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bare Betrag bemessen wird, seien für Wandergewerbe höher als für den stehen­den Gewerbebetrieb nicht zutreffend ist. Diese Ansicht wäre richtig, wenn das stehende Gewerbe die gleichen Produktions- Bedingungen hätte, wie das Hausierge- gcwerbe, dies ist aber nicht der Fall, der Hausierer setzt sein Betriebskapital min­destens 20mal um, bis der ansäßige Ge­werbetreibende Imal, die beiden Klassen­tafeln können deswegen gar nicht mit einander verglichen werden. Aus dem gegebenen Beispiel geht hervor, daß der ansässige Gewerbetreibende beinahe doppelt so hoch in der Steuer veranlagt ist, als der-Hausierer. Von der in dem neuen Gesetz-Entwurf vorgesehenen Erhöhung der, Steuer für Hausiergewerbe, wird der größte! Teil der Hausierer gar nicht betroffen, weil ihr Steuerkapital unter 100 cM be­trägt, nur diejenigen, welche einen um­fangreichen Hausierhandel treiben, erhalten eine Zulage von einigen Mark. Der an­gestrebte Zweck, die ansäßigen Gewerbe­treibenden vor der ihnen durch den Hausier­handel zugehenden Benachteiligung zu schützen, wird hierdurch um so weniger erreicht, als die Hausiersteuer unserer Nachbarstaaten sehr bedeutend höher ist, als in Württemberg. Derselbe Hausierer, welcher bei uns künftig mit einer Gesamt­abgabe von 20 v/L 60 pr. Jahr belegt wird, muß in Baden und Bayern pr. Jahr 120 bezahlen, es ist deshalb kein Wunder, daß Württemberg die größte Anzahl von Hausierern hat, (vor 25 Jahren 3000 und jetzt nahezu 30,000), die Zahl ausländischer Hausierer wird durch die niedere württ. Besteuerung fort­während vermehrt und dadurch den an­säßigen Gewerbetreibenden ihr Einkommen geschmälert. Diesem Uebelstand entgegen­zutreten, ist um so mehr Aufgabe der Ge­setzgebung, als die Inhaber stehender Ge­werbe bessere Stützen des Staats und der Gemeinden sind, als die Hausierer; es ist zu bedauern, wenn die Zahl der ersteren abnimmt, die Zahl der Hausierer aber sich vermehrt. Der ansäßige Gewerbetreibende bezahlt nicht nur seine Steuern, er nimmt auch sonst Anteil an den Pflichten und Lasten des öffentlichen Lebens, er trügt für gemeinnützige Zwecke Zeit und Geld bei, während der ausländische Hausierer die Gemeinden und das Land abweidet und dann wieder verläßt. Für die Be­dürfnisse des Volkes ist nicht einmal der 10. Teil der Hausierer notwendig, min­destens d/i, derselben existieren zur Be­lästigung und zum Schaden des Publi­kums, sie vergeuden die Zeit, in der sie Nützliches leisten könnten in zwecklosem Hin- und Herreisen. Faßt man diese Ge­sichtspunkte ins Auge, so wird man keinen Augenblick darüber im Zweifel sein können, daß es notwendig ist, die Hausiergewerbe- steucr in einer Weise zu regeln, daß sie nicht nur der Steuer, welche vom stehen­den Gewerbe erhoben wird, zum mindesten gleichkommt, sondern auch, daß sie zur Verminderung der großen Zahl ausländ­ischer Hausierer der Wandergewerbesteuer unserer Nachbarstaaten gleichkommt. Um dieses Ziel zu erreichen, genügen die Be­stimmungen des vorliegenden Gesetz-Ent­wurfes nicht, wie an obenangeführten

Beispielen nachgewiesen ist. Die Staats­steuer von Wandergewerben muß erhöht werden, es solle unter Verlassung des jedenfalls bezüglich der Wandergewerbe unzweckmäßigen Ertragsteuersystems, ein Hausiergewerbesteuertarif ausgestellt wer­den, nach welchen die Staatssteuer für die einzelnen Hausiergewerbe unter Berück- ! sichtigung der volkswirtschaftlichen Bedürf­nisse eingeschätzt werden; dieser Steuertarif würde dann die Grundlage für die Kommunalbesteuerung bilden. Bei diesem Steuertarif könnten die althergebrachten Hausierartikel berücksichtigt und zu Gunsten alter und gebrechlicher Personen Ausnahme­abstufungen gemacht werden. Die Aus­dehnungsabgabe sollte höher, als in dem Entwurf vorgesehen, bemessen werden und für den einzelnen Oberamtsbezirk mindestens den fünften Teil betragen.

Im Hinblick darauf, daß der vorliegende Gesetzes-Entwurf in keiner Weise geeignet ist, den begründeten Klagen der Handel- und Gewerbetreibenden über Benachteilig­ung durch die Hausierer Rechnung zu tragen, hat die Handels- und Gewerbe­kammer Calw beschlossen, an die Kammer der Abgeordneten die Bitte zu stellen, dem eingebrachten Gesetzes-Entwurf die Ge­nehmigung zu versagen und an die K. Regierung die Bitte zu richten, dieselbe möge in möglichster Bälde einen Gesetzes- Entwurf einbringen, welcher auf Grund eines fixen Steuertarifs die Staalssteuer von Hausiergewerben und auf dieser Grundlage die Ausdehnungsabgabe in einer der Wandergewerbesteuer der benachbarten Staaten gleichkommenden Höhe regelt.

