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Die russische Regierung setzt ihre Kriegs­rüstungen mit unheimlichem Eifer fort; die russische Reichsbank wurde ermächtigt, neue 25 Millionen Rubel in Banknoten auszugeben.

Petersburg, 3. Septbr. Die Nowosti und die Nowose Wremja fordern Dänemark, Schweden, Serbien und Ru­mänien auf, dem französischenBünd- nisse beizutreten.

Zwischen Bulgarien und der Pforte herrscht fortgesetzt dicke Freundschaft. Von derselben zeugt u. A. auch der begeisterte Artikel, den die offiziöseBulgarie" dem Sultan Abdul Hamid anläßlich des Jahres­tages seiner Thronbesteigung (31. August) widmet. Das bulgarische Regierungsblatt hebt die ausgezeichneten Eigenschaften des Sultans hervor, weist auf die unter seiner Regierung gemachten Fortschritte hin und rühmt die hohe politische Anschauung, von welcher seine Regierung Zeugnis ablege. Schließlich wünscht das Blatt, daß die Regierung des Sultans noch eine lange und glückliche sein möge. Mehr Aner­kennung kann der gute Abdul Hamid von Seiten der Bulgaren doch unmöglich ver­langen.

Am Meer.

Erzählung von L. Frank.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Als die Mutter sah. daß ihre Worte keinen Eindruck bei ihrer Tochter machten, daß diese sich unwillig abwandte, fuhr sie in milderem Tone fort:

Er ist freilich ein recht ordentlicher Mensch, und ich habe gar nichts gegen ihn. Aber der Großvater mit den Ge­schwistern sind eine Dreingabe, die einen abschrecken können. Zudem haßt dieser uns; er hat noch nichts vergessen und verziehen trotz der vielen Jahre her. Diesen Umstand darf man sich wohl vorher über­legen."

Ach. Mutter, wenn man einander gern hat, fragt man nichts nach solchen gleich­gültigen Dingen "

Ja sieh, Du sprichst eben wie ein junges, unerfahrenes Ding. Das sind durchaus keine gleichgültigen Dinge. Mit Lieb allein kommt man nicht durch's Leben. Da würde ich doch noch den jungen Johannsen vorziehen, der hat ja auch ein Auge aus Dich."

Geh mir doch mit dem, den kann ich nicht ausstehen mit seinem langweiligen Ge­sicht und den wasserblauen Zwiebelaugen."

Aber er ist das einzige Kind seiner Eltern und wird ein schönes Geld erben. Du wirst wissen, daß wir's nicht im Ueberfluß haben."

Darnach frage ich gar nichts. Ich 'mag ihn nun einmal nicht und will nichts von ihm wissen." Ihr zierliches Füßchen stampfte zornig auf den Boden.

Je nun, das sind Deine Sachen. Zwingen kann ich Dich nicht. Aber Du wirst''immerhin gut thun, wenn Du Dir den Franz aus dem Kopf schlägst. So ein Leben, wie der Dir's einmal bieten kann, bist Du nicht gewöhnt. Du bist doch für etwas Besseres erzogen worden."

Aber Franz ist ein tüchtiger Seemann und kann es noch zu etwas Rechtem bringen, und wenn auch nicht, so liebe ich dennoch nur ihn. und ich bleibe ihm treu und warte auf ihn und sollte er auch zehn Jahre ausbleiben." Ihre Augen leuch­teten, ihr ganzes Gesicht war verklärt von dem Widerschein der Liebe, die ihr ganzes Sein durchflammte. Ihre Wangen glühten; sie war unbeschreiblich schön in dieser seligen Begeisterung. Ihre Mutter be­merkte es mit Stolz. Hcstl> schmollend sagte sie:

Dann nimmst Du eben Deinen Herzensfranz; aber wenn Du unglücklich wirst. gieb Deiner Mutter keine Schuld Du bist jetzt gewarnt. Wer seinen Kopf durchsetzen will. muß auch die Verant­wortung tragen für das, was er thut."

Ja, die will ich tragen. Aber nicht wahr, jetzt bist Du wieder lieb gegen mich? Ja?" Ein schallender Kuß besigelte die wiedergewonnene Harmonie der beiden Herzen und Seelen.

Die Mutter war ans Fenster getreten und hatte eine Zeit lang nachdenklich durch die Scheiben gesehen. Der Regen hatte etwas nachgelassen. und es wurde Heller. Man hörte schwere Tritte.

Da kommt ja der Onkel wieder. Gehe schnell hinaus und öffne die Hausthüre, Marie. sonst wird er ungeduldig, wenn er warten muß."

Leichtfüßig verließ das Mädchen das Zimmer und kehrte nach einigen Augen­blicken mit dem Onkel zurück, der sich auf sie stützte.

