30
Berlin, 14. Jan. Wie der Voss. Ztg. telegraphiert wird, ist L i - H u n g - Ts ch ang so krank, daß mit seinem baldigen Ableben gerechnet werden muß.
Berlin, 14. Jan. Zwei junge Landschaftsmaler aus Berlin namens Froberg und van der Monde, die in Begleitung einer jungen Dame eine Schlittschuhpartie über den Schwielow-See gestem unternahmen, gerieten in der Nähe von Caputh unter das Eis und ertranken. Die junge Dame konnte gerettet werden.
Berlin, 15. Jan. Nach einem Telegramm aus Hamburg herrschte gestern in der Elbstraße abermals Groß-Feuer in einem Mobilienlager. Drei Löjchzüge gingen zur Brandstelle ab. Der Besitzer, der 50jährige Kaufmann Schick wurde durch einen herabfallenden Balken getroffen und getötet. Vier Frauen und ein Kind wurden nur mit großer Mühe gerettet. Die Ursache deS Brandes ist durch die Explosion einer Lampe entstanden.
— Für die Buren wurden in der Schweiz 106000 Frcs. gesammelt.
Rom, 14. Jan. Der Justizminister überreichte der Königin Margherita die Kugel, mit der König Humbert erschossen wurde.
London, 14. Jan. Die heutigen Morgenblätter besprechen das Scheitern der Arbeiten des Friedens-Kömites in Pretoria. Morning Leader und Daily News erklären, daß diese Niederlage verständlich sei, denn seit einem Jahre hätten die Engländer gegenüber jedem Vorschläge der Buren bezüglich einer Basis zur Herstellung des Friedens sich widerspenstig gezeigt. In der letzten Zeit, seitdem England bei den Kriegs-Operationen Mißerfolge aufzuweisen habe, sei es erklärlich, daß die Buren keine Vorschläge über ihre Unterwerfung machen. Daily Mail betont die Behandlung, die einigen Delegierten des Friedens-Komitts seitens der Buren wiederfahren ist und erklären, daß drei derselben bei Lindley am 10. Januar in die Hände der Buren gefallen seien, von denen der eine erschossen und die beiden andern gepeitscht wurden.
London, 14. Jan. Lord Roberts ersuchte privatim den Lordmayor und andere Bürgermeister von London, die feierliche Ueberreichung des ihm zugedachten Ehrenbürgerbrieses aufzuschieben. Er sagte, er habe die Empfindung, daß unter den gegenwärtigen unglücklichen Umständen einige Zeit keinerlei Festlichkeiten stattfinden sollten.
London, 15. Jan. Lord Roberts wurde gestern Abend zurKönigin nach Osborne berufen. Der Besuch hatte nur einen privaten Charakter.
London, 15. Jan. Die heutigen Morgenblätter trösten sich über die schlechten Nachrichten aus Afrika mit der Meldung, daß demnächst 20,000 Mann Verstärkungstruppen dorthin entsendet werden sollen. Diese Verstärkung soll größtenteils aus berittenen Deomanrys zusammengestellt werden.
London, 15. Jan. Aus Kalkutta wird gemeldet: 15000 englische Soldaten, deren Dienst
zeit abgelaufen ist, werden hier zurückgehalten, da die Ersatztruppen aus England noch nicht eingetroffen sind. Die Regierung wird wahrscheinlich diesen Soldaten Prämien anbieten, um sie zu bestimmen, weiter im Dienst zu bleiben. Die englische Garnison ist bereits 9000 Mann schwächer als der normale Effektivbestand erfordert.
London, 15. Jan. Der Dampfer Highland Prince von La Plata kommend, ist im Hafen von Shields angekommen. Während der Fahrt sind 4 Personen, darunter der Kapitän und ein Maat an der Pest gestorben. Andere von der Besatzung waren gleichfalls von der Krankheit ergriffen, sind aber wieder hergestellt.
Petersburg, 15. Jan. Hier tritt die Influenza in neuer Form als blitzartige Influenza auf und hat den augenblicklichen Tod zur Folge.
New-Jork, 14. Jan. (Reuter.) Eine Depesche aus Peking vom 13. Januar meldet: Prinz Tsching Unterzeichnete die gemeinsame Note der Mächte am Samstag, Li-Hung- Tschang heute.
Vermischtes.
