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hatte sie sich fest vorgenommen, denn ich will nicht leiden, die Liebe macht unterwürfig, gehorsam und duldsam, ich aber will keine Sklavin meines eigenen Herzens sein. Und so wurde sie auch keine Sklavin ihres Herzens, wohl aber eine Sklavin ihres Egoismus. Da sie von Kindheit auf gewohnt war, nur mit den Reizen ihres Körpers Wirkung auf die Menschen hervorzubringen, so richtete sich auch ihr ganzer Sinn darauf, ihre körperliche Schönheit in das vorteilhafteste Licht zu stellen. Und mit dem steten Sinnen und Trachten, wie sie sich schmücken sollte, was sie am besten kleiden würde, vergaß sie ganz auf die Empfindungen zu achten, die in der Seele anderer Menschen Vorgehen. Dadurch hatte sie, so schön sie auch war, doch niemals eine wirklich tiefe Liebe einzuflößen vermocht.
Sie sah noch immer auf die Ruine hinüber und wider Willen drängten sich Thränen aus den langen Wimpern hervor. Nein, nein, ich will nicht weinen, es verdirbt meine einzige Macht, meine Schönheit. und diesmal heißt es siegen, — oder sterben. —
Auch Lilli hatte sich, nachdem die Herren den Kaffee eingenommen, in ihr Gemach zurückgezogen, aber sie hing nicht so trüben Gedanken nach wie ihre Schwester, obschon auch auf ihrer Stirn der Unmut zu lesen war. „Er ist ein roher, ungebildeter Mensch," — murmelte sie, „aber was kann ich machen , man muß ihn nehmen, wie er eben ist. Jedenfalls bin ich glücklicher als Seraphine, ich bedaure sie, denn ich glaube nicht, daß sie sich noch verheiraten kann. Dieser Preuße wäre freilich eine gute Partie. Natürlich wäre es angenehmer einen Grafen zum Schwager zu haben, als wie diesen Dorau. An mir soll cs nicht fehlen, ich will alles thun, um den Grafen in das Haus zu ziehen. Wenn nur Alsenyorn mit seinen gemeinen Manieren ihn nicht verscheucht, wenn ein Graf da ist, wird er sich schon zusammennehme». Es wäre wirklich für uns ein unbeschreibliches Glück, denn die Strahlen, welche solch eine Krone verbreitet, würden dann auch über uns leuchten. Aber - aber — ich weiß nicht, der Gedanke, daß Elsbeth ihm so nahe ist, macht mich bedenklich. — Freilich, sie kann was Schönheit betrifft, meiner Schwester nicht das Wasser reichen. Und doch. wenn ich ein Mann wäre, — Elsbeth hat etwas an sich, das unwiderstehlich anzieht. Wenn sie mich mit ihren ernsten, grauen Augen so ansah, da war mir so seltsam zu Mute. Ich habe sie sehr geliebt, — und jetzt ist sie meine Tochter, — die mich verachtet.
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Der Wiederaufbau der Schwanenburg ging überraschend schnell von Statten. Eine Menge deutscher und italienischer Arbeiter waren dabei thätig. Nie noch aber wurde ein so müheseliger Bau wie der auf dem Felsen aufgeführt, wobei man so frohes Singen hörte und so lustige Gesichter sah.
„Ich möchte nicht, daß einer meiner Arbeiter verdrossen wäre." sagte Kolenberg zu Annette eines Morgens, als sie mit ihrer Tochter hinaufgestiegen war, den Bau zu betrachten.
„Das glaube ich wohl," erwiderte sie, „daß die Leute lustig sind, Sie verderben aber die Arbeiter gründlich, Herr Graf, Sie geben den doppelten Arbeitslohn und so oft meine Tochter heraufkommt, wird Bier unter den Leuten verteilt; daß sie da lustig werden, ist nicht zu verwundern."
„Verehrte Nachbarin," lächelte Kolenberg, „schelten Sie mich nicht, daß ich meinen Arbeitern den doppelten Lohn bezahle, ich möchte nicht, daß ein Stein aus den andern mit einem Seufzer gesetzt werden soll, mein künftiges Heim soll in Freude errichtet werden."
