sitze in Coulon wohnte ein junger und reicher Grundbesitzer Dehay schon seit einigen Jahren nur mit seiner Mutter, einer 70jährigen Greisin, die er vergötterte und der zu Liebe er auf seine Stellung — er war Advokat und im Besitze von 15 000 Rente — verzichtete, um sich ihr ganz widmen zu können. Die größte Eintracht und Anhänglichkeit herrschte zwischen Mutter und Sohn, die miteinander im Wohlthun wetteiferten und von der Landbevölkerung verehrt wurden. Dieser Tage erkrankte Frau Dehay, und die Aerzte erkannten bald, daß keine Hoffnung mehr vorhanden war, die hochbetagte Frau zu retten. Ihr Sohn brachte den Montag in einer unsäglichen Aufregung zu und weigerte sich, seine von gräßlichen Schmerzen gequälte Mutter zu sehen. Der Pfarrer, den die Diener herbeigerufen hatten, suchte den Schwermütigen zu ermuntern, allein alle seine Bemühungen blieben erfolglos. Gestern früh entfernte Dehay die Krankenwärterin unter dem Vorwandte, einen Brief nach dem Postamte von Rogent zu bringen, und betrat entschlossenen Schrittes das Krankenzimmer. Wenige Augenblicke später hörte man Frau Dehay rufen: „Georges! Georges! Willst Du mich denn töten?" und kurz darauf fielen zwei Schüsse: Georges Dehay hatte seiner Mutter eine Kugel in die Schläfe gejagt und sich dann selbst den Schädel zerschmettert. Als die Nachbarn herbeieilten, fanden sie nur noch zwei Leichen.
(Ein Schlauberger.) Durch eine Kriegslist gewann dieser Tage ein Schlächtergeselle eine jener unsinnigen „Eßwetten"' die schon so viel Unheil veranlaßt haben. In einer Wirtschaft in Berlin erzählte nämlich der Wirt, daß sein Karo, ein gewaltiger Neufundländer / unglaublich viel Futter gebrauche. Da exhob sich plötzlich am Nebentische ein hünenhafter Schlächtergeselle und erklärte, er sei im Stande mehr zu vertilgen, als der Riesenhund. Er erbot sich, als der Wirt dies bezweifelte, zu einer Wette, welche sofort zum Austrag gebracht werden sollte. Der Wirt ging die Wette ein und es wurde festgesetzt, daß der Unterliegende — für den Hund selbstverständlich dessen Herr — außer einer „Lage" für die Anwesenden auch die Kriegskosten, d. h. den Betrag für die verzehrten Speisen, bezahlen solle. Der Schlächter, der sich die Wahl der Speisen Vorbehalten hatte, bestellte für sich und seinen Gegner zunächst je eine Portion Kalbsbraten. Karo, der bis dahrn behaglich am Ofen lag, ward gerufen und verzehrte mit großem Behagen schnell den unverhofften Leckerbissen. Auch der Schlächter war bald fertig. Darauf verspeisten die beiden Gegner noch mehrere Portionen Braten, Karo mit unveränderter Leichtigkeit, der Schlächter aber zuletzt nur noch mühsam, so daß der Wirt schon zu triumphieren begann. Da ließ der Schlächter aber zwei trockene Brötchen bringen, biß herzhaft in eines und reichte das zweite seinem vierbeinigen Gegner. Dieser beschnüffelte aber nur das Gebäck und wendete sich dann verächtlich ab, während der Schlächter tapfer zubiß, bis der letzte Happen verzehrt war. Dann erhob der Hüne sich von seinem Platz und ries dem verblüfften Wirt lachend zu: „Sehen Sie nun, ich habe gesiegt; her mit der Lage!" Die Gäste stimmten dem Schlauberger zu und der Wirt mußte gute Miene zum bösen Spiel machen und die „Lage" zum besten geben.
