entbehrende Hofhaltung. Trotz der bc- ^ kannten Vorliebe des jetzigen Königs, Wilhelm für einfach bürgerliche Lebens­weise ist nicht wohl anzunehmen, daß ein ehemaliger Gardehusar, dem eine lebens­frohe, jugeudfrische Gemahlin zur Seite steht, in übermäßiger Zurückgezogenheit leben werde. Daß der König das über­auskomfortable" und ganz nach seinem Geschmack eingerichtete Wilhelm-Palais nicht besonders gern mit dem weniger ge­mütlichen Residenzschlosse verrauschen würde, ist leicht begreiflich, Das englische Wort komfortable" habe ich mit Absicht ge­braucht, denn der neue König, der als ehemaliger Göttinger Corpsstudent und Gardehusar in seinen Sitten und Anschau­ungen so kerndeutsch wie nur denkbar ist, hegt, was die Lebensformen anderer Völker anlangt, große Vorliebe für englische, weniger dagegen für französische Sitten, Die Neigungen entsprechen seiner von vornherein der heutigen hohen Stellung angepaßten Erziehung sowie seiner mili­tärischen Laufbahn: er gilt beispielsweise als Freund der Jagd. Während der Krank­heitsjahre des verstorbenen Königs war, wenn man so sagen kann, die ministerielle Seite der Regierung stärker als sonst wohl üblich hervorgetreien. Das dürfte unter König Wilhelm, der den Staalsgeschäften derselben Kenntnisse und dasselbe gesunde, praktische Urteil wie sein Vorgänger, außer­dem aber die kräftige Gesundheit des besten Manuesalters, entgegenbringt, eine kleine Einschränkung erfahren eine Einschränk­ung, die nicht schwerwiegend genug ist, um sich in einem Personenwechsel, gegen den ja die ganze erfreuliche Entwicklung der letzt n Jahrzehnte sprechen würde, kundzugeben, wohl aber wahrscheinlich zu einer kleinen Verschiebung der Geschäfts­führung. Ueber Herzog Al brecht, der, weil er vielleicht einmal zum Thron­folger berufen sein könnte und weil es dieserhalb wünschenswert ist, daß er seine weitere militärische und sonstige Ausbild­ung in Württemberg selbst erhält, seit einigen Jahren ganz hierher übergesiedelt ist, läßt sich, was politische Begabung oder kirchliche Anschauungen anlangt, wegen seiner Jugendlichkeit noch kein Urteil äußern. Der junge Herzog, der bald bei dieser, bald bei jener Truppengattung Dienst lhut, ist politisch oder in der Oeffentlich- keit noch niemals hervorgetreten.

Frau Kre ß in U l m, die weitbekannte Besitzerin des Hotels zumKronprinzen", bei welcher König Karl, wenn er in Ulm verweilte, fast regelmäßig Quartier zu nehmen pflegte, hat sich über den Tod ihres früheren hohen Gastes so sehr alteriert, daß sie, wie man annimml, in Folge hier­von in der Nacht vom 9. zum 10. Okt. einem Schlagfluß erlag.

Ausland.

Rouen, 13. Okt. Ein von Paris nach Treport gehender Persone nzug stieß am Bahnhofe in Aumale mit einem Güterzug zusammen. Zwölf Per­sonen sindverletzt. Die Ursache des Unfalles soll in falscher Weicheustellung gelegen haben.

Wiüu'llt'n. I

Der alte Gott lebt noch!

Eme Kriminalgeschichte von Fritz Horn.

(Nachdruck verboten.)

,5. Fortsetzung.)

3. Kapitel,

Hugo Baumann war unterdessen von den beiden Gensdarmen nach der Stadt gebracht und in das dortige große Ge­fängnis abgeliefert worden. Jetzt saß er in einem jener kleinen Zimmercheu mit schmalen starkvergitterten Fenstern und mehr als einfacher Ausstattung, die unter dem NamenZellen" alle Schrecken in sich schließen, welche einen der Freiheit beraubten Menschen umlagern können. Die inwendig gepolsterte Doppelthür schloß sich hinter Hugo und er war allein mit seinem Elend, mit seiner Schande.

Er stand einen Augenblick wie betäubt in dem kleinen Raum und konnte die volle Wucht des schrecklichen Unglücks noch immer nicht vollständig fassen, das über ihn hereingebrochen war. Doch plötzlich schrak er zusammen.

Was war das? Er horchte mit ange­haltenem Atem.

Ueber, neben und unter ihm läßt sich ein monotones Klopfen an die Wand, die Decke und den Fußboden hören, als Hause eine ganze Legion Klopfgeister in dem Gebäude, Es sind die andern Ge­fangenen . welche durch das Auf- und Zuschlägen der Thüren, das Klappern und Rasseln der Schlüssel aus dem Schlafe geweckt wurden, und daher wissen, daß ein neuer Leidensgenossc in ihre Mitte gebracht worden ist. Durch das Klopfen an die Wände sprechen sie nun zu ihm, um zu erfahren, warum er hier sei und Nichts lassen sie unversucht, um durch diese ebenso einfache, wie langweilige Art und Weise sich zu verständigen, durch welche je nach den zwischen dem Klopfen liegenden größeren oder kleineren Pausen, sowie nach der Menge und Anzahl der leisen Schläge gegen die Wand ein Wort und die Stellung eines Buchstabens im Alphabete angedeutet werden soll.

