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dem Könige zum Direktor der Zentralstelle für Landwirtschaft ernannt worden.
Auf dem Schloßplatz in Stuttgart ist jetzt wieder Gelegenheit geboten, den Mond mit seinen Gebirgen und die bedeutendsten sichtbaren Sterne durch ein gutes Teleskop beobachten zu können. Der Besitzer desselben war schon in früheren Jahren hier, hat aber Heuer den Preis für die Benützung von 30 auf 20 Pfg. reduziert.
Eßlingen, 20. Jan. (Botanisches.) Die Botaniker unseres Landes dürfte es interessieren, zu erfahren, daß der gewöhnlich im März blühende Haselnußstranch (6orzlu8 ^.vellrmu) in der Umgegend von Eßlingen schon seit einigen Tagen in vollster Blüte steht.
Gedenket der armen Vögel! Mit der eingetretenen kalten Witterung mahnt es jeden Freund der Tierwelt, auch der hungernden Böglein zu gedenken; sie sind so dankbar dafür. Küchenabfälle, Brosamen werden begierig von ihnen verzehrt. Durch solche Fütterungen kann man Scharen von Singvögeln für den Sommer erhalten, die sich durch Vertilgung von Ungeziefer dann so nützlich machen.
Oesterreich.
Wien, 30. Jan. Nach einer Blättermeldung zerstörten 500 excedierende Glasarbeiter einige Schleifmühlen in Neudorf und Wiesenthal (Bezirk Gablenz). Zwei Excedenten wurden getötet, mehrere verwundet. Abends rückte Militär von Reichenberg dahin ab.
Pest, 30. Jan. Die von Wien und Pest nach Abbazia berufenen Aerzte erklärten Graf Andrassh's Zustand für hoffnungslos.
Ausland.
Haag, 30. Jan. Die erste Kammer nahm heute das Kriegsbudget mit 33 gegen 3 Stimmen an. Der Kriegsminister betonte, er sei der festen Ueberzeugung, daß eine etwaige Mobilisierung befriedigend verlaufen werde und erklärte sich eventuell bereit, im Generalausschuß jede gewünschte Auskunft zu erteilen. Die Kammer war hiemit jedoch nicht einverstanden, da der Ausschuß die fraglichen Mitteilungen nicht beurteilen könne; die Verantwortlichkeit müsse dem Kabinette verbleiben.
Miszellen.
<Lin Schwanengesang
von L. Rode.
Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit Klingt ein Lied mir immerdar.
O wie liegt so weit! O wie liegt so weit, Was mein einst war! —
Ein Heller warmer Sommertag neigt sich seinem Ende zu. Die Sonne steht bereits am abendlichen Himmel und sendet ihre letzten Strahlen über das anmutige Thal, in welchem das zwar nicht große aber wohlhabende Dorf Freudenau liegt.
Auf einer kleinen Anhöhe mitten im Dorfe erhebt sich die schöne Kirche mit hohem spitzen Thurm, dessen Uhr eben die siebende Stunde verkündet; und kaum ist der letzte Schlag verhallt, da beginnt das Abendgeläut, das seine harmonischen Klänge weit über das Thal hinstreut.
Dicht neben der Kirche zeigt sich das große, freundliche Schulhaus. Es ist das schönste Haus des Dorfes, — da Freudenau Filiale ist, fehlt die Pfarre, — und liegt inmitten eines Gärtchens, das einem wahren Schmuckkästchen gleicht. Die Fenster sind weit geöffnet, lebhaftes Gespräch schallt dem Ankommenden entgegen.
Uebrigens hat das Schulhaus heut ein besonders festliches Kleid angelegt. Die äußere Thür, sowie die in den gepflasterten Flur mündenden Zimmerthüren sind mit Guirlanden umzogen. Treten wir rechts in das Schulzimmer, so sehen wir die Wände gleichfalls mit Guirlanden und Kränzen geschmückt; auf den Tischen befinden sich mancherlei Dinge, denen man'S sofort ausieht, daß es Festgeschenke sind: eine prachtvolle Bibel in Goldschnitt, mehr als ein bunt gesticktes Kissen, allerlei Porzellan- und Glasgeschirr, ein mächtiger Baumkuchen, und der zur Seite des Katheders aufgepflanzte große und bequeme Lehnstuhl hat sicher auch erst heut seinen Einzug ins Schulhaus gehalten.
Der alte würdige Lehrer des Orts, Wilhelm Friedheim ist sein Name, feiert heut sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum. Zwar hatte er sich jede öffentliche Feier des Tages verbeten, aber die Liebe seiner Gemeinde, zumal der Jugend, sowie die Teilnahme seiner Freunde und Kollegen hat es sich nicht nehmen lassen, ihm eine unverhoffte Freude zu bereiten.
Die Thür links führt in das Wohnzimmer des Jubelgreises; dort finden wir ihn in der Mitte der Festgenossen, die sich um ihn versammelt haben.
