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verschiedener Kreise vereinigte, waren die Erlasse noch nicht bekannt. Die Bevölkerung, welche bisher ausschließlich unter dem niederdrückenden Einfluß der Annahme des Rücktrittsgesuches stand, fühlt sich durch die herzliche Wärme der kaiserlichen Erlasse und die überzeugende Versicherung der Aufrechterhaltung der Friedenspolitik Bismarcks allgemein erleichtert. Die „Deutsche Zeitung" sagt, noch fehle die klare Antwort auf die bange Frage, ob denn das Ereignis nicht verhütet werden konnte. Den jungen Kaiser aber begleiten Segenswünsche aus Millionen deutscher Herzen auf seinem schweren und doch mit so hoher Begeisterung betretenen Herrscherwege.
(Str. P.)
Ausland.
Paris, 20. März. Die Blätter bringen allerhand kuriose Details über die Gründe der Entlassung des Fürsten Bismarck. Wir gehen darauf nicht ein. Die Größe des Mannes wird in der französischen Presse rückhaltlos anerkannt. Ein Blatt, wie der „Figaro", welches dem Kanzler nicht grün war, wundert sich, daß deutsche Oppositionsblätter soweit gehen können, bei seinem Rücktritt eine „wilde Freude" zu äußern.
Paris, 21. März. Die Nachricht von der Genehmigung des Entlassungsgesuchs des Fürsten Bismarck hat die früheren Befürchtungen wieder belebt. Die Börse, die gestern etwas fester war, ist heute wieder unruhig. Die Renten und fast alle Werte sind abgeschwächt.
Paris, 21. März. Wie verschiedene Blätter melden hätte die gestern vorgenommene . teilweise Probemobilmachung der in Paris garnisonierenden Kavallerie befriedigende Ergebnisse gehabt.
Rotterdam, 18. März. Die Polizei entdeckte eine weitverzweigte Fälscherbande, welche Antwerpener und Brüsseler Stadtlose nachmachtc. Dieselbe ist verdächtig, auch spanische und preußische Staatspapiere nachgemacht zu haben.
Aus Spanien, 19. März. Das Land, besonders der südliche Teil wird von starken Erdbeben heimgesucht, wie sie etwa im Jahre 1884 stattfanden. Besonders stark waren die Erdbewegungen in Malaga, Granada, Alhama und anderen Orten. Die Richtung der Stöße ist nordwestlich. An vielen Orten vernimmt man unterirdisches Getöse. Das Wetter war kalt und regnerisch.
MisMen.
Km Held und Heldeswert.
Roman von M. Widdern.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Sie stand jetzt in dem großen Garten unter den alten Obsibäumen. Es war so völlig dunkel geworden und Katharina vermochte es nicht, die Grenze des Terrains mit den Augen zu erreichen. Aber sie wußte trotzdem ganz genau, wo das kleine Hinterpförtchen lag, durch das man in eine schmale Gasse gelangte, welche gerade auf den Friedhof mündete. Fast alle Tage machte sie ja mit der Senatorin diesen Weg, wenn sie auch den Garten
selbst auf einem andern Weg erreichten, als durch ihre eigenen Gemächer. Das alte Patrizierhaus war reich an Aus- und Eingängen. Die größere Hälfte derselben wurde aber nicht benutzt, zu ihnen gehörte auch die Treppe, welche Katharina heute hinabgeschlichen war — so leise und behutsam wie ein Dieb_
„Vorwärts — vorwärts denn in jedem Fall!" flüsterte das Fräulein jetzt und schritt die breite Apfelbaumallee hinunter, welche den ausgedehnten altmodisch gehaltenen Garten genau in zwei Hälften teilte. Aber immer wieder wandte sie den Kopf, ob es nicht hell geworden im Treppenhause und die Verfolger bereits hinter ihr wären — die Diener Lilli Vormissens, welchenatürlich meinen mußten, ein Fremder hatte sich in das Haus geschlichen und es auf diesem Weg wieder verlassen — vielleicht mit reicher Beute beladen. Aber der alte graue Bau, oder vielmehr der Teil desselben, welchen sie übersehen konnte — lag dunkel und still wie ein Grab hinter ihr.
Katharina atmete erleichtert auf. Nun aber faßte sie ihre Gewänder zusammen und stürzte förmlich der kleinen Pforte im Hintergrund des Gartens zu. Erst als sie auch diese durchschritten, fühlte sie sich sicher. Und doch stand ihr noch das schwerste ihres abenteuerlichen Ganges bevor: den Weg über den Kirchhof. Das Herz klopfte ihr denn auch zum Zerspringen, als sie denselben vor sich liegen sah. Die hohen Grabmäler leuchteten gespenstisch durch das Dunkel und hin und wieder glaubte sie es hinter sich rascheln zu hören. Aber Katharina raffte immer wieder all' ihren Mut zusammen und sah weder rechts noch links. Nur immer vorwärts — vorwärts! Auf diese Weise hatte sie auch bald den Gottesacker hinter sich.
