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Der Entwurf des Trunksuchts­gesetzes gelangt, wie man hört, erst im Januar an den Bundesrat.

Entschädigung unschuldig Verurteilter. Sicherem Vernehmen nach werden schon in der nächsten Zeit im Reichstage die Anträge auf Entschädigung unschuldig Verurteilter erscheinen und auch auf Ent­schädigung für unschuldig erlittene Straf­haft ausgedehnt werden.

Daß auch eine Körperverletzung einem Arbeiter zugefügt von einem anderen ein Betriebsunfall sein kann, hat das Reichsversicherungsamt kürzlich entschie­den. In einer Maschinenfabrik waren zwei Arbeiter in Streit geraten, in dessen Verlauf der eine Arbeiter gegen den andern eine eiserne Stange schleuderte. Diese traf indessen einen bei dem Streit unbeteiligten, in der Nähe arbeitenden Handlanger und verletzte ihn tötlich. Die beteiligte Ge­nossenschaft drang mit ihrer Auffassung, daß eine Körperverletzung, von Anderen zugefügt, kein Betriebsunfall sein könne, beim Schiedsgericht nicht durch und das Reichsversicherungsamt trat, wie erwähnt, dieser Entscheidung bei.

Hannover, 15. Novbr. Die Tuch­firma A. und H. Goldschmidt ist mit 400 000 falliert.

Karlsruhe. 17. Nov. Das große Ereignis des Tages ist die bei Eröffnung der Tagung des Landtags angekündigte Herabsetzung der Steuern trotz der auf dem vorigen Landtag beschossenen erheb­lichen Mehrausgaben und der bevorstehen­den auf die Staatskasse zu übernehmenden bedeutenden Summen für die Besserstellung der Volksschullehrer und ihrer Hinter­bliebenen. Die Wirkung dieser willkomme­nen Ankündigung ist um so tiefergehend, als der Entschluß nur in den engsten ein- geweihten Kreisen bekannt war und als die bewährte Vorsicht der badischen Finanz­verwaltung ihn zu einem innerlich vollbe­rechtigten stempeln muß. Die Minderung beträgt fast '/r bei der Grund-, Häuser- und Gewerbesteuer; ein volles Fünftel bei der Einkommesteuer, jedoch nur ein Elftel bei der Kapitalrentensteuer. Die Er­leichterung scheint einem Teil der Oppo­sitionspresse etwas in die Quere gekommen zu sein. Wenigstens spricht der heute erschienene Beobachter bereits die Er­wartung aus, man dürfe über materielle Erleichterung die Erringung politischer und kirchlicher Rechte nicht vergessen. Da­bei wird übrigens anerkannt, daß die An­kündigung der Steuerherabsetzung beson­deren Beifall erregte und speziell noch der Umstand, daß die Erleichterung schon bei der fürsorglichen Forterhebung der Steuern in Wirksamkeit treten soll.

Mannheim, 17. Nov. Die Ketten­schleppschiffahrt auf dem Neckar, welche in der vergangenen Woche infolge des niederen Wasserstandes eingestellt werden mußte, konnte gestern wieder ausgenommen werden, nachdem seit Samstag das Wasser in langsamem Steigen begriffen ist. Auch der Rhein wächst seit einigen Tagen wieder. Trotzdem ist dessen Wasserstand für die Schiffahrt gegenwärtig noch sehr ungünstig.

Mannheim, 18. Nov. Einblütiges Familiendrama hat sich in dem benach­barten Orte Neckarau zugetragen. Der

dort lebende, unbescholtene und in günstigen Verhältnissen lebende Landwirt und Ge­meinderat Ludwig Weidner schlug heute infolge eines Wortwechsels mit einem Hammer seiner Frau derart auf den Kopf, daß sie bewußtlos niederstürzte. Weidner glaubte, daß er seine Frau totgescblagen habe und machte seinem Leben durch Er­hängen ein Ende. Der Zustand der Frau Weidner ist zwar bedenklich, aber nicht hoffnungslos.

Aus der Pfalz, 12. Nov. Ein frecher Raubaufall, der nur durch Geistes­gegenwart der überfallenen Dame ver­eitelt wurde, wurde gestern in dem bei Zweibrücken gelegenenLuitpoldparke" an einer auf einem Spaziergange befindlichen Dame verübt. Sie wurde von einem Land­streicher, der sie bereits eine Zeit lang verfolgt hatte, mit den Worten:Ent­weder oder" angegriffen und zu Boden geworfen. Der Mörder kniete auf sie hin und hielt ihr den Mund zu. Nunmehr entspann sich ein verzweifeltes Ringen, wobei cs der Angegriffenen gelang, dem Burschen in die Hand zu beißen, sodaß dieser von seinem Opfer loslassen mußte. Im Aufstehen versetzte er der Dame einen Stich in die Brust. Hiebei entwand sie dem Mordgesellen das Messer und führte einen Stich nach ihm. Nach abermaligem kurzem Ringen brachte er das Messer wieder an sich und versetzte seinem Opfer einen Stich in die rechte Seite. Nachdem der Mörder sich überzeugt hatte, daß die Dame kein Geld bei sich führte, entfernte er sich. Fräulein Kallenbach schleppte sich blutüberströmt nach Hause; ihr Zustand ist bedenklich. Der Thäter ist noch nicht ermittelt.

