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„Ich weiß es nichtsagte sie die blendenden Achseln zuckend, „frage Du ihn."
Er ging auf Kalenberg zu und bat ihn um die Ehre seines Besuches.
Schweigend blickte der Graf auf den sich tief vor ihm verbeugenden Mann, dann nickte er leicht mit dem Kopf und sing von anderen Gegenständen mit ihm zu sprechen an. Trotzdem er eigentlich keine Zustimmung seiner Bitte von dem Grafen erhalten, hoffte er doch die nächste Zeit immer, daß dieser kommen würde. Auch die Schwestern hatten ähnliche Gedanken, beide wetteiferten zusammen jeden Tag, wer die schönere Toilette mache und Konstantin war mit der Wahl seiner Frau sehr zufrieden, denn sie trug jetzt immer nur diejenigen Farben, die zu ihrem Teint und zu ihrer übervollen Figur paßten. Sie wollte schön sein und suchte durch ihren Reichtum und den Reiz ihrer Jugend, die in Wahrheit weit schönere Schwester in Schatten zu stellen.
Ich weiß warum sie plötzlich so ganz anders ist, dachte sich Seraphine. aber er kommt nicht. — vielleicht ist es gut, wenn er nicht kommt. — doch nein, sie ist zu langweilig, zu geistlos, auf einen Mann wie Kolenberg kann sie nicht wirken.
„Meine Damen," sagte eines Nachmittags Rittmeister Brem. „haben Sie schon das seltsame Schiff des Grafen gesehen?"
„Was für ein Schiff?" rief lebhaft Seraphine.
„Den Schwan."
„Den Schwan!?" fragte Lilli.
„Er hat sich ein Schiff kommen lassen, woher weiß ich nicht, es ist schon mehrere Wochen hier, erinnern Sie sich nicht, daß eines Morgens vom jenseitigen Ufer so viele Böllerschüsse ertönten."
„Jawohl," erwiderte Seraphine, „was war es, wissen sie cs?"
„Damals wurde das Schiff getauft."
„Wer taufte es?"
Brem schwieg.
„Pah," gähnte Alsenhorn, „ein Schiff „Schwan" zu taufen ist lächerlich, fade. Lilli, Du sollst ein Schiff haben, daß alle Welt erstaunt, ein Schiff, das ganz ver goldet ist, ich taufe es heute schon und zwar mit dem Namen „Die Goldschale."
„Taufte es der Graf selbst," wiederholte beharrlich Seraphine.
„Nein." antwortete Brem, „eine junge Dame. Es soll sehr feierlich zugcgangen sein." fuhr er fort, „das Fräulein hat mit dem Wasser des Sees, über das sie das Zeichen des Kreuzes machte, wie mir ein Arbeiter, der Zeuge der Taufe war. erzählte, in Gegenwart des Grafen das Schiff mit dem von ihr geweihten Wasser besprengt und laut gerufen: Ich taufe Dich Schtvan, was Du trägst,^sei weiß und rein wie das Gefieder eines Schwanes. — „Der Graf," sagte Brem, „ist nun ganz mit Recht der Schwanenritter zu nennen. Der Arbeiter erzählte mir, das Schiff habe die Form eines Schwanes, die beiden Segel bildeten die ausgebreiteten Flügel, und der Graf fahre nur bei Mondnacht und ganz allein in demselben."
Beide Schwestern hatten mit großem Interesse zugehört und nachdem sich Ritt
meister Brem entfernt hatte, fragte Seraphine.
„Wer war die junge Dame, welche das Schiff taufte?"
„Was weiß ich," antwortete Lilli, „warum fragst Du mich?"
„Weil Du es Dir ebenso gut denken kannst, wie ich, wer anders sollte es denn gewesen sein, als seine nächste Nachbarin, Deine ehemalige Freundin, — Deine, — Deine Tochter."
Lillis stets gutgefärbte Wangen verloren einen Moment die Farbe. „Es ist möglich, denn schon der Name, den sie ihm gab, erinnert mich an sie."
„Warum? Sieht sie einem Schwan ähnlich," lachte Seraphine ironisch.
„Einem Schwan, wie Du meinst, nicht, wohl aber erinnert mich alles an ihr im idealern Sinn an einen Schwan. Ich kann das nicht so ausdrücken, aber ich habe das immer so empfunden, als wir noch mit einander befreundet waren. Es ist etwas Stolzes, Reines, Königliches an ihr. das sie vor allen andern Mädchen auszeichnet."
„Ihr kamt Euch natürlich ihr gegenüber wie Enten oder Gänse vor," höhnte Seraphine.
„Wenn Du neben ihr stündest, könnte es schon so sein." erwiderte zornig die junge Frau.
Seraphine sagte nichts mehr, beschloß aber die Bewohner der Rosenvilla näher zu betrachten:
„Kuno," sagte sie noch an demselben Tage, „nimm mich mit, wenn Du wieder Kahn fährst, ich möchte das Rudern lernen."
