Heilbronn, 22. Aug. Die Neck.- Ztg. schreibt: Die Mitglieder der deutschen Partei werden morgen Samstag in größerer Anzahl einen Ausflug nach Klssingen unternehmen, um daselbst dem Fürsten Bismarck einen Besuch abzustatten und ihm damit zugleich, als dem Begründer des deutschen Reichs, ein Zeichen treuer Dankbarkeit, Verehrung und Liebe zu geben.
InBacknang ist am Freitag morgen die große Loh- und Lederfabrik von I. Nebinger, vorm. G. Käß, gänzlich abgebrannt; die Feuerwehr konnte nur noch die Nachbargebäude retten. Die mit den neuesten Maschinen und elektrischer Beleuchtung ausgestattete Fabrik beschäftigte in letzter Zeit 60 bis 70 meist verheiratete Arbeiter, deren Wohnungen teilweise auch mitverbrannt sind. Der Schaden sei auf ca. 300 000 zu bemessen.
Aus dem Schönbuch, 19. August. Die reiche Ernte, welche in unserer Gegend die Bevölkerung beglückt, ist nun nahezu glücklich eingeheimst, heute unter freundlicher Beihilfe der einquartierten Soldaten. In Dettenhausen hat der gestrige Erntetag einem bejahrten Bauern das Leben gekostet. Durch rasches Anziehen des Pferdes aus dem Gleichgewicht gebracht, siel derselbe vom Wagen. Infolge einer Rückgratsverletzung, die er dabei erlitten, ist er heute gestorben.
Von der Tauber, 17. Aug. Die Trauben machen überaus befriedigende Fortschritte; man sieht viele, die schon ganz ausgewachsen sind; der größere Teil der Beeren hat die Größe von halbreifen Schlehen. Bei der gegenwärtig günstigen Witterung merkt man jeden Tag einen erfreulichen Fortgang.
S ch w e l z.
Basel, 15. Aug. Vorsicht mit Petroleum. Die „Baseler Nachrichten" melden: Gestern standen zwei Kinder, ein etwa 12jähriges Mädchen und sein dreijähriges Brüderchen, am Kochherd, aus dem sich auch in der Nähe des Feuers eine mit Petroleum gefüllte Kanne befand. Sei es nun, daß die Kanne rann oder daß in anderer Weise Petroleum verschüttet wurde: plötzlich entstand eine starke Flamme, welche das Mädchen erfaßte und dessen Kleider entzündete. Das Feuer teilte sich sofort auch dem danebenstehenden Brüderchen mit, worauf beide brennend ins Freie liefen und durch ihr Geschrei Hilfe herbeiriefen. Die Flamme wurde bald erstickt; die beiden Kinder aber, die teilweise mit Brandwunden bedeckt sind, mußten in das Krankenhaus verbracht werden.
Ausland.
Paris, 21. August. Im heutigen Ministerrat teilte Kriegsminister de Frey- cinet mit, das I. und II. Korps unter Leitung des Generals Billot würden bei den Manövern das rauchfreie Pulver anwenden.
P e t ers b u r g , 22. Aug. Der Reichskanzler General v. Caprivi besichtigte heute früh die Peter-Paul-Festung, besuchte dann den Botschafter General v. Schweinitz und begab sich um 2 Uhr nachmittags zu dem Minister des Auswärtigen v. Giers, um mit demselben zu konferieren. Nach der Konferenz wird der Reichskanzler die
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Botschafter der auswärtigen Mächte besuchen.
Narwa , 22. August. Die Manöver sind heute in der Richtung nach Krasnoje- Selo beendigt worden. Das Hauptquartier befindet sich gegenwärtig in Gomontowo.
Der Wirbelsturm vom Mittwoch, 20. Aug. in Saint Claude (Jura) hat 6 Tote und zahlreiche Verwundete hinter- lasfen; 6000 Arbeiter sind obdachlos.
Christiania, 22. Aug. Kaiser Wilhelm hat für die Brandbeschädigtcn in Hammerfest 10000 M. gespendet.
Di'Zt'llkN.
In's Bad.
Eine Geschichte aus dem Leben von vr. I. K. Kemps.