Ausland.

Newyork, 14. Jan. Gestern abend wütete in Clinton (Kentucky) ein fürchter­licher Orkan. Er zerstörte 55 Häuser, 11 Personen wurden getötet und gegen! 50 verletzt.

Miszellen.

Aus den

Aufzeichnungen eines Unmündigen.

(Nachdruck verboten-)

(Fortsetzung.)

15. April. Jeden Tag dieselbe Qual. Je wärmer es wird, desto mehr drücken die Kleider; manchmal schrie ich so kläglich, daß die Amme mich wirklich in liegende Stellung bringt, aber dann kehrt sie mein Gesicht nach oben und die Sonne;, die schon recht grelle Strahlen wirft, scheint mir dann gerade in die Augen. Die Amme hat einen Sonnenschirm, hält ihn aber immer so, daß ich keinen Schatten abbekomme. Wenn das lange dauert, werde ich schnltcrlahm und blind.

18. Mai. Gott sei Dank, die Kleider sind nicht mehr wattiert, und obgleich sie von ihrer Länge nichts eingebüßt haben, trage ich sie doch leichter. Auch geht es mit dem Sitzen nun schon besser, das Häufchen Unglück" hält sich recht hübsch gerade und sieht in seinem Hellen Anzug und Strohbarett ganz gut aus. Ich weiß das, denn unzähligemal wird es mir auf der Straße gesagt, leider! leider! Mama hat mir ein rotes Band ans Hand­gelenk gebunden, gegen dasBerufen",

aber ich glaube, so stark kann die Wirkung des Mittels nicht sein, daß es all die Schmeicheleien und Liebkosungen, die mir angethan werden, unwirksam machen könnte. O, das reizende Puttelchen", heißt es alle Augenblicke,wem gehört es?" Und nun geht es an ein Herzen und Schmatzen, daß ich vor Angst nicht weiß, wohin, und ich muß mir die Küsse gefallen lassen, ob sie von blühenden, rosigen Lippen kommen, oder von so kranken, widerwärtigen, daß ich am liebsten mit der rot umbänderten dicken kleinen Faust mich zur Wehre setzen möchte. Welche Prüfung ist cs, schön zu sein!

9. Juni. Ich trage ausgeschnittene Kleider und um den fetten Hals eine Korallenschnur. Man findet mich sehr hübsch, die Küsserei dauert mit unge­schwächten Mitteln fort, aber ein anderer Mißbrauch hat sich dazugesellt, Wir wohnen in der Sommerfrische, ein gemein­schaftlicher Garten wird von vielen Parteien benutzt, und unter diesen wandere ich von Hand zu Hand, weil jeder meine Schön­heit undPossierlichkeit" bewundern will. Ich protestiere schreiend dagegen, da ich es nicht angenehm finde, wenn man mir mit ausgestrecktem ZeigefingerKille, kille" macht und ich nicht weiß, wohin ich mich wenden soll, um dem Kitzeln und Necken, dem Dalbern und Tändeln zu entgehen. Ich will nicht possierlich sein, ihr Leute, hört ihr's? Ich will euch nicht amüsieren, laßt mich in Frieden. Hah, wenn ich größer wäre und es ihnen so machen könnte, wie sie miii, möcht' sehen, ob sie es fertig brächten, freundlich dazu zu sehen.

(Schluß folgt.)

Berlin. Unsere Damenwelt dürfte die Nachricht interessieren, daß am Sams­tag der österreichische Damenhutmode- Verein die neuen Hutmoden für das Frühjahr und den Sommer festgestellt hat. Von 250 eingeschickten Formen wurden 53 ausgewählt und 5 prämiirt. Nach der vorgenommenen Modewahl haben die breiten Formen wiederum das Feld be­hauptet. Zumeist wurden lichte Natur­farben gewählt mit a, four geflochtenem Stroh. Erster Preis: Ein breiter, nach vorne sich schaufelartig abbiegender Hut, nach Art der-seiner Zeit beliebten schwarzen Schäferhüte mit niederem, länglichem und kantigem Kopfe. Zweiter Preis: Ein breitkrämpiger Hut, dessen Blenden nach rückwärts sich Heraufbiegen und in der hintersten Partie einen etwa zehn Zenti­meter breiten Ausschnitt haben. Dritter Preis: Ein breiter Hut, dessen Krämpen auf der rechten Seite einen Einbug zeigen. Die Form erinnert an die ehemals ge­tragene Stuart-Fatzon. Vierter Preis: Ein spanischer Bolero-Hut mit kantigem Kopfe und nach rückwärts schmäler aus­laufender , aufrecht stehender Krämpe. Fünfter Preis: Ein oval auslaufender Schirmhnt mit rundem Kopf und Fächer- krämpe. (N. N.)

Westessungen auf den KnzLHLLer

können täglich bei allen Postämtern ge­macht werden.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me»h in Neuenburg.