Der GmtMer.

Unterhaltungsblatt für das Enzthal und dessen Umgegend.

rntsbtcrtt für den HbercrmLsbezirk Weuenbürg.

SV. Iah <g a n g.'»

Neuenbürg, Freitag den 1. Januar

1892 .

Erscheint Diens?-8?7S-nnerstag, Samstag und Sonntag. Preis vierteljährlich 1 ^ 10 monatlich 40 ^ durch die Post bezogen im Oberamtsbezirk vierteljährlich 1 25 monatlich 45 außerhalb des Bezirks vierteljährlich 1 ^ 45 Einrückungspreis für die Ispaltige Zeile oder deren Raum 10 <4-

UM neuen Jahr.

Nun tönet wieder ehern Glockenklingen Weit durch die stille Winternacht:

Das alte Jahr will es zur Ruhe bringen, Das neue grüßt's, das jetzt erwacht.

Das alte Jahr! Was soll die stille Thräne, Die jetzt in deinem Auge blinkt,

Weil dir, wie heiß dein Herz es auch ersehne, Verlornes Glück nicht wieder bringt!

Das neue Jahr! Ein Lächeln voller Hoffen, Seh' ich durch deine Züge geh'n:

Ja, der Verheißung Pforten stehen offen Und du fühlst Lenzeswinde weh'n.

Getäuscht so oft, von neuem wieder streben, Im Glücke klein, im Hoffen groß,

Das Höchste woll'n, im niedern Staube leben, Das ist das alte Menschenlos!

Auf! neues Jahr, breit aus die raschen Schwingen, Umglänzt vom lichten Morgenrot!

Ins Herz der Völker mögst du leuchtend bringen Der Lieb und Eintracht hold Gebot!

Mög' sich vor deinem Glanz der Nebel heben, Der innern Zwietracht, die uns drückt:

So sollst du über Friedenspalmen schweben Und über Menschen, froh beglückt!

Im ewigen Strome der Zeit bedeutet ein Jahr nur einen kleinen Schritt, aber im Leben der Menschen und Völker ist ein Jahr immer ein wichtiger Abschnitt. Gewaltige Umwälzungen können in der Zeitspanne von zwölf Monden sich im Dasein des einzelnen Menschen wie auch in der Entwickelung der Nation, welcher er angehört, vollziehen, und diese Möglichkeit in Verbindung mit dem Bewußtsein, daß die Zukunft für jeden Sterblichen mit einem dichten Schleier verhüllt ist, verleiht dem Jahreswechsel einen geheimnisvollen Reiz und entlockt dem Gemüte des hoffen­den und zagenden, kämpfenden und sorgenden Menschen Augenblicke der weihevollsten Stimmung. Denn mag schon der Grübler, der Schwarzseher und der Schuldbeladene mit bangen Befürchtungen der Zukunft entgegenschauen, so sagt doch sonst der ge­sunde Menschenverstand, daß es thöricht ist, sich in Bezug auf das neue Jahr nur düsteren Ahnungen und traurigen Gedanken hinzugeben. Die tägliche Erfahrung wie auch der Verlauf der Weltgeschichte lehren, daß die schlimmsten Befürchtungen im Menschen und Völkerleben sich meistens doch nicht erfüllen, daß es aus Angst, Not und Gefahr, Verirrung und Sünde für den treuen Kämpfer eine Rettung gab, oder daß dem im Kampfe erliegenden Streiter doch eine schöne Hoffnung leuchtete, die seinen Geist erhob über Erdenschmerz und Erdenleid. Mit guten Hoffnungen

und froher Zuversicht sollen wir daher auch das neue Jahr begrüßen, denn es ist vielleicht gerade in diesem Jahre, wo wir ein schon lang ersehntes Ziel erreichen, einen schon lange gehegten Wunsch in Erfüllung gehen sehen.

Nicht unerfreulich sind auch die Aussichten der Zukunft im politischen und wirtschaftlichen Leben der Völker Europas und besonders unserer Nation. Das Friedensbedürfnis ist bei allen Regierungen doch zur Grundlage aller Politik ge­worden, und daraus ergeben sich schon für alle Kulturarbeiten, für Industrie und Handel, Landwirtschaft und Gewerbe, Künste und Wissenschaften große Segnungen. Das gesamte Wirtschaftsleben leidet allerdings noch sehr unter dem Drucke einer durch eine teilweise Mißernte hervorgerufenen Lebensmittelverteuerung und unter den Folgen einer noch nicht überwundenen Industrie-Krisis. Das neue Jahr bringt aber für die maßgebenden Staaten Mitteleuropas eine handelspolitische Annäherung und damit auch wahrscheinlich einige Milderung für die wirtschaftlichen Uebelstände der Gegenwart. Auch hoffen wir im neuen Jahr vom Segen des Himmels eine gute Ernte für die Landwirtschaft und damit m Verbindung stehend eine Hebung des allgemeinen Wohlstandes. Mit hoffnungsvollem Vertrauen dürfen wir daher die Schwelle des neuen Jahres überschreiten!

