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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Wildbad. 13. Febr. Ein sehr bedauer­licher Unglücksfall ereignete sich in der gestrigen Nacht. Anwalt Günthner von Sprollenhaus, welcher nachmittags Langholz nach Calmbach geführt hatte, wurde heute früh an der Böschung hinter der hiesigen Gasfabrik, rot unter seinem Wagen liegend, ausgefunden. Derselbe hatte sich gestern abend gegen 10 Uhr auf den Heim­weg begeben und mußte unterwegs eingefchlasen sein. Beim Aufgang znm hiesigen Bahnhofe schlugen die Pferde vermutlich die Richtung nach dem Holzlagerplatz ein, fuhren demselben ent­lang über den Bahnübergang nach der Eisels- kling und gelangten auf den freien Platz in der Nähe des Wegs, welcher zur Paulinenhöhe führt. Dort stürzten sie die rechtsseitige Bösch­ung hinab, der Wagen überschlug sich und be­grub den Besitzer unter sich. Fuhrmann K. von hier, welcher heute früh nach 7 Uhr thalab- wärts fuhr, wurde nun durch das Wiehern der Pferde, von denen sich eines vom Wagen los­gerissen hatte, aufmerksam und entdeckte beim Näherkommen den Verunglückten unter dem umgestürzten Wagen. Ein Rad stand auf desfen Unterleibe, die schweren Ketten und die Winde lagen auf dem Gesichte desselben. K. Holle nun weitere Hilfe herbei. Der Arzt konnte nur den bereits eingetretcnen Tod konstatieren. Das Bedauern mit dem so jäh aus dem Leben Ge schiedenen und dessen schwergeprüfter Frau ist allgemein, umsomehr als letztere seil längerer Zeit leidend und erst im letzten Herbst kurz nach einander drei Kinder durch den Tod verloren hat.

Neuenbürg, 17. Febr. Seit Sonntag ist auch bei uns Schneefall eingetreten, anfangs sehr wässriger, da die Temperatur dabei zu mild war; seit Dienstag abend aber ist die Temperatur unter Null gesunken und es schneit unaufhörlich, so daß wir heute mehr wie fußhohen Schnee haben und der Bahnschlitten ins Mittel treten mußte. Auf den Höhen von Dobel und Langen­brand war gestern schon kaum mehr durchzukommen, wie mag es vollends heute daselbst bestellt sein. Die Bahnzüge trafen heute vormittag mit 2 bis Mündiger Verspätung ein. Es ist jetzt nur zu wünschen, daß der Schnee bei kalter Witterung eine Zeit lang Bestand hält und dann langsam wieder abzicht, da die gewaltigen Schneemassen auf den Bergen ja sonst ein Hochwasser zur Folge haben müßten. Vogel Star, desfen An­kunft wir in der Sonntags-Nr. meldeten, wird sich eines Besseren besonnen und sich noch auf einige Wochen verabschiedet haben.

/X Neuenbürg, 17. Febr. Gestern abend fand in einer Sitzung der Ortsschulbehörde die Einführung und Verpflichtung der neugewählien Mitglieder Palm. Olpp, A. Essig und Emil Seegcr durch Dekan Cranz und Stadtschultheiß Stirn statt. Auch die Studienkommisston war zur Beratung eines außerordentlichen Falles versammelt.

Calw, 14. Feb. Die Zusammenkunft des evang. Männervereins, welche gestern Abend bei Thudium stattgefunden hat. war sehr zahlreich besucht. Herr Dekan Braun eröffnete die Be­sprechungen mit einem Ueberblick über die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Gewerbeordnung, betreffend den Schutz des Sonntags, wobei be­dauert wurde, daß dieselben vorläufig auf das Verkehrswesen noch keine Anwendung finden. Bei der Schilderung der freien Vereine wurden namentlich die schönen Erfolge der dänischen Gesellschaft für Sonntagsfeier" (Stillstand der Geschäfte, auch der Postämter, von vorm. 9 Uhr an) sowie des Schweizer Vereins hervorgehoben. Der zähen Ausdauer des letzteren verdanken die Verkehrsbeamtcn eine wesentliche Einschränk ung des Post-, Telegraphen- und Güterbeförder­ungswesens, namentlich aber 52 freie Tage im Jahr, unter welchen 17 Sonntage sein müssen (Eidgenössisches Gesetz 1890). Den Anregungen des Stuttgarter Sonntagsvereins zufolge haben sich mehr als 1000 Geschäfte zur völligen Ein­stellung der Sonntagsarbeit verpflichtet. Was speziell die 3250 eigentlichen Ladengeschäfte in Stuttgart betrifft, so haben sich 403 zum völligen Ladenschluß verpflichtet, 407wünschen" ihn für künftig, 221 wollen Sonntags nur vor dem

