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Württemberg.

Stuttgart, 30. Juni. Oberbaurat v. Leibbrand, wurde zum Vorstand der Minist.-Abteilung für den Straßen- und Wasserbau mit der Dienststellung eines Kollegialdirektors ernannt.

Stuttgart, 29. Juni. Am letzten Samstag haben hier bei Dierlamm die Herausgeber der Württ. Bezirksamtsblätter getagt. Eine große Anzahl war persönlich erschienen, während von anderen die Zu­stimmung zu den gefaßten Resolutionen zum Voraus schriftlich eingesandt worden ist. Es handelte sich um geschäftliche In­teressen , insbesondere um Stellungnahme gegenüber den Annoncen-Bureans und es trat eine erfreuliche Einmütigkeit in den gefaßten Beschlüssen zu tage.

Stuttgart, 29. Juni. Noch ist der am Sonntag früh auf dem hiesigen Bahn­hof verunglückte Ankuppler nicht beerdigt und schon wieder wird von Zuffenhausen ein betrübender Unglücksfall gemeldet. Der 19jähcige Expedient Schlegel, ein geborner Stuttgarter, wurde auf der dortigen Station gestern vormittag von einem ab­fahrenden Zuge, aus dem er sich zu spät entfernt, geschleift und derartig verletzt, daß an seinem Aufkommen gezeifelt wird. Derselbe wurde in bewußtlosem Zustand nach Stuttgart zu seinen Eltern verbracht.

Der Württ. Schwarzwald­verein tagte am Sonntag unter dem Vor­sitz des Präsidenten v. Bätzner im Schwarz­waldhotel zu F r e u d e n sta d t. Der Vorsitzende überdrachte Grüße von dem hohen Protektor des Vereins, dem Prinzen Wilhelm und gedachte sodann der her­vorragenden Mitglieder, die der Verein in letzter Zeit durch den Tod verloren: des hochverdienten Vorstandes Baurats Rheinhard, des Oekonomierats Horlacher und Stadtschultheißen Beutler. Von dem Kassenbestand von 1625 ^ erhält jeder Bezirksverein 100 zur Anbringung weiterer Wegzeiger, die künftig als solche desW. Schw.-B." gekennzeichnet werden sollen. Beiträge von je 300 ^ wurden zugewiesen den Bezirksvereinen Freudcn- stadt zur Herstellung von Wegen zwischen ZufluchtHornisgrinde sowie Zuflucht Allerheiligen, Neuenbürg zur Ausführung eines Weges auf die Teufelsmühle und zu einem Aussichtsturm auf dem Heukopf (zu welch letzterem Zweck der Stuttgarter Bezirks-Verein bereits einen Beitrag von 300 gewährt hat), Calw zu einem Weg durch das Schweinbachthal und durch die Brandhalde. Noch beschloß die Ver­sammlung die Errichtung eines Gedenk­zeichens für Baurat Rheinhard und be­stimmte den Feiertag Peter und Paul ein für allemal zum Versammlungstag. Die nächste Versammlung findet in 2 Jahren in Altensteig statt. Präsident von Bätzner wurde wieder zum Vorstand gewählt.

Ehingen, 26. Juni. Dem Mühlen­besitzer Spaich in Erfragen sind an einem Tage 23 Stück Rindvieh am Milzbrand gefallen.

Ausland.

Die definitive amtliche Liste vom Eisen­bahnunglück bei Mächen stein verzeichnet 72 agnoszierte Tote und 10 Vermißte.

Amsterdam, 30. Juni. Wie ver­lautet. hat die Königin Emma angeordnet, daß die deutsche Sprache Hofsprache wäh­rend des Aufenthalts des Kaisers Wilhelm und der Kaiserin Augusta Victoria sein soll.

Mi'isM'n.

Ein Verbrecher.

Erzählung von Feodor Bern.

(Fortsetzung.)

Den Schulzen schien diese Frage zu verwundern.Er war früher ein wilder Bursch," antwortete er.Er verbrauchte viel Geld und dieses nun, ich kann's wohl sagen, denn es ist ja Jahre her suchte er sich durch Wilddieberei zu ver­schaffen. Er wurde zwar niemals dabei betroffen, allein es wußte doch jedermann. Um ihn davon abzubringen, wurde er zum Waldhüter gemacht, seitdem hat er sich gegeben. Auffallend war es," er vollendete nicht.

Was war auffallend?" nahm der Richter den Faden wieder auf.

Nun er sollte mich heute Morgen in den Wald begleiten, um bei dem Er­mordeten hilfreiche Hand zu leisten, da ließ er sagen, er sei krank. Er hatte sich den Kopf verbunden und doch war er früh am Morgen ohne verbundenem Kopf in seinem Garten gesehen worden."