Württemberg.

Stuttgart, 18. Nov. Bei der Ver­teilung der insgesammt vom Reiche aus die Einzelstellung zu überweisenden Summe von 351096000 ^ entfallen auf Württem­berg nach dem Reichshaushaltsctat für 1892/93: 14,9 Millionen.

Die bürgerlichen Kollegien Ludwigs­burg s haben zur bleibenden Erinnerung an den Regierungsantritt des Königs der seitherigen Poststraße den NamenWil­helmsstraße" beigelegr. j

Göppingen, 14. Nov. Hinsichtlich der Sonntagsruhe scheinen die hiesigen Ladeninhaber der großen Mehrheit nach anderer Ansicht zu sein, als die Inhaber der Fabrik-, Groß- und Bankgeschäfte. Der Umlauf der schriftlichen Aufforderung ist zwar noch nicht vollendet, woran der Umstand, daß in den letzten 10 Jahren viele kleine kaufmännische Geschäfte, bezw. Kramladen hier entstanden sind, mit Schuld sein dürfte, aber es ist so viel bekannt geworden, daß sehr viele Ladeninhaber dafür sind, daß die Läden von 11 Uhr vormittags an Sonntagen offen sein sollen. Von einer Einschränkung dieser Zeit oder gänzlichem Schließen an Sonntagen be­fürchten viele beträchtlichen Schaden, indem sie glauben, daß die Landkundschaft zum Teil verloren gehen und die Hausierer den Gewinn davon haben würden.

Ausland.

Das französische Ministerium Frey- cinet hat zwar den ersten Ansturm, zu

welchem sich die Radikalen und Konserva­tive verbündet hatten, noch glücklich abge­schlagen , seine Tage dürften aber gleich­wohl gezählt sein. Ein offiziös russisches Blatt, der BrüsselerNord", hatte den Franzosen bedeutet, Rußland erwarte von Frankreich eine Stetigkeit der Regierung, weshalb das gegenwärtige Ministerium nicht beseitigt werden dürfe. Eine der­artige Einmischung der Russen in innere französische Angelegenheiten verbitten sich aber die Franzosen und zwar mit Recht und gerade diese Einmischung könnte den Sturz des Ministeriums beschleunigen, um­somehr, als die französischen Kapitalisten an ihren russischen Papieren in der letzten Woche weitere Verluste in beträchtlicher Höhe erlitten haben. Der Besuch des russischen Ministers des Auswärtigen, Herr v. Giers, in Paris veranlaßt zwar die Pariser Blätter zu neuen Wett­kriechereien vor Rußland, womit aber der gegen das Kabinet heranziehende Sturm schwerlich zum Schweigen gebracht werden dürfte.

Der russische Botschafter am Berliner Hofe, Graf Schuwaloff, soll, nach einem mit großer Bestimmtheit auftretcnden Ge­rücht, dazu ausersehen sein, die Stelle des Gouverneurs v. Moskau zu über­nehmen. Großfürst Sergius, welcher erst vor kurzem in diese Stellung eingesetzt wurde, sei bereits zum Rücktritt entschlossen, da zwischen ihm und dem Zaren eine tiefgehende Meinungsverschiedenheit bezüg­lich der gegen den Notstand anzuwenden­den Maßregeln eingelreten ist.

Paris, 17 Nov. Aus Montauban wird über einen schauerlichen Vorgang, die Beerdigung einer Scheintoten, telegraphiert: Die 22jährige Frau Paffis war nach einer schweren Entbindung in eine leichenartige Starrheit verfallen, die man nach zwei Tagen für den wirklichen Tod hielt. Man schritt zur Sarglegung und zur Beerdigung, welcher die ganze Gemeinde Mirabel bei­wohnte. Nachdem das Grab schon aufgefüllt war, erzählte die Leichenfrau einer Ver­wandten, sie könne den Eindruck nicht ver­gessen, daß das Bett unter der Leiche noch nicht ganz erkaltet schien wenn Frau Paffis nicht tot wäre? Sogleich wurden die Totengräber von der aufgeregten Familie wieder herbeschieden und die Aus­grabung fand statt, leider sehr langsam Ein herbeigerüfener Arzt kam in dem Augen­blicke auf den Friedhof, da der Gatte den Sargdeckel sprengte und sich schluchzend über den Körper seiner Frau hinwarf. Sie war lebendig begraben worden, im Sarge aufgewacht, dafür zeugten ihre blutenden Nägel und das zerissene Leichen­tuch, daun aber war sie erstickt. Alle Bemühungen des Arztes blieben erfolglos.

Homonym.

Einst jedem Schüler wohlbekannt.

Bin ich jetzt aus der Schul' verbannt. Doch triffst Du mich noch immer an Beim stolzen Schiff u. auch beim Kahn. Als Hafenstadt am Ostseestrand Werd' neuerdings ich oft genannt. Wohl weniger bekannt Dir ist Daß ich auch bin ein Komponist.

Mit einer Ueikage.

I

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.