Vormittagsgottesdienst offenhalten, dagegen 1221 auch über Mittag, und zwar 45°/o über I Uhr, 28°/« länger als 2 Uhr. Endlich wies der Vor­tragende darauf hin, wie viel der Einzelne zum Schutz des Sonntags thu» könne durch Unter­lassung der Sonntagseinkäufe, welche bei einiger Ueberlegung und gutem Willen meist ebenso gut am Werktag gemacht werden könnten. Er schloß mit der Mahnung an die Hausväter, daß sie sich zu dem Losungswort entschließen möchten: der Sonntag gehört meiner Familie nnd meinem Gott. Sodann erfreute Hr. Rektor Dr. Weiz­säcker die Versammlung durch einen trefflichen geschichtlichen Rückblick auf 2 berühmte Jonuar- tage; er stellte den 18. Januar 1871, dem Tag der Annahme der deutschen Kaiserwürde durch Wilhelm 1., die Tage von Canossa gegenüber (25.27. Jan. 1077.) wo ein deutscher König barfuß, in der Kleidung eines Büßenden, im Schloßhof stehen und auf des Papstes Gnaden­wort harren mußte. Der Redner knüpfte an diese Erinnerung Worte patriotischer Mahnung, welche mit lautem Beifall ausgenommen wurden.

Deutsches Weich.

Berlin, 13. Februar. Der König von Italien hat am Donnerstag ein längeres Telegramm an den Kaiser gerichtet. Dasselbe übermittelt in herzlichen Ausdrücken den Dank für sein persönliches Erscheinen bei der Traucr- feier des verstorbene» Botschafters Grasen Launay, wodurch sowohl die Familie des Ver­blichenen als die ganze italienische Nation ge­ehrt worden sei.

Berlin, 15. Febr. Auf dem parlamen­tarischen Diner bei Staatssekretär Bötticher blieb der Kaiser bis zwölf Uhr, obwohl man schon um 7 Uhr vom Tische aufgestanden war. Mit Lieber vom Zentrum und dew Freisinnigen Eberty. die ihm neu vorgestellt wurden, führte der Kaiser nur eine kurze Unterhaltung, dann stand er etwa eine Stunde in intimem Gespräch mit Miguel, Herrfurth und Manteuffel. später in einer Gruppe Helldorff und Erffa. Schließ­lich ließ sich der Kaiser in einem Nebensalon mit Stumm, Krupp und dem Gesandten Lerchen­feld zu einer langen Unterhaltung nieder. Es ließ schon die Begrüßung, die der Kaiser an Stumm richtete, keinen Zweifel darüber, daß ihm dessen Rede vom Freitag gegen die Sozial­demokratie genau bekannt war und seinen vollen Beifall hat. Ueberhaupt wurde auch durch diesen parlamentarischen Abend der Eindruck verstärkt, daß man in den leitenden Kreisen sich mit der Sozialdemokratie sehr lebhaft beschäftigt und, verleitet durch die wachsende Zuversicht und den zur Schau getragenen Uebermut einzelner Wort­führer und Organe dieser Partei, sich mit der Sorge einer energischen Bekämpfung derselben trägt.

In der Freitagsitzung des Reichstages be­fand sich das Haus unvermutet einer Sozialisten­debatte gegenüber, die an Heftigkeit seit Langem nicht ihres gleichen gehabt hat. Dieselbe läßt auf eine Aenderung des Verhallens der Regier­ung gegenüber der Sozialdemokratie schließen und ist deshalb von weittragendster Wichtigkeit.

Berlin, 16. Febr. In der Volksschul- komMission des Abg. Hauses erklärten heute Friedberg (nat.-lib.) und von Zedlitz-Neukirch (freikons.) in entschiedenster Weise, daß die Halt­ung der Konservativen, wie sie jetzt deutlich her­vorgetreten sei, jede Verständigung über das Gesetz mit den Nationalliberalen und Freikonser vativen ausschließe, was auf die Parteiverhält­nisse nicht ohne Wirkung bleiben werde. Ferner hat der Kultusminister eine Aeußerung gemacht, die eine weittragende Bedeutung hat und klar zeigt, welche unheilvollen Folgen der Entwurf über die Volksschule in Zukunft haben wird. Er hat auf Andrängen erklärt, daß die Bestimm­ungen über die Simultanschulen nicht nur bei den Katholiken und Evangelischen, sondern eigent­lich auch in der evang. Kirche bei Lutheranern und Reformierten Anwendung finden müßten. Damit ist schließlich das große Werk Friedrich Wilhelm III., die Union in Preußen, aus einandergeriffen. Die Erklärung des Ministers erscheint geradezu ungeheuerlich und wird für

das weitere Schicksal des Entwurfs über die Volksschule von unberechenbarer Wirkung sei.

