In Hirsau fiel ein 5 jähriges Büblein von einem in schnellen Lauf geratenen Karren und war auf der Stelle tot.
Zustand.
Die österreichische Regierung über» nimmt von den in Deutschland noch zirkulierenden Thalern österreichischen Gepräges im Gesamtbetrag von etwa 31 Millionen Mark, im Betrag von 8*/s Millionen Thalern zum Werte von 1'/- fl. österreichischer Währung, welche in gleichen Quoten innerhalb 3 Jahren an die österreichische Regierung abgeführt und in Wien eingeschmolzen werden. — Die Gährung unter den deutsch-nationalen Abgeordneten wegen des Scheitcrns des deutsch-böhmischen Ausgleichs dauert fort und die deutschen Abgeordneten von Böhmen wollen aus dem deutschen Klub im österreichischen Landtag austreten, um eine eigene Fraktion zu bilden; ein solcher Schritt scheint aber für die Förderung der deutschen Interessen wenig zuträglich zu sein.
Paris, I I. April. Die Budgetkommission der Deputiertenkammer beschloß, der Kammer die Bewilligung der Kredite im Betrag von 3 Mill. Franks für die Expedition gegen Dahomey vorzuschlagen und jede weitere Aeußerung über die Dahomeyfrage dem Kammerplenum zu überlassen.
Madrid, 9. April. Neue Meldungen aus Barcelona bestätigen, daß die dortige Spanische Kreditanstalt ihre Zahlungen eingestellt hat; die Passiva sollen sechs Millionen betragen.
Unterhaltender Heil.
Ein seltsamer Fall.
Kriminalgeschichte von F. Arnefeldt.
(32. Fortsetzung.1
Der Andrang zu der Gerichtsverhandlung war am zweiten Tage womöglich noch viel größer als am ersten; Jmhildens plötzliches Auftreten hatte in den ohnehin schon so sensationellen Prozeß noch neue Rätsel gebracht, auf deren Lösung alle Welt im höchsten Grade gespannt war. In der ganzen Stadt beschäftigte man sich mit der Person der jungen Dame und mit der Frage, in welchem Verhältnis sie eigentlich zu Sigmar Hardheim stehe.
Die Verhandlung begann mit der Vernehmung der auf Antrag der Verteidigung vorgeladenen Zeugen, dem Wirt aus der „Neuen Welt" und einigen Teilnehmern an der dort stattgehabten Vereinigung. Sie bestätigten übereinstimmend Ladenburgs Angabe, daß er am 1. August in jenem Lokal gewesen und daß sie kurz vor Ausbruch des Gewitters mit ihm zusammen fortgegangen seien.
„Ging Herr Ladenburg den gleichen Weg mit Ihnen?" fragte der Präsident.
„Nein," war die Antwort; „er forderte uns auf, mit ihm den Umweg durch die Weststraße zu machen, da wir aber dazu angesichts des heraufziehenden Unwetters keine Lust hatten, so trennte er sich von uns und ging allein."
Auf die Zwischenfrage des Verteidigers, ob ihnen das denn picht auffällig gewesen wäre, erfolgte eine sehr bestimmte Verneinung und Erklärung, man würde sich im Gegenteil gewundert haben, wenn Ladendurg nicht durch die Weststraße gegangen wäre, derselbe hätte stets diesen Weg genommen und sich weder durch die Unbill des Wetters, noch durch den Spott seiner Kameraden daran verhindern lassen.
Die Anwesenheit des Buchbinders vor dem Hause der Frau Klingenmüller in jenem verhängnisvollen Augenblicke war mithin genügend erklärt; die Verhandlung wandte sich nunmehr dem durch Jmhilde Follenius heraufbeschworenen Zwischenfalle zu.
Peter Bartel erschien vor den Schranken und wiederholte in einer ruhigeren, bescheideneren Weise seine gestrigen Aussagen. Hardheims Verteidiger beruhigte sich aber nicht dabei, sondern fragte ihn, wie es komme, daß er, ein Arbeiter, ein solches Interesse an dem Prozesse nehme, daß er einen Werktag versäumt habe, um ihm beizuwohnen. Bartel deutele mit einer sehr ausdrucksvollen Geberde auf seinen Kopf und
anwortete: „Es will eben mit der Arbeit noch nicht fort, lieber Herr, da sucht man sich die Zeit zu vertreiben, wie es just gehen will."