— Ein origineller Gedanke. Das Steuerzahlen ist in Ungarn noch weniger beliebt als in anderen Ländern, und die Steuerrückstände haben eine bedeutende Höhe erreicht. Da ist nun einem ungarischen Steueroffizial, Namens Krics- falvy, der Gedanke gekommen, das Steuerzahlen beliebter zu machen, und er hat sogar ein Buch darüber veröffentlicht. Nach seinem Plan soll jeder Steuerzahler statt der Quittung ein Los erhalten, auf das man bis zu 30000 Kronen gewinnen kann. Die Lotterie würde dem Staat zwar 4 Millionen kosten, aber den Eingang der Steuereinnahmen sichern und Hm beträchtliche Ausgaben und Verluste ersparen. Denn, so meint der genannte Steuerreformator, dann würden die Exeku- toren und andere Zwangsmittel überflüssig werden, und jedermann würde sich beeilen seine Steuern zu bezahlen, uni womöglich durch die Lotterie sein Geld mit Zinsen wieder zu gewinnen. Auch die Kreise und Gemeinden sollen auf diese Weise ihre Steuern leichter erheben können. In Ungarn liebt man zwar das Spiel, auch das Lotteriespiel, das man nach deutschem Vorbild eingeführt hat, indessen wird der ungarische Finanzminister sich schwerlich herbeilassen, die Steuereintreibung in der angedeuteten Weise zu „reformieren."
— Vom Königsmörder Bresci. Wie bekannt, wird Bresci, der Mörder König Hum- berts im Zellengefängnis von Mailand festgehalten. Tie italienische Justiz wollte seine Beförderung ins Bagno abwarten, bis es der Polizei gelungen sei, seiner Komplizen habhaft zu werden und sie mit ihm zu konfrontieren. Da nun aber dies nicht gelungen und alle Anstrengungen vergeblich waren, hat man beschlossen, den Anarchisten ins Bagno von Portolongone zu verbringen, in dem er seine Kerkerhaft zu verbüßen hat. Bresci behauptet, wie den „Münch. N. N." aus Mailand geschrieben
wird, immer noch, bei der Ausführung seiner Un- that keinen Spießgesellen gehabt zu haben. Dem widerspricht aber die Zeugenschaft einer Anzahl von Leuten, die Bresci in Mailand und Monza in Gesellschaft eines Individuums gesehen haben, das sich gegenwärtig in der Schweiz verborgen hält und dessen Signalement man besitzt. Brescis Abreise wird geheim gehalten. Er wird nachts Mailand verlassen. Gefesselt an Händen und Füßen, wird er in einen Wagen zweiter Klasse gesperrt, um seine letzte Reise nach dem Bagno zu machen, das er lebendig nicht mehr verlassen wird. Sein Benehmen ist stets dasselbe. Er scheint gar nicht das Bewußtsein seiner schrecklichen That zu haben, ist sehr ruhig und schweigsam, schläft mit vollständiger Ruhe und genießt mit Appetit seine Gefängniskost. Er trägt das Sträflingskleid und ist glatt rasiert. Besuche empfängt er keine mehr, nicht einmal Briefe seiner Familie gelangen zu ihm, was ihn am meisten anzugreifen scheint; übrigens hat er niemals die geringste Reue über seine That geäußert. Das Gefängnis, das ihn erwartet, ist ein furchtbarer Ort, das Bagno mit all seinen Schrecken. Die Kerkersträflinge verlassen es gewöhnlich nur tot oder geistesgestört. Es erhebt sich auf einem steilen Felsen, der ins Meer vorspringt, und macht den Eindruck einer Grabstätte mit langen Mauern, in denen die Zellen für Einzelhaft eingebaut sind. Sie sind alle 2'/« Meter breit, 4 Meter lang und 3 Meter hoch. Ein winziges Fenster öffnet sich von unten nach oben und gestattet kaum den Blick auf ein kleines Stückchen Himmel. Die Zelle ist durch eine schwere, eisenbeschlagene Thür und durch ein schweres Eisengitter verschlossen. Eine enge Eallerie läuft außen an den Zellenmauern entlang für die Wächter, die beständig im Dienst abwechseln, und die Gefangenen durch die Gucklöcher scharf beobachten. Die Gefangenen werden äußerst streng gehalten, sie sind einfach aus der Zahl der Lebenden ge - strichen. Nicht der kleinste Ausgang ist ihnen gestattet, so will es die unerbittliche Vorschrift des Bagnos. Die mit schwerem Kerker Bestraften müssen dazu noch eine mehr oder minder lange Zeit in einer vollständig finsteren Zelle zubringen, ehe man sie lebenslänglich in ihre Zelle einschließt. In Portolongone befindet sich auch Acciarito, der Anarchist, der den Mordversuch auf König Humbert in der Umgebung Roms gemacht hat. Er ist heute bereits halb toll närrisch; ein Schicksal, das Bresci wohl auch in 2—3 Jahren erwarten dürfte.