(Fortsetzung folgt.,
(Untergang der Blondinen.) Nach der Statistik eines englischen Physiologen ist in berechenbarer Zeit das vollständige Verschwinden des blonden Haares zu befürchten. Er weist nach, daß bei allen Erwachsenen die Haare bedeutend nachdunkeln, besonders beim männlichen Geschlecht, wo die nachträgliche Dunkelung des Haares 55 Prozent betragen soll. Bei den Frauen ist das Verhältnis, vielleicht infolge des Minderbedarss an Fettstoffen zur Glättung des Haares, ein geringeres, gleichwohl nimmt auch bei ihnen die Dunkelung so weit zu, daß bei den Kindern das stärkere Hervortreten des dunkeln Haares ziffernmäßig festgestellt werden konnte. Es kommt aber noch der Umstand hinzu, daß sich die Blondinen weit weniger verheiraten als die Brünetten. Derselbe Physiologe stellte die Farbe des Haares von 5000 Frauen über dreißig Jahren in einer mittleren Stadt Englands fest, wobei sich das Verhältnis der Hellen zu den Dunkeln wie zwei zu drei stellte. Von 100 Blondinen aber waren nur 53 verheiratet, dagegen von 100 Brünetten 79. Dieser Statistiker meint deshalb, daß nach etwa 200 Jahren in England die Blondinen fast ver
schwunden sein würden. Man wird jedoch auch zugeben müssen, daß auch in Deutschland das blonde Haar der Germaninnen, von dem Tacitus berichtet, ebenfalls schon merklich im Verschwinden begriffen ist.
(Depeschendienst.) Auf einem Gipfel des bayrischen Hochgebirges stand ein fürstliches Jägerhaus, in welchem ein Forstwart vom guten alten Schlage die Aufsicht hatte. Ehe der Fürst hinauskam, ließ er sich gewöhnlich durch einen Boten anmelden; heute aber schien es besonders zu Pressieren; denn von der nächsten Eisenbahnstation kam eine Depesche zur schleimgen Weiterbeförderung. Um jeden Aufenthalt zu vermeiden, gab sie der Postbeamte einem kleinen Hirtenbuben, der eben zu Hand war und alle Fußsteige kannte. Dieser schob sie behend in die Tasche und rannte spornstreichs bergan, bis er nach mehreren Stunden an Ort und Selle war. Auf sein Klopfen trat der alte Forstwart heraus, der auf eine Meile im Umkreis das einzige menschliche Wesen war. „Eine Depesche Hab ich für dich, Hansei", schreit der kleine Kurier. Neugierig reißt der Alte das Kouvert entzwei und zieht das Telegramm hervor. „Ja, da fehlt nur eins", brummt er dann, ich kann nicht lesen." — „Ja, und ich noch weniger", erwidert der Hirtenbub. — „No, die nächste Woche kommt so der Forstgehilf rauf!" trösten sich dann beide, „der wird uns schon sagen, was drinnen steht."
(Künstliche Edelsteine.) Dem Chemiker Gre- ville Williams von der Londoner Gaslicht-Gesellschaft ist es gelungen, aus Gasretorten-Rück- ständen einen in jeder Beziehung dem echten nahekommenden Smaragd herzustellen. Die Herstellungskosten sind indessen so bedeutend, daß vorderhand keine Gefahr besteht, daß die echten Smaragden ihren Wert einbüßen werden.
(Offenherzig.) Hausfrau: „Das ist nett von Ihnen, uns trotz des Regens zu besuchen. Aber haben Sie nicht heute Ihren Skatabend?" — „Ja, aber unser Mann, der Schulze, hat abtelephoniert, weil er auf den Schießplatz wollte. Mir war das Wetter zu schlecht, auch hinzufahren, und da kam ich lieber zu Ihnen."
(„Wann eßt Ihr denn) eigentlich zu Mittag?" fragte ein geiziger Onkel seine kleine Nichte leise. „Sobald du weggehst, sagt Mama!"
Mutmaßliches Wetter
am Sonntag den 13. Juli.
Die zitternden Bewegungen des Barographen sind ein deutliches Zeichen dafür, daß in den oberen Regionen eine große Unruhe vorhanden ist, wodurch die stetig sich wiederholenden Rückschläge ihre Erklärung finden. Aussicht auf gründliche Besserung ist immer noch nicht vorhanden, weil Westwinde die Oberhand behalten. Demgemäß wird zunächst das unbeständige, regnerische Wetter fortdauern. Nach erheblicher Abkühlung wird am Sonntag sich Aufheiterung einstellen, ob von Bestand ist sehr fraglich. Es fehlt eben an trockenen Ostwinden und dafür sind die Bedingungen nicht gegeben, so lange noch in Rußland niederer Luftdruck herrscht.
Kairo. Jouchtpoeise am 28. Juni 1890.
Heutiger
Höchster
Wahrer
Niederster
Verkaufs-
Getreide-Gattungen.
Verkauf.
Preis.
Mittel - Preis.
Preis.
Summe.
Ztr.
Kernen, alter . .
—
—
—
—-
neuer . .
12
11
25
11
25
11
25
135
_
Roggen, alter . .
—
—
—
—
—
—
—
—
—
neuer . .
2
7
60
7
60
7
60
15
20
Gerste, neue. . .
—
—
—
—
—
—
—
—
—
Dinkel, neuer . .
130
7
65
7
34
7
25
954
55
Haber, neuer . .
51
9
70
9
51
9
30
485
20
Summe
195
1589
95
Für die Redaktion verantwortlich: Chrn. Meeh; Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.