„Wenn ich heimkehre, befinde ich mich unter Guidos Schutz," flüsterte sie, als ihr dann für einen Moment erschreckend der Gedanke kam, daß sie denselben Weg heute noch einmal passieren mußte. „An Guidos Seite von seinem Arm geführt, aber ging ich selbst durch die Hölle." . . .
Eine Viertelstunde später und schon befand sich die Günstlingin der Senatorin auf dem Bahnhof. Während Lilli Bormissen daheim mit herzlicher Teilnahme Katharina ihres qualvollen Kopfleidens wegen bedauerte, saß diese wohlbehalten im Damenzimmer des Empfangsgebäudes bei einer Tasse Chokolade und erwartete mit hochschlagendem Herzen den Zug, welcher ihr Guido bringen sollte.
Endlich — Endlich hörte sie den Zug heranbrausen. Mit einer Ungeduld, die man leider mir selten unter Geschwister findet — stürzte sie jetzt hinaus und eilte, da der Train bereits stand, auf den Teil desselben zu, welcher die Wagen der zweiten Klasse enthielt. — Da aber fühlte sie sich plötzlich von hinten um den Hals gefaßt und eine tiefe Männerstimme flüsterte ihr lachend zu: „Da bin ich Kathi! — dort drinnen würdest Du mich vergebens gesucht haben. Was denkst Du denn Schatz? Meine Mittel erlauben mir nicht, eine so weite Reise in der zweiten Wagenklasse zu machen."
„Guido!!" Sie hing jauchzend an seinem Hals. „O, mein Guido — alle
Heiligen seien gepriesen, daß ich Dich endlich wieder habe! Und wie wohl Du aussiehst, wie schön!!"
Ihre nachtdunklen Augen hasteten zärtlich — bewundernd an der stattlichen Männergestalt mit dem regelmäßigen, von blondem Vollbart umrahmten Gesicht. Dann lehnte sie plötzlich aufschluchzend ihren Kopf an seine Brust: „Guido, Du sollst Dein Ziel erreichen! Aber werde ich
— ich nicht zu Grunde gehen, wenn ich sehen muß —
„Still, still hier von unserem Plan, Kathi," raunte er ihr zu, während sich ein seltsam harter Ausdruck über sein Antlitz breitete. Dann faßte er seinen Koffer in die linke Hand und bot Katharina seinen rechten Arm. „So, nun komm mein Herz laß uns vor allen Dingen eine kleine Erfrischung einnehmen. Wie lange hat Dir denn die hochgeschätzte Frau Senator Urlaub gegeben?" unterbrach er sich plötzlich in eigenthümlich wegwerfendem Ton.
„Urlaub" — Katharina lachte. „Lilli Vormissen hat keine Ahnung davon, wo ich mich augenblicklich befinde! Hahaha — ich habe ihr ein jämmerliches Lied von rasenden Kopfschmerzen gesungen und bin dann mit der Bitte, mich gänzlich in der Ruhe zu lassen, in meine Gemächer und scheinbar zu Bett gegangen. Wir können also heute bei einander bleiben, Guido, so lange es uns beliebt. — Selbstverständlich — wenn Du mir das Versprechen giebst, mich hernach nach Hause zu begleiten. Um die Welt möchte ich den Weg, welchen ich Dir zu Liebe heute zurückgelegt , nicht noch einmal allein am späten Abend gehen!
„Nun natürlich darfst Du auf meine Begleitung rechnen," erwiderte er schon im Vorwärtsgehen. ...
Kaum eine halbe Stunde später finden wir das Paar an einem Tisch im Empfangssaal erster Klasse hinter einem feinen Abendessen sitzen, das Herr Guido aus der Börse Katharinas bezahlen wollte.
„Ich kann Dir im Augenblick leider nur die paar Thaler geben. die Du in dem Börschen findest." flüsterte Katharina dem Bruder zu, als sie ihm verstohlen unter dem Tisch das seidene Geldtäschchen reichte. „Morgen aber erhältst Du mehr
— so viel, daß Du davon den Monat über bis zu Empfangnahme des ersten Gehalts Deine notwendigen Ausgaben bestreiten kannst.
„Bist Du so gut bei Geld?" fragte Guido.
Sie lächelte. „Frau Lilli überschüttet mich mit Geschenken und außerdem ist ihre Kasse — meine Kasse. . . . Weißt Du, Guido." setzte sie dann leise hinzu, „es thut mir eigentlich leid, daß gerade dieses harmlose Geschöpf die Gattin des Senators werden mußte."
(Fortsetzung folgt.)
(Das ist so'n Gerücht.) Jude: „So bezahlen Sie mir doch die Kleinigkeit, sehr geehrter Herr! Sie wissen ja doch, wer bezahlt seine Schulden, thut verbessern seine Güter!" — Student: „Glauben Sie doch den Schwindel nicht, das ist nur so'n Gerücht, was die Gläubiger ausgesprengt haben."
Für die Redaktion verantwortlich: Chrn. Meeh; Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.