Amtliches.

Neuenbürg.

De« Oktsbehördk« siir die Ardeiter-Derßihttuig

wird auf mehrfach gestellte Anfragen wiederholt bekannt gegeben, daß die Quittungskarten für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung erst dann umzutauschen sind, wenn in dieselben 52 Beitragsmarken eingeklebt sind. Wenn hienach einzelne Quittungskarten in Folge Arbeitslosigkeit, Krank­heit oder Militärdienst der Versicherten noch nicht mit Beitragsmarken ausgefüllt sind, so ist mit dem Umtausch bis zu vollständiger Ausfüllung innerhalb der Giltigkeitsdauer der Karte zuzuwarten.

Den 30. Dezember 189l. K. Oberamt.

H o f m a n n.

Neuenbürg.

Die Ortsior-etzrr

werden angewiesen, die Sportelurkunden für das Quartal Oktober, No­vember, Dezember d. I., zutreffendenfalls unter Anschluß der Sportel­gelder alsbald nach Schluß des Quartals, spätestens aber bis

zum 5. Januar k. I.

(unfrankiert) hieher einznsenden.

Den 30. Dezember 1891. K. Oberamt.

H o f m a n n.

Neuenbürg.

Dir Ortsver-ehrr

werden unter Hinweisung auf den oberamtlichen Erlaß vom 26. Januar 1888 Enzth. Nr. 15 daran erinnert, daß die Nachweisungen über die in den Monaten Oktober, November, Dezember d. I. zur Ausführung ge­kommenen Regiebauten eventuell Fehlanzeigen, letztere ebenfalls wie die Nachweisungen selbst je nach Hochbauten und Tiefbauten getrennt spätestens bis zum 7. Januar k. I. hieher einzusenden sind.

Von den Gemeinden, welche ihre Wegarbeiter bei der Versicherungs­anstalt der^Tiesbau-Beruss-Genossenschast gegen feste Prämien versichert

haben, sind nur Nachmeisungen bezw. Fehlanzeigen über die in den ge­nannten Monaten zur Ausführung gekommenen Privatregie-Tiefbauten und Hochbauten vorzulegen.

Es wird erwartet, daß der obengenannte Termin genau einge- halten wird.

Den 30. Dezember 1891. K. Oberamt.

H ofmann.

K. Amtsgericht Neuenbürg.

Aeckbkief-Klae«kl«iig und DWchls-Aitjkigk.

Der gegen den Taglöhner Wilhelm Bockhorny von Aidlingen OA. Böblingen am 10. August 1891 erlassene Steckbrief Fahndungsblatt Nr. 185 wird

erneuert.

Bockhorny ist (außer früher begangenen Diebstählen) verdächtig, er habe zu Neuweiler OA. Calw aus dem Hause der Wittwe Christine Pfeiffer, deren Sohn Ernst Pfeiffer in der Zeit vom 4. bis 8. Dezember 1891 eine silberne Uhrkette im Werte von ca. 15 und am 16. De­zember verschiedene Kleidungsstücke im Wert von etwa 50 cM, nämlich einen neuen Anzug (Juppe, Weste und Hose) aus karrienem Stoff mit etwas rot, eine ältere aber noch gut erhaltene dunkle Juppe und Hose, eine noch neue Tuchkappe, zwei weiße Hemden mit einem goldenen Brust- knöpfchen und einen Gummikragen, sowie einen Militär-(Landsturm-)Paß auf den Namen des am 10. September 1869 zu Rothensol OA. Neuenbürg geborenen Ernst Pfeiffer lautend, entwendet.

Die Kette ist eine sogenannte Panzerkette, sechsfach, am obern Ende mit einem Pferdekopf, an welchem eine kleine silberne Pistole und ein Rößlein, einen Siegelstock darstellend, hängen.

Bockhorny ist am 16. November 1891 aus dem Amtsgerichts-Ge­fängnis zu Breiten entsprungen und treibt sich, wie es scheint, vorwiegend im Oberamt Calw umher, wo er abgelegene Ortschaften und Gehöfte aufsucht. Derselbe ist 28 Jahre alt. 1,70 m groß, breitschultrig, mit braunen Haaren, dunklen Augen ziemlich großem Mund, gesunder sonn» verbrannter Gesichtsfarbe trägt vermutlich einen Teil der gestohlenen Kleider am Leibe und benützt den entwendeten Militärpaß zu seiner Legitimation. Um energische Fahndung wird gebeten.

Den 30. Dezember 1891. Amtsrichter Weber.