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loser als man denkt, und wird seitens der Radikalen, die sich seiner als Waffe gegen Crispi bedienen, nicht wenig aufgebauscht. Garibaldi erblickte im Jrredentismus hauptsächlich das Mittel, im Volke die alten Ideale wachzuhalten. Endlich erklärte Menotti Garibaldi, Umsturzparteien im Sinne des deutschen Sozialismus giebt es in Italien nicht und die Republikaner sind vollends ohnmächtig. Uebrigens hätte die Proklamierung der Republik in Italien keinen Sinn, solange das Papsttum besteht und das Nationalbewußtsein nicht in Italien so durchgedrungen ist, wie in Frankreich und Deutschland. Die italienische Monarchie habe eine absolut sichere Basis und bei den Wahlen werde Crispi siegen.
Nach Beendigung der russischen Manöver an der österreichischen Grenze sind große Truppenmassen, welche zu diesen Manövern aus dem Innern des Landes herbeizitiert worden waren, nicht mehr in ihre früheren Garnisonen zurückgekehrt, und dadurch ist die bedrohliche Truppen- anhäufung an der Westgrenze Rußlands noch bedeutend verstärkt worden. Das giebt ernstlich zu danken!
Derjenige Teil der englischen Presse, welcher in voriger Woche auf Grund erlogener Nachrichten über die angebliche Gestattung des Sklavenhandels in Deutsch- Ostafrika Gift und Galle gegen Deutschland spie, muß sich nach Entlarvung jener Lüge von der anständigen englischen Presse bittere Wahrheiten sagen lassen, und einige englische Blätier sind ehrlich genug, der Times vorzuhalten, wie schwer sie mit ihren Schimpfereien gerade Englands Interessen gefährde und schädige, indem Deutschland wohl wenig Neigung haben werde nach wiederholten solchen Beschimpfungen die Russen vom Marsch nach Indien abzuhalten.
London, 23. Septbr. (Erbauung eines „Volkstempels".) Hier ist der Plan ausgetaucht, einen Bolkstempel zu bauen, in welchem mindestens 100 000 Personen sich zwecks Besprechung von Gegenständen von öffentlichem Interesse versammeln können.
WisMcn.
Ahnungen.
Krimmal-Novelle von Gerhard v. Arnim.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
„Was halten Sie von dem Zustande meiner Frau?" frug der Baron mit einer Stimme, aus der man die innere Angst des Mannes heraushörte.
„Nur eine leichte Ohnmacht infolge des stattgehabten Schreckens", entgegnete der Arzt nach einer kleinen Pause; sehen Sie nur. die Besinnung kehrt bereits zurück. Unterstützen Sie ihre Frau Gemahlin und führen Sie dieselbe ins Hotel. In einer halben Stunde wird die letzte Spur des Unwohlseins verschwunden sein.
Der Doktor hatte Recht. Die Dame öffnete in diesem Momente die Augen und blickte verwirrt auf ihre Umgebung, lächelte aber matt, als sie ihren Gemahl neben sich sah, der ihre Hand erfaßt hatte und dieselbe wiederholt mit seinen Küssen bedeckte.
„Wie glücklich bin ich, daß du mir wiedergegeben und nicht verletzt bist. Johanna," sprach er leidenschaftlich; fühlst Du Dich wohl genug, um auf meinen Arm gestützt in's Hotel zu treten, wo wir warten müssen, bis ein anderer Wagen zur Stelle ist?"
„Der Anfall ist vorüber", sagte die Dame mit etwas schwacher Stimme, indem sie sich von ihrem Sitze erhob, „ich kann sogar ohne deine Hilfe aussteigen. Du bist zu besorgt um mich, Eugen, nein, lasse Deinen Arm nur weg. allein um deine Hand möchte ich bitten. So, hier stehe ich bereits neben Dir und nun laß uns eintreten, denn es fröstelt mich mit einem Male."
Auch die Wirtin zur Krone war an die Gruppe herangetreten, und unter tiefen Knixen versicherte sie, daß die gnädige Frau Baronin über ihr ganzes Haus und die schönsten und besten Zimmer nur zu verfügen habe.-
„Ist denn auch ein geheiztes Zimmer vorhanden?" frug die Angeredete, lächelnd über den außerordentlichen Eifer der guten Frau.
„Geheizt sind nur die Säle, in welchen die Gäste sich befinden; aber in zehn Minuten kann für die gnädige Frau Baronin ein gutdurchwärmtes Privatzimmer hergerichtet sein."
„So lange wollen wir uns nicht aufhalten, Eugen. Ich denke, wir lassen uns neben den Gästen irgendwo nieder, bis wir abreisen können."
„Ganz wie Du willst, liebes Kind," entgegnete der Gemahl", indessen könnte der Tabaksqualm, der dort zu herrschen pflegt. Dir unangenehm werden."
„O. der stört mich nicht im geringsten. Mein Papa hat stets im Hause geraucht, und auch Du bist durchaus kein Verächter einer guten Cigarre. Von meiner Kindheit an bin ich also daran gewöhnt, daß man in meiner Gegenwart den Genuß einer Cigarre sich gestattet."
