388

begonnenen Richtung. Die für das abge­laufene Jahr ausgeworfenen Reifestipendien sowie die begonnene Unterstützung der Hausindustrie zeigten eine recht günstige Wirkung. Die mitgeteilte abgeschlossene Jahresrechnung weist eine Summe von 538 518 cM nach. Der Etat pro 1891/92 wird Sr. Mas. dem König zur Genehmig­ung unterbreitet werden.

Nächste Woche soll die Trauben­blüte beginnen: die richtige Zeit dafür ist bekanntlich acht Tage vor und nach Johannistag. Was man vom Weinstock zu hoffen hat, läßt sich erst Mitte Juli näher beurteilen, und zwar zunächst hin­sichtlich der Menge. Daß es mit den Trollingern und Portugiesern nicht zum Besten bestellt ist, wenigstens im Stut!- garter Thal, wurde bei der Jahresver­sammlung des Weinbauvereins unverhohlen zugegeben. Einige heiße Tage im Mai haben die Wirkung gehabt, daß die vor­geschrittensten Trauben gar vielfach aus- geschoffcn sind, oder wie der Weingärlner sich ausdrückt,den Wanderstab ergriffen haben." Der Weinstock hat sich im Mai und im Anfang Juni nur sehr langsam entwickelt; erst jetzt fangen die Kriegs­berge an, sich mit Grün zu bedecken und den jungen Trauben mit dem Blatt den nötigen Schatten zu gewähren. Die reich­lichen Regen, die am Sonntag niederge- gangen sind, bringen vielleicht noch Nach­triebe. (S. M.)

Cannstatt, 8. Juni. Im Auftrag des landwirtschaftlichen Bezirksvereins macht Weingarimeister Warth im heutigen Amts­blatt bekannt, daß infolge der feucht­warmen Witterung bereits Spuren der Blattfallkrankheit vorhanden seien, daher das Bespritzen der Reben sofort vorgenommen werden müsse. Zur erst­maligen Bespritzung wird eine Mischung empfohlen von 1'/, Klg. Kupfervitriol und Kalk aus 100 Liter Wasser.

bin gen, 3. Juni. Die Gewerbe- ausstellung endet, eine Seltenheit, ohne Defizit. Die höchste Besucherzahl mit 3000 wurde am letzten Sonntag erreicht.

Lom Schurwald, 4. Juni. Letzten Sonntag den 31. v. Mts. wollte Oel- müller Sieder einem Fuchs, den es nach seinen Hühnern gelüstete, mit einer alten Flinte den Garaus machen. Das ziemlich defekte Mordinstrument ging los, der Lauf zersprang und ließ dem Müller drei Finger der linken Hand ab. Diese mußte amputiert werden, und der Fuchs kam mit heiler Haut davon.

In Rottenacker OA. Ehingen ist die Wain'sche Kunstmühle mit den zuge­hörigen Nebengebäuden gänzlich abge­brannt.

Ausland.

Paris. 7. Juni. Hiesige Blätter bringen die Nachricht, daß der Kaiser von Rußland Ende August oder An­fangs September nach Paris kommen werde.

Oberst Lebel, der Erfinder des nach ihm genannten Gewehres, ist am Sonn­tage in Paris gestorben.

Neapel, 9. Juni. Heute ergoß sich ein breiter Lavastrom aus einem neuen Krater des Vesuvs, unterhalb des Zentral­

kegels. Direktor Palmieri erklärt dieses als mit dem Erdbeben m Oberitalien zu­sammenhängend. Als das Erdbeben auf­hörte, begann alsbald die Eruption, welche gefahrlos scheint und nicht fortschreitet.

Belgrad, 9. Juni. DieVoss. Ztg." meldet: Der russische Minister Giers ließ der Königin-Mutter Natalie die entschie­dene Mißbilligung des Zaren über ihre Haltung während der Ausweisung aus- drücken. Die Königin begiebt sich deshalb demnächst nicht nach Rußland, sondern nach Frankreich.

New York, 8. Juni. Bei Unruhen aus Haiti richteten die Anhänger des Generals Hippolyte ein schreckliches Blut­bad an. Die Revolutionäre suchten 80 Genossen aus dem Gefängnis zu befreien. Der Versuch mißglückte. Sodann wurde der Führer Kaufmann Rigaud auf dem Kirchhof erschossen, ebenso sein lkjähriger Neffe.

(Influenza.) Wie aus Alaska (Nordamerika) gemeldet wird, starben da­selbst Hunderte an der Influenza. Es fehlt den Einwohnern an Aerzten und A rzneien.

Mi-yelleu.

(Verschiedenes von London.) Diese Riesenstadt hat 48 Brücken über die Themse, 76 Theater, 2200 Post- und Telcgraphenbureaux mit 15 000 Beamten. Sie hat 547 410 Häuser, 1450 Kirchen, 2100 Hospitäler oder ähnliche Wohlthätig- keitsanstalten, 7600 Bierbrauereien, 1800 Kaffees, 510 Hotels, 3100 Bäckereien, 2500 Metzgereien. London verzehrt all­jährlich 2 200 000 Säcke Mehl, 260000 Schweine, 450000 Ochsen, 160000 Kälber, 8 500 000 Stücke Wild oder Geflügel, 220 Millionen Fische uud 510 Millionen Austern. In London giebt es mehr Schotten als in Edinburg, mehr Irländer als in Dublin, mehr Katholiken als in Rom. Man zählt daselbst nicht weniger als 19 000 Fiaker und 1500 Omnibusse. Im Jahr 1066 hatte London bereits 40 000 Einwohner) 1700 schon 700000; 1800 900000; 1880 hatte sic 4 425000 Seelen und wird bis zum Schluß dieses Jahrhunderts 5000000 übersteigen. Die jährlichen Ausgaben der Bevölkerung Londons betragen schätzungsweise 400 Millionen Pfund Sterling, was etwa 8 Milliarden Mark gleichkommt.

