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faßte ihn liebreich an der Hand und sagte weich:
„Gelt, Franz, Du gehst jetzt mit mir?"
„Du wirst einsehen, es ist unmöglich. Ich kann, ich darf nicht mehr kommen, ich habe keine Heimat mehr —" sagte er dumpf.
Anna setzte sich auf einen Stein; es war zu viel für sie, sie weinte zum Herzbrechen. Er sah düster ins Meer hinaus. Endlich stand sie wieder auf, ihr schien ein guter Gedanke gekommen zu sein. Sie ging zu ihrem Bruder und legte sanft ihre Hand auf seine Schulter. Er sah sie tieftraurig an.
„Franz, hast Du denn alles vergessen?
- Fällt Dir denn nicht ein armes, bleiches
Mädchen ein. das seit zwei Jahren um Dich weint und sich um Dich abgrämt? Hast Du kein Mitleid mit ihr, die alles, ihre Jugend und Liebe und sich selbst Dir aufopfert?"-—
Franz stöhnte schmerzlich auf. Er fuhr sich mit seiner Hand langsam über die Stirn. Es war ihm, als erwache er aus einem wüsten Traum. Keuchend fragte er:
„Liebt sie mich noch? Denkt sie noch an mich? Hat sie sich von dem Verstoßenen nicht mit Abscheu abgewandt? Herr meines Lebens, ist das noch möglich?"
— Ueber seine welken Züge glitt ein freudiger Hoffnungsschimmer.
„Aber, Bruder, konntest Du an Marie zweifeln?"
„Wie ich zweifeln konnte? — O so ein Verstoßener denkt an allerlei, er zweifelt an allem und zuletzt auch an sich selbst. Ja siehst Du, wie ich eben auch von ihr keine Antwort auf meine Briefe erhielt, da fiel mir ein, daß damals ihr Haus verschlossen war, als ich an jenem unglückseligen Abend von Onkel Karsten aus zu ihr kommen wollte, um ihr Lebewohl zu sagen. So kam mir allmählich die Ueber- zeugung, daß sie nichts mehr von mir wissen wollte."
„O armer Bruder, auch dieser Stütze mußtest Du entbehren! O Du Unglückseliger! Ob sie Dich noch liebt? Komm und siehe es selber!" Neues Leben kam über den Armen, feine Brust hob sich und sein Blick wurde fester, seine Sehnen wurden straff. Der müde Gesichtsausdruck verschwand, er war der alte wieder.
„Ist es keine Täuschung? Ist das Wahrheit, was Du da gesagt hast, Schwester?" fragte er, immer noch argwöhnisch.
„O ich könnte Dir noch mehr als das sagen. Nur eins sollst Du wissen, daß nämlich Marie schon einigemal abends bei uns war und der Großvater sehr freundlich und rücksichtsvoll gegen sie sich benahm, gleich als wollte er das ihr zugesügte Unrecht wieder gut machen. — Siehst Du Franz, das Glück steht Dir offen, es wartet auf Dich. — Gehst Du jetzt mit mir?"
Mit einem jubelnden Laut, der aus Herzenstiefe kam. schloß Franz seine Schwester in seine Arme. Dann nahm er ihre Hand und trat mit ihr den Rückweg nach dem Dorfe an. Der Wind wehte aber so heftig, daß sie auf der Höhe der Düne nur mit Mühe hätten gehen können,
weshalb sie einen andern Weg einschlugen, der am Kirchhof vorbei ins Dorf führte. Dort verließ Franz seine Schwester mit einem warmen Händedruck und betrat einen Weg, der hinter dem Dorf hinführte.
„In einer Stunde bin ich bei Dir!" rief er noch vergnügt zurück. Lächelnd schaute sie ihrem Bruder nach, der mit hastigem Schritt und pochendem Herzen, den heißen Blick vorwärts gerichtet, dem einsamen Häuschen zueilte, das sein liebstes barg und das er bei Tag und Nacht, im Geiste wachend und träumend stets vor sich gesehen hatte. Mit raschen Schritten ging auch sie dem Hause zu, wo sie glaubte, den Großvater mit Wilhelm bereits anzutreffen. Sie waren jedoch noch nicht zurück, nur die Geschwister spielten mit anderen Kindern in einem Nachbarhause. Todesangst überfiel sie bei dem Gedanken, daß dem Großvoter draußen im Meer ein Unfall zugestoßen sein könne, da sie doch sonst bei dem zunehmenden Sturm längst zurück sein sollten. In ihrer Not lief sie zu Onkel Karsten, um sich Rats zu erholen. Dieser beruhigte sie jedoch, daß keine Gefahr vorhanden sei, indem ja die anderen Männer auch noch nicht zurückgekehrt seien; sie solle nur heimgehen, in einer Stunde werde er kommen und ihr Gesellschaft leisten. Wieder beruhigt und getröstet, konnte sie in ihrem Glück ihr Geheimnis nicht bewahren. Im Gehen flüsterte sie dem Onkel etwas ins Ohr, das ihn derart überraschte, daß ihm die Zunge versagte und er in seiner Freude gar nicht bemerkte, wie das Mädchen mehr fliegend als gehend das Haus verließ.