Hustend und pustend hinkte er bis zu seinem ledergepolsterten Sessel, der breit­spurig in der Ecke neben dem Ofen stand. Er lehnte die Knotenstöcke an die Wand, schüttelte die Regentropfen von seiner Mütze und ließ sich behaglich in den Sessel sinken. Mit seiner kräftigen Hand fuhr er sich über die mit spärlichem weißem Haar bedeckte Stirne und durch den kurz geschorenen weißen Vollbart, der seinem gesunden, frischen Gesicht etwasEhrwürdiges gab. Hierauf entledigte er sich unter schmerzlichem Verziehen des Gesichts seiner großen wollegefütterten Schnürschuhe und bestieg die geräumigen Filzhausschuhe, die ihm Marie zuvor am Ofen gewärmt hatte. Nachdem alles wohl vorbereitet war und er noch eine kräftige Prise aus seiner Schnupftabaksdose genommen hatte. fuhr er polternd los:

Sakerment, wir verschlafen in unserer einsamen Barke dahinten alles. Da mag auch Vorgehen, was da will, wir erfahren erst davon, wenn's die Spatzen aus dem Dach pfeifen."

Was ist denn passiert, Onkel?" riefen die beiden Frauen, deren Neugierde aufs höchste gestiegen war.

Nur hübsch langsam, Kind," wandte sich Klausen neckend zu Marie,sollst alles erfahren, es geht Dich ja auch etwas an."

Schmollend wandte sie sich ab, um ihre Erregung zu verbergen. Nach einem hartnäckigen Hustenanfall fuhr er fort:

Nun also, hört einmal Herrgott, wenn nur die lumpige Gicht beim Teufel wäre. das zwickt und sticht doch ganz sakrisch also der Jürgen hat mir kürz­

lich schon erzählt. daß der schwarze Jack sich wieder in unseren Gewässern herum­treibe. Das hat den Karsten nicht mehr schlafen lassen. Tag und Nacht hat er darüber gebrütet, wie man den Ker! fangen könnte, und einen wahren Kriegs- zug hat er gegen ihn gemacht. Ja, ich hab's immer gesagt, in dem Karsten ist ein Admiral oder wenigstens ein Kapitäa verloren gegangen." Er schnupfte m>! großem Geräusch.

Gut war die Sache eingesädelt, das muß man dem Karsten lassen. Er Ham das Seeamt benachrichtigt; die Manerooger hatten versprochen, den Schuft fangen za helfen, und Karsten hatte drei gute Barken mit sich und dazu eine Bemannung wie sie nicht besser aufzutreiben war den jungen Jenffen, Jürgens Christian, den roten Stephan, den wilden Uwe und den Willers, der überall dabei ist. wo es etwas auszusühren giebt.",

Wie wollten sie aber dem Engländer beikommen?" fragte die Mutter, die auch etwas vom Seewesen verstehen wollte.

Karsten wollte, um die Zeit nicht zu versäumen, mit den Jungens tüchtig arbeiten, dabei aber scharfen Auslug halten. Sie müssen aber etwas zu sehr Helgoland zu gehalten haben, denn sie sahen keine Spur von dem Engländer. Abends als sie zwar mit vollen Booten aber doch unverrichteter Dinge heimsahren wollten und nur noch einige Seemeilen von unsem Insel entfernt waren. sahen sie den Jack mit seinem Schooner ganz ruhig mit ge­refften Seegeln daliegen. Sie bemerkten auch, daß der Kerl die deutsche Flagge führte."

Wie konnte der Mensch das wagen?" warf die Mutter ein.

(Fortsetzung folgt.)

Seit einiger Zeit sind die französischen Blätter, zum mindesten eine gewisse Sorb derselben. voll von Schaudergeschichter über das in Deutschland herrschende Elend von dem sie die phantastischsten Schilder ungen entwerfen. Neuerdings kommt nm gar eine Pariser Zeitung mit der entsetz liehen Endeckung, daß die deutschen Arbeite sich, um ihr Elend zu vergessen, nicht nu in Schnaps sondern sogar in Petrolcm beräuschen. Letzteres soll und da kann man begreifen höchst nachteilig Folge auf den Gemütszustand haben.

(Im Bild geblieben.) Bei einer Ge fechtöübung markieren vier Unteroffizier eine Brücke, die genommen werden soll Beim Anstrum wird ein Teil der Kow pagnie rechts hinausgedrängt, gerät als ins markierte Wasser.Feldwebel," rul der Hauptmann,schreiben Sie diese Leu! auf, damit sie sofort nach dem Einmarsl die Fußbekleidung wechseln!"

(Auch ein Kunstkritiker.) Künstle' Ich bin trostlos! Nun haben die Mäu mein fertiges Bild: Eine Katzensamilie ar gefressen!" Diener:Trösten Sie sis gnädiger Herr, wenn die Mäuse das Bi! angefressen haben, dann waren die Katzi jedenfalls nicht gut gemalt!" (Fl- Ä

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.