„Warum wollten Sie den Saal verlassen, als Fräulein Follenius ihre Aussage machte?" fuhr der unermüdliche Sieveking fort.
Peter lachte treuherzig. „Das war eine Dummheit von mir; ich hörte, wie neben mir Einer sagte: Der da hat ein Plaster auf dem Kopf, als hätte er auch einen solchen Schmiß bekommen ! Da kriegte ich es mit der Angst, man könnte mich auch noch in die Geschichte hineinbringen, wollte mich fortmachen, und dadurch gerade wurde das Fräulein aufstutzig."
„Ihr Fortgehen macht Sie verdächtig."
„Kann schon sein, aber fragen Sie nur meine Frau und Nachbar Große, die werden Ihnen ja wohl sagen, wo ich in jener Nacht gewesen bin."
Die Frau ward vorgerufen. Sie war klein, schmächtig, sehr sauber gekleidet und schien eine entsetzliche Angst vor dem Gerichtshöfe zu haben, cs kostete den Präsidenten anfänglich Mühe, sie zum Sprechen zu bringen und sie schien sich erst etwas zu beruhigen, als sie belehrt ward, sie sei zu keiner Aussage gegen ihren Mann gezwungen und werde deshalb auch nicht vereidigt. Sie erzählte nun in etwas fließender Weise, ihr Mann sei am 1. August wie jeden Abend um halb neun Uhr nach Hause gekommen und nicht wieder fortgegangen, sie hätten sich auch zu ihrer gewohnten Stunde schlafen gelegt, wären aber durch das Unwetter wieder aufgescheucht worden. Es sei beinahe vorüber gewesen, da wäre ihr Mann, der cs in der glühendheißen Stube nicht mehr aushalten konnte, vor die Thür gegangen, um frische Luft zu schöpfen. In dem Augenblick müsse noch ein heftiger Windstoß gekommen sein, der einen bereits locker gewesenen Ziegel vollends vom Dache geworfen habe. Sie hätte ein Poltern und euren Schrei gehört, sei hinausgestürzt und habe ihren Mann blutend und bewußtlos am Boden gefunden; der schwere Ziegel war ihm auf den Kopf gefallen und sie hatte geglaubt, es sei sein Ende. In ihrer Angst hatte sie bei Nachbar Groß angeklopft und gebeten, der möge doch herauskommen und ihr helfen, den Beschädigten ins Haus zu schaffen.
Der als Zeuge vorgeladene Nachbar bestätigte die Aussage der Frau und fügte noch hinzu, der arme Bartel sei ganz durchnäßt gewesen, denn es hätte doch ein Weilchen gedauert, bis er sich angezogen und hinausgekommen sei, und inzwischen habe es wieder stärker geregnet; den schweren 'Dachziegel hatte er zerbrochen am Boden liegen sehen. Nachdem er Bartel ins Haus geschafft, habe er den Bader herbeigeholt. Letzterer sagte aus, Bartel sei, als er gekommen, bereits wieder bei Bewußtsein gewesen, er habe die Wunde genäht, verbunden und den Mann noch in Behandlung.
Beide Männer, unbescholtene, einwandfreie Zeugen, beschworen ihre Aussagen. Peter Bartels Alibi war bewiesen. Seine Mitarbeiter bezeugten, am Abend mit ihm nach Hause gegangen zu sein; sein Arbeitgeber erklärte, nichts Nachteiliges von ihm zu wissen.
Es ergab sich keinerlei Anhaltspunkt, auf den hin eine Anklage zu begründen gewesen wäre; Bartel ward entlassen.
Trotzdem Jmhilde's Aussage, wenigstens soweit es diesen Mann betraf, in nichts zusammengefallen war, hielt sie ihre Behauptung in allen Punkten doch mit der größten Hard- näckigkeit aufrecht.
(Fortsetzung folgt.)
Ostergebräuche.
Als das Christentum sich nach dem Westen Europas immer weiter ausbreitete, hatte es anfangs sich der Gewalt seiner mächtigen Gegner zu verwehren, dann aber, als die Idee des einzigen Gottes den Sieg über die heidnischen Völker errungen hatte, befreite es sich von den vielen spezifisch jüdischen Gebräuchen, die ihm naturgemäß anhaftete, und es nahm diejenigen heidnischen Gebräuche in seinen Bereich auf. welche sich mit der von ihm verkündigten Gottes
idee vereinen ließen. Wir ersehen aus der Geschichte des Boniiacius, aus den Kämpfen Karl des Großen gegen die Sachsen, daß die Ausbreitung des Christentums in der durch die Konzile des 3. Jahrhunderts nach Christi Ge- - burt endgiltig festgestellten Form unter großen Grausamkeiten vor sich ging. War aber erst das Terrain erobert, dann ließ die Kirche den alten heidnischen Gewohnheiten großen Spielraum und bemühte sich nur, diesen geduldeten von srüherher überkommenen Gebräuchen eine christlich-religiöse Weihe zu Grunde zu legen, so daß es heute oft schwer fällt, Ursprung und Herkunft so mancher mit dem Osterfest verbundenen Volksgebräuche festzustellen.