Daheim angekommen, machte sie schnell ein Feuer, um zur Feier des Tages ein Festmahl zu bereiten. So verstrich eine Stunde. Franz kam nicht, Karsten blieb auch aus. Sie wurde aufs neue unruhig. Es dunkelte bereits stark, und wo blieb doch der Großvater? Erregt ging sie zum Fenster und sah an den Strand hinaus. Waren es Bilder ihrer überreizten Phantasie oder waren es leibhaftige Menschen, die draußen zusammenliefen und angstvoll ins Meer hinaussahen? Sie öffnete das Fenster, um sich zu überzeugen. Da hörte sie wie der Name des Großvaters genannt wurde. Ein rötlicher Schreck überfiel sie. Ohne zu wissen, was sie that, stürzte sie hinaus an den Strand unter den dichten Menschenhaufen. An der vordersten Gruppe angekommen, hörte sie gerade den alten Millers sagen:
„Ach Gott, es ist der alte Jenssen. Armer Mann, so nahe am Lande sterben müssen. Er kann es nicht lange mehr halten, das lecke Boot, und Hilfe ist kaum möglich." Ec deutete auf einen dunklen Gegenstand, der sich nach längerem Hinsehen als ein Boot darstellte, das auf der Sandbank am Eingang der Bucht gestrandet sein mußte und nur noch mit den Masten aus dem Wasser hervorragte. Ein alter Mann und ein Knabe hielten sich daran angeklammert und winkten nach dem Lande her.
(Schluß folgt.)
Folgende kuriose Notiz bringt der Cronenberger Anzeiger: „Wie sehr sich der Verkehr in unserer Stadt seit Er
öffnung der Bahn gesteigert, beweist, daß gestern zwei Hunde (?!) überfahren wurden." Die Nachricht soll in Cronenberg großes Aufsehen hervorgerufen haben.
In London starb der größte Tierhändler Englands, Charles Jam rach, welch r Menagerien und wissenschaftliche Sammlungen mit unzähligen Exemplare» aller möglichen Tierarten «versehen hat. Der Verstorbene war von deutscher Abkunft. Als vor einigen Jahren Barnims Menagerie abbcannte, wurde die Lücke in der „größten Schaustellung der Erde" zum größten Teil mit Jamrach'schen Tieren ausgefüllt.
Eine Bauernhochzeit. In diesen Tagen fand in dem Dorfe Rudone (Kreis Teltow) eine bäuerliche Hochzeit statt, welche hinsichtlich des dabei entfalteten Reichtums und Glanzes größeren hauptstädtischen Hochzeiten nicht nachsteht. Der Werl des Brautschmucks ging in die Tausende; das Brautkleid mar von teuerstem Seidenstoff und die drei Meter lange Schleppe wurde von drei kleinen Mädchen nachgetragen. Die Hochzeitsmahlzeit, bei welcher sich u. a. auch der Rittergutsbe- sitzer von Benda beteiligte, fand im Gasthause statt und soll bei etwa 100 Gästen gegen 3000 gekostet haben. Das junge Paar hat einen der schön eingerichteten Bauernsitze bezogen, welche dort meistens einen Wert von 100000 bis 200000 haben. Das Dorf hat keinerlei landschaftliche Schönheit, dagegen guten Boden.
(Am Telephon.) Schwuppe: Verbinden Sie mich mit Meyer u. Co. — Telephonistin (singt: Bitte, rufen Sie! — Schwuppe (drückt den Kopf. Es läutet). — Fremde Stimme: Hier Rosaura Lilienstengel; was wünschen Sie? — Schwuppe: Wollte gar nicht mit Ihnen verbunden werden. — Fremde: Würde auch dafür danken; bin bereits verheiratet.
(Nur deutlich.) In der Korporalschaft des Unteroffiziers Silbermann ist eine Wurst gestohlen worden. Darob große Untersuchung vor dem Hauplmann. Derselbe fragt den Bestohlenen, einen Kaufmann, der gleichzeitig den Geck der Kompagnie spielt: „Was ist Ihnen gestohlen worden?" — Der Bestohlene (geziert): „Eine Wuhrst, Herr Hauptmann!" — Hauptmann: — „Was?" — Unteroffizier Silbermann (einfallend): Entschuldigen der Herr Hauptmann, er meint eine Worscht!"
(Vorsicht.) Budenbesitzer: „Heran, meine Herren! Hier ist zu sehen die größte Riesenkönigin. Sie ist 2,60 m hoch und wächst noch!" — Brennecke: „Sagen Sie mal ufrichtig, Herr Direktor, wird se wirklich noch jrößer?" — Budenbesitzer: „Immer jrößer, mein Herr!" — Brennecke (steckt sein Geld wieder ein und entfernt sich mit den Worten): „Na denn uf Wiedersehen, Herr Direktor, wenn sie erst 3 m groß is, Ihre Kleene."
Es hat meist böse Folgen, wenn Einer Ehemann wird, ehe er Mann geworden. (Fl. Bl.)
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.