(Nach dem Manuskrix r gedruckt; widerrechtl. Abdruck verboten
6. Kapitel.
Wie bald führte der Schnellzug Frau und Tochter Willibald ihrem Ziele zu. Wie war ihnen das Herz zuerst so beklommen bei der Abfahrt von der Heimat. Unterwegs aber verscheuchten sich die trüben Gedanken durch animierte Gespräche der übrigen Reisegesellschaft in dem Koupö der zweiten Wagenklasse. Mit Blitzesschnelle flogen die Städte, Dörfer und Häuser an den Wagenfenstern vorüber und wie ans einer bemalten in Gang gesetzten Drehscheibe erschienen Einem die weiter entfernt gelegenen schönen Landschasts- bildcr. Ein heftiger Platzregen, vom Sturme gepeitscht, wetterte jetzt aus die Eisenbahnwagen hernieder und man freute sich, so gut vor den Unbilden der Witterung gesichert zu sein. Oos, die Wechselstelle für das Weltbad Baden-Baden kam nach längerer Fahrt in Sicht. Bunt wogte hier das Publikum vor dem bereitstehenden Badener Zuge hin und her und gar lange dauerte es, bis die alten und jungen Damen und Dämchen die Garderobehalter der Wagenklassen nnt ihren Schachteln und Köfferchen, Regen- und Sonnenschirmen, Tücher und Kautschukmänteln , riesenhaften Alpenstöcken und Blumensträußen ausmöbliert hatten. Im Nu waren „6bainbrs8 garuis" in großer Anzahl entstanden. — Eine weitere kurze Fahrzeit und die im Abbruch befindliche Festung Rastatt wurde sichtbar. Die vielen Millionen, die einstens von den verbündeten Regierungen zum Ausbau dieser Festung beigesteuert wurden, sie gehen jetzt vollends in Staub- und Mörtelwolren bei den übereinanderfallenden Schutthaufen auf. „8ic transit gloris. mnucki." Alles ist vergänglich, und der menschliche Geist will niemals stille stehen. Recht deutlich sehen wir dies an der jetzt in die Augen kommenden Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe. Sie ist eine Empore geworden in kurzer Zeit. Bescheiden blicken die stumpfnasigen Türme, deren es gerade nicht sonderlich viel aufweist, aus das Hüusermeer herunter und im Hintergrund ragt stolz hervor das durch alle Straßen sichtbare, majestätische Schloß. Der Bahnhof trägt das Gepräge der Großstadt und eine große Menschenmenge tummelte sich da herum. Em Rennen, Rusen, Kreischen und Gerölle, wie wenn die ganze Stadt auf dem langen Eisenbahnzuge davon getragen werden müßte.
Die hohe Hermandad in Porzellanhosen wacht über Ordnung und Gesetz unllftolz promenierende Söhne des geflügelten Rades Merkur in blauen Röcken mit goldenen Knöpfen und in roten, weithin sichtbaren Mützen ergänzen das lebhafte Bild, während die karrenziehenden Jünger des Hermes in fieberhafter Thätigkeit die Gaben mit mathematischer Sicherheit bei der wandernden Schreibstube aus- und einzählen.
Verlockend winkt in Durlach die Drahtseilbahn mit dem Wagen „ufi" und dem Wagen „abi" zu einer Bergfahrt auf den Thurmberg. Reiches Leben bringen die Karlsruher Luftschnapper mit der bequemen Straßenbahn m die verlassene Residenz der Markgrafen. Immer noch steht die lange gespensterhaste, jetzt aber zum Teil altersschwach und kahlköpfig gewordene Pappelallee an der Durlacher Landstraße. —
Nun geht das Herz der Mutter und Tochter weit ungestümer wie sonst. „Pforzheim" du buckelige Goldstadt, du Wachtposten des Enz- thales! „Pforzheim, „Pforzheim" Alles aussteigen," ruft der Eisenbahnschaffner die Wagen- thüren aufreisend.
„Mama, ist das die Stadt, wo die Schmucksachen gemacht werden? srug beim Verlassen des Coupos das Annchen neugierig.