Schon der Name Osterfest ist heidnischen Ursprungs. Der altsächsischen Frühlingsgöttin Ostera zu Ehren feierten die germanischen Stämme um die Zeit des beginnenden Frühlings ein Fest, mit dessen Kultus viele der altherge brachten Gebräuche verknüpft sind. Man begrüßte das Frühlingssest mit Tänzen, Aufzügen, dramatischen Spielen und Freudenfeuern; bei ersteren stellte man sinnbildlich den Abschied des nach vielen Kämpfen besiegten Winters durch einen Kampf gegen eine Puppe dar, deren Er- säufung oder Verbrennung den Schlußeffekt des Festes bildete. Zu dieser Verbrennung wurde das sogenannte Nodfyr — Notfeuer auch Wildfeuer genannt — ein Feuer, das aus zwei Hölzern durch Reibung erzeugt wurde, verwandt. Die „Nolfeuer" mußten häufig am Fest der Ostara als Freudenfeuer von den Bergen und in Wäldern leuchten, welcher Kultus in die Gebräuche der christlichen Kirche mit ausgenommen winde. In vielen Gegenden Deutschlands ist am Sonntag Jnvokavit, dem ersten Fastensonntag, die Sitte gebräulich, brennende Räder und Fackeln in die Luft zu werfen und von den Bergen die Freudenfeuer leuchten zu lassen.
Bei den obenerwähnten heidnischen Festen wurden außerdem noch Festmahlzeiten abgchalten, bei denen das Osterei und der Osterhase verzehrt wurden, Gebräuche, welche sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Ersteccs ist als das Symbol der Fruchtbarkeit zu betrachten und hat sich bis auf den heutigen Tag in den buntartigen Ostereiern erhalten, welche Veranlassung zu zahllosen Spielen der Jugend geben. Die Erklärung des Osterhasen ist heute nicht mehr erkennbar. Er wird in Kuchenform verzehrt; wahrscheinlich ist er auch als Ersatz für das in vielen besonders katholischen Ländern gebräuchliche Osterlamm zu betrachten. Zu beachten ist hiebei noch, daß Osterei und Osterlamm eigentlich spezifisch jüdische Gebräuche waren und noch heute in den orthodoxeu Kreisen der Judentums beobachtet werden; es ist wohl denkbar, daß beide aus dem Judentum in das Christentum als religiös-symbolische Aeußerlichkeiten mit übernommen worden sind, die sich wiederum in gewisse durch heidnische Festlichkeiten modifizierte Formen verwandelten.
Der jüngste Lieutenant. Am 6. Mai d. I. vollendet der preußische Kronprinz sein zehntes Lebensjahr und tritt nach altem Hohen- zollernbrauch als Lieutenant in die preußische Armee. Aus diesem Anlaß wird, wie wir erfahren, die alljährlich zur Osterzcit erscheinende Rang- und Quartierliste vier Wochen später ansgegcben, damit „der jüngste Lieutenant" in dieser Charge noch Aufnahme darin finden kann. Seit dem 15. Oktober 1805, an welchem der nachmalige König Friedrich Wilhelm IV. zu Paretz, dem Lieblingsaufenthalt seiner Eltern, die Osfiziersepauletten erhielt, hat sich das erwähnte Ereignis bisher nicht wiederholt. Denn Kaiser Wilhelm I., welcher 1807, Kaiser Friedrich, welcher 1841, und der jetzige Kaiser, welcher 1869 das Offizierspatent erhielt, waren damals noch nicht die unmittelbaren Thronerben. Der Wandel der Zeit seit jenem 15. Oktober 1805 spiegelt sich am schärfsten darin, daß der gegenwärtige preußische Kronprinz auch „Kronprinz des Deutschen Reiches" ist und unter letzterem Titel als der überhaupt erste Hohenzoller in die Armee eintritt.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.