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ein, und eine Minure später war er mit der neuen Patientin allein. Diese sprach kein Wort, sondern beschränkte sich darauf, ihren Schleier zurückzuschlagen. Was er jetzt sah, war so grauenhaft. daß sogar der erfahrene, an manchen häßlichen Anblick gewöhnte Arzt ein paar Schritte zurückfuhr. Ein Totengesicht starrte ihm entgegen. Die Unglückliche, der es gehörte, konnte nicht reden, und nur in unartikulierten Tönen und durch Gesten drückte sie den Wunsch aus. eine künstliche Nase zu besitzen. Dieffenbach fühlte das aufrichtigste Mitleid mit der Armen, aber er hielt es für unmöglich, ihrem Wunsche zu willfahren, weil die Umgebung der Oeffnung an der Nasenstelle absolut kein Fleisch oder eine solche Haut darbot, um darauf eine Neubildung durchzuführen. Seine Weigerung übte auf die Dame eine niederschmetternde Wirkung, und Dieffenbach wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er ihre Angehörigen herbeirief. Aber noch bevor diese eintreten konnten, hatte sich die Dame bereits wieder verschleiert, denn auch vor ihren nächsten Angehörigen wollte sie ihr entstelltes Gesicht nicht zeigen. Der Arzt erfuhr nun auch die Ursache ihrer furchtbaren Verunstaltung. Als kleines Kind hatte sie das Unglück gehabt, Brandwunden im Gesicht zu erleiden, die von letzterem nur das Knochengerüst und eine narbige pergamentarnge Haut zurückließen. Erschüttert verließ Dieffenbach seinen Besuch. Wenn er aber geglaubt hatte, die unheimliche Patientin, die, nebenbei bemerkt, eine Gräfin aus Polen war, los zu sein, so hatte er sich geirrt. Als er in Wien anlangte und sich im Hotel kaum wohnlich eingerichtet hatte, tauchte bei ihm schon wieder die Dame mit dem Totenkopf auf. Sie glaubte fest, eine Operation von ihm müßte den erwünschten Erfolg haben, und verfolgte den Arzt so lange, bis er ihrem Drängen nachgab. Nachdem er ihr zuerst einen künstlichen Gaumen eingesetzt und ihr dadurch die Möglichkeit des Sprechens wiedergegeben hatte, schritt er zur Herstellung einer neuen Nase. Selbstverständlich konnte er dazu nicht die Haut von der Stirne seiner Patientin nehmen, sondern mußte ihr dieselbe von dem Arm abnehmen, eine Prozedur, die naturgemäß mit großen Unannehmlichkeiten verbunden ist. Aber die Operation gelang in überraschender Weise, in vierzehn Tagen war die Nase ganz regelrecht angewachsen. Allerdings haben alle künstliche Nasen einen argen Fehler, sie schrumpfen allmählich zusammen und sind nach einem Jahre zu einem unförmlichen Gesichtsvorsprung einge- trocknct. Wahrscheinlich war dies auch der Fall bei der Dame mit dem Totenkopfe, welche also nicht in das Gebiet der Märchen gehört, sondern, wie Hofrat Albert bezeugte, in der That gelebt und auch die Hilfe der Wissenschaft in Anspruch genommen hat.
(Ein wunderbarer Drosch kengaul.) Von Hause aus begabte Tiere, wie Pferde, Hunde u. s. w. durch geeignete Dressur zu hohen, von Tieren im allgemeinen nicht geübten Leistungen zu bringen, ist eine nicht nur reizvolle, sondern auch gewinnbringende Thätigkeit, welche grade in der letzten Zeit anscheinend außerordentliche Erfolge erzielt hat. Wenigstens läßt sich die „Franks. Zeitung" aus Berlin folgendes schreiben:
Alles sprang von den Sitzen. Unter Bedauern, Händedrücken, Küssen ging das Paar zuni Wagen, der bereit stand. Der elende Droschkengaul brachte sic Beide schweigsam und verstimmt nach Haus. Er öffnete rasch die Hausthür, den Korridor. Er drückte die Klingel, das Mädchen kam. „Lebe wohl, bald bin ich zurück. Wir sprechen nachher. Was war denn mit Dir, heute abend?" fragte er, als erinnerte er sich erst jetzt. Cr umarmte sie, apathisch erwiderte sie seinen Kuß.
