserin, welche im Laufe des Monats Juli ihrer Entbindung entgegensieht, gesund bleibt.
Die „Berl. Neueste Nachrichten" schreiben:
Berlin, 27. Juni. Gegenüber den zahlreichen Meldungen über Einzelheiten der zu erwartenden neuen Militär-Vorlage gehen uns von glaubwürdiger und bisher stets gut unterrichteter Seite die nachfolgenden Mitteilungen, die man uns als autentisch bezeichnet und welche die bisherigen Meldungen als stark übertrieben erscheinen lassen, zu. Seitens des preußischen Kriegsministeriums ist, unserm Gewährsmanne zufolge, die neue Militär-Borlage thatsächlich fertiggestellt und in diesen Tagen dem Reichskanzler zur weiteren Beschlußfassung auch mit den übrigen, eine selbstständige Militär- Verwaltung besitzenden Bundesstaaten zugestellt worden. Außer kleineren Etatserhöhungen bereits bestehender Formationen der Infanterie, Pioniere, Eisenbahntruppen und des Trains wird, wie der uns zugehende Bericht besagt, in der Vorlage für jedes Infanterie-Regiment, wie für jedes Jäger- bezw, Schützen-Bataillon, die Aufstellung eines Cadre-Bataillons projektirt, d. h. also für ca. 189 Infanterie-Regimenter, bezw. Jäger- und Schützenbataillons der deutschen Armee (incl. Sachsen und süddeutsche Bundesstaaten) 189 Cadre Bataillons. Eine Einteilung dieses Cadre-Bataillons in Regimenter Brigaden u. s. w. soll vorläufig nicht stattfinden. Für die Kavallerie fordert die Heeresverwaltung Cadres für etwa 10 Regimenter. Am stärksten fällt die Vermehrung der Artillerie — Feld- wie Fuß-Artillerie — ins Gewicht. Die Feld-Artillerie, incl. Feld- Artillerie-Schieß-Schule, soll eine Vermehrung von etwa 53 Batterien erfahren, während durchweg 3 Batterien je einen Abteilungsstab erhalten. Die Fuß-Artillerie wird um einige Fuß-Artillerie- Jnspektiouen, einige Regimentsstäbe und um 6 Bataillons vermehrt werden. Alle diese Neuformationen und Etats-Erhöhungen der Friedenspräsenz werden die Stärke von 32 000 Köpfen nicht überschreiten. Was den finanziellen Effekt der Vorlage anbetrifft, so sind wir in der Lage, ausdrücklich festzustellen, daß derselbe, was die laufenden Mehrkosten angeht, etwa 30 Millionen Mark pro Etatsjahr betragen würde, wenn man die einmaligen Ausgaben außer Rechnung läßt. Als Gegengabe wird die Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die Armee, mit Ausschluß der Kavallerie und reitenden Artillerie, geboten, zu welcher man sich Allerhöchsten Ortes nach eingehendster Prüfung aller einschlägigen Verhältnisse und in Anbetracht des Bildungsgrades unseres Volkes definitiv entschlossen hat. Unser Gewährsmann hebt noch ganz besonders hervor, daß Se. Majestät der Kaiser persönlich großen Anteil an dem Zustandekommen der Vorlage genommen und den einzelnen Phasen des Aufbaues des für die Zukunft unseres Volkes und Heeres eine hohe Bedeutung besitzenden Werkes mit größtem Interesse gefolgt ist. Besonders in den letzten Wochen der Fertigstellung der Vorlage hat der Monarch mit dem Kriegsminister wiederholt konferirt, sowie die Grundzüge zu derselben revidirt und endgültig festgestellt.
Berlin, 28. Juni. Der gestern eröffnet? deutsche Aerztetag hat den Antrag des Berliner Arztes Martin, alljährlich durch die Studienanstalten tineAbmahnung vom ärztlichem Studium ergehen zu lassen, mit 37 gegen 36 Stimmen abgelehnt und lediglich einen Unterantrag angenommen. welcher das Anwachsen der Zahl der Aerzte als außer Verhältnis zum Wachstum der Bevölkerung stehend erklärt.