„Wahrhaftig, das wird ein imposantes Schloß," rief Annette, als ihr Kolenberg den Plan zeigte und sie herumführte.
„Es ist mehr das Werk Ihrer Tochter," erwiderte er, „ich hatte nicht geahnt, daß in dem kleinen Mädchenkopf das Talent eines Baumeisters steckt."
Voll Stolz sah Annette ihre Tochter an und jubelte in ihrem Herzen über die wunderbare Wandlung, die mit ihr vorgegangen.
Elsbeth war wie gewöhnlich in hellgrauen weichen Stoff gekleidet, das reiche Haar trug sie um den Kopf geschlungen, aber ihre bleiche Gesichtsfarbe blühte jetzt wie eine frische Rose, und die Augen leuchteten in einem Feuer, das sie förmlich verklärte. Wie schön sie ist, dachte Annette, und ein solches Kind konnte er verstoßen, um eines so gewöhnlichen Weibes willen. Dann sah sie auf die hochgewachsene Gestalt des Grafen neben Elsbeth, sah wie seine lebhaften Augen erglänzten, als er sie auf diese richtete. Ein harmonisch zusammenpassendes Paar, dachte sie sich, ein Paar wie von Gott zusammen geschaffen, beide schön, geistreich, edel. Mein Kind, Dich hat Dein Glücksstern in die Schwanenburg geführt.
(Fortsetzung folgt.)
Der Monat Juli.
Im alten römischen Kalender war der Juli der 5. Monat des Jahres, jetzt ist es der siebente, der Hochsommermonat. Im deutschen Kalender erhielt er durch Karl den Großen den Namen Wärmemond oder Regenmonat, im Süden auch Regen- oder Gewittermond. Der Juli ist durch die Gewitter unbeständiger als der Juni und heißer als der August, in dem sich schon kühle Abende einstellen.
Die Natur zeigt sich satt, still schwül; sie bietet die Pracht der Fülle und des Segens; das sinnigste Monatsgedicht verdanken wir Theodor Storm, der dem Juli folgende Zeilen widmet: Klingt im Wind ein Wiegenlied,
Sonne warm herniedersieht;
Seine Aehren senkt das Korn,
Rote Beere schwillt am Dorn,
Schwer von Segen ist die Flur, —
Junge Frau, was sinnst du nur?
Der poetische Karakter des deutschen Hochsommers tritt in zahlreichen Jahressprüchen, in Gedenkversen und in Wetter- und Bauernregeln auf, die in reicher Fülle im Munde des Volkes sortleben. Man hört die Hitze loben und tadeln: „Was Juli und August im Kochen nicht thaten, — läßt der September nicht ungebraten."— „Hundstage hell und klar — zeigen an ein gutes Jahr; — werden Regen sich bereiten, — kommen nicht die besten Zeiten." — „Sommers Höhenrauch in Menge ist Vorbote von Winterstrenge." — „Merkt, daß heran Gewitter zieh, schnappt auf der Weid' nach Luft das Vieh, — auch Wenns die Nasen auswärts reckt, und in die Höh' die Schwänze streckt." — „Im Juli sind Donnerwetter nicht schände, — sie nützen der Luft und dem Lande." — Auf einzelne Julitage weisen folgende Sprüche hin: „Wiedas
Wetter am Siebenbrüdertag — bleibt es 50 Tage nach." — Regnet's am St. Margaretentag, — regnet es vier Wochen nach." — „Warme Helle Jakobi — kalte Weihnachten!" Endlich heißt's noch allgemein: „Ohne Tau kein Regen — heißt's im Juli allerwegen;" — und: „Im Juli muß vor Hitze braten, — Was im September soll geraten."
Im Juli nehmen die Tage wieder ab, anfangs langsam, später stärker. Die Abnahme beträgt 58 Minuten, also beinahe eine Stunde. Davon fällt der größere Teil auf den Vormittag mit 32 Min., der kleinere auf den Nachmittag mit 28 Min. Die Sonne geht nämlich am 1. um 4 Uhr 2 Min., am 31. um 4 Uhr 34 Min. auf, dagegen am 1. um 8 Uhr 5 Min., am letzten um 7 Uhr 39 Min. unter.