Ein bitteres Lächeln überflog jetzt Hugos Züge; er besinnt sich, wo er ist, und erinnert sich, was das Klopfen zu bedeuten hat, das er ja auch leider schon aus Erfahrurg kennt; denn nicht zum ersten Male weilt er hier. Er kennt bereits die Zellen dieses Hauses und als er nun seine Umgebung musterte, so gut dies bei dem spärlich durch das Gitterfenster dringen­den Morgengrauen möglich war, erkannte er genau dieselbe Zelle wieder, in welcher er bereits vor zwei Jahren gefangen ge­wesen war. Da kommt er plötzlich zu sich und kann die ganze Schwere des Augenblicks fassen. Beide Hände vor das Gesicht schlagend, stößt er einen gellen­den Angstschrei aus und stürzt jählings zu Boden.

Sofort verstummt das Klopfen; die andern Gefangenen vermuten in ihrem Nachbar einen Wahnsinnigen; denn ein vernünftiger Mensch schreit doch des Nachts nicht so überlaut im Gefängnis, wodurch unfehlbar der Schließer herbeigerufen werden muß.

Diesmal bleibt aber sonderbarer Weise Alles still und ruhig, Hugo ist längst wieder aufgestanden und hat sich auf die hölzerne Pritsche gesetzt, welche mit eisernen Charniereu an die Wand befestigt ist. Aus seinen Augen rinnt Thrüne auf Thrüne und sein Blick ist starr auf seine krampf­haft gefalteten Hände gerichtet.

Lange sitzt er so, gleich einem steinernen Bilde, bis endlich sein Kopf langsam auf die Brust herabsinkt und der ermüdete Körper seine Rechte fordert, er schläft und an seinem Geiste ziehen die Bilder einer schönen glückliche» Zeit vorüber. Auf. einem bleichen Antlitz spiegelt sich das Glück seiner Seele in seinem zufriedenen Lächeln. Er träumt von seinem treuen Mütterlein, von vergangenem Glück und ewiger Liebe und durchfliegt noch einmal an der Hand des Traumgottes jene seligen Tage der Vergangenheit.

Ja! Wohl war sie schön gewesen für ihn, jene Zeit.

Hugo war der einzige Sohn eines braven Försters, der sein ganzes kleines Vermögen bei dem reichen Bankier Römer in der Residenz angelegt hatte und hierher wurde auch Hugo von ihm gesandt, um die Kaufmannschaft zu erlernen. Der talentvolle Knabe machte seinem Vater und auch seinem Prinzipal durch seinen unermüdlichen Fleiß ,und seine strenge Pflichttreue große Freude und wie sehr ihn Letzterer hochachlete, ging zur Genüge aus dem Umstande hervor, daß er dem jungen Mann, nachdem er nach seiner Lehrzeit noch ein Jahr zur vollsten Zu­friedenheit auf seinem Komptoir gearbeitet hatte, die Stelle seines kurze Zeit vorher gestorbenen Kassierers übertrug. Hugo wollte bescheiden zurücktreten und einem älteren Dlener des Bankiers diesen ehren­vollen Posten überlassen, doch der Chef des Hauses bestand darauf und Hugos Eltern freuten sich nicht wenig über das große Glück ihres Lieblings.

Bald darauf starb sowohl der alle Bankier, wie Hugos Vater, und der Neffe des Ersteren übernahm, da der Bankier weder Kind noch Kegel besaß, das groß­artige Geschäft und das prachtvoll einge­richtete Haus des alten Herrn als sehr willkommenes Erbe. Hugo verblieb in seiner Stellung, obgleich ihm der neue Prinzipal nicht so recht gefiel. Er war ein stolzer, herrischer Gebieter und dabei Lebemann durch und durch.

War früher das schöne Haus des ver­storbenen Bankiers nur äußerst selten einigen speziellen Freunden des Hausherrn zu einem gemütlichen Beisammensein ge­öffnet, so verging jetzt fast keine Woche, in welcher nicht ein oder das andere glänzende Fest daselbst gefeiert wurde, wozu stets die Angesehensten und Vor­nehmsten eingeladen wurden.

(Fortsetzung folgt.)

(Alte Gewohnheit.)Sic haben ja eine Klingel statt der Gerte mitgenommen? Ja, wissen Sie, mein Gaul war früher bei der Pferdebahn und da muß ich ihm immer zweimal klingeln, wenn erstehen bleiben, und einmal, wenn er laufen soll!"

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.