(Ein aufregender Moment.) Eine der größten Sehenswürdigkeiten Londons ist — das Hauptpostamt an jedem Nachmittag um 6 Uhr. Um die Zeit schließt die Annahme für die „koroiZn ms.il", für die ausländische Post. Für die Annahme der Briefe und der Zeitungen sind Briefkasten bestimmt, deren Umfang an die Arche Noah erinnert und deren Einschnitte von der Weite sind, daß ein Mann bequem hineinklettern könnte. Unfug ist dadurch vorgebeugt, daß die Briese in eine für Unbefugte unerreichbare Tiefe versinken. Punkt 6 Uhr aber schließen die Kasten sich auf automatischem Wege- Nun ist es ein über alle Maße fesselndes Schauspiel, das auch stets Hunderte von Neugierigen anzieht, diejenigen
zu beobachten, welche die Postaufgabe bis zum letzten Augenblick hinausgeschoben haben und nun heranstürmen, um noch vor Thorschluß zu kommen. Wer bis auf eine, ja auch nur eine halbe Minute vorher eintrifft, hat es gut. Die Menge, welche immer mehr anschwillt, weil jeder, der seine Last losgeworden ist, einen Moment verbleibt, um die weiteren Vorgänge zu beobachten, läßt willig eine Gosse offen. Nun aber hebt die große Glocke zum Anschlägen der Stunde aus. Langsam. schwerdröhnend schallen ihre Töne, weithin vernehmbar. Wer bis dahin zur Post lief, jagt und fliegt nun. Atemlos keucht er mit seiner Last heran. Schon ist der 2. und 3. Schlag verklungen, neue Boten erscheinen auf den Stufen und nun, da sie die Briefkästen kaum noch erreichen können, beginnen sie ihre Wurf geschicklichkeit zu zeigen. In weitem Bogen über die Köpfe der Zuschauer fort stiegen die zusammenhängenden Packete, die allermeisten erreichen ihr Ziel und verschwinden, wo eins daneben fällt, helfen freundliche Hände nach, es schlägt 4—5 — noch ein besonders großes Bündel Zeitungen nimmt im Fluge einen Hut mit in den Orkus — 6 — die Klappe fällt und furchtbar enttäuscht ziehen die Boten ab, die zu spät gekommen sind und die nun ein beträchtliches Strafporto zu zahlen haben.
(Elektrische Wagen zum Befahren schienenloser Straßen. So bedeutende Ausdehnung das elektrische Straßenbahnensystem in den europäischen und noch mehr in den amerikanischen Städten erfahren hat, ist es doch unablässiger Bemühungen der verschiedensten Elektrotechniker bis jetzt noch nicht gelungen, einen Wagen für elektrischen Betrieb zu konstruieren, mit dem man schienenlose Straßen befahren könnte. Jedenfalls aber hat keiner der Konstruktionsversuche ein kommerziell auszubeutendes Resultat gegeben. Nach einem uns zugehenden Bericht des Patent- und technischen Bureaus von Richard Lüders in Görlitz ist es jetzt endlich zwei Italienern beinahe zu gleicher Zeit, aber auf verschiedene Weise geglückt, diese Aufgabe zu lösen. Das erste Fahrzeug mit 3 Rädern beruht auf dem Antrieb durch Accumuiatoren. hat ein reines Gewicht von 2'/» Ztr.. ist 6 Fuß lang, 3 Fuß breit und kann zwei Passagiere befördern. Die 10 Zellen des Accumulators. die in einem Ebenholzgehäuse untergebracht sind, liefern per kg. Platte 25 Ampere-Stunden. Die Ladung ist bei einer Leistung von 12 Ampere für 10 Stunden genügend. Der Motor verbraucht 942 Watt und macht angeblich 3000 Umdrehungen per Minute. Für den Wagentypus, der mit einer Primärbatterie in Bewegung gesetzt wird, hat der Konstrukteur ein ganz besonderes System einer solchen Primärbatterie ersonnen, welches bei höchster Einfachheit das Problem der elektrischen Fortbewegung auf gewöhnlichen Straßen praktisch löst. Nähere Einzelheiten über diese Batterie sind bis jetzt noch nicht veröffentlicht; doch wird versichert, daß die tote Last auf ein Minimum reduziert ist und daß der Wagen drei Personen aufnehmen kann.
(Sprechende Uhren.) Eine sprechende Uhr, die neue Erfindung Edisons, soll auf der nächsten elektrischen Ausstellung in Petersburg zu sehen und zu hören sein! Die Uhr ist mit einem Phonographen versehen, der mit menschlicher Stimme die Stunden, halbe und Viertelstunden meldet. Ein Zifferblatt ist nicht vorhanden, an seiner Stelle befindet sich ein Gesicht, das mechanisch den Mund öffnet, um die Zeit anzugeben. Gleichzeitig dient die Uhr auch als Wecker. Vermöge eines besonderen Mechanismus kann man sie nämlich so stellen, daß zu einer bestimmten Stunde in der Nacht die Uhr mit lauter Stimme mehrere Male nach der Reihe den Weckruf: „Es ist Zeit zum Aufstehen" u. s. w. erschallen läßt. Auch am jTage kann die Uhr Mahnungen in der Art wie: „Geh jetzt ins Geschäft" oder „Das Theater fängt bald an" u. s. w. vernehmbar machen. Die Uhr wäre sehr passend für eine gewisse Sorte von Bankiers, um diesen alle Viertelstunden zuznrufen „Sei ehrlich!"