(Eine Windthorst-Anekdote) erzählt der Schauspieler Karl Sonntag in seinen Bühnenerlebnissin." Sonntag speiste im Jahre 1862 mit Windthorst, der als Mi­nister nach Hannover berufen war, im Britisch-Hvtel." Die Minister waren auch in Hannover dem Wechsel der Erschein­ungen nur allzusehr unterworfen, und eines Tages kam Minister Windthorst zu Tisch und erzählte folgende eben erlebte Begebenheit. Er hatte eine Wohnung mieten wollen; als er aber, mit der Ver­mieterin einig geworden, seinen Namen nannte, antwortete die gute Frau:Dann bitte ich um Entschuldigung! Wenn Sie ein Herr Minister sind, kann ich Ihnen die Wohnung nicht vermieten; ich kann nicht so oft in meinem Hause mit den Mietern wechseln."

(Victor Scheffel.) Dem deutschen VereinArion" in New-Jork gehört ein Mitglied an, das verschiedenerTöne Meister" ist. Das zeigen die folgenden scherzhaften diealektischen Umschreibungen der ersten Strophe des bekanntesten Scheffel'schen Liedes, welche demKon­fektionär" mitgeteilt wurden.

1. Urtext.

Das ist im Leben häßlich eingerichtet,

Daß bei den Rosen gleich die Dornen stehn. Und was das arme Herz auch Plant und dichtet, Zum Schlüsse kommt das Voneinandergeh'n.

In Deinen Augen Hab ich einst gelesen,

Es blitzte drin von Glück und Lieb ein Schein; Behüt' Dich Gott, es wär zu schön gewesen! Behüt' Dich Gott, es hat nicht sollen sein!

2. Berlinisch.

Det is in't Leben eene dolle Nummer,

Del mang die Rosen lauter Dornen schteh'n Un janz besonders macht's mich ville Kummer Det allens schließlich aus'n Leim muß seh'n. In Deinen Ojen Hab' mal wat gelesen,

Du kiektest mir so freundlich an, mein Kind! Na Sache! Det wär wirklich nett jewesen, Indessen doch, det hat nich sollen sind!

3. Schwäbisch.

Dees ischt im Lebe witscht und gar net lieble, Daß bei den Rösle glei die Dörnle schtehe; Und, sitzt das Maidli wirkli mal beim Büble, Sie müsset denn erscht auseinander gehe.

In Deine Aeugle ha'n i au mal g'lese,

Zur Kirmes war'sch, wir tränke neue Wei; Dees Ding wär' so weit au net übel g'wese, Doch gab's zum Abschied arge Rauferei!

4. Plattdeutsch.

Dat is in't Lewen snaak'sch man inricht' worden, Dat bi de Rasen so veel Stacheln stahn,

Un, dröppt man sick in't Süden oder Norden, Tauletzt möt'n wedder utenaunergahn.

Du wierst mi mal veel leiwer als mien Lewen,' Ick dacht', Du Haast mi ok tau'n Ehmann nahm'n; Mien säute Diern, dat hadd en Spaß asgewen! Min Zuckersnut, de Sack is anners kam'n.

5. Sächsisch.

Nee heern Se mal, des is Sie kar nich scheene, Deß bei die Rosen so viel Dornen steh'n;

Ich find's Kottstrambach, gradzu kemeene, Wie's eenen armen Luder oft kann geh'n Ich halt' Sie nemlich mal 'ne Braut in Driisen, Da fiel 'ch Sie awer eklich mit'n 'nein!

Der Spaß is nemlich kar nich billig k'wesen!

's hält' freilich können noch viel dheirer sein.

(Ein königlicher Gewinn.) König Milan von Serbien, so versichert der Figaro", langweilt sich durchaus nicht in Paris und weiß seine Zeit nützlich zu verwenden. Jüngst hat er binnen achundvierzig Stunden im Baccarat 130000 Francs gewonnen. Wenn ihm das Glück weiter so hold bleibt, kann er auf die serbische Civillistepfeifen".

(Kindermund.) Lehrer (zu einem kleinen Mädchen):Du hast so entsetzlich schlecht geschrieben! Hast du denn keine Schwester, die es dir zeigen kann?" Nein, ich kriege erst eine!"

Geben Sie mir eine Flasche vom Allerbesten, ich Hab mein Vieh gut ver kauft." Weinhändler (zu seinem Lehr­ling):Eine Flasche Mosel mit halb agna." Bauer:Ach wat! Ganz agna! Wir könnens bezahlen!"

Rätsel.

Des Seemanns Führer wendet Sich immer nach mir hin. Versetze meine Zeichen,

So ändert sich mein Sinn: Dann schütze ich der Blumen Holdselige Königin.

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.