Damit scheint die Dressur den Höhepunkt ihrer Leistungen erreicht zu haben. Alle Achtung! Ein wunderbares Tier, dieser Droschkengaul! Daß er „schweigsam und verstimmt" das Paar nach Hause brachte, erscheint zwar nicht auffällig; das ist so die Art der Droschkengäule, aber daß er auch noch rasch die Hausthüre öffnete und auf die Klingel drückte, ist höchst merkwürdig. Doch das Merkwürdigste kommt nach. „Er umarmte sie, apathisch erwiderte sie seinen Kuß." Mehr kann man von einem
Droschkengaul nicht verlangen. Zu verwundern ist nur, daß die Dame seinen Kuß überhaupt, wenn auch apathisch, erwidert hat.
ZurWarnung. Personen jeden Standes erhalten als Personalkredit von 200 Mark an aufwärts jede beliebige Summe. Die Rückzahlung der geliehenen Summen erfolgt in Ratenzahlungen. So kann man gegenwärtig in zahlreichen Zeitungen lesen. Ein Mann wollte sich die verheißene Glücksbotschaft zu Nutzen machen und erbat sich ein Darlehen von 500 Mark. Nach wenigen Tagen traf von dem Bankhaus Guilleaume-Mandel in Pest ein Schreiben ein, durch welches der Betrag zur Verfügung gestellt wurde gegen 6 Prozent Zinsen; vorher aber seien !0 Mark für Vermittlung des Geldes einzusenden. Nachdem die Provision eingezahlt war, kam statt der erbetenen Summe die Aufforderung. weitere 40 ^ als Mitgliedsbeitrag zu dem Kreditverein cinzusenden. Der Mann hat es aber vorgezogen, auf die Bcutelschneiderei nicht weiter hineinzufallen. die 10 vlL ist er aber auf Nimmerwiedersehen los. Möge dieser Vorfall zur Warnung dienen!
(Die Einberufung einer „Jnfluenza- konferenz") wird gegenwärtig in den wissenschaftlichen Kreisen Londons erörtert. Der Gedanke findet bei der öffentlichen Meinung der britischen Metropole allgemeinste Sympathie. Es würde sich, da eine Beschickung durch fachwissenschaftliche Autoritäten der ganzen zivilisierten Welt ins Auge gefaßt ist, um Sichtung und angemessene Verwertung alles bisher in Betreff dieser Geißel der modernen Menschheit gesammelten Materials, und um Ausfindigmachung einer wirksamen Vorbeugungs- bezw. Kurmethode handeln. Man wünscht, die Konferenz, welche unter dem Vorsitze Dr. Jenners, eines Nachkommen jenes berühmten Urhebers der Schutz- pockenimpsung tagen soll, wenn irgend thunlich, schon im Monat März zusammentreten zu sehen.
Ein in Berlin lebender Chinese gedenkt in nicht ferner Zeit eine Ehe mit einer geborenen Berlinerin einzugehen. Aus diesem Grunde erschien er dieser Tage bei einem hiesigen Geistlichen, gab diesem seine Absicht kund und erklärte zugleich zum Christentum übertreten zu wollen. Der Chinese wird nunmehr zunächst Religionsunterricht bei dem Geistlichen nehmen, sich dann taufen lassen und als Christ seine Braut heimführen. Seinen bisherige» Wohnsitz Berlin wird er nicht verlassen.
(Die Tiere ihre eigenen Aerzte.) Haben die Tiere Fieber, so fasten sie, suchen an kühlen Orten die Ruhe und das Dunkel auf, trinken Wasser und gehen so weit, sich aus Instinkt ins Wasser zu Wersen, da sie fühlen, ein kühles Bad werde ihnen wohlthun. So fabelhaft es klingt, verbinden die Ameisen die Wunden ihrer Verwundeten, indem sie dieselben mit einer durchschneidenden Flüssigkeit bedecken, die sie in ihrem Munde führen. Der verwundete Schimpanse unterdrückt das Bluten der Wunde dadurch, daß er eine seiner Hände fest auf dieselbe drückt, oder verbindet sie mit Blättern oder einem Stück Rasen. Man beobachtete einen Hund, der, als er von einer Viper in die Schnauze gestochen wurde, eiligst zu einem fließenden Wasser lief und den Kopf ununterbrochen in die Flut tauchte und sich dadurch heilte. Ein Jagdhund, der von einem Wagen überfahren worden war, legte sich, als erkriechend den Fluß erreicht hatte, in denselben hinein und blieb, nur ab und zu herauskommend, trotzdem es Winterzeit war, drei Wochen darin fliegen. Aus Mitleid brachten ihm die Leute, die es sahen, täglich ein wenig zu fressen. Er genaß bei dieser Kur. Ein Dachshund hatte eine schwere Verletzung am Auge erhalten, legte sich in einen dunkeln, kühlen Winkel, somit das Licht und die Wärme meidend, während es sonst seine Gewohnheit war, so dicht als möglich am Ofen zu liegen. Das Auge heilte er durch Ruhe und große Mäßigkeit. Die Behandlung bestand darin, daß er während zweier Tage und zweier Nächte
fortwährend die untere Seite seiner rechten Pfote beleckte und die nasse Stelle auf das kranke Auge legte; sobald die Pfote trocken war, wiederholte er dies. Die verwundeten Katzen heilen sich gleichfalls durch fortwährendes Befeuchten der tranken Stellen. Eine verwundete Katze blieb tagelang am User eines kleinen Flüßchens liegen, bis sie genesen war, und eine andere, 3 Monate alte, legte sich 48 Stunden, schwer verletzt wie sie war, unter einen Springbrunnen und verließ den Platz erst, als sie genesen war.