„Treten sie gefälligst hier ein, meine Herrschaften, wo die Honorationen versammelt sind," sprach die Wirtin, welche dem im Hausflure zwischen den Ehegatten geführten Gespräche mit Aufmerksamkeit gefolgt war, und weit die Thüre zu dem kleinen Saale öffnete, in welchem der Rat seinen Abschied von Wendenheim feierte. —
Die junge Dame grüßte die Anwesenden durch eine leichte und anmutige Verneigung des Kopfes, was von diesen durch ein ehrerbietiges Erheben von ihren Stühlen erwidert wurde. Als jedoch der Baron sich^nach einem geeigneten Niederlassungsorte umsah, stellte sich heraus, daß das kleine Zimmer an diesem Abende nur eine, für die Gäste des Untersuchungsrichters bestimmte Tischreihe enthielt. Diesen Umstand benutzte der ritterliche Bürgermeister. der früher Lieutenant i» einem Infanterie-Regiment gewesen, um mit geziemender Ehrerbietung auf das freiherrliche Ehepaar zuzutreten und zu fragen, ob der Herr Baron und seine Frau Gemahlin nicht an dem gemeinschaftlichen Tische Platz zu nehmen geruhen wollten.
Eine derartige Einladung abzuschlagcn, ging nicht wohl an, obwohl der Baron keineswegs besonders angenehm von der
selben berührt schien; ein leichtes Zucken um seine Mundwinkel verriet, wie ungelegen ihm dieses Anerbieten kam. Doch er beherrschte sich schnell und bat den Bürgermeister, ihn mit den übrigen Herren am Tische bekannt zu machen.
„Herr Baron von Kalden nebst Gemahlin, Besitzer von Schloß Greifenstein bei Wendenheim," sprach unter einer Verbeugung der Bürgermeister zu den versammelten Gästen, die nun auch ihrerseits der Reihe nach vorgestellt wurden.
„Darf ich die gnädige Frau Baronin und den Herrn Baron bitten, die Ehrenplätze hier zur Seite unseres verehrten Jubilars und Präsidenten, des Herrn Landgerichtsrats von Dernburg einzu - nehmen", fuhr der galante Beherrscher der Stadt Wendenheim fort, wobei er die übrigen Herren ersuchte, ein wenig weiter nach unten zu rücken.
„Aber wir derangieren ja vollständig die Herren, mein Verehrtester Herr Bürgermeister", warf der Baron nonchalant ein, während er bereits zur linken, seine Gemahlin dagegen zu rechten Seite des am obersten Tischende sitzenden Untersuchungsrichters Platz genommen hatte, dann zu diesem sich wendend fügte er hinzu: „So angenehm es mir ist, in eine so lebenswürdige Gesellschaft mich versetzt zu sehen, jo leid thut es mir eine solche Störung derselben hervorgerufen zu haben."
Herr von Dernburg. dessen Aufmerksamkeit bis dahin durch das anmutige und interessante Gesicht der Baronin fast ausschließlich in Anspruch genommen worden war, verbindlich lächelnd, von einer Störung könnte durchaus keine Rede sein, und wenn er ans den Unfall, welcher betroffen, an und für sich aufrichtig bedaure, so begrüßte er es doch als einen günstigen Zufall, daß jener gerade zu dieser Zeit vor dem Gasthause zur Krone stattgefunden habe, wodurch ihm die Ehre zu teil geworden sei, den Herr Baron und seine Frau Gemahlin persönlich kennen lernen."
„Besuchen sie oft unser Städtchen?" frug der Baron.
„Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich hier bin, und zwar ist es eine ebenso schreckliche wie geheimnisvolle Begebenheit, welche mich nach Wendenheim führte. Ich bin hier, um den Mörder jener unglücklichen Frau, welche man in dem angrenzenden Walde gefunden hat, auf die Spur zu kommen."
(Fortsetzung folgt.)
WutmaßNches Wetter
am Sonntag den 28. Sept.
In der nördlichen Hälfte der Nordsee hat sich der Lustwirbel vertieft, er bleibt aber für Süddeutschland vorerst ohne Bedeutung, da der Hochdruck aus dem biskayischen Meerbusen sehr bedeutende Kräfte entwickelt, so daß in ganz Mitteleuropa das Barometer zwischen 768 und 778 mm steht. Das geringe Luftdruckgesühl begünstigt die Bildung von Frühnebeln, welche aber von der Sonne fast überall niedergedrückt und zerstört werden und nur in vereinzelten Gegenden aufzusteigen und so trübes Wetter zu veranlassen im Stande sind. Demgemäß ist am Sonntag unü wohl auch noch am Montag tagsüber trockenes größtenteils heiteres Wetter, und durchweg milde Temperatur in Aussicht zu nehmen. (Vortreffliches Herbstwetter! Die Red.)
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Me eh in Neuenbürg.