319

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Wildbad. Dem Hrn. Unterlehrer Neusfer hier wurde die Schulstelle in Untcrsontheim, Bez. Hall übertragen.

Neuenbürg. Die Erwartung, daß Heuer der Maikäfer in Massen auftreten werde, ist bereits eingetroffen, denn in der Gegend des unteren Amtes wimmelt es schon au den frisch ausgeschlagenen Bäumen von diesem gefräßigen Insekt. Es herrscht da besonders zur Dämmerstunde ein Säuseln und Summen, daß die Luft schwirrt. Wie schon in früheren Flugjahren hat die K. Re­gierung auch Heuer mittels Erlasses an die K. Oberämter vom 24. März d. I. Vor­schriften hinsichtlich Vertilgung dieses Schäd­lings unserer Feld- und Walderzeugnisse erteilt. Im allgemeinen Interesse möchten wir nachstehend das Hauptsächlichste dieses Ministerial-Erlasses betr. Maßregeln gegen die Maikäfer veröffentlichen:

Sobald die Thatsachc des Vorhandenseins von Maikäfern in größerer Menge erhoben ist, sind die Ortsvorsteher der betreffenden Gemeinden zu veranlassen, ungesäumt Einleitungen zum Sammeln zu treffen.

Wenn die Gemeindebehörden sich nicht ver­anlaßt finden, das Sammeln durch von der Ge­meinde zu bezahlende Personen besorgen zu lassen, so sind (auf Grund der Artikel 51 und 52 in Verbindung mit Artikel 33 des Landes- Polizei-Strafgesetzes vom 27. Dezember 1871) von den Ortsvorstehern oder erforderlichen Falls von den Oberämtern nach vorgängiger Vernehm­ung des Ausschusses des landwirtschaftlichen Be­zirksvereins genaue Vorschriften darüber zu er­teilen, daß und in welcher Weise Maikäfer gesam­melt werden müssen. In diesem Falle ist hiefür die Mitwirkung der im Markungsverbande be­findlichen Grundeigentümer, Pächter oder Nutz­nießer von Grundstücken in der Art in Anspruch zu nehmen, daß dem Einzelnen mit Rücksicht aus den Umfang seines Grundbesitzes und die Größe der den Erzeugnissen desselben drohenden Be­schädigung die Quantität der von ihm täglich oder je nach Verfluß mehrerer (in der Zahl zu bestim­mender) Tage abzuliefcrnden Maikäfer vorge­schrieben wird.

Bei Festsetzung des abzuliesernden Maikäfer- Quantums ist nicht nur die Menge der vorhandenen Maikäfer überhaupt, sondern es sind die hiefür in der Gemeinde verfügbaren Arbeitskräfte in Betracht zu ziehen. In letzterer Beziehung wird bemerkt, daß, da insbesondere zum Auslesen der von den Bäumen abgeschüttclten Käfer die Schul­jugend wohl verwendet werden kann, erforder­lichen Falls bei den örtlichen Schulbehörden da­rauf hmzuwirken ist, daß während der Dauer des Maikäserflugs mit dem Schulunterricht erst in der Tageszeit begonnen wird, welche sich zum Mai­käsersammeln nicht mehr eignet.

Das Sammeln von Maikäfern ist so lange fortzusetzen, als der Flug andauert.

In jeder Gemeinde, in welcher das Sammeln von Maikäfern von Polizeiwegen angcordnet wird, ist durch die Gemeindebehörde ein Aufseher zu bestellen, welcher die täglich gesammelten Quan­titäten unter dem Namen der einzelnen Grund­besitzer in tabellarischer Form zu bezeichnen, die Käfer durch das ihm beizugebcnde Hilfspersonal übernehmen zu lassen und die Ausführung der Tötung der Käser, welche am füglichsten mittelst Einbringen derselben in jeden Tag bereit zu hal­tendes siedendes Wasser geschieht, ferner die Lagerung der getöteten Käser unter Erdschichten und Verwendung derselben zu Dünger zu über- wachen hat.

Kronik.

Deutschland.

Berlin, Dienstag, 6. Mai, nachm. Bei der soeben erfolgten Eröffnung des Reichstags war der Kaiser von den Prinzen des k. Hauses und ansässiger deutscher Fürstenhäuser umgeben. Die Kaiserin und die Prinzessinnen wohnten in der Loge bei. Graf Moltke brachte

bei dem Eintritt des Hofes das Hoch auf den Kaiser aus. Der Kaiser nahm von dem Reichskanzler die Thronrede entgegen und verlas sie mit lauter Stimme, mehr­mals durch lebhaften Beifall unterbrochen. Die Thronrede hofft, der Reichstag werde bedeutsame Fragen der Lösung entgegen­führen, vornehmlich den Ausbau des Arbeiterschutzes. Die Ausstandsbewegung veranlaßte die Prüfung der Frage, ob die Gesetzgebung innerhalb der bestehenden Staatsordnung berechtigten Wünschen der Arbeiter Rechnung trägt. Die Vorlage wird die Sonntagsruhe, Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit, Schutz für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit, Vor­schriften für jugendliche Arbeiter, die weitere bessere Regelung der gewerblichen Schieds­gerichte behandeln. Die dauernde Er­haltung des Friedens bilde unausgesetzt das Ziel des Strebens. Der Kaiser gibt der Ueberzeugung Ausdruck, daß es ihm gelungen ist, bei allen auswärtigen Regierungen das Vertrauen zu der Zu­verlässigkeit seiner Politik zu befestigen.