Als es im diplomatischen Verkehr noch Sitte war, daß ein bei irgend einem fremden Hofe akkredidierter Gesandter in der Antritts- Audienz eine Anrede an den Monarchen in der Sprache seines eigenen Landes hielt, gleichviel ob einer der Zuhörer diese verstand oder nicht, hatte Graf Königsmark, schwedischer Gesandter am französischen Hofe, das Unglück, inmitten seiner feierlichen Anrede an Ludwig XIV. stecken zu bleiben, aber nur einen kurzen Augenblick. Stärker als sein Gedächtnis war aber seine Geistesgegenwart. Ueberzeugt, daß keiner der Umstehenden ein Wort Schwedisch verstand, fuhr er unverzagt fort zu sprechen, freilich nicht seine Rede, sondern zunächst das schwedische Vaterunser, dann den Glauben, beides unter tiefen Verbeugungen gegen Se. Majestät, worauf er als es endlich Zeit wurde, zu enden, mit einem Tischgebet schloß, letzteres unter besonders ehrfurchtsvollen Gesten gegen den Thron. Die Rede wurde außerordentlich gnädig ausgenommen und nur der Redner selbst hatte alle Mühe das Lachen zu halten.
Die Glücksgöttin hat bei der Anti- sklaverei-Lotterie nicht ganz blindlings ihres Amtes gewaltet, sondern ihre Gaben mit einem gewissen Verständnis verteilt. Daß der erste Hauptgewinn von 600 000 Mark an sogenannte kleine Leute nach Danzig gefallen ist, ist schon bekannt. Wir können dem nunmehr hinzufügen, daß der auf die Nr. 124,368 gefallene dritte Hauptgewinn im Betrage von 125 000 ^ 13 Arbeitern zugefallen ist. Auch der 50 000 ^ betragende 5. Hauptgewinn ist meist kleineren Leuten zugefallen.
Ein Fastenprediger überraschte seine Zuhörer in einer etwas leichtlebigen rheinischen Tiadt mit der Bemerkung: „Was die Zahl der ehrbaren Frauen und Jungfrauen dieser Gemeinde anbetrifft, so getraue ich mir sie allesamt auf einem Schubkarren zum Thore hinauszufahren." Darüber natürlich große Unruhe und Entrüstung im Auvitorium. Der Redner aber beschwichtigte die Unzufriedenen sogleich, indem er hinzusetzte: „Versteht sich: eine nach der anoern."
Auf einem Hofball fragte Baron v. S. die Gräfin v. R.. die Tochter eines reichen Kaufmanns aus Hamburg: „Womit handelte doch gleich Ihr Herr Vater?" Den Doppelsinn dieses Wortes rasch erfassend, erwiderte die geistvolle Frau: „Mit Verstand." Und Friedrich Wilhelm IV. fügte hinzu: „Und seine Tochter setzt das Geschäft mit Glück fort."
(Honig gegen die Influenza.) Ein wirksames Mittel gegen die Influenza ist, wie Pater Cölestin Schachinger in Wien schreibt, im Honig enthalten: „Nimmt man täglich einige Kaffeelöffel voll davon und läßt ihn langsam auf der Zunge auflösen, so kann man ziemlich sicher sein, von der gedachten Krankheit verschont zu bleiben; Honig in Wasser gelöst und durch die Nase geschlürft. beschleunigt den Heilungsprozeß, wie ich vor zwei Jahren an mir selbst erfahren habe. Die Ursache dieser Erscheinung liegt ohne Zweifel darin, daß guter Honig einen Beisatz von Ameisensäure enthält, welch' letztere den Influenza- Bacillus, der sich vorzugsweise in den Schleimhäuten fortpflanzt, tötet. Natürlich muß der Honig echt sein, denn nur solcher enthält Ameisensäure; die aus Syrup erzeugten honigähnlichen Süßstoffe sind abgesehen von manchen geradezu gesundheitsschädlichen Beimengungen, die sie enthalten, auch sonst kein Vorbeugungsmittel gegen die in Rede stehende Krankheit."
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Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.