Humoristisches.
Frauenblick. „Sehen Sie nur, Frau Doktor — was hat denn die Adelheid jetzt in den Flitterwochen mit ihrem Mann?" „Eifersüchtig ist sie, weil er nicht eifersüchtig ist!"
LMerarisches.
Der erfolgreiche Guerillakrieg der Burenkommandos gegen die englischen Heerhaufen und Besatzungen hat letztere bereits seit Monaten nicht zur Ruhe kommen lassen und vollständig erschöpft.
Land kommen. Ich hoffe, daß Sie in zwei Stunden den .Strathmore' werden verlassen können."
„Verflucht — äh —, daß ich nicht ßon längst an Land gebuacht worden bin," stammelte Morecombe mit so schwacher Stimme, daß es Muhe kostete, ihn zu verstehen. „Es müßten doch Vorkehungen getoffen sein, — äh — um Me— Menßen in meiner Lage zu landen, anstatt sie mitzußleppen, bis sie beinahe tot sind. Ich we—werde aber oddentlichen Lärm machen, wenn ich nach Haus komme, ich will verd. .. sein, wenn ich's nicht thue. — Aeh — will doch sehen, ob es erlaubt ist, aus Bequemlichkeit totkuanke Menßen weiter zu ßleppen."
Thompson erklärte sehr gelaffen, daß es des Seegangs wegen unmöglich gewesen wäre, ihn in der Nacht ans Land zu bringen.
„Sßon gut, we—weiß alles, wird sich ja alles finden."
„Thun Sie, was Sie wollen," entgegnete Thompson gleichmütig. „Ich kam hierher. Sie zu fragen, ob es Ihr Wille sei, das Schiff zu verlassen, und bitte um eine bestimmte Erklärung."
„Wie, zum Teufel können Sie mich das noch fuagen?" kreischte Morecombe, den Kapitän wild anstarrend. „Sie wissen sehr gut, daß es mein Wunß ist. — Sie hätten mich ßon gestern landen müssen, als der Doktor Ihnen sagte, wie kuank ich sei; — äh — Sie werden ja sehen, was für ein schöner Spektakel entstehen wird, wenn ich zurückkomme. Ich werde die Kompagnie in alle Zeitungen bringen, als Gauner und Betrüger. Ich werde es ihr eintuänken, daß sie mein Geld nahm, und mich in eine verfaulte alte Wiege setzte, die keinen Augenblick
aufgehört hat zu ßaukeln, seit wir Gravesend verlassen haben. Der Teufel soll die ganze Bande holen. Wann werden Sie mich landen? heh?"
„Ich will es Ihnen überlassen, Doktor, mit diesem Gentleman weiter zu reden," sagte Thompson, ohne den mindesten Zorn zu verraten. „Sie werden gut thun, ihn ankleiden zu lassen, damit er bereit ist, an Land zu gehen., wenn das Boot anlegt." Hiernach verließ er, von mir gefolgt, die Kabine.
„Gott soll mich bewahren, Jack, ist das ein Bursche!" begann Thompson, als wir die Kajütentreppe Hinaufstiegen. „Du sagtest doch, er läge im Sterben, der Kerl nimmt's ja aber im Fluchen und Schimpfen noch mit zehn Sackträgem auf. Nein, so ein Lümmel!"
Er trat zum Lotsen, welcher kurz darauf herunterging, um zu frühstücken. Ich blieb beim Rade, um mich etwas umzusehen. Der Wind war nach Nordost herumgegangen, und hatte zu einer herrlichen Segelbrise aufgefrischt. Auf dem Stcuerbordbug lag der dunkle, bläuliche Schatten des Landes, und hinter dem Schiffe sprudelte das schäumende Kielwasser, in einer Linie wie von Schnee, auf welcher im Sonnenschein tausend grüne, gelbe, blaue und diamant-weiße Funken blitzten. Ein kleiner netter Kerl von einem Schiffsjungen kam jetzt nach hinten, und nahm mit großer Wichtigkeit die Signalflagge für das Boot aus dem Kasten. Er befestigte die Signalleine daran und trug sie dann nach vorn. Bald darauf sah ich sie am Vormast aufgehen, um das Boot zu rufen, welches dm Lotsen und Morecombe holen sollte.
(Fortsetzung folgt.)