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die politische Klugheit mit weggeschwemmt worden ist. So beispielsweise, als der Vorstand der Petersburger deutschen Liedertafel Dr. Schmidt eine sehr hübsche Rede gehalten hatte, in welcher folgende Sätze vorkamen:
Wir sind gekommen, um zu bezeugen, daß wir das deutsche Lied in Rußland mit warmem Herzen pflegen. Wir stehen nicht hier, um uns als Märtyrer auszuspielen, das in der Form des deutschen Liedes zutage tretende Deutschtum hat sich in der ganzen gebildeten Gesellschaft Petersburgs vollen Beifall errungen. Anläßlich des Jubiläums unseres Vereins hat sogar die allerhöchste Stelle des Reiches es anerkannt, welchen Erfolg das deutsche Lied in Petersburg und damit in Rußland hat. Glauben Sie nicht, daß wir hierher gekommen sind, um zu demonstrieren; wir Deutsche in Rußland stehen unangefochten, frei und ungehindert in der offenen Be- thätigung unseres Deutschtums da.
Bei diesen Worten ertönte der Ruf: „Aber Riga!" und gleich darauf riefen mehrere Sänger: „Und die deutschen Ostseeprovinzen!" Ja, haben denn diese Zwischenrufer den armen Dr. Schmidt durchaus nach Sibirien bringen wollen? Dr. Schmidt erwiderte auf diese Zwischenrufe, die auch ihm offenbar unerwartet kamen, nur: „Ich spreche von Petersburg," und beendete seine Rede, indem er die Versammlung aufforderte, dem Genius des deutschen Liedes ein Hoch zu weihen. In Zukunft sollte man doch die politische Weisheit etwas kräftiger walten lassen, oder wir werden keine deutschen Gäste aus Rußland mehr zu sehen bekomm. (Ltr. P.)
Ausland.
Petershof, 23. August. Kaiser Wilhelm machte das gestrige Manöver an der Spitze seines Wyborgschen Infanterie-Regiments mit. Nach Schluß des Manövers war ein Frühstück, bei welchem der Zar auf das Wohl des deutschen Kaisers und des deutschen Heeres trank. Der Zar schenkte dem Kaiser eine Troika (Dreispänner) mit drei prächtigen Füchsen. Der Reichskanzler v. Caprivi ist heute von dem Zar in einer Audienz empfangen worden, welche eine Stunde dauerte.
Der russische Botschafter in Paris, v. Mohrenheim, und der russische Kriegsminister v. Wannowski, welcher bekanntlich in Vichy eine Kur gebraucht, sind in letzter Zeit von den Franzosen wiederholt in fast demonstrativer Weise gefeiert worden. Erst am vorigen Donnerstag passierte dies Hrn. v. Mohrenheim wieder, indem er zu einem offiziellen Diner beim Seinepräsident Hendle zu Ehren des Generalrats des Seine-Departements hinzugezogen wurde. Der Präfekt toastierte hierbei auf Carnot, auf den Zaren und aas Mohren- heim selbst, welchen dann auch der Präsident des Generalrats in einem zweiten Trinkspruche feierte. Bemerkenswert ist immerhin, daß der Vertreter des Zaren in der französischen Hauptstadt gerade zu dem Zeitpunkte gefeiert wurde, zu welchem Kaiser Wilhelm der Gast des Zaren war.
Paris, 22. Aug. Nach einem Versuch des Kriegsministers wurde festgestellt, daß in drei Stunden den sämtlichen 10 000
Telegraphenämtern Frankreichs eine eventuelle Mobilmachungsordre übermittelt ist.
Migztllen.
In's Bad.
Eine Geschichte aus dem Leben von vr. I. K. Kemps.
(Nach dem Manuskript gedruckt; rviderrechtl. Abdruck verboten.
(Fortsetzung.)
Es hatte unterdessen ausgehört zu regnen, die Wolken waren weggezogen und gar lieblich sandte die gute Sonne ihre schönsten Strahlen aus die Erde hernieder. Unvergleichlich schön in tausend Strahlen, in abwechselnden feurigen Farben zündete das reichlich mit Edelsteinen besetzte neue Kollier des Annchens in das beängstigte, beunruhigte Herz der Mutter. Und ruhiger wurde sie beim Anblicke des feuerstrahlenden Hals- und Armgeschmeides, welches ihre Tochter in weit höherem Liebreiz und Schönheit erscheinen ließ und eine vollkomenere tHrionabls Stellung ihr verlieh.