Begleitet mich zu ihm. Ich muß ihn sprechen, sogleich."

Bon dem Aktuar und Schulzen be­gleitet, begab sich der Richter nach dem Hause des Waldhüters. Seine Frau war über diesen Besuch erschreckt. Ihr Mann, sagte sie, sei unwohl, liegt im Bett und schläft.

Ich muß ihn sprechen," erwiderte der Richter.

Dann will ich ihn wecken," gab die Frau zur Antwort und trat in die Kammer neben der Stube.

Der Richter folgte dicht hinter ihr.

Der Waldhüter lag im Bett, aber er schlief nicht. Er muß sogar das in der Stube geführte Gespräch gehört haben, denn die Kammerthür war nur angelehnt gewesen.

Hatte sie den Schlaf nur vorgeschützt? Einem Untersuchungsrichter darf auch die geringfügigste Sache nicht entgehen, sie bietet ihm oft wichtige Anhaltspunkte.

Der Richter trat ans Belt. Der Wald­hüter versuchte sich empor zu richten, es wurde ihm schwer. Sein Aussehen war zer­stört; seine Wangen waren bleich; die Augen tief liegend. Er schien zu er­schrecken, als die drei Männer eintraten.

Ihr habt diesen Zehnthalcrschein gestern Abend in der Schenke ausgegeben," sprach der Richter sofort indem er den Schein aus der Tasche nahm und ihm zeigte.

Der Gefragte that, als ob er sich erst besinne.Ja, ich glaube," erwiderte er dann verlegen.

Ihr glaubt? Habt Ihr soviel Geld» daß Ihr das nicht einmal wißt?"

Das nicht ich besann mich nur nicht sofort darauf."

Eigentümlich. Ein solches Geldstück

wird doch selten bei Euch sein. Habt Ihr noch mehr von der Sorte?"

Mehr?" wiederholte der Waldhüter stotternd.Nein!"

Wo ist Euer Rock?"

Der Gefragte zeigte hinter der Thür.

Der Richter untersuchte sorgfältig die Rocktaschen, ohne den Waldhüter aus den Augen zu verlieren. Ein ängstliches Be­obachten desselben fiel ihm aus. Die Rock­taschen enthielten nichts Verdächtiges.

Und wo ist Eure Weste?" fragte der Richter weiter.

Der Gefragte zögerte mit der Antwort.

Ich meine die Weste, welche ihr gestern getragen habt?"

Der Waldhüter hatte sie noch nicht ausgezogen. Ein unwillkürlicher Griff mit der Hand nach der Westentasche verriet es.

Laßt das," rief der Richter und ehe jener noch in die Tasche zu fassen ver­mochte, hatte er die eigene schon darin.

Das erste, was er herauszog, war ein Zehnthalerschein, dann eine Handvoll Silbergeld.

Selch seht! Ihr sagtet, Ihr hättet keinen solchen Schein mehr."

Die Verlegenheit und Verwirrung des Waldhüters steigerten sich.

Ich dachte nicht daran im Augenblick."

Und das Silbergeld?"

Das hat mir der Wirt eingewechselt."

Dem war wirklich so. denn der Wirt hatte die Geldsorten ungefähr bezeichnet.

Woher habt Ihr die beiden Zehn­thalerscheine?" fragte der Richter weiter.

Der Gefragte fuhr mit Hcml> über die Stirn. Sie war mit Schweiß bedeckt. Sein Auge blickte ängstlich.

Ich habe sie gefunden."

Wann?"

Gestern."

Um welche Zeit?" forschte der Richter weiter.

Es war gegen Abend."

Um welche Stunde?"

Die Stunde weiß ich nicht genau mehr."

Wo habt Ihr das Geld gefunden?"

Der Waldhüter zögerte einen Augen­blick mit der Antwort, bis der Richter die Frage wiederholte. Dann sprach er: Im Walde."

Lagen die Scheine nicht in einer Brieftasche?"

Nein."

Worin denn?"

Sie waren nur in ein Stück Papier gewickelt."

Wo ist dasselbe?"

Ich habe cs fortgeworfen, als ich die Scheine nahm."

Wie fandet Ihr das Papier? Es mußte ja ziemlich dunkel sein gegen Abend."

Es war noch hell genug auf dem Felde, um es zu sehen."

So habt ihr das Papier mit den Scheinen auf dem Felde gefunden?"

Ja wohl."

Ihr sagtet aber soeben, daß es im Walde gewesen wäre."

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Me eh in Neuenbürg.