München, 29. Juni. Der Kaiser von Oesterreich wird am Samstag früh hier eintreffen und sich am Montag mit den übrigen fürstlichen Gästen nach Tegernsee begeben, um die Feier
der Vermählung der Herzogin Amalie in Bayern mit dem Herzoge von Urach von Württemberg beizuwohnen.
Swine münde, 28. Juni Beim Salutschießen , als der Kaiser gestern Abend 7 Uhr die Festungswerke passirte. entzündete sich beim Einsetzen in's Rohr eine Kartusche. 2 Mann sind schwer, 1 Unteroffizier leicht verwundet.
Thorn, 29. Juni. Die Deutschen in Rußland werden, wie es heißt, neuerdings etwas besser behandelt. Bei den Ausweisungen wird milder Verfahren und in einzelnen Fällen sollen derartige Verfügungen sogar zurückgezogen worden sein.
Kassel, 28. Juni. Zur Herstellung von Arbeiterwohnungen vermachte, wie der Post gemeldet wird, der verstorbene Weißbindermeister Wimmel der Stadtverwaltung sein ganzes Vermögen im Betrage von 500,000 Mark.
Mannheim, 29. Juni. In Bezug auf die Sonntagsruhe haben die hiesigen Bankgeschäfte das gute Beispiel gegeben, daß sie vom 1. Juli an ihre Bureaux am Sonntag ganz geschlossen halten.
Württemberg.
Zur Erhaltung einer Uebersicht über den Pferdebest and im Lande findet gegenwärtig die, in der Regel alle 10 Jahre erfolgende Bormusterung sämtlicher Pferde durch besonders niedergesetzte Kommissionen, bestehend aus Stabsoffizieren und dem betr. Oberamtmann, statt. Die Vormusterung hat am 27., 28. und 29. d. Mts. im Amtsoberamt Stuttgart stattgefunden, in den übrigen Oberämtcrn findet sie in der Zeit vom 1.—26. Juli statt.
Stuttgart, 29. Juni. Auf die gestern zum Preise von 105.85°/o aufgelegten lOMill.^L 4°/» Württ. Stantsanlehen sind 37 Mill. Mark gezeichnet worden.
Im Hafen von Friedrichs Hafen ist ein neuer Dampfer von höchster Eleganz im Bau begriffen. Am äußeren Bau und in der maschiniellen Einrichtung ist meist G. Kuhn- Berg beteiligt; die innere Ausstattung ist der Firma F. W. Brauer übertragen. Das Schiff erhält den Namen „Königin Charlotte."
Anstand.
Dem französischen Marineministerium sind von zwei dort angestellten Elsässern wichtige Aktenstücke dem Marineattache Barup bei der amerikanischen Gesandtschaft ausgeliefert worden. Die Franzosen gerieten darüber in begreifliche Aufregung und forderten die Entfernung Barups, welche die Regierung der Vereinigten Staaten auch sofort beschloß. Die französischen Blätter beschuldigen Barup, er habe die angekauften Aktenstücke an die Engländer und an die Deutschen ausgeliefert, wogegen sich letzterer heftig verwehrt.
London, 29. Juni. Gestern Abend verursachte in England ein heftiger Sturm großen Schaden, namentlich in Obstgärten. Viele Häuser in Staffordshire, sowie die Bahnlinie bei Stafford sind überschwemmt. Viel Vieh ging verloren.
Der Wiener „Amateur-Schwimmklub" veranstaltet Mitte August ein sehr interessantes Distanzschwimmen von Wien nach Preßburg. Die Schwimmtour dürfte, wie das „Neue Wiener Abendblatt" meint, 7 bis 8 Stunden dauern.
Wermischtes.