„In der That, Annchen," rief jetzt die Mutter freudig aus, welche ihre Tochter mit gesteigertem Wohlgefallen betrachtete, „ich sehe es ein, das hat Dir seither gefehlt. Aber, aber, was wird der Papa dazu sagen?"
Mitlerweile hatten die Beiden nach einigen Umwegen, wie es Leuten, die wenig gereist sind, stets geht, den Bahnhof wieder erstiegen. Gerade hörten sie den letzten Pfiff der Lokomotive, als sie gegen den Perron gelangten und der Zug dampfte, entgegen den kräftigen Halterufen der Mutter und Tochter, dem Enzthale „Wildbad" zu. Das war entschieden Pech. „Abwarten und Thee trinken," sagt das Sprichwort. Frau Willibald war untröstlich, besonders deshalb, weil der Zug vor der Nase davonfuhr. Annchen dagegen machte sich weniger daraus, denn dachte es:
Jst's nicht Dieser, ist ein Anderer.
Darum unverzagt, mein lieber Wanderer!
Um den schönsten Teil der Reise-Ordnung war es aber geschehen, denn das stolze Einfahren vom Wildbaoer Bahnhof in's Hotel, das feine Mittagessen mit der großen hohen Gesellschaft, das war für sie heute dahin und nur bei eingebrochener Nacht war die Bäderstadt noch zu erreichen.
Bitteres Heimweh, trübe Gedanken, Vorwürfe erzeugte die Versäumnis bei der Frau, während der Magen auch seine Rechte behauptete. Den Rest ihres allerdings nicht mehr großen Barvermögens hätte sie darum gegeben und haarklein hätte sie ihrem Gemahl alles gerne aeoffenbart, wär sie wieder in ihrem trauten Familienkreise. Nur der erstaunlichen Ueberrede- kunst der Willensstärken Tochter gelang es abermals, die Frau zur Weiterreise zu bestimmen und für das Weitere empfänglich zu machen. Ein gutes Mittagsmahl in einem nahe gelegenen Gasthose ließen die Leiden und Trübsale der Frau Willibald bald vergessen machen.
7. Kapitel.
Sehr frühzeitig hatten sich Frau und Tochter Willibald zum nächsten Zug nach Wildbad in der II. Klasse des Bahnhofwartsaals von Pforzheim eingefunden. Mit großer Sehnsucht erwarteten sie das Abrufen zum Einstigen und langweilig und schläfrig wurde es ihnen auf den plüschüberzogenen breiten Polsterungen.
Pforzheims Einwohner aus den besseren Ständen kommen mit Vorliebe, entweder aus Neugierde zur Besichtigung des anwesenden Publikums, oder aber um Bekannte abznholen, zum Bahnhofe. In geschlossenen Kolonnen marschieren ganze Familien, Mann Frau, Kinder und Dienstmädchen hintendrein, an den Fremden vorüber, diesen stolze musternde Blicke zuwerfend. In der nebenanstoßenden Restauration war just nicht viel Leben, dagegen trieben in dem weiter anstoßenden Wartsaal III. Klasse, der mit einer halbzugedrehten Gasflamme nur sehr spärlich erleuchtet war, junge Bursche und Mädchen allerlei Kurzweil. Herzlich lachte dabei der ältere Thürhüter, der wohl dadurch an seine Tugendzeit erinnert, dem Treiben mit Wohlgefallen zusah. Das Eintreten einiger langbeblouster, gut parfümierter, mit riesigen Adlernasen ausgestatteter, kurze Peitschen tn der Hand tragender Männer
vermochte eine Störung in dem Spiele der jungen Welt nicht hervorzurusen.
