Karlsruhe, 6. Dez. Als ein Weinpantscher ersten Ranges entpuppte sich ein hiesiger Wirt. Der gute Herr halte nämlich 600 Liter Wein aus der Pfalz erhalten. Diese 600 Liter ließ er in ein Faß zu 1000 Liter laufen, warf 2 Ztr. indischen Rohrzucker hinein, goß 12 Liter Sprit dazu, und nun wurde Wasser darauf gepumpt, daß es eine Freude war; im Nu waren aus den 600 1000 Liter geworden. Doch mitten in seinen Calcu- lationen wurde der Künstler durch die Kriminalpolizei gestört, welche das Faß versiegelte.
Württemberg.
Stuttgart, 14. Dezember. Das Befinden S. M. des Königs ist in erheblicher Besserung begriffen. — Am Dienstag findet bei der Solitude eine große Hofjagd auf Hirsche statt, wozu zahlreiche Einladungen ergangen sind.
Stuttgart, 12. Dezbr. Verein für Handelsgeographie. „Die Presse im Dienste des Kaufmanns" hatte Herr Oberstudienrat v. Dillmann zum Gegenstand seines heutigen Vortrags gemacht. Den Gedankengang des Vortrags charakterisieren wir am besten durch einen Auszug aus der Fülle geistreicher Sentenzen, die in den Vortrag geflochten waren. Alles was ist, wird zum Handel, wenn es einen Liebhaber findet. Handel ist die Kunst der Vermittlung der Waren, er hat die Trägheit der Dinge zu überwinden, die Dinge beweglich zu machen. Der Ort des stärksten Erzeugnisses deckt sich mit dem Ort des stärksten Verbrauchs, daher die Bedeutung des Transports in Bezug auf Weg und Zeit, den der Kaufmann zum Gegenstand seiner Thätigkeit zu machen hat. — Das Wort, die Sprache hat nur Bedeutung, wenn sie gefällig und gewinnend ist; Höflichkeit ist die größte Tugend des Kaufmannes; durch Ueber- redung leistet er am meisten. So bedeutend aber auch das gesprochene Wort ist, so beschränkt ist es hinsichtlich seiner Tragweite. Die Presse besorgt die Weiter- vecbreitung eines gesprochenen bedeutenden Wortes. Die Annonce bewirkt Konsum und Produktion; erwirkt sie die Lüsternheit und Begehrlichkeit des Lesers, so wird sie zur Reklame. Ist die Presse völlig unbeschränkt, so entfaltet sich die Reklame zur höchsten Blüte, so daß der Satz gilt: „Nur das ist der Mann, was er aus sich macht." Die Londoner Times hat durch Annoncen eine Jahreseinnahme von 11 Millionen Mark. Der New-Iorker Herald hat eine ungleich höhere Einnahme. Was aber der Wein für den Leib, das ist die Reklame für den Handel; der Wein stärkt und berauscht, der Rausch ist etwas häßliches; man darf aber deshalb den Wein nicht tadeln, bei mäßigem Gebrauch wirkt er nur Gutes. Die Reklame ist nötig für den Handel, die Häßlichkeit der Reklame verschwindet, wenn sie sich in den Dienst der Kunst stellt, der Mensch ist künstlerisch angelegt und will danach behandelt sein. Wenn einmal ein Redakteur, um sich einen Konkurrenten vom Halse zu schaffen, schreibt: „Eher wird eine gekochte Rübe die Alpen durchbohren, als 1 Gramm gesunden Menschenverstandes den dicken Schädel des N. N.", so ist dies Grobheit,
Grobheit aber ist kein Witz. Eine Annonce kommt in 2 Tagen 50 bis 100000 Menschen zu Gesicht, in einer gut gelesenen Zeitung Millionen von Menschen. Aber Hand in Hand mit der Reklame muß die Solidität der Ware gehen. Zu einer guten Jagd gehören nicht blos lärmende Treiber, sondern auch gute Schützen. Reklame für schlechte Ware ist unsittlich, gemein, beschämend; sie hat den Lohn ihrer Schuld in sich selbst. Reklame kann me die Solidität des Geschäftes ersetzen. — In der Literatur hat sich bis jetzt der Handel noch nicht die ihm gebührende Bedeutung erworben, man denke nur an die Romane, wo der Herr Kommerzienrat nur zu häufig die Rolle des Einfältigen, des Gefoppten, des Eigennützigen zu spielen hat. Redner schließt mit dem Wunsche, daß der Handelsstand hierin bald Remedur zu schaffen wissen werde. — So wußte sich der bedeutende Redner, den reicher Beifall lohnt, seiner Aufgabe mit Geist und Laune zu entledigen.
Stuttgart, 12. Dez. Gestern abend nach 9 Uhr drohte dem auf dem hiesigen Bahnhof stehenden, für den Schnellzug Nr. 38 nach Frankfurt bestimmten Bahnpostwagen eine ernste Gefahr, welche sehr unangenehme Folgen hätte haben können, wenn der Wagen bereits voll geladen gewesen wäre. Die Wandfläche oberhalb des Ofens am Dache fing nämlich plötzlich zu brennen an. Der Brand wurde alsbald entdeckt und gelöscht. Der gewaltige aus dem Wagen strömende Rauch zog auf dem Bahnsteig eine größere Anzahl Zuschauer an.