(Die ägyptische Finsternis.) Der Zeitpunkt der ägyptischen Finsternis, von welcher in der Bibel die Rede ist, ist jetzt einer astronomischen Untersuchung unterzogen worden. In der Vermutung, daß in der Ueberlieferung einer am 1. Nizan des Auszugsjahres der Juden aus Aegypten (1312 v. Chr.) daselbst stattgehabten Finsternis die Erinnerung an eine Sonnenfinsternis erhalten ist, wurden aus allen zentralen Sonnenfinsternissen des 13. und 14. Jahrhunderts v. Chr. die Frühjahrsfinsternisse herausgesucht. Die Berechnung ergab, daß von diesen nur eine einzige für Aegypten von Bedeutung sein konnte. Es ist dies die ringförmige Sonnenfinsternis des Jahres 1335 v. Chr. vom 13. März. Da diese aber zugleich alle durch die Ueberlieferung erhaltenen Merkmale (Monat und Wochentag) der in der Bibel erwähnten ägyptischen Finsternis besitzt, so hält man es für ^wahrscheinlich, daß die in der Bibel erwähnte Verfinsterung mit der Sonnenfinsternis 1335 am 13. März identisch sei. Dann fiele der Auszugstag der Juden aus Aegypten auf den 27. März des Jahres 1335 v. Chr.
Ein hübsches Rcchenexempel bringt das „Wiener Fremdenbl." seinen Lesern: Um dos Alter eines heiratsfähigen Mädchens kennen zu lernen, bediene man sich folgenden Verfahrens. Man sage dem jungen Mädchen, sie möge die Zahl des Monats, in welchem sie geboren ist, niederschreiben, diese Zahl mit 2 multiplizieren, dann 5 hinzuzählen, hierauf mit 50 multiplizieren, dann ihr Alter hinzurechnen, dann 365 abziehen» !15 hinzuzählen; hierauf befragt man sie, welche Summe sie jetzt erhalten hat. Die beiden Ziffern rechts werden stets ihr Alter anzeigen, die übrige den Monat ihrer Geburt. Zum Beispiel, die Summe ist 822, dann ist das Mädchen 22 Jahre alt und wurde im 8. Monat, also im August geboren. Man möge Versuche anstellen und wird mit bewunderungswürdiger Sicherheit stets das Richtige treffen.
Feinde der Fremdwörter werden eine gewisse Genugthuung darüber empfinden, daß man den kärglichen Ertrag der anläßlich der Trierer Ausstellung veranstalteten Sammlung —> bei fast 2 Millionen Besuchern nur 7000 ^ — der falschen Auslegung der über dem Opferstock befindlichen Ueberschrift „für die Dom - R e staura- tion" zuschrcibt.
Ein Liebhaber ließ sich im Zorn zu der Drohung Hinreißen, er wolle die Briefe der Geliebten veröffentlichen. „Meiner Briese brauche ich mich dann nicht zu schämen," erwiderte diese, „wohl aber der Adresse."
A.: O, wie viel närrische Käuze giebt es doch!" B.: „Sogar gewöhnlich einen mehr, als man glaubt."
Zahlenrätsel
12345678 ein alter Gott von großer Macht,
1 2 3 4 8 eine preußische Stadt,
3 2 8 6 4 was ein Chirurge hat,
2 6 4 ein antikes Gedicht,
3 7 8 8 4 gibt uns Allen Licht,
3 4 11 ist ein Bua voll Schneid,
2 6 5 8 ein Gott in alter Zeit,
3 4 5 6 4 manch schönes^ Weib umspannt,
5 8 6 5 4 8 ein fernes Altes Wunderland.
Redaktion, Druck und Verlag oon Chrn. Meeh in Neuenbürg.