Mit ihm und seinen hohen Verbündeten erkenne cs das deutsche Volk als die Auf­gabe des Reiches, durch Pflege der zu unserer Verteidigung geschloffenen Bünd­nisse und der mit allen auswärtigen Mächten bestehenden freundschaftlichen Be­ziehungen den Frieden zu schützen und Wohlfahrt und Gesittung zu fördern. Zur Durchführung dieser Aufgabe aber bedarf es der seiner Stellung im Herzen Europas entsprechenden Heeresmacht. Jede Ver­schiebung der Machtverhältnisse gefährdet das politische Gleichgewicht und damit die Gewähr für den Erfolg der auf die Er­haltung des Friedens gerichteten Politik.

Seitdem die Grundlagen unserer Heeresverfasfung für einen bestimmten Zeitraum festgestellt sind, haben sich die Heereseinrichtungen unserer Nachbarstaaten in unvorhergesehenem Maße erweitert und vervollkommnet. Zwar ist auch bei uns nichts unterlassen worden, um unsere Wehr­kraft, soweit dies innerhalb der gesetzlich gezogenen Schranken möglich war, zu stärken. Gleichwohl war das, was in dieser Beziehung geschehen konnte, nicht hinreichend, um eine Verschiebung der gesamten Lage zu unseren Ungunsten aus­zuschließen. Eine Erhöhung der Friedens­präsenzstärke und eine Vermehrung der Truppenkörper, insbesondere für die Ar­tillerie, darf nicht länger hinausgeschoben werden. Es wird dem Reichstag eine Gesetzvorlage zngehcn, nach welcher die notwendige Verstärkung des Heeres mit dem 1. Oktober d. I. in Kraft treten soll.

Berlin, 6. Mai. Die Thronrede findet in hiesigen Kreisen im Allgemeinen günstige Ausnahme. Einige Enttäuschung bereitet das Fehlen jeder Anspielung auf den Kanzlerwechsel.

Berlin, 6. Mai. Erste Sitzung des Reichstags. Alterspräsident Graf Moltke eröffnet die Sitzung. Der Namensaufruf ergab 318 Mitglieder, das Haus ist somit beschlußfähig.

Berlin, 5. Mai. Der Neichsanzeiger schreibt heute abend: Die zu erwartende Militärvorlage bezweckt die notwen­dig gewordene Verstärkung der Feldartillerie durch die Formation von 70 Batterien mit Abteilungsstäbcn, außerdem die Er­

gänzung der beiden neu errichteten zwei Armeekorps an Spezialtrnppen. Die bis­herigen Verstärkungen der Artillerie fanden unter Schwächung der Infanterie bei fest­gehaltener Präsenzziffer statt. Die Ver­hältnisse der Nachbarn gestatten ferner solche Schwächung nicht und es wird da­her eine neue Präsenzziffer gefordert. Ferner stehen in Aussicht Etatserhöhungen bei der Infanterie und Kavallerie an der West- und Ostgrenze, welche bei Eintritt eines Krieges, ohne die Reserven abzu­warten , an die Grenze vorzurücken und feindliche Einfälle abzuwehren be­stimmt sind. Hiefür ist ein höherer Prä­senzstand erforderlich. In den Rcichs- landen besteht bereits ein erhöhter Etat für die Infanterie, mit Ausnahme für die Jägerbataillone. Für Infanterie und Kavallerie ist eine Erhöhung erforderlich auch an der Ostgrenze, wenn auch in ge­ringerem Maße; es sind Etatsverstärkungen beabsichtigt, welche die Sicherheit der Grenzprovinzen erhöhen. Eine weitere Forderung ist bedingt durch die Neuforma­tion einer 5. bayerischen Division. Die gleichmäßige Gliederung der größeren Schlachtenkörper als Grundlage der Frie­dens-Ausbildung, wie der Führung im Kriege ist in Sachsen bereits erreicht, in Preußen durch beide neue Korps ange­strebt; sie soll hierdurch auch in Bayern hergestellt werden. Für Unteroffiziere ist der Einführung von Dienstprämien ent­gegenzusehen. Die erforderlichen Ausgaben für sämtliche beabsichtigte Maßnahmen werden die Summe von 18 Millionen jährlich nicht übersteigen. -

Berlin, 5. Mai. DieBörsenztg." behauptet, statt des Sozialistengesetzes werde dem Reichstag eine Vorlage zu­gehen, welche für Ausschreitungen, be­sonders für die durch Zwang zum Streiken hervorgerufcnen, eine ausnahmsweise strenge Ahndung verlangt.

Berlin, 6. Mai. Der französische Botschafter Herbettc gab gestern abend ein Diner zu Ehren des Reichskanzlers v. Caprivi und des Staatssekretärs v. Marschal l. Geladen waren sämtliche Vertreter der deutschen Staaten und die Militärattaches, auch der württembergische Gesandte Staatsrat v. Moser wohnte dem Diner bei.

Wie verlautet, hat der Minister der öffentlichen Arbeiten die kgl. preußischen Eisenbahndirektionen aufgefordert, sich gut­achtlich zu äußern, wie das Soupieren der Fahrkarten während der Fahrt ver­mieden werden könnte.

Gotha, 2. Mai. Die in Bezug auf das Strafvollzugsverfahren gegen den Redakteur Boshart zu Gotha, dessen Ueber- fnhrung in die Gefängnisanstalt zu Ichters­hausen und die demselben dort widerfahrene Behandlung im Disziplinarwege statt­gehabten amtlichen Ermitttlungen, haben, wie mitgeteilt wird, unlängst ihren Ab­schluß erlangt und zunächst zu disziplinärem Einschreiten gegen diejenigen Beamten ge­führt, welche Vernachlässigung ihnen ob­liegender Dienstpflichten und sonstige Ver­fehlungen beizumessen waren.

Köln, 3. Mai. Der Verwaltungsrat des Zoologischen Gartens genehmigte den Vorschlag des Direktors, 2 Nilpferde, ein Männchen und ein Weibchen, für je 10000