(Aus vergangenen Zeiten.) Es hat sich ein Brief des Comthurs der Commende des deutschen Ritterordens Griefstedt bei Erfurt Leopold von Neuhof an seinen Freund, den Trappier des Ordens, Laver von Holzhausen in Mergentheim vom Jahre 1644 erhalten, in welchem derselbe über Neuigkeit berichtet. Darunter kommt unter Anderem auch nachstehende wunderliche Mitteilung vor. „Neues ist unseres Ortes wenig, ausgenommen, daß die Jungfrau Fürgottin, so jetzt die jungen Grasen von Schwarzburg in Sondershausen Hosmeisterin ist, noch solche reizenden Augen hat, daß jüngst ein Cavalier an diesem Hose, so Walther von Geusau heißt, so in Liebe zu ihr entbrannt, daß er sie zur Frau begehret. Es ist aber Jungfer Elslein solches nicht Willens gewest. Darob Junker Walther sich dergestalt betrübt, daß er beim Tische, unterm Gebet, sich ein Messer in den Bauch gestochen, aber doch noch mit dem Leben davon kommen. Das muß eine große Liebe sein. Geschiet das am dürren Holze, was will am grünen werden. Anno 1642, als die Schweden hier gehauset, wäre es besser Zeit für ihn zum Stechen gewesen." — Des Junkers Schreckenstat scheint aber doch Elschens Herz gerührt zu haben, denn ein Jahr daraus wurde sie seine Frau.
(Rangordnung.) Karlchen: Papa, heute stand in der Zeitung, daß Onkel Paul den Rang eines Rates vierter Klasse erhalten hat; das ist wohl mehr als ein Rat erster Klasse? — Papa: Umgekehrt, Karlchen, ein Rat erster Klasse ist bedeutend höher! — Karlchen: Da bin ich ja höher als Onkel Paul, denn der Lehrer sagte heute zu mir, ich sei ein Konsusionsrat erster Klasse.
(Der Mietkontrakt.) Schulze: „Madam! ich muß vor meiner Stubenthür eine Strohdecke haben, sonst wird bei dem schmutzigen Wetter die Stube zu arg mitgenommen." — Madame Meyer: „Kann ich nicht besorgen, davon steht nichts im Mietkontrakt." — (Drei Stunden später) Madam Meyer: „Ach, Herr Schulze, wie ich sehe, gehen sie auf den Ball. Meine Töchter sind auch da, na, da tanzen Sie nur recht flott mit ihnen." — „Kann ich nicht besorgen; davon steht nichts im Mietkontrakt.,,
Gemeinnütziges.
(Kokosnuß.) Durch verschiedene Blätter ging vor kurzem die Nachricht, daß ein italienischer Wundarzt auf einer Reise durch Abessinien in der Kokosnuß ein unfehlbares Mittel gegen Bandwurm kennen gelernt habe. Wie der Brüsseler „Gazetta" aus Holland berichtet wird, sind dort erfolgreiche Versuche mit der wurmtötenden Wirkung der genannten Frucht gemacht worden. Das Kind eines Setzers btt schon längere Zeit an Bandwurm, ohne daß ein Mittel gegen denselben von Erfolg gewesen wäre. Es wurde nun dem Kinde morgens nüchtern zuerst dre Milch und dann das Mark einer Kokosnuß eingegeben. Bier Stunden nachher ging der ganze Wurm mit dem Kops ab. Das Mittel soll nicht die geringste Beschwerde verursachen und kann bei Nichtersolg wiederholt werden.
(Kanarienvögel hänge man nicht vors Fenster.) Die Ursachen des oft plötzlichen Todes der Vögel sind Zugluft und direkte Sonnenstrahlen. Die Kanarienvögel werden im Zimmer gezüchtet und erhalten sich auch nur gut an einem zugfreien Orte im Zimmer.
Für die Redaktion verantwortlich: Chrn. Meeh; Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.