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keinen Tag bleibe ich länger mehr, dachte sie, nun habe ich doch einen triftigen Grund mich von ihm zu trennen. Was würde Emmerich sagen, wenn er erführe, daß Alsenhorn es wagte, mich zu schlagen, und warum, bloß weil ich tanzte. Wie konnten meine Eltern mich an diesen rohen Menschen verheiraten, wie recht hatte mein Vater, er allein warnte mich, er wird mich bei sich aufnehmen bis die Scheidung vorüber ist, und dann dann, wie wird Emmerich sich freuen, wenn ich ge­trennt bin, welch ein unermeßliches Glück erwartet mich. Wenn nur Alsen­horn einwilligt, mich frei zu geben; er muß wohl, denn ich bleibe nicht länger mehr bei ihm, ich verachte ihn, ich hasse ihn. Wie alt und häßlich sah er heute auf dem Eise aus, die Kälte machte seine sonst rote Naie blau. Wo habe ich doch früher meine Augen gehabt. Es ist wahr, ich habe ihn nie so alt, nie so häßlich und unausstehlich gesunden wie jetzt, seit ich Emmerich gesehen.

Am andern Morgen staunte sie, daß die Jungfer nicht wie gewöhnlich kam um ihr bei der Toilette behülflich zu sein, noch mehr aber wuchs ihr Staunen, als sie fand, daß die Thür abgeschlossen war. Der Elende, dachte sie, wagt es wirklich mich einzusperren, es ist schändlich, im eigenen Hause bin ich eine Gefangene. Auf ihr ungestümes Klingen kam Sera­phine, die ihr das Frühstück brachte, tWas soll das Alles!" herrschte sie Lilli zornig an.

Das bedeutet, daß Du vor der Hand so lange in Deinem Zimmer bleiben wirst, bis Du Deine Vernunft wieder erlangt hast. Dein Mann ist wütend über Dich, und ganz mit Recht. Kein Mensch kann es ihm verdenken."

Was that ich denn so schreckliches," unterbrach sie Lilli.

Was Du thatest, fragst Du noch? Du hast gestern mit Deinem gedankenlosen Benehmen die Augen aller Anwesenden auf Dich gezogen. Wie bist Du rot ge­worden, als der Graf kam, Du, eine verheiratete Frau! Hast Du denn gar kein Schamgefühl mehr?"

Schweig," rief Lilli,und maße Dir nicht an, mich zu richten. Ich bin alt genug um zu wissen, was ich will, Du kannst die erste sein, die es erfährt, ich bin fest gesonnen mich von diesem unge­bildeten Menschen. der es sogar wagte, Hand an mich zu legen, scheiden zu lassen. Lieber betteln gehen von Thür zu Thür als seinen Reichtum zu genießen. Der Vater allein meinte es ehrlich, als er mir von dieser Heirat abriet, Ihr, Du und die Mutter habt mich verkauft, weg von der Thür sage ich. hörst Du, ich will fort."

Allein die Thür war verschlossen und Seraphine blieb den ganzen Vormittag im Gemache und versuchte ihr das Thörichke ihres Vorhabens zu erklären. Anfangs widersprach ihr Lilli, dann aber schwieg sie und blieb ruhig, selbst als sich Sera­phine wieder entfernte und die Thür abschloß.

Siebentes Kapitel.

Der Winter war für Elsbeth in größter Gemütsruhe und im reinsten vollsten Glücke

vorübcrgegangen. Onkel Adam aber war nicht so ruhig und sorgenlos wie seine Großnichte.

Den Mann, der sie so gleichgültig eine so lange Zeit ihrem Schicksal überläßt, den kann ich mir nicht vorstellen, dachte er sich. Warum dringt er nicht mehr in Annette. Ein Weib ist bei Liebesge­schichten immer leicht zu gewinnen; ich muß doch wissen, was mit dem Grafen ist Richtig, da fällt mir ein, Maier, der gute alte Maier lebt ja in Tauber. Ein Bruder von ihm ist in Berlin. der soll genaue Erkundigungen über diesen Kolen- berg einziehen. Noch in derselben Stunde schrieb er an Maier und legte ihm seine Bitte betreffs des Grafen vor.