Ein ehrwürdiger Greis, der alte Friedheim! Langes, silberweises Haar füllt ihm über die Schulter herab; sein Haupt ist ist gebeugt, aber aus den klaren blauen Augen leuchtet ein Schimmer von der Jugend, die nie altert. In dem Antlitz spiegelt sich bei allem Ernst eine Sanftmut und Milde, die es begreifen läßt, daß das ganze Dorf, die Alten wie die Jungen, an ihm hängt und ihn lieb hat.
Die um ihn zur Festfeier Versammelten sind jüngere Kollegen aus der nächsten Nachbarschaft, die er meist selbst zu ihrem Berufe vorgebildet hat. Ihm zur Rechten sitzt seine einzige Enkelin, Röschen Friedheim, seit etlichen Wochen die Braut des jungen Lehrers Wendel aus Netzlingen, der den Platz zur Linken des Großvaters eingenommen hat. Obgleich der Tag dem Greise manche Aufregung gebracht, ihm manche geistige und körperliche Anstreng ung zugemutel hat, ist ihm doch äußerlich keine Spur von Ermüdung auzumerken, und wenn in diesem Augenblick das bisher so lebhaft geführte Gespräch verstummt, wenn der Jubilar still und wehmütig, wie in sich selbst versunken, vor sich hinblickt, so ist die Ursache keine andere, als daß sein Geist die fünfzig Jahre treuer und gesegneter Arbeit, die verflossen sind, durcheilt, sich die frohen wie die trüben Ereignisse derselben vergegenwärtigt und zuletzt bei der Zeit verweilt, da der Jüngling hoffnungsreich und begeistert seinen Beruf antrat.
Eine geraume Weile wagte niemand das Schweigen zu unterbrechen und den Greis in seinem Nachdenken zu stören.
Endlich faßte sich Röschen, die seit dem frühen Tode ihrer Eltern im Hause des Großvaters aufgewachsen und mit den Gewohnheiten desselben am besten vertraut war, ein Herz legte die Hand auf seine Schulter und sagte leise:
„Woran denkst du, Großpapa? — Sind's wieder die alten Zeiten, in welche du zurückschaust?"
„Ja, mein Kind," lautete die Antwort, „die alten Zeiten sind es, deren ich gedenke; und da werden denn auch die alten Erinnerungen wieder wach, die alten Bilder steigen wieder auf, die alten Wunden bluten neu; aber über ihnen allen" — fügte er, wie verklärt emporblickend, hinzu, — steht des alten Gottes alte Treue, die mich bis hierher geleitet und getragen, und die im Trösten, im Erfreuen, im Segnen und im
— Vergeben nie müde geworden ist. — Fast möcht ich mit dem Erzvater Jakob sprechen: Ich hatte nicht mehr denn den Stab, da ich über den Jordan ging, und nun — bin ich zwar nicht zwei Heere geworden wie Jener, — nein fast stehe ich ganz einsam da in der Welt, — Weib und Kind — o wie lange schlafen sie schon im kühlen Grabe, nur ein einziges Blümlein blüht auf meinem Wege; — aber dennoch bin ich zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die der Herr an mir gethan. Er hat Gelingen gegeben zu meiner Arbeit, — ein tüchtiges Geschlecht habe ich vor mir aufwachsen sehen,
— er hat mich die Liebe meiner Gemeinde, das Vertrauen meiner Vorgesetzten finden lassen, er hat mir treue Freunde geschenkt, er hat mir ein verhältnismäßig rüstiges ruhiges Alter beschicken: was verlang ich mehr? Mag er mich nun ausspannen, wann er will, — ich bin bereit. Mir ahnt, die Stunde ist nicht fern."
„O sprich nicht so, mein einziger Großpapa," fiel Röschen ein. „Sieh', mein Hugo und ich, wir wollen dich schön pflegen und hüten und es dir gewiß an nichts fehlen lassen, und wenn du erst, was ja deine Absicht ist, dein Amt niedergelegt hast, dann ziehst du zu uns herüber nach Netzlingen und ruhst aus."
„Möge Gott," fiel einer der Anwesenden ein, „unfern hochverehrten Lehrer und Freund noch lange erhalten und ihm insonderheit die Frische des Geistes bewahren , die gegenwärtig sein schönster Schmuck ist, daß sein Alter sei wie seine Jugend" -
„Jugend, Jugend!" sagte leise vor sich hin der Greis. Dann aber sich gewaltsam aufraffend, fuhr er fort: „Wohlan, meine Freunde, laßt mich am heutigen Tage zurückkehren in die Zeit der Jugend! Laßt mich mit euch wieder jung werden! Laßt mich, bis heut die Stunde des Scheidens schlägt, euch erzählen, wie mir'S vor fünfzig Jahren beim Eintritt ins Schul- meisteramt erging. — Ja, wenn ich's recht erwäge, sind cs besonders drei Tage, die mächtig in mein Leben eingegriffen und sich mir unvergeßlich eingeprägt haben. — Wollt ihr mich hören? — Wer weiß, ob es nicht die letzten Worte sind, die ihr aus meinem Munde vernehmet!"
(Fortsetzung folgt.f
Für die Redaktion verantwortlich: Chrn. Meeh; Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.