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Mizellen.
Am Held und Heldeswert.
Roman von M. Widdern. lNachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Es war ein sauberes kleines Gebäude mit einem Gärtchen davor, vor welchem nun das Wägelchen hielt. Man schien den Gast zu erwarten, denn durch die Scheiben blinkte Licht.
Nachdem Willibald seinem Fuhrhcrrn bezahlt und dieser mit dem Wägelchen umgewandt hatte, klopfte er an die Thür des Häuschens. Gleich darauf hörte man im Innern des winzigen Baues leichte Schritte. Dann aber fragte eine Stimme, die ihm das Herz stürmisch schlagen machte, in italienischer Sprache:
„Wer ist da?"
„Willibald Grimani-Fronert," erwiderte er und die ganze tiefe Erregung, in welcher er sich befand, zitterte durch den vollen Ton seiner Stimme.
„Gott, Allmächtiger, ich danke Dir!" rief es drinnen. Nun wurde ein Riegel zurückgeschoben, die Thür flog auf und —
„Lilli, arme teure Lilli!" flüsterte Grimani und streckte seine Hände dem bleichen, jungen Weib entgegen, das wie ein Engel vor ihm stand, „Lilli, o Himmel, ich fasse es immer noch nicht, daß Sie leben, wirklich leben!"
Ein Schauer durchrieselte ihre schlanke Gestalt, „weil cs ein Wunder von Gott ist," flüsterte sie. „Aber Sie sollen alles erfahren, wie ich gerettet und die Absicht jener entsetzlichen Menschen, denen ich so blind gefolgt war, vereitelt worden. Doch vorerst kommen Sie herein in mein Stübchen: meine neue alte Pflegerin und ihr liebes Enkelkind schlafen bereits. Ich aber fühlte es, daß Sie meinem Brief sofort Folge leisten würden und habe deshalb alles zu Ihrem Empfang vorbereitet. Oben im Häuschen ist ein hübsches Giebelstübchen, dort können Sie ausruhen von der langen Reise, nachdem Sie bei mir zu Abend gegessen und meinen Bericht empfangen haben."
Wie in den Kinderjahren: Hand in Hand gingen sie auch jetzt über den schmalen Flur nach einem sauber gehaltenen Stübchen, das der Sitte des Landes gemäß eingerichtet war. Auf dem Tisch war ein kleines Souper servirt. Aber Willibald vermochte nur wenige Bissen über die Lippen zu bringen. Doch von dem Wein, welchen Lilli ihm kredenzte, trank er mit Wohlbehagen.
„Lilli, ,arme kleine Frau," sagte er dann, „und nun erzählen Sie endlich, wie konnte sich das Entsetzliche zutragen und und wie ist cs möglich, daß ich Sie lebend vor mir sehe, während man in L—feld schon ihren Totenschein besitzt und daran geht, in wenigen Tagen auch Ihr Testament zu öffnen?"
Sie schauerte in sich zusammen. Nun rückte sic ihren Stuhl näher an den einfachen Sessel heran, in den sie Willibald mit sanfter Gewalt gedrückt:
„Es ist ein Scnsationsroman, den ich durchlebt," hauchte sie dann, „wie ihn die lebhafteste Phantasie sich nicht haarsträubeu-
Für die Redaliion verantwl
der erdenken kann. Aber urteilen Sie selbst, mein Freund. Ich will Ihnen der Wahrheit gemäß die Geschichte erzählen.
Sie hatte seine Hand gefaßt, als tröstete es sic. die Rechte des erprobten Freundes in der ihren zu halten, während sie von jenen Elenden sprach, denen zu Liebe sie alle ihre Getreuen von sich gewiesen.
Und doch vergingen Minuten, ehe sie begann:
„Willibald, Sie wissen, wir — die Heuchlerin und ich — wollten in San R. bis zu meiner Vermählung mit Guido bleiben. Aber merkwürdig! Seitdem der Ruchlose ebenfalls Italien betreten hatte und täglicher Gast in der Billa Signora Carlottas war, schob er den Termin unserer Verbindung immer weiter hinaus. Mich befremdete das natürlich, aber selbstverständlich zeigte ich keine Empfindlichkeit. Dann kam jener Tag, den das verbrecherische Paar lange vorbereitet hatte. Wir unternahmen am Nachmittag wie so oft eine Wasserpartie auf dem Strom, trotzdem die Signora davon abgeraten, da sich der Himmel äußerst bewölkt zeigte.
Schon bald nach dem Besteigen des Bootes fiel mir das eigenthümliche Wesen Guido's auf. Seine sonstige Ruhe hatte ihn vollständig verlassen. Er sprach hastig und unzusammenhängend. Und dabei glühten seine Augen in unheimlichem Feuer.
Mich überfiel eine namenlose Angst.
„Laß uns umkehren bat ich denn auch, und setzte schüchtern hinzu: „Ich fürchte, ein Unwetter zieht herauf."