Endlich, endlich war die Zeit der Abfahrt des Zuges nach Wildbad herangekomm. Nnn saßen Frau Willibald und ihr Augapfel wohl gesichert in dem Koupe und wieder an mehreren Orten vorbei, von welchen es in der Dämmerung wie von unzähligen Sternlein herüberglänzte, fuhr in Sturmeseile der Zug durch die sommerliche Abendluft, zwischenhinein einen kurzen Halt machend, seiner Bestimmung zu.
Nicht lange kämpfte die Frau gegen die Arme des heranstürmenden Morpheus und nur der Geist wirkte in ihr geschäftig weiter, bald dieses bald jenes schreckliche Traumgebild gestaltend. Fräulein Annchen dagegen war — wie immer — munter und guter Dinge. Es stand am Fenster und schaute, dabei die künftigen Tage ausmalend, in den schönen Abend hinein, die Lichter der Ortschaften bewundernd, die wie bei einer langen nächtlichen Auffahrt in schnell fahrenden Karossen an ihm vorbeizogen. Hin und wieder schob das Mädchen ihr schelmisch aufgeregtes Köpfchen zum Genüsse der würzigen erfrischenden Thalluft zum Fenster hinans.
„Wildbad, Wildbad," erscholl endlich der beglückende Ruf des Kondukteurs,
Ein ganzes Heer von Portiers, Diener, Dienstleuten und anderen Mietstruppen drängte sich, die Hotels, Quartiere und Dienste anbietend, dem aussteigenden Publikum entgegen. „Hotel Klumpp!" rief Fräulein Annchen mit Heller, kräftiger Stimme in die Livree tragenden Männer hinein und schnellstens, alle andern Bediensteten mit den Ellenbogen unsanft von sich stoßend, arbeitete sich ein Diener des eben ausgerufenen Hotels zu der Parole hin, indem er nach wiederholten Bücklingen und elegant abgenommener Hotel-Mütze, das Handgepäck der beiden Damen in Empfang nahm und sie selbst aber zu dem bereitstehenden Hotelwagen begleitete:
Mehrere Personen, Damen und Herren, stiegen noch ein, Niemand sprach aber ein Wörtchen, sondern in völliger Kirchhofsstille verblieb die Gesellschaft bis zum Ziele.
Bon einem wolkenlosen prächtigen Sternenhimmel glänzte jetzt das Schelmengesicht des Altvaters Mond, einem mächtigen Magnesiafeuer gleichend, auf die Bäderstadt herunter. In majestätischer Pracht lag vor den erstaunten Blicken der ankommenden Gäste das Grand Hotel Klumpp, an welchem, beeinflußt durch das magische Mondlicht, die große breite Freitreppe, die Kapitäler und Friese so wundervoll hervortraten. Eine schwalbenschwänzige Schaar hochbestehkragter, langseitiger Kellner rannte im Wettlauf dem angekommenen Omnibuse zu, die neuen Gäste heißhungerig in Empfang nehmend. Haustelegraphen klingelten, Thüren rasselten zu, Gemurmel drang aus den Zimmern, Kellner huschten mit dem obligaten weißen Tuche auf der Schulter über die Gänge, feiner einladender Bratenduft erfüllte die untere Etage, weibliche Dienerinnen eilten leise ab und zu und aus breiten Läufern ging's die prächtigen Treppen hinauf in die Stockwerke.
(Fortsetzung folgt.)
Indische Zeitungen erzählen, daß der ganze Haushalt des Nabob Sultan Nawaz Jung, eines wohlbekannten Edelmannes am Hofe des Nizam von von Hyderabad, jungst eine Woche lang damit beschäftigt war, die Hochzeit eines Puppenpares zu feiern. Die Zeremonie ging mit großem Pomp vor sich. Die ganze kostspielige Affaice hatte nur den Zweck, die siebenjährige Enkelin des Nadobs zu amüsieren.
Gemeinnütziges.
(Um vergilbte Wäsche wieder weiß zu machen,! weicht man sie in sauer gewordene Buttermilch und läßt sie darin liegen, und zwar gröbere länger als feinere. Aldann wäscht man sie mit Seife in lauwarmem Wasser, spült sie in kaltem nach und trocknet sie. Hilst dieses Verfahren nicht das erste Mal, so wiederholt man es. Bei sehr seiner Wäsche darf die Milch nicht zu sauer sein.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.