Stuttgart, 14. Dez. Im Festsaale der Liederhalle tagte gestern abend eine äußerst zahlreiche Versammlung zur Besprechung einer Petition an den Reichstag gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzes. Landgerichtsrat Nestle führte den Vorsitz Die Begründung der Petition hatte Professor Dietz übernommen. Er schildert sie Entstehung des Ordens, seine Grundsätze und seine auf Vernichtung des Protestantismus gerichtete Tendenz. Bei Wiederzulassung des Jesuitenordens sei das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen gefährdet; den auf Beseitigung des Jesuiteugesetzes gerichteten Bestrebungen des Ulmer Katholikentags hält Redner die Thatsache entgegen, daß viele katholische Mitbürger den Frieden vorziehen. Die Jesuiten seien die Totfeinde der evangelischen Kirche; der Jesuitenorden sei kein Glaubensartikel der katholischen Kirche. Die Rücksichtslosigkeit des Ordens iu Verfolgung seiner Ziele werde durch die Ordensregel „Willenlos wie ein Leichnam" unterstützt; der Jesuit darf, wenn esseine Obern verlangen, weder an Liebe noch an Gott denken, muß also die Fundamentalsätze der christlichen Lehre, wie sie von seinem Stifter ausgingen, verleugnen. Der Jesuitenorden sei fleischaewordener Fanatismus; ihm verdanken wir den 30 jährigen Krieg und seine Folgen. Schweigen zu der beabsichtigten Wiederkehr des Ordens dürfen wir nicht. „Wir protestieren im Namen der Sittlichkeit, der ehrlichen Ueber- zeugung, des geistigen Fortschritts, im Namen der Toten, die zur Einigkeit Deutschlands gefallen sind, dagegen." Noch
mehrere andere Redner traten auf, die Herren Fischer, Hinderer, Göz, Stähle. Das Resultat der Versammlung ist, daß von nächsten Montag an die Eingabe an den Reichstag in einer größeren Anzahl von Geschäftsräumen zur Unterschrift aufgelegt wird.
Tübingen, 10. Dez. Im hiesigen Bataillon dient zur Zeit ein Mann, der 5 Jahre der französischen Fremdenlegion in Algier angehört und dort einen Ausmarsch mitgemacht hat. Seine Erfahrungen in fremdem Sold waren derart, daß der Mann es vorzog, in seine Heimat nach Freudenstadt zurückzukehrcn und sich zur Ableistung seiner Militärpflicht zu melden.
O e st e r r e i ch.
Lemberg, 9. Dez. Baron Hirsch stiftete 12 Millionen Gulden für israelitische Schulen in armen galizischen Orten.
Ausland
Paris, 12. Dezbr. Gegenüber den Nachrichten betreffs der Abschaffung der Lanze bei der Kavallerie bemerkt der „Temps", diese Waffe werde im Gegenteil endgiltig bei der Kavallerie eingeführt und es fänden gegenwärtig Versuche statt, wie das gleichzeitige Tragen des neuen Kavallerie-Karabiners und der Lanze praktisch durchführbar wäre.
Miszellen.
Berlin. Wegen unbefugter Eröffnung und Unterdrückung eines Briefes stand die Kaufmannsfrau Bertha K. vor dem Schöffengericht. Das Dienstmädchen der Angeklagten erwartete im April d. I. einen Briet, über dessen Nichtcintreffen sie sich höchlichst wunderte. Da fand sie eines Tages in dem Herde, als sie Feuer anmachen wollte, die Ueberreste von verbranntem Papier und einen Briefumschlag, der nicht vollständig vom Feuer verzehrt war. Sie holte denselben hervor und konnte noch entziffern, daß auf der Rückseite des Umschlags der Name desjenigen als Absender gestanden, von dem sie einen Brief erwartete. Als sie sich beim Briefträger erkundigte, bestätigte dieser, daß er tags zuvor einen Brief an das Mädchen zu bestellen gehabt, den er ihrer Herrin ausgehändigt habe. Im Verhandlungstermin legte die Angeklagte sich einfach auf's Leugnen. Der Gerichtshof hatte keine Veranlassung, die Zeugen für unglaubwürdig zu halten, sondern verurteilte die Angeklagte »ach dem Antrag des Staatsanwalts zu einer Geldstrafe von 40 event. 4 Tagen Gefängnis.
(Ende gut — Alles gut.) Laura (von einem Roman aufschaucnd): „O, wenn diese Geschichte nur wahr wäre, und ich wäre die Heldin!" — Louise: „Was? mit allen ihren Verfolgungen und all' ihrem Elend?" —Laura: „Aber, meine Liebe, Du mußt bedenken, daß sie am Ende doch einen Mann bekommt.
^ Die Affen auf Gibraltar. Die Affen auf Gibraltar, deren Zahl im Jahr 1880 auf etwa 25 Stück geschätzt wurde, haben sich inzwischen derart vermehrt und io großen Schaden gestiftet, daß man die Herde sowohl durch Schießen als auch durch Gift vermindern mußte.
(Zool. G.)
Redaltion, Druck und Verlag von Chrn. Me eh in Neuenbürg.