Am Montag haben im Reichstage die Verhandlungen über den Militäretat begonnen, zu welchem seitens der Freisinnigen und Natio­nalliberalen bekanntlich ein die brennende Frage der Reform des Militärstrafrechtes betreffender Antrag cingcbracht worden ist. Derselbe ver­langt eine Revision des Beschwerderechtes der Militärperjonen, insbesondere die Verpflichtung mißhandelter Soldaten zur Erhebung der Be­schwerde, für die Militärgerichte dagegen fordert der Antrag Durchführung der Itändigkeit und Selbstständigkeit, sowie der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Hauptverfahrens, nach den in Bayern geltenden nnd bewährten Grundsätzen. Wie erinnerlich, ist in derselben Frage von der Budgetkommission eine seitens der freisinnigen und nationalliberalen Mitglieder beantragte Re­solution, welche vor Allem unbedingte Oeffent­lichkeit des Hauptverfahrens bei den Militär­gerichten verlangte, abgelehnt und dafür eine vom Zentrum und den Konservativen einge- brachte Resolution, welche neben der Erleichter­ung des Beschwerderechtes nur einegrößere" Oeffentlichkeit der milikärgerichtlichen Verhand­lungen forderte, angenommen worden. Nach der Parteikonstellation zu urteilen, dürste sich auch das Plenum im Reichstag in letzterem Sinne erklären, selbst wenn dasselbe aber den liberalen Antrag annehmen sollte, so würde dies schwerlich praktische Folgen haben. Denn die preußische Regierung nimmt auch jetzt noch be­züglich der vollen Oeffentlichkeit des militärge- richtlichen Verfahrens einen ablehnenden Stand­punkt ein, ungeachtet der Bewährung dieses Grundsatzes in der bayerischen Armee; ein hier­auf zielender Beschluß des Reichstages würde also kein anderes Schicksal haben, als einfach uck aeta gelegt zu werden.

Das bevorstehende Jubiläum des 25- jährigen Bestehens der nationalliberalen Partei soll durch ein allgemeines Parteifest gefeiert werden, für welches ein oder mehrere Tage aus der Zeit zwischen Ostern u. Pfingsten in Aussicht genommen sind. Die näheren Be­schlüsse über diese Jubiläumsfeier und über de Ort derselben dürfen von dem Berliner Zentrc.. bureau genannter Partei demnächst bekannt ge­geben werden. Zugleich wird eine Festschrift erscheinen, welche, dem Vernehmen nach, die Geschichte der nationalliberalen Partei in kurzen Zügen darstellt.

Berlin, 11. Febr. In der unter dem Vorsitz des Reichstagspräsidenten v. Levetzow heute abgehaltenen Sitzung des Zentralkomites sür das Bismarck-Denkmal wurde beschlossen, den Gesamtbetrag der Sammlung von 1014 438 Mark in dreiprozentiger Reichsanleihe anzulegen und über die Platzfrage für das Denkmal und die auszuschreibende künstlerische Konkurrenz erst dann Beschluß zu fassen. wenn die Platzfrage für das Kaiser-Wilhelm-Denkmal entschieden ist.

In Saarbrücken wurde der wegen Be­raubung und Ermordung seiner Stiefschwester zum Tode verurteilte Hüttenarbeiter Heinrich Lux aus Geislautern am Morgen des 13. Febr. auf dem Hofe des Arresthauses durch das Fall­beil enthauptet. Die vollzogene Thatsache wurde einer bestehenden Bestimmung entsprechend von Seiten des Ersten Staatsanwaltes durch Maueranschläge, die auf rotes Papier gedruckt sind, zur öffentlichen Kenntnis gebracht.

Karlsruhe, 15. Febr. (Zur Sonntags­ruhe.) Der Wunsch der Karlsruher Handels­kammer, daß die Stunden der künftigen gesetz­lichen Sonntagsruhe möglichst einheitlich ge­regelt werden sollen, dürfte im ganzen Lande geteilt werden. Ob die Stunden von 89 Uhr Morgens und von 113 Uhr Nachmittags sich dazu eignen, ist insofern eine Frage, als die Geschäftsgepflogenheiten der größeren Orte und der kleineren Landstädte unter verschiedenen Zeit­bedingungen stehen.

Karlsruhe. 16. Febr. Die Mehrein­nahmen des Domänenärars aus Holz betragen in den letzten beiden Jahren 1,1 Million.

Mannheim, 13. Febr. Der Stadlrat beschloß die vollständige Aufhebung des Volks­schulgeldes.