Bald darauf kam eine Antwort, worin es hieß, er habe den Wunsch erfüllt und an den Bruder nach Berlin geschrieben. Graf Emmerich Kalenberg entstamme aus einer alten vornehmen Familie, er sei sehr reich und genieße in allen Kreisen die größte Achtung, kurz er sei im echten Sinn des Wortes ein vollkommener Edelmann. So viel von meinem Bruder, hieß es weiter, mir ist der Graf persönlich bekannt, er lebte einige Zeit in Seewinkel, wo er eine alte Ruine neu aufbaut, obschon aber der Bau im Herbste eingestellt worden ist, blieb er doch den ganzen Winter da, weil er wie man sich erzählt, in die Frau eines hiesigen Fabrikanten verliebt ist, ihr Name ist Dir nicht unbekannt, cs ist näm­lich die zweite Frau Alsenhorns. Diesem Alsenhorn geschieht es gerade recht, er ist fürchterlich eifersüchtig, und es soll böse Szenen gegeben haben. Nach Weihnachten reiste er mit seiner jungen Frau ab, ihre Schwester, Fräulein Stcinecker, blieb im Hause, um die Wirtschaft fortzusühren. Das ausfallendste ist, daß nach der Abreise des Paares auch der Graf Seewinkel ver­ließ. Da jedoch der Bau der Schwanen- burg schon wieder begonnen hat. wird der Graf wieder kommen, denn so viel ich hörte, sind auf der Burg oben mehrere Gemächer für ihn hergerichtet worden. Bis jetzt ist Alsenhorn nebst Frau noch abwesend, er ist gegenwärtig in London. Vielleicht aber sind diese Reisen nicht nur der Frau, sondern vielmehr des Geschäftes wegen unternommen worden. Die Welt ist böse und da es ihm jeder gönnen würde, daß die zweite Frau die erste rächt, wird viel gelogen. Während des Lesens traten dem Onkel die Schweißtropfen auf die Stirn, er seufzte tief und fuhr sich wieder­holt über die Augen, dann legte er das unheilvolle Schreiben bei Seite und sann nach.

(Forts etzung fo lgt.,

Import nordamerikanischen Viehes in Antwerpen.

Seit dem Mai dieses Jahres sind aus New-Uork und Baltimore fünf Schiffe in Antwerpen ein­getroffen, welche zusammen etwa 1100 Stiere und Ochsen nach der alten Welt brachten. An der Spitze dieses Unternehmens steht ein englisches Consortium, welches mit dem Plane umgeht so­fern diese Versuche ein günstiges Resultat ergeben, diesen neuen Import in großartigem Maßstabe zu betreiben. Es sollen allsüann eigene, für den Transport des Viehes eingerichtete Dampfer erbaut werden, die ca. 600 bis 700 Stück Ochsen an Bord nehmen können, und vor allem gedenkt man die Einfuhr von Nordamerikanischem Schlachtvieh auch auf die benachbarten Länder,