Paris, 27. Juni. Kürzlich kündigten wir der musikliebenden Welt an, daß nächstens in Paris ein D reh org el wettka mpf der Drehorgeln aller Welt stattfinden werde. Gestern nun war der große Tag und er war nach dem Zeugnis von Ohrenzeugen so schauerlich schön, daß alle Hunde des 18. Arrondissements zu den Schmerzen ihres Maulkorbes noch Nervenweh bekamen. Mehrere Dutzend Orgelmänner hatten sich auf einem Kreuzplatze von Montmartre mit ihren Instrumenten auf dem Rücken oder auf Rädern gewissenhaft zur bezeichnten Stunde — 2 Uhr nachmittags — eingefunden und wurden von Trompeten- und Jagdhornbläsern der Gegend feierlich empfangen. Das Konzert begann mit
einem „lutti", bei dem jeder Künstler drehen und zugleich laufen mußte. Wer zuerst am Ziele der 500 Meter langen Bahn anlangte, erhielt 15 Franken. Da tönte alles durcheinander: ,Mira o Mrma", „Die blaue Donau", die „kioupious ä' ^.uvorAue", Walzer, Poklas, Opernarien, Gassenhauer, indes die Hunde heulten, die Fiakergäule sich schüttelten und die Menschen sich vor Lachen wandten. Der Sieger mar ein Italiener, wie denn die meisten Drehorgelmänner von jenseits der Alpen kommen. Auf das Ensemble folgten Solovorträge: Blinde mit ihren bemaulkorbten Hunden, Stelzbeine, Krüppel, eine Neapolitanerin mit ihrem Säugling auf der Orgel und andere traten der Reihe nach vor und orgelten gefühlvoll ihre schönsten Weisen. Jeder der Teilnehmer an dem Wettbewerbe erhielt eine Entschädigung von 5 Franken, und die Sieger wurden durch Geldpreise ausgezeichnet. Den Schluß der musikalischen Orgie bildeten eine Rundfahrt von zwei Riesenorgeln durch die Straßen des Viertels und ein Gelage, auf dem sich die Musikfreunde von den Genüssen erholten.
(Gefährlicher Schreibunterricht.) In Paris nahm eine vermögende Dame bei einem dortigen Kalligraphen Schönschreibunterricht. Eines Tages war plötzlich der Schreibkünstler verschwunden, dagegen erschien bei seiner Schülerin ein Kassenbote nach dem andern, um angeblich von ihr acceptierte Wechsel einzukassieren. Die Dame zeigte dies der Polizei an und cs wurde er- mittelt, daß der „findige" Kalligraph seine Schülerin veranlaßt hatte, als Uebung ihren Namen auf vielerlei Papier zu schreiben, die er einfach zu Wechseln machte.
(Der „Siebenschläfer") hat für dies Jahr seinen feuchten Mißkredit verloren, denn sein Kalendertag, der 27. Juni, ist ohne Regen vorübergegangen. „Wenns am Siebenschläfer regnet, regnets sieben Wochen", heißt die alte Bauernregel, die nun diesmal erfreulicher Weise aufs Trockene gesetzt ist. Die Juni-Tage sind übrigens besonders reich an Witterungssprüchen und Regeln. „Vor Johannistag (24.) man keine Gerste loben mag." — „Peter und Paul (29.) klar, bringt uns gutes Jahr." — „Nach St. Veit (15.) ändert sich die Zeit, die Blätter wenden ihre Seit." — „Stellt der Juni mild sich ein, wird mild auch der Dezember sein." — „Auf den Juni kommt es an, ob die Ernte soll bestahn." — „Wenn im Juni Nordwind weht, das Korn zur Ernte trefflich steht." — „Wenn kalt und naß der Juni war, verdirbt er meist das ganze Jahr." — „Vor Johanni bitt um Regen, nachher kommt er ungelegen." — „Im Juni viel Donner bringt fruchtbaren Sommer"' — Und endlich: „Juni feucht und warm, macht den Bauer nicht arm." — Vergleicht man die verflossene Witterung des Juni mit diesen Regeln und Sprüchen, so ist man zu einer frohen Hoffnung auf eine gute Ernte und ein ferneres wettergutes Jahr sehr wohl berechtigt.
(Neue Bezeichnung.) „Großartig, wie Ihr Dackl apportieren kann! Haben Sie ihn das gelehrt!" — „Nein, das kann er Alles von selber — er ist ein Autodidackl!"
(Der kleine Zoologe.) Vater: „Wie viel Füße hat diese Fliege, Kränzchen? — Der vierjährige Franz: „Wenn ich ihr die übrigen herausreiße, zwei!"
Auflösung des Rätsels in Nr. 100.
Gemach — Ungemach.
Rätsel.
In einer Gesellschaft gab ein Herr seiner Dame folgendes Rätsel auf:
Das Erste sind Sie, das Zweite bin ich, Wenn Sie mir das Erste sind,
Und das Ganze sind wieder Sie! —
Was ist das?
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.