„Ja, ja, dies ist das berühmte Pforzheim, das mehr Fabrikanten als Arbeiter hat. Wenn Du Lust hast, Annchen so wollen wir einen Zug nach Wildbad überspringen und uns die Gold- Stadt etwas näher ansehen. Ich glaube, es lohnt sich der Mühe, die reichen, geschmackvollen Schmuckgegenstände mal an der Quelle zu beschauen."
„Ach ja, Mama, thun wir das, welch interessante Stadt für uns; wie viele Wünsche, Träume, wie manche Sehnsucht, wie manches Verlangen ziehen jährlich nach der Mutierstadt der Goldschmiedekunst.
Welche gute Mutter ließe sich nicht erweichen, wenn es sich darum handelt, ihre Tochter im Rang und Ansehen Höher zu steigern, ihr ein Opfer zu bringen? Eifersüchtig wachen die Mütter darauf, daß den Töchtern, vornehmlich, wenn sie der Himmel mit Liebreiz und schöner Gestalt ausgestattet hat, ja kein Blick weniger wie Andern von der Herrenwelt zugeworfen wird. Und warum sollte Frau Willibald nicht Gleiches thun? Trafen nicht auch die Voraussetzungen zu? Wie doppelt wert und lieb war ihr heute ihr einziges Töchterchen hier in der fremden Stadt und wie klar drang der Mutter die Berechtigung der Klage des Kindes für ein neues Kollier in ihr wohlwollendes Herz hinein. Ist ja im Grunde genommen doch die Tochter und nicht die Mutter die eigentliche Veranlassung zur Kurreise in Wildbad gewesen.
Kalifornien mit seinen schönsten und besten Edelmetallen, Brasilien mit seinen feurigen Diamanten, die Türkei niit ihren kostbaren Korallen, die Schweiz und Italien mit den größten Kry- stallen und bunten Steinen lagen vor ihren erstaunten Blicken. Ein kostbares Kollier mit Armband für das Annchen und ein teurer Schmuck für die Mutter selbst ging aus der Bewunderung hervor.
Wenn die Worte B. Franklin's:
„Wer das Ueberflüisige kauft,
Muß zuletzt gewöhnlich das Notwendige verkaufen" in recht vielen Fällen mit beispielloser Bestimmtheit zutreffen, so konnte doch dies bei der wohl- häbigen, klugen Kaufmannsfrau nicht zu erwarten sein?
Aber kaum aus dem Goldwarengeschäste getreten , überkam die gute Frau Willibald eine tiefernste, verzweislungsvolle Reue. Ihr Herz pochte heftig, das Blut stieg ihr gegen den Kopf, ganz fiebrig war es ihr zu Mute.
„Annchen, Annchen," fing sie nach einer kleinen Weile in schluchzendem Tone an, „was haben wir gethan? Ein Kapital haben wir ohne Wissen und Willen des Vaters verausgabt, verschwendet, ach, hätte ich mein Geld noch! Komm', wir bringen dem Goldmann die Sachen wieder schnell zurück, ich will mein gutes Geld wieder haben."
„Wo denkst Du hin, liebe Mama unterbrach sie die etwas kältere Tochter in ruhigen, besänftigenden Worten, „das ist durchaus keine Verschwendung, so etwas hat jede gebildete Dame und ich kann Dich versichern ich verstehe auch etwas von Schmucksachen — wir haben recht billig eingekaust für die paar 100 Mark. Der Goldschmied nimmt nichts mehr zurück. Verkauft bleibt verkauft. Siehe mich doch nur an, Mama, in meinem herrlichen Schmucke! werde ich nicht überall bewundert werden, werde ich nicht eine Baronin repräsentieren können?"
(Fortsetzung folgt.)
(Auch eine Beleidigung.) Ein Reisender aus BreSlau, der kürzlich in Tost zur Nacht blieb, hat in dem polizeilichen Fremden-Meldezettel die Rubrik „Besondere Bemerkungen" mit der Versicherung „Ein guter Mensch" ausgesüllt. Daraufhin ist jetzt gegen dieselben Strafantrag wegen Beleidigung bezw. Verhöhnung der Toster Polizei gestellt worden.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.