speziell aus Frankreich und Deutschland auszu­dehnen. Antwerpen aber soll der einzige euro­päische Hasen bleiben, den diese Dampfer anlaufen, es wird also neben der bereits bestehenden Passa- gier-Dampfer-Linie nach Nordamerika, der Red Star Linie, auch eine Vieh-Dampfer-Linie nach der neuen Welt in Zukunft haben, deren Name uns übrigens noch nicht bekannt geworden und der wahrscheinlich auch noch nicht bestimmt worden ist. Daß diese letztgenannte Dampserlinie wirk­lich ins Leben treten wird, erscheint nach den bis jetzt mit der neuen Vieheinfuhr gemachten Erfahrungen kaum noch bezweifelt werden zu können. Trotzdem, daß man in Belgien vor einigen Jahren ziemlich hohe Einfuhrzölle auf alles fremde Vieh dekretirt hat, verkaufen die Unternehmer das ihrige dennoch erstaunlich billig. Das Kilo lebend Gewicht der Ochsen wird zu 85 Centimes verkauft, und da speziell in der letzten Zeit mehrere Schiffsladungen nacheinander Hierselbst eingetroffen sind, so war die Folge hiervon, daß in Antwerpen alles Ochsenfleisch mit einem Male im Preise erheblich herunterging, ein Ereignis, das von der Antwerpener Bevöl­kerung natürlich mit Heller Freude begrüßt wurde. Dabei sehen die Tiere ganz vortrefflich aus. Sie scheinen durch die Seereise nicht das mindeste gelitten zu haben, und sind dabei so seist und wohl­genährt, daß man hier und da sogar über das zu fette Fleisch derselben klagte. Jedenfalls steht das Eine fest, daß sich das Fleisch dieser nord­amerikanischen Ochsen sofort und ohne jede Schwierigkeit in Antwerpen sowohl wie in Brüssel eingebürgert hat, ja, die Kauflust für denselben war eine so rege, daß die englische Compagnie von dem anfänglichen Plane, einen Teil des Viehes sofort nach Paris weiter transportieren zu lassen, bis dahin ganz absehen konnte. Auch die zwei weiteren, bereits schwimmenden Schiffs­ladungen von Stieren und Ochsen werden sich mit Leichtigkeit hier in Antwerpen, wo der Con- sum an Fleisch ein ganz bedeutender ist, unter­bringen lassen.

Es liegt aus der Hand, daß dieser neue Import auch für Deutschland vom größtem Interesse sein muß und jedenfalls dort die all­gemeinste Aufmerksamkeit verdient. Denn durch denselben werden die deutschen Grundbesitzer und Viehzüchter mit einer ganz bedenklichen Conku- renz bedroht, wenigstens ist das zweifellos, daß, wenn man in Belgien, wo man an sehr gutes Rindfleisch gewohnt ist, dieses amerikanische Fleisch vortrefflich findet, die Einführung desselben auch bei dem konsumirenden Publikum Deutschlands keinen Widerstand finden wird, und wenn es ferner in Belgien trotz der Zölle mit erheblichem Nutzen, wie man uns mitteilte, imporirt werden kann, so wird dies auch in Deutschland der Fall sein können. Die Auslagen für das imporirte Vieh aber werden noch geringere und die Ge­fährlichkeit der Conkurrenz wird mithin eine noch größere für die deutsche Viehzucht werden, sobald erst einmal die speziell für den Transport zu erbauenden Dampfer ihre Fahrten werden be­gonnen haben.

(Pferdekuren.) Ein Tierarzt giebt seinem Assistenten ein Pulver nebst folgen­der Anweisung:Sie schütten dies Pulver in eine Röhre, stecken die letztere ins Maul des kranken Pferdes und blasen ihm das Pulver in den Rachen. Verstanden?" Der Assistent nimmt Pulver und Röhre, kehrt aber nach 5 Minuten aus dem Stalle zurück und windet sich vor Leibschmerzen. Was ist geschehen?" ruft der Tierarzt. Sein Gehilfe antwortet stöhnend:Der Gaul hat zuerst geblasen."

DerNürnb. Anz." produzierte dieser Tage in seinem Bericht über eine Ver­handlung der dortigen Strafkammer, in welcher ein der fahrlässigen Brandstiftung Angeklagter seiner That geständig war, folgende köstliche Stilblüte:Seinen dummen Streich reuig bekennend beantragte der Staatsanwalt 3 Tage Ge­fängnis. "

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Me eh in Neuenbürg.