Er sah mich an, dann lachte er, wie ich es nie vorher von ihm gehört. Wenn ich hundert Jahre alt werden sollte, so würde ich doch bis zu meinem letzten Atemzuge dieses grausame Lachen nicht vergessen. Nun bezwang er sich aber — sichtlich mit Aufgebot seiner ganzen seelischen Kraft: „Sei kein Närrchen, Schatz," meinte er, „es ist der schönste Tag von der Welt!" Mit kraftvollem Arm ließ er dabei die Ruder ausgreifen und bald waren wir weit — so weit vom Land entfernt, daß meine Stimme kein menschliches Ohr mehr zu erreichen vermocht hätte.
Guido sah wieder düster auf den Strom hinaus, auch Katharina sprach nicht. Sie saß, blaß wie ein Marmvrbild neben mir und ich bemerkte deutlich, daß ihre Hände zitterten.
Wieder überfiel mich namenlose Angst.
„Guido, wenn Du mich wirklich liebst, kehre jetzt um," flüsterte ich und hob die gefalteten Hände flehend zu ihm auf.
„Nein, nein und tausendmal nein!" erwiderte er mir da aber und ließ von neuem die Ruder ausgreifcn. — Wieder flog daS Boot mit uns dahin: weiter und immer weiter.
„Guido, was beabsichtigst Du, was willst Du?" rief ich jetzt ahnungsvoll.
Da beugte er sich zu mir nieder. Ich fühlte seinen heißen Atem an meiner Wange: „Jetzt ist endlich die Stunde gekommen, in der ich Rache an Dir nehmen kann!" zischte er mir dann in das Ohr.
„Rache?! — Allmächtiger Gott, wofür denn? Was that ich Dir, Guido?"
Er sah mich wieder an mit diesem wilden, entsetzlichen Blick. Für einen
rtlich: Chrn. Meeh; Druck und Verlag von I
Moment faßte mich die Angst, er könne plötzlich den Verstand verloren haben. Katharina und ich befänden uns in der Gewalt eines Irrsinnigen.
Da warf er das eine der Ruder jäh in den Nachen und die Hand, die es gehalten, packte meinen Arm:
„Rache — wofür?" wiederholte er jetzt: „Ich will es Dir sagen, indem ich Dir endlich meinen wahren Namen nenne."
„Guido, so, so hast Du mich wirklich betrogen, Dich unter falschem Namen in mein Haus cingeführt? !"
Er lachte wieder. Dann sagte er langsam:
„Ich bin der Neffe Deines verstorbenen Mannes — Guido Vormissen, den Du, gleich seinem Bruder Alfred, durch berechnete Koketterien aus dem Herzen seines zweiten Vaters gedrängt. Die schöne Dame aber, welche Dir da zur Seite sitzt, ist — mein Weib. Katharina kam nur zu dem Zweck nach L—feld, um mir den Weg zu Deinem Vertrauen zu bahnen - den Weg, auf dem die kurländischen Vormissen einzig noch in den Besitz dessen kommen konnten, um was Du sie bestohlen."
Ich stieß einen verzweiflungsvollen Schrei aus. In diesem Augenblick fühlte ich mich aber auch schon von den Armen des Elenden gehoben und über Bord geschleudert.
Nur einen Moment rang ich mit den Fluten, dann verließ mich das Bewußtsein.
(Fortsetzung folgt.)
Stuttgart. Das Stuttgarter „Neue Tagblatt" enthält eine von der „Bürgerhospitalpflege" veröffentlichte „Submission auf Lebensmittel". Als solche werden darin genannt außer „Mastochsenfleisch, Leber, Eisbeinen" und anderen guten Dingen auch „Kern- und Schmierseife, Soda, Lichter, Erdöl und Lampenöl." Wir dachten, daß Liebhaber derartiger Leckerbissen ein wenig weiter östlich wohnten.
(Kladd.)
Der „Kladderadatsch" bingt in seinem Briefkasten folgende Notiz: Für 40 Pf. können Sie sich den ganzen Reichstag kaufen und in die Westentasche stecken. Wir meinen das allerliebste Büchlein: „Der neue Reichstag" von Joseph Kürschner das mit den Portraits sämtlicher Reichstagsmitglieder, soweit dieselben zu erlangen waren, ausgestattet ist. Nachdem zu dem Konversationslexikon und dem Literaturkalender dieses parlamentarische Büchlein hinzugekommen ist, kann man wohl sagen:
Was Namen hat im Vaterland,
Trifft man bei Kürschner an Wer nie in einem Kürschner stand,
Ist kein berühmter Mann.
(O diese Druckfehler!) In einem Schweizer Blatte finden wir nachstehende wirklich erquickliche Meldung über die Pläne der italienischen Opposition: „Neapel, 22. April. Magliani's große Rede auf dem Bankett in Neapel hatte den schon zum Voraus bekannten Inhalt. Er setzte die Ursachen des Defizits auseinander, kritisierte das grenzenlose Anwachsen des Kriegs- und Marinebudgcts und will freundschaftliche Beziehungen zu allen — Mädchen."